L 2 SF 15/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 15/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Bundesagentur für Arbeit ist, wenn sie als Trägerin der Grundsicherung für Arbeit auf der Grundlage von § 44b Abs. 4 SGB II einzelne Aufgaben wie z.B. den Forderungseinzug für eine gemeinsame Einrichtung wahrnimmt, vor den Sozialgerichten von der Pflicht zur Entrichtung einer (Pausch-)Gebühr aus § 184 SGG befreit.
Auf die Erinnerung wird die Feststellung einer Gebührenschuld in Höhe von 225,00 Euro zu Lasten der Erinnerungsführerin wegen des Verfahrens L 7 AL 51/15 NZB im Gebührenverzeichnis vom 3. Februar 2016 aufgehoben.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung einer Pauschgebühr nach § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Jobcenter Wetterau, einer gemeinsamen Einrichtung der Erinnerungsführerin und des Wetteraukreises, stand gegenüber der Klägerin des Ausgangsverfahrens ein bindend festgestellter Anspruch auf Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von knapp 850 Euro zu, mit dessen Einziehung das Jobcenter die Beklagte beauftragt hatte. In diesem Zusammenhang mahnte die Erinnerungsführerin die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit Schreiben vom 1. Juli 2014 und setzte gleichzeitig eine Mahngebühr in Höhe von 4,50 Euro fest. Der entsprechende Bescheid in Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2014 und darüber hinaus die Mahnung waren im Ausgangsverfahren streitig. Dieses endete, nachdem das Sozialgericht (SG) Gießen (Az.: S 20 AL 188/14 verbunden mit S 20 AL 219/14) die Klage durch Gerichtsbescheid vom 6. Mai 2015 abgewiesen hatte, durch Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 29. Dezember 2015 (Az.: L 7 AL 51/15 NZB), mit dem das LSG die Beschwerde der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückwies.

Durch Gebührenverzeichnis vom 3. Februar 2016 ist wegen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens eine (Pausch-)Gebührenschuld in Höhe von 225,00 Euro gegenüber der Erinnerungsführerin festgestellt worden. Dagegen hat diese am 16. Februar 2016 (Schreiben vom 12. Februar 2016) Erinnerung eingelegt, der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat (Verfügung vom 7. März 2016). Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe den Forderungseinzug im Auftrag des SGB II-Trägers auf der Grundlage von § 44b Abs. 4 SGB II durchgeführt und sei daher nach § 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – von Gerichtsgebühren befreit. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass das Verfahren ohne Urteil geendet habe, so dass sich die Gebührenpflicht, wenn sie denn bestehen sollte, gemäß § 186 SGG auf die Hälfte ermäßigt habe.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
die Feststellung der Gebührenschuld in Höhe von 225,00 Euro wegen des Verfahrens L 7 AL 51/15 NZB im Gebührenverzeichnis vom 3. Februar 2016 aufzuheben.

Die Erinnerungsgegnerin hat auf eine Äußerung verzichtet.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum Erinnerungs- wie zum Ausgangsverfahren, die bei der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.

II.

Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Die Erinnerungsführerin wendet sich zu Recht gegen die Feststellung einer Gebührenschuld für das Verfahren L 7 AL 51/15 NZB.

Die Erinnerungsführerin hat, wie in § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG vorgesehen, gegen die Feststellung der Gebührenschuld durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Verzeichnis nach § 189 Abs. 1 Satz 1 SGG binnen Monatsfrist das Gericht angerufen. Die Erinnerung ist damit zulässig.

Sie ist auch begründet. Die Erinnerungsführerin ist hinsichtlich des Verfahrens L 7 AL 51/15 NZB nicht (pausch-)gebührenpflichtig.

Zwar sieht § 184 Abs. 1 SGG vor, dass Kläger und Beklagte, die – wie die Erinnerungsführerin – nicht zu den in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Personen gehören, für jede Streitsache eine (Pausch-)Gebühr zu entrichten haben, deren Höhe sich aus § 184 Abs. 2 SGG und § 186 SGG ergibt. Die Erinnerungsführerin ist jedoch auf Grund von § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X in Verfahren wie dem vorliegenden nicht kostenpflichtig. Nach dieser Vorschrift sind (u.a.) die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Verfahren vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit von den Gerichtskosten befreit, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die dem hier nicht einschlägigen § 197a SGG unterfallen.

Diese Vorschrift ist auf die Erinnerungsführerin anwendbar, wenn sie – wie hier – für eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II Forderungen nach dem SGB II einzieht. § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X stellt ohne Einschränkung die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende von der Kostenpflicht frei. Zu den Trägern der Leistungen nach dem SGB II gehört aber gerade (auch) die Erinnerungsführerin, wie in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II ausdrücklich festgeschrieben ist. Dass die Träger zur einheitlichen Durchführung der Aufgaben der Grundsicherung gemeinsame Einrichtungen zu bilden haben (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II), ändert an der Stellung der Erinnerungsführerin als Träger der Grundsicherung nichts (vgl. so auch SG Magdeburg, Beschl. v. 16. Dezember 2014 S 4 SF 3/14, NZS 2105, 200): Die gemeinsame Einrichtung nimmt zwar die Aufgaben der Träger wahr (§ 44b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 SGB II); die Trägerschaft selbst nach §§ 6 ff. SGB II bleibt davon aber ausdrücklich unberührt (§ 44b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB II). Auch § 19a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) – Allgemeiner Teil – nennt als zuständigen Träger der Leistungen der Grundsicherung für Arbeit (u.a.) die Agenturen für Arbeit bzw. die Erinnerungsführerin. Nachdem nun § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X explizit und uneingeschränkt von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende (und nicht von den Jobcentern o.Ä.) spricht und kein Anlass für die Annahme besteht, dass der Begriff im Rahmen des SGB II einerseits und des SGB X andererseits einen wesentlich anderen Gehalt hätte, kann kein durchgreifender Zweifel daran bestehen, dass sich die Erinnerungsführerin auf die Vorschrift berufen kann, wenn sie im Bereich der Grundsicherung tätig wird.

Nimmt sie, wie dies § 44b Abs. 4 SGB II ausdrücklich ermöglicht, einzelne Aufgaben im Rahmen des SGB II wahr – wozu nach den Gesetzesmaterialen (vgl. BT-Drs. 17/1555 S. 24) gerade auch der Forderungseinzug gehören kann –, dann tut sie das vor dem geschilderten Hintergrund nicht als Dritte, bei der die Anwendung von § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X fraglich sein müsste, insbesondere wenn sie im eigenen Namen tätig wird. Vielmehr fällt im Anwendungsbereich von § 44b Abs. 4 SGB II die Aufgabenwahrnehmung, die grundsätzlich den gemeinsamen Einrichtungen (Jobcentern) übertragen ist, für einzelne Aufgaben an den bzw. einen der Träger zurück, der dann als solcher tätig wird. Die Erinnerungsführerin muss somit nach Auffassung des Senats nicht erst in die Stellung eines Leistungsträgers einrücken (so aber SG Darmstadt, Beschluss vom 28. März 2013 – S 13 SF 7/13 E), sondern ist dies schon von Gesetzes wegen, auch wenn ihr in anderen Fällen die Wahrnehmungszuständigkeit für die Aufgabenerfüllung entzogen ist.

Dabei kommt es nach Auffassung des Senats (anders wohl Thüringer LSG, Beschluss vom 11. Juni 2015 – L 6 SF 502/15 E) auch nicht entscheidend darauf an, ob die (Rück )Übertragung der Aufgaben wirksam erfolgt ist und den im Rahmen von § 44b Abs. 4 SGB II zu formulierenden Anforderungen genügt (vgl. zu diesen Knapp, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 44b Rn. 102 ff., den soeben zitierten Beschluss des Thüringer LSG sowie Hanke, SGb 2015, 259); jedenfalls gilt dies, seitdem die Möglichkeit der Rückübertragung durch § 44b Abs. 4 SGB II in der ab 1. Januar 2011 geltenden und auf das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112) zurückgehenden Fassung ausdrücklich eröffnet ist (zur alten Rechtslage: Thüringer LSG, Beschluss vom 19. Februar 2015 – L 6 SF 70/14 E). Wenn sich nach heutiger Rechtslage bei einer von der Erinnerungsführerin auf der Grundlage von § 44 Abs. 4 SGB II wahrgenommen Aufgabe im Einzelfall Fehler auftun, kann dies (nur noch) zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des konkreten Handelns – z.B. des Forderungseinzugs – führen, wird aber regelmäßig – und auch hier – nicht in Frage stellen können, dass die Bundesagentur für Arbeit insoweit in ihrer Eigenschaft als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende tätig wird. Anders gewendet: Wenn die Erinnerungsführerin im Einzelfall zum Forderungseinzug nicht befugt ist, hat sie dies zu unterlassen und wird ein gerichtliches Verfahren, in dem es darauf ankommt, verlieren; das ändert aber nichts daran, dass sie auch in einem derartigen Verfahren als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende tätig wird, selbst wenn sie dazu im Einzelfall nicht berechtigt war. Der Senat sieht daher keinen Anlass für weitere Ermittlungen hinsichtlich der Aufgabenübertragung und deren Rechtmäßigkeit im Einzelfall, jedenfalls wenn – wie im hiesigen Ausgangsverfahren – kein Zweifel daran besteht, dass die Erinnerungsführerin für eine gemeinsame Einrichtung bei der Durchsetzung einer Forderung aus einem Rechtsverhältnis nach dem SGB II tätig geworden ist (vgl. ähnl. auch SG Marburg, Beschluss vom 16. Dezember 2014 – S 4 SF 3/14).

Nach allem hat die Erinnerungsführerin für das hiesige Ausgangsverfahren keine (Pausch-)Gebühr zu entrichten.

Jedenfalls im hiesigen Verfahren ist eine Kostenentscheidung nicht zu treffen, nachdem Gerichtskosten nicht anfallen und die obsiegende Erinnerungsführerin Kostenerstattung nicht verlangen kann.

Dieser Beschluss ist gemäß 189 Abs. 2 Satz 2 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
Saved