L 4 R 2145/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1700/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2145/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. April 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 als Beitragszeit anstelle einer Anrechnungszeit sowie ohne Absenkung des Zugangsfaktors.

Der Kläger ist am 1954 geboren und bei der Beklagten rentenversichert. Vom 26. August 1986 bis 21. Juni 1988 absolvierte der Kläger eine Ausbildung zum Maschinenbautechniker. Die damalige Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik zahlte dem Kläger für die Zeit vom 26. August 1986 bis 21. Juni 1988 Übergangsgeld sowie für die Zeit vom 22. Juni 1988 bis 12. Juli 1988 Anschlussübergangsgeld und erstattete der damaligen Krankenkasse des Klägers (BKK S.-Z.) Beiträge zur Rentenversicherung, was deren Rechtsnachfolgerin (Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro) der Beklagten auf deren Anfrage mit Schreiben vom 13. November 2009 mitteilte. Auf Anfrage der Beklagten bescheinigte die damalige Krankenkasse des Klägers (C. Z. BKK) den Bezug von Übergangsgeld ohne Beitragsanteil des Klägers und übersandte eine Aufstellung der "Reha-Beiträge RV".

Auf Grund eines im Rahmen eines vor dem Sozialgericht Ulm (SG) geführten Rechtsstreits (S 11 R 3395/10) geschlossenen Vergleichs bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15. August 2012 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2010. Die Beklagte legte der Rentenberechnung einen Zugangsfaktor von 0,892 zugrunde. Die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 21. Juni 1988 wurde als Anrechnungszeit wegen einer vom Krankenversicherungsträger gemeldeten Arbeitsunfähigkeit, die Zeit vom 22. Juni 1988 bis zum 12. Juli 1988 als Anrechnungszeit wegen einer von der Agentur für Arbeit gemeldeten Arbeitslosigkeit anerkannt. In dem dem Rentenbescheid beigefügten Versicherungsverlauf war zudem die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 21. Juni 1988 als Zeit der Fachschulausbildung genannt.

Mit Bescheid vom 31. August 2012 berechnete die Beklagte die Rente ab dem 1. Dezember 2010 neu. Die Neuberechnung erfolgte auf Grund von Änderungen des Kranken- und des Pflegeversicherungsverhältnisses.

Der Kläger erhob am 17. September 2012 Widerspruch gegen die Bescheide vom 15. und vom 31. August 2012. Der Versicherungsverlauf sei für die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 ungeklärt und nicht vollständig erfasst. Es seien insoweit keinerlei Beiträge eingestellt.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2013 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Zeitraum vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 nicht ungeklärt sei. Für diesen Zeitraum seien rentenrechtliche Sachverhalte vorgemerkt. Für den Zeitraum vom 26. August 1986 bis zum 21. Juni 1988 sei eine vom Krankenversicherungsträger gemeldete Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit und für den Zeitraum vom 22. Juni 1998 bis zum 12. Juli 1988 eine vom Arbeitsamt gemeldete Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit anerkannt. Hierbei handele es sich offensichtlich um Zeiten eines Sozialleistungsbezuges, während denen der Kläger Beiträge für Anrechnungszeiten nicht ganz oder teilweise getragen habe. Es seien Anrechnungszeiten nach § 252 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entstanden. Beitragszeiten lägen hier nicht vor, da solche nach § 247 Abs. 1 SGB VI nur dann entstehen könnten, wenn die gezahlten Beiträge vom jeweiligen Versicherungsträger (gemeint wohl: Versicherten) mitgetragen worden wären. Ausgehend von den vorliegenden Meldungen treffe das hier nicht zu, so dass Beitragszeiten nicht anerkannt werden könnten. Darüber hinaus sei vom 26. August 1986 bis zum 21. Juni 1988 eine Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung anerkannt. Bei jeder Rente wegen Erwerbsminderung, die vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen werde, ergebe sich nach § 77 SGB VI ein Abschlag. Der Gesetzgeber habe bestimmt, dass auf alle Renten wegen Erwerbsminderung ein maximaler Abschlag von 10,8 Prozent (für 36 Monate vorzeitig Inanspruchnahme) entfallen dürfe. Für Versicherte, die mindestens 40 Jahre (480 Monate) an rentenrechtlichen Zeiten (Beitragszeiten, Berücksichtigungszeiten und Ersatzzeiten) aufwiesen, bestimme § 77 Abs. 4 SGB VI, dass Abschläge abgestellt auf das 63. Lebensjahr zu ermitteln seien. Der Kläger habe 449 Monate an rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt, die zur Prüfung des Vertrauensschutzes nach § 77 Abs. 4 SGB VI heranzuziehen seien. Damit lägen nicht mindestens 480 Monate vor. Auf die Rente wegen Erwerbsminderung ergebe sich seit dem Rentenbeginn am 1. Dezember 2010 somit ein Abschlag von 10,8 Prozent.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 15. August 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2013 zurück. Zur Begründung wurden die Ausführungen aus dem Schreiben vom 7. Februar 2013 wiederholt.

Hiergegen erhob der Kläger am 11. Juni 2013 Klage beim SG. Er wandte sich gegen den Bescheid vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013, soweit die Rente mit Rentenabschlägen berechnet worden war und es den Zeitraum vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 betrifft. Dieser Zeitraum sei durch die Berufsgenossenschaft berechnet und mit Bruttoverdienst an die Beklagte gemeldet worden. Für diesen Zeitraum seien auch Rentenversicherungsbeiträge am 5. Oktober 2004 abgeführt worden. Insgesamt seien EUR 5.747,11 über die Krankenkasse als Rentenversicherungsbeiträge abgeführt worden. Da für diesen Zeitraum Beiträge gezahlt und auch aus Bruttoarbeitsentgelt an die Beklagte gemeldet worden seien, sei es falsch, für diesen Zeitraum Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit im Rentenverlauf zu belegen. Dass sich die Beklagte trotzdem auf § 252 SGB VI berufe, sei falsch. Dieser Verweis auf die genannte Vorschrift sei nur bei Leistungen durch die Krankenkasse oder das Arbeitsamt zulässig, da nur hier Meldungen ohne Zahlung an die Beklagten erfolgten und somit eine Anrechnungszeit entstehe. Auf Grund seiner Behinderung seien keine 480, sondern lediglich 380 Mitgliedsmonate nötig. Der Kläger verwies auf eine (vorgelegte) Bestätigung der BKK a. vom 30. Juni 2014, in der beitragspflichtige Einnahmen des Klägers vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 in Form von Übergangsgeld ohne Beitragsanteil des Versicherten bescheinigt wurden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Strittig sei nicht, ob für die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 Beiträge aus dem Verletztengeld/Übergangsgeld zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt worden seien. Strittig sei vielmehr, ob der Kläger an der Beitragstragung beteiligt gewesen sei. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, in denen der Versicherte Sozialleistungen bezogen habe, seien gemäß § 252 Abs. 2 SGB VI Anrechnungszeiten, soweit der Sozialleistungsträger Beiträge nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden § 112b Abs. 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) gezahlt habe. Sozialleistungsträger im Sinne dieser Vorschrift seien nicht nur die Krankenkassen, sondern außer der Bundesanstalt für Arbeit auch alle sonstigen Sozialleistungsträger (Träger der Kriegsopferversorgung einschließlich der Kriegsopferfürsorge sowie der gesetzlichen Unfallversicherung). Nach § 247 Abs. 1 SGB VI seien diese Anrechnungszeiten nur dann auch Beitragszeiten, wenn der Versicherte diese Beiträge zumindest teilweise mitgetragen habe. Seien Versicherte und der Leistungsträger an der Zahlung der Beiträge beteiligt gewesen, seien diese Zeiten Pflichtbeitragszeiten. Insbesondere aus der Beitragsrechnung der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik ergebe sich, dass die zu zahlenden Beiträge ausschließlich durch die Berufsgenossenschaft gezahlt worden seien. Der Kläger sei eindeutig nicht an der Beitragstragung beteiligt gewesen. Bei den nachgewiesenen Beiträgen handele es sich also offensichtlich um Beiträge für Ausfallzeiten nach § 112b AVG in der Fassung vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1988. Die BKK a. habe mit Datum vom 30. Juni 2014 eine schriftliche Korrekturmeldung hinsichtlich des streitbefangenen Zeitraums erteilt. Die Meldung sei zu entnehmen, dass der Kläger vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 Übergangsgeld erhalten habe. Der Meldung sei darüber hinaus eindeutig zu entnehmen, dass vom Kläger kein Beitragsanteil mitgetragen worden sei.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2015 ab. Der Zeitraum vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 sei zu Recht nicht als Beitragszeit, sondern als Anrechnungszeit berücksichtigt worden. Der Kläger habe in dieser Zeit Übergangsgeld erhalten und den Beitragsanteil nicht bzw. noch nicht einmal zum Teil selbst getragen. Der Kläger habe im Übrigen noch nicht einmal behauptet, einen Beitragsanteil im streitigen Zeitraum selbst getragen zu haben. Auch die Absenkung des Zugangsfaktors um 10,8 Prozent sei rechtmäßig. Darauf, ob die Berufskrankheit und der damit verbundene Rentenbezug auf eigenem Verschulden beruhe oder nicht, komme es nicht an. Ebenso stelle § 77 Abs. 4 SGB VI ausdrücklich auf einen Zeitraum von 40 Jahren ab, der nicht erfüllt sei. Eine Absenkung dieser zeitlichen Vorgaben wegen Behinderung auf 380 Monate, wie der Kläger meine, sehe das Gesetz nicht vor.

Gegen den ihm am 30. April 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Mai 2015 Berufung eingelegt. Für die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 seien die Zahlungen der Carl Zeiss BKK als beitragspflichtige Einnahmen deklariert. Die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro habe mit Schreiben vom 13. November 2009 der Beklagten mitgeteilt, dass entsprechende Rentenversicherungsbeiträge gewährt worden seien. Dies sei durch ein weiteres Schreiben der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik vom 30. Juni 2004 bestätigt worden. Ferner habe die Technische Schule Aachen mit Schreiben vom 7. Januar 2004 bescheinigt, dass er in dem Zeitraum vom 26. August 1986 bis zum 21. Juni 1988 die zweijährige Fachschule für Technik/Maschinentechnik in Aalen besucht habe. Vor diesem Hintergrund könne es sich nicht lediglich um die Anrechnungszeiten handeln, sondern vielmehr um Beitragszeiten.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 27. April 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 15. August 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. August 2012 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1998 als Beitragszeit und mit einem Zugangsfaktor von 1,0 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf den angegriffenen Gerichtsbescheid.

Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 12. November 2015 erörtert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, denn der Kläger begehrt höhere Leistungen für länger als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31. August 2012 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2013 ist rechtmäßig, soweit er vom Kläger angegriffen wird. Der Kläger wendet sich gegen die Berücksichtigung der Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 als Anrechnungszeit statt als Beitragszeit sowie gegen die Absenkung des Zugangsfaktors.

Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf höhere Erwerbsminderungsrente sind die Regelungen der §§ 54 ff. SGB VI über die rentenrechtlichen Zeiten und der §§ 63 ff. SGB VI über die Rentenhöhe. Rentenrechtliche Zeiten sind gemäß § 54 Abs. 1 SGB VI Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Berücksichtigungszeiten. Die Höhe einer Rente richtet sich nach § 63 Abs. 1 SGB VI vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Der Monatsbetrag einer Rente ergibt sich gemäß § 63 Abs. 6, § 64 Nr. 1 bis 3 SGB VI, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Die persönlichen Entgeltpunkte ergeben sich gemäß § 66 Abs. 1 SGB VI, indem die Summe aller Entgeltpunkte unter anderem für Beitragszeiten mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt werden.

a) Die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 ist zu Recht als Anrechnungszeit und nicht als Beitragszeit bei der Berechnung der Rente des Klägers berücksichtigt worden.

Anrechnungszeiten sind unter anderem gemäß § 252 Abs. 2 SGB VI Zeiten, für die die Bundesagentur für Arbeit in der Zeit vom 1. Januar 1983 oder ein anderer Leistungsträger in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1997 wegen des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeiträge oder Beiträge für Anrechnungszeiten gezahlt hat.

Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Zeitraums vom 26. August 1986 bis zum 12. Juli 1988 erfüllt. In diesem Zeitraum erhielt der Kläger Übergangsgeld, für das die damalige Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik Rentenversicherungsbeiträge zugunsten des Klägers gezahlt hat (Schreiben der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro vom 13. November 2009). Entgegen der Auffassung des Klägers sind andere Leistungsträger im Sinne des § 252 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI im Übrigen auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. etwa Mittendorff, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 252 Rn. 28).

Die Zahlung der Beiträge unter anderem zur Rentenversicherung allein durch die damalige Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik entsprach der damaligen Rechtslage. Nach dem in den Jahren 1986 bis 1988 geltenden § 112b Abs. 1 Satz 1 AVG hatten die Sozialleistungsträger, unter anderem der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, für Ausfallzeiten – die Zeit der Ausbildung/Umschulung des Klägers war eine Ausfallzeit (§ 36 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AVG; seit 1. Januar 1992 Anrechnungszeit) – von Personen, die von ihnen unter anderem Übergangsgeld gezahlt erhielten, für den Bezug dieser Leistungen Beiträge zu zahlen, wenn die Personen vor Beginn dieser Leistung zuletzt nach dem AVG pflichtversichert waren. Die Beiträge waren nach § 112b Abs. 1 Satz 2 AVG nur bei Bezug von Krankengeld und Verletztengeld, sofern diese Geldleistung nicht in Höhe der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen sind, von den Beziehern und dem Leistungsträger jeweils zur Hälfte zu zahlen; in den übrigen Fällen – mithin bei der wie im Falle des Klägers erfolgten Zahlung von Übergangsgeld – waren die Beiträge allein von den Leistungsträgern (hier der damalige Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik) zu zahlen.

§ 247 Abs. 1 SGB VI greift nicht zu Gunsten des Klägers ein. Nach § 247 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Beitragszeiten (auch) Zeiten, für die in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1991 für Anrechnungszeiten Beiträge gezahlt worden sind, die der Versicherte ganz oder teilweise getragen hat. Für den hier streitigen Zeitraum hat der Kläger indes die Beiträge weder ganz noch teilweise getragen. Dies ergibt sich unter anderem aus der Meldung/Bescheinigung der BKK a. vom 30. Juni 2014. Danach bezog der Kläger zwischen dem 26. August 1986 und dem 21. Juni 1988 Übergangsgeld ohne eigenen Beitragsanteil.

Aus der vom Kläger vorgelegten Abrechnung der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik vom 5. Oktober 2004 ergibt sich nichts anderes. In ihr wird lediglich der Erstattungsanspruch der Krankenkasse des Klägers gegen die Berufsgenossenschaft berechnet; soweit Beiträge zur Rentenversicherung vom Erstattungsanspruch erfasst waren, betrafen diese ausdrücklich nur die "Trägerbeiträge". Auch aus dieser Abrechnung ergibt sich daher nicht, dass der Kläger eigene Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 26. August 1986 bis zum 21. Juni 1988 entrichtet hat. Auch aus der (inzwischen überholten) Meldung der C. Z. BKK, einer Rechtsvorgängerin der BKK a., dem Schreiben der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik vom 30. Juni 2004 und der Bescheinigung der Technischen Schule Aalen vom 7. Januar 2004 ergibt sich nichts anderes. Schließlich folgt auch aus der "Ermittlung der Reha-Beiträge RV" (Bl. 143 Verwaltungsakte der Beklagten) nicht, dass der Kläger Beiträge selbst getragen hat. Soweit dort ein Beitragssatz zur Rentenversicherung genannt ist, ist dies nur ein Berechnungselement der Höhe der für den Kläger von der Berufsgenossenschaft zu zahlenden Beiträge zur Rentenversicherung.

b) Auch die Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 0,892 bei der Rentenberechnung ist rechtmäßig.

Der Zugangsfaktor ist ein Berechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte. Nach § 77 Abs. 1 SGB VI in der hier anwendbaren, seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersrente an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Der Zugangsfaktor ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 62. Lebensjahres, so bestimmt § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, dass die Vollendung des 62. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend ist. Davon abweichend regelt § 264d SGB VI, dass für den Fall des Beginns einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor dem 1. Januar 2024, bei der Ermittlung des Zugangsfaktors anstelle der Vollendung des 65. Lebensjahres und des 62. Lebensjahres jeweils das in der Tabelle zu § 264d Satz 1 SGB VI aufgeführte Lebensalter maßgebend ist. Nach dieser Tabelle ist bei Beginn der Rente vor dem Jahr 2012 anstelle des 65. Lebensjahres das 63. Lebensjahr und anstelle des 62. Lebensjahres das 60. Lebensjahr maßgeblich.

Der Kläger bezieht eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des für ihn danach maßgeblichen 63. Lebensjahres, denn zum Zeitpunkt des Beginns der Rente wegen voller Erwerbsminderung am 1. Dezember 2010 hatte der im Juni 1954 geborene Kläger erst das 56. Lebensjahr vollendet.

Die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist als Berechnungsregel zu verstehen, mit der Folge, dass bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres der Zugangsfaktor um maximal 0,108 (36 Kalendermonate x 0,003) zu mindern ist. Hierdurch ergibt sich in diesen Fällen ein Zugangsfaktor von 0,892. Diesen hat die Beklagte der Berechnung der Rente in den streitgegenständlichen Bescheiden zugrunde gelegt. Der Auffassung, wonach es sich bei § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI um eine Art Ausschlussregel handele, welche den frühesten Beginn einer "vorzeitigen" Rente wegen Erwerbsminderung auf die Vollendung des 60. Lebensjahres festlege, lässt sich weder aus Wortlaut und Systematik der Norm, noch aus deren Sinn und Zweck, dem systematischen Gesamtzusammenhang oder der Entstehungsgeschichte ableiten. Dies entspricht der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; etwa Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R – juris, Rn. 11 ff.; Urteil vom 28. September 2011 – B 5 R 18/11 R – juris, Rn. 10 ff.; so auch bereits Urteil des Senats vom 17. September 2008 – L 4 R 1500/08 – nicht veröffentlicht). Die so angewandte Regelung ist auch verfassungsgemäß (dazu ausführlich Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08, 1 BvR 558/09 – juris, Rn. 33 ff.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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