Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SB 612/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 SB 222/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF streitig.
Mit Bescheid vom 29.07.2011 stellte der Beklagte bei dem am 00.00.0000 gebore-nen Kläger aufgrund einer seelischen Beeinträchtigung, Funktionseinschränkungen der Verdauungsorgane, Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und beidseitiger Sehminderung einen GdB von 70 fest.
Am 27.01.2015 stellte der Kläger einen Änderungsantrag, in dem er neben der Fest-stellung eines höheren GdB auch die Zuerkennung des Merkzeichens RF beantrag-te. Zur Begründung verwies er darauf, seine psychischen Beeinträchtigungen hätten sich verschlimmert, was sich aus den von seinem Psychiater T. erhobenen Befunden ergebe. Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Facharztes für Psy-chiatrie T. ein und wertete diesen durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung der GdB des Klägers für die psychischen Beeinträchtigungen sei mit 50 weiter zutreffend bewertet. Hieran ändere auch die zwischenzeitlich erfolgte Berentung des Klägers nichts. Die Funktionseinschränkungen der Verdauungsorgane und der Wirbelsäule seien weiterhin mit einem GdB von 30 und die beidseitige Sehminderung weiterhin mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB be-laufe sich weiterhin auf 70. Anhaltspunkte, wonach die gesundheitlichen Vorausset-zungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF vorlägen, ergäben sich nicht.
Mit Bescheid vom 02.04.2015 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung sowie die Zuerkennung des Merkzeichens RF ab.
Hiergegen legte der Kläger am 10.04.2015 Widerspruch ein, den er damit begründe-te, er leide an Angstzuständen, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, wes-wegen er kaum vor die Haustüre gehen könne.
Der ärztliche Dienst des Beklagten nahm durch den Neurologen und Psychiater Dr. L. zum Widerspruch Stellung. Dieser führte aus, im Vergleich zum ausführlichen ner-venärztlichen Befundbericht des Herrn T., der der Entscheidung im Jahr 2011 zug-rundegelegen habe, zeige der nunmehr vorliegende Befundbericht des Herrn T. kei-ne wesentliche Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes. Der GdB für die Psyche sei mit 50 weiter zutreffend bewertet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2015 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 24.07.2015 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Kla-ge erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Vorstellung deutlich verschlimmert, so dass mindestens ein GdB von 80 in Ansatz zu bringen sei. Der behandelnde Psychiater T. habe dem Kläger drin-gend geraten, einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Die Erkrankungen des Klä-gers seien zwischenzeitlich schlimmer geworden. Er könne kaum noch seine Woh-nung verlassen, weswegen ihm auch das Merkzeichen RF zuzuerkennen sei. Der Kläger hat einen "fachärztlichen Befundbericht zur Vorlage bei Rechtsanwalt" vom 24.07.2015 vorgelegt. Danach sei im Vergleich zum Vorbefund trotz inzwischen er-folgter Berentung, keine Befundbesserung eingetreten. Er bestehe weiterhin ein massives Vermeidungsverhalten und Ängste im Sinne einer sozialen Phobie mit Er-röten, dem Gefühl, beobachtet zu werden. Zusätzlich fände sich der sog. "Spotlight-Effekt" sowie ein niedriges Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik oder Zurückwei-sung mit negativen Folgen, die meist in Panikattacken und Überforderung in der Si-tuation endeten. Insgesamt bestehe eine soziale Isolation auch auf der Basis dysfunktioneller Kognitionen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Allge-meinmediziner U. und des Chefarztes der Klinik für Schmerztherapie und Palliativ-medizin der Medizinisches Zentrum StädteRegion B. GmbH Dr. X ... Darüber hinaus hat es ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Arztes für Neurologie, Psy-chiatrie und Psychotherapie Dr. E. beauftragt, welches dieser - nach entsprechender Untersuchung des Klägers am 11.02.2016 - gegenüber dem Gericht erstattet hat.
Am 17.05.2016 hat der Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Im Rah-men des Termins hat der Kläger einen Arztbericht des Radiologen und Nuklearmedi-ziners Prof. Dr. X. vom 02.05.2016 zu den Akten gereicht. In diesem wird die Diag-nose einer Osteoporose gestellt. Da derzeit weder eine Fraktur noch Risikofaktoren vorlägen sei aktuell eine spezifische Pharmakotherapie nicht notwendig. Der Kläger solle eine konsequente Prophylaxe mit Vitamin D3 fortsetzen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2015 zu verurteilen, den GdB des Klägers ab dem 27.01.2015 mit 80 zu bewerten sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Vo-raussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Ausführungen des Gutachters Dr. Dagge und wiederholt und vertieft im Übrigen die Ausführungen seiner medizinischen Berater im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezo-genen Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 70 zu (I.). Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF liegen nicht vor (II.)
I. Nach § 2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrschein-lichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab-weicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Ge-sellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beein-trächtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Be-ziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht – BSG - Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versor-gungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Ur-teil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Me-thoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchti-gungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderun-gen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizini-schen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsät-zen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätz-lich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuwei-sen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünfti-ger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Klä-ger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen keinesfalls die Feststellung eines höheren GdB als 70 rechtfertigen.
Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wesentli-chen unter
1. chronischem Schmerz mit somatischen und psychischen Faktoren, wobei die psy-chischen Symptome überwiegen 2. rezidivierender Depression, mittelgradig 3. Panikstörung mit deutlichem Vermeidungsverhalten 4. Lumbalgie mit leichter Cervikalgie 5. Osteoporose 6. Sehstörung beidseits 7. Gastritis 8. Duodenitis 9. Refluxösophagitis 10. Zustand nach Harnleiterstein mit erfolgter OP 11. Hypercholisterinämie
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie des Gutachtens des Dr. E. fest. Letzteres beruht auf umfangrei-chen Untersuchungen eines erfahrenen Neurologen und Psychiaters, die unter Ein-satz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen An-lass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialme-dizinische Bewertung ist bis zuletzt umstritten geblieben.
Für das Funktionssystem der Psyche ist gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsme-dizinischen Grundsätze der GdB weiterhin mit 50 zu bewerten.
Der Kläger leidet auf psychischem Gebiet im Wesentlichen unter einem chronischem Schmerz, einer rezidivierenden Depression sowie einer Panikstörung mit deutlichem Vermeidungsverhalten. Maßgeblich für die Beurteilung des Grades der Behinderung sind in diesem Zusammenhang – wie allgemein im Schwerbehindertenrecht – freilich weniger die Diagnosen als die Auswirkungen auf die Teilhabemöglichkeiten des Klä-gers. Hier ist nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der Feststellun-gen des erfahrenen Gutachters Dr. E. sowie der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Befundberichte und Atteste beim Kläger bereits seit längerem von stärker behindernden Störungen mit wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bis hin zu schwereren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen.
Im Rahmen der Untersuchung bei Dr. E. zeigte sich kein Hinweis auf eine quantitati-ve oder qualitative Bewusstseins- oder Orientierungsstörung. Der Kläger zeigte sich also zeitlich, örtlich zur Personen zu Situation ausreichend orientiert. Hinweise für eine Störung der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses fan-den sich nicht. Der Gedankengang war formal geordnet und inhaltlich unauffällig. Der Kläger war in der Lage die Dinge regelgerecht aufzufassen. Die Auffassung war da-bei nicht verlangsamt. Einfache, aber auch komplexere Zusammenhänge wurden verstanden und richtig gedeutet. Es fanden sich auch keine formalen Denkstörungen im Sinne einer Denkverlangsamung, eines umständlichen Denkens oder eines ein-geengten Denkens. Trotz des bestehenden chronischen Schmerzes, der einen we-sentlichen Teil des Lebens des Klägers in Anspruch nimmt, war das Denken des Klägers nicht auf diesen Aspekt eingeengt. Im klinischen Bild zeigten sich auch keine Hinweise für Störungen der Konzentrationsfähigkeit. Der Kläger war in der Lage, dem Gespräch zu folgen. Er verlor nicht den roten Faden. Eine Hypochondrie bestand ebensowenig wie Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen. Affektiv war die Stimmung des Klägers gedrückt. Es zeigten sich Ängste und glaubhaft geschilderte Panikattacken. Dabei steht die Angst davor, dass Ängste auftreten können im Vordergrund. Daneben bestehen Ängste bezüglich größerer Menschenansammlungen. Seine Gedanken kreisten um den (nicht bestehenden) Kontakt zu seinen Kindern. In diesem Zusammenhang wurden auch glaubhaft Albträume angesprochen. Der Kläger nahm während des Gesprächs mit dem Gutachter, in dem er bereitwillig Auskünfte erteilte, kaum Blickkontakt auf. Das Vermeiden von Blickkontakt zeigte sich auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Der Gutachter beschreibt die Lebendigkeit und körperliche sowie seelische Frische als deutlich vermindert. Eine missmutige Stimmung, eine Unausgeglichenheit oder Verstimmtheit fand sich demgegenüber nicht. Er wolle auch – zusammen mit seiner Schwester – versuchen eine drohende zunehmende Isolation zu vermeiden. Es wurde vom Gutachter deutlich ein mangelndes Selbstwertgefühl und eine negative Bewertung der eigenen Personen beschrieben. Suizidideen beschrieb der Kläger aktuell nicht. Eine Anhedonie mit dem völligen Verlust des Interesses und der Fähigkeit sich zu freuen war nicht erkennbar. In der Vergangenheit bestehende Alkoholprobleme habe der Kläger nach eigenen Angaben im Griff. Bezüglich der kognitiven Funktionen bestand ein regelrechtes Abstraktions- und Ein-sichtsvermögen. Regelrechte Handlungsplanung und Organisation konnten ebenso nachgewiesen werden wie regelrechtes Zeitmanagement und Urteils- sowie Prob-lemlösungsvermögen. Der Kläger zeigte sich erkennbar eingeschränkt im kommuni-kativen Verhalten. Schwierigkeiten im Bereich der Selbstversorgung zeigten sich nicht. Der Kläger gab anamnestisch an, er erledigte die Hausarbeiten, mache das Bett und sortiere die – von der Schwester gewaschene – Wäsche. Er mache einen Einkaufszettel und mache sich auch selbst etwas zu essen. Insgesamt sei seine Wohnsituation gut, wenngleich er kaum Kontakt zu den Nachbarn habe. Zu den Ge-schwistern bestehe nur gelegentlich Kontakt, zu Freunden ebenfalls nicht häufig. Er lese gerne in Büchern und Illustrierten. Es gebe dort Konflikte. Der Gutachter nahm verschiedene testpsychologische Untersuchungen vor. Das Er-gebnis des Freiburger Persönlichkeitsinventars – revidierte Fassung (FPI-R) war im Hinblick auf die Stanine 2 in der Kategorie Offenheit nicht auswertbar. Bei der De-pressionsskala nach von Zerssen – einer Selbstbeurteilungsskala – ergab sich ein Summenwert von 23, was einem deutlich erhöhten Summenwert für Depression ent-spricht. Die vom Gutachter sodann zur Anwendung gebrachte Hamilton Depressi-onsskala – eine klinische Fremdbeurteilungsskala – ergab sich ein Punktwert von 20, was einer mittelgradigen Depressivität entspricht. Die Selbstbeurteilung von Angst und Depressivität zeigte sich jeweils mittelgradig erhöht. Das Ergebnis der Hamilton Angst Skala HAMA war mit einem Summenwert von 20 so gerade deutlich erhöht. Darüber hinaus führte der Gutachter den Aufmerksamkeits-Belastungs-Test D2 nach Brickenkamp zur Beurteilung der individuellen Aufmerksamkeits- und Konzentrations-leistung durch. Hierbei zeigte sich eine grenzwertig erniedrigte Konzentrationsfähig-keit. Die Beschwerdeliste nach von Zerssen 1976 zeigte eine deutliche Tendenz zur Somatisierung. Der Mini ICF – ein Fremdbeurteilungsinstrument zur Quantifizierung von Funktionsstörungen – gab mit einem Summenpunktwert von 14 Hinweise auf gerade mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen, wobei insbesondere die Selbst-behauptungsfähigkeit und Kontaktfähigkeit sowie die Flexibilität betroffen waren. Das Ergebnis der Schmerzsimulationsskala nach Bikowski deutete auf eine grenzwertige Aggravation bzw. Simulation in diesem Testverfahren hin, wobei der Gutachter dies vor dem Hintergrund der beim Kläger bestehenden Schmerzverarbeitungsstörung und der damit verbundenen verstärkten Wahrnehmung von Schmerz, erklären konn-te. Sowohl klinisch, als auch unter Berücksichtigung der testpsychologischen Untersu-chungen und nicht zuletzt auch der Vorbefunde, ist beim Kläger von einer psychi-schen Beeinträchtigung mit erheblich eingeschränkter – aber keinesfalls vollständig aufgehobener – Lebensfreude auszugehen. Es besteht insoweit ein deutlicher Lei-densdruck, insbesondere vor dem Hintergrund der bei ihm bestehenden Angst vor dem Auftreten von Angstzuständen. Hierin spielt auch die beim Kläger bestehende Schmerzsymptomatik. Die anamnestischen Angaben des Klägers machen deutlich, dass die Alltagsbewältigung eingeschränkt aber nicht aufgehoben ist. Es bestehen, wenngleich eingeschränkt, Kontakte zu einem Freund und insbesondere zu einer Schwester, die ihn täglich besucht. Die beim Kläger bestehende Angst vor Men-schenansammlungen wird ebenfalls deutlich. Sie ist indes nicht so ausgeprägt, dass der Kläger gar nicht mehr das Haus verlassen könnte. Dem Kläger war es unter an-derem auch möglich, am Termin zum mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Eine regelrechte Verhaltenstherapie zur Bekämpfung des Vermeidungsverhaltens führt der Kläger bislang nicht durch. Der Kläger nimmt 14-tägig Gespräche von 30-45 Mi-nuten mit seinem Psychiater wahr. Daneben erfolgt eine hochdosierte Therapie mit Mirtazapin in Kombination mit einem niederpotenten Neuroleptikum. Insgesamt konn-te der Gutachter eine Verschlimmerung der Situation gegenüber früher nicht bestäti-gen, vielmehr zeige sich tendenziell eher einer Verbesserung. Soweit der behan-delnde Psychiater T. – zuletzt im Juli 2015 – vom Vorliegen einer schweren sozialen Anpassungsschwierigkeit ausgeht, ist dies mit den Feststellungen des Gutachters, die auf der sorgfältigen und nachvollziehbaren Anamneseerhebung, dem klinischen Bild und den verschiedenen Testungen beruhen, nicht in Übereinstimmung zu brin-gen. Dies umso mehr als der Bericht von T. gerade keinen psychiatrischen Befund, sondern allein testpsychologische Auswertungen enthält. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können zur Auslegung der Be-griffe "mittelgradige" und "schwere" soziale Anpassungsschwierigkeiten die vom ärzt-lichen Sachverständigenbeirat am Beispiel des "schizophrenen Residualzustandes" entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R = juris Rn. 43. juris unter Bezugnahme auf die Beschlüs-se des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. März 1998 und vom 8./9. November 2000; so unlängst auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.02.2013 - L 11 SB 245/10 = juris Rn. 45 ff; vgl. auch Wendler/Schillings, Versorgungsmedizini-sche Grundsätze, Teil B Ziffer 3.7; Steffens, in: Nieder/Losch/Thomann, Behinderun-gen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, S 86 ff.). Danach werden leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen, wenn z. B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist (wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z. B. Lehrer, Manager) und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, d. h. keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme bestehen. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkei-ten werden angenommen bei einer in den meisten Berufen sich auswirkenden psy-chischen Veränderung, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefähr-dung einschließt; als weiteres Kriterium werden erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung genannt, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z. B. eine vorher intakte Ehe stark ge-fährden könnte. Schließlich liegen nach dieser Einstufung schwere soziale Anpas-sungsschwierigkeiten dann vor, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark ge-fährdet oder ausgeschlossen ist; als weiteres Kriterium werden schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis benannt. Eine weitere Konkretisierung und Spezifizierung kann darüber hinaus anhand der Vorgaben des ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) aus dem Jahr 2005 erfolgen, welche die Alltagtauglichkeit ausdifferenzierter beschreiben, als dies durch die oben genannten Beschlüsse des Sachverständigenbeirats gewährleistet wird (vgl. hierzu auch Steffens, in: Nieder/Losch/Thomann, Behinderungen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, S 86 ff.). Der Kläger ist in seinem Alltagleben infolge seiner seelischen Beeinträchtigung durchaus nicht unerheblich eingeschränkt. Die Einschränkungen resultieren dabei insbesondere aus der Angst des Klägers vor dem Auftreten von Angstzuständen. Hierdurch zieht der Kläger sich zurück. Daneben sind auch noch die beim Kläger be-stehende Depression und die Schmerzerkrankungen zu berücksichtigen. Wie der Gutachter aber für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt hat, ist der Kläger im An-trieb und hinsichtlich seiner Interessen zwar eingeschränkt, was sich durchaus auf das Alltagsleben des Klägers, seine Erwerbsfähigkeit der Klägerin und sein Sozialle-ben auswirken. So verlässt der Kläger nach eigenem Bekunden das Haus nur noch ungern. Es ist ihm aber durchaus noch möglich. Beim Kläger ist trotz seiner Erkran-kung schließlich auch ein nicht zu vernachlässigendes Restfunktionsniveau erhalten, das eine Integration des Klägers in bestimmte Lebensbereiche durchaus ermöglicht. Es gelingt ihm nach wie vor, Planungsleistungen zu erbringen. Er putz, räumt auf, kocht, gibt die Einkäufe für den Haushalt vor. Es gelingt ihm mithin trotz seiner Er-krankung weiterhin, sich einen Überblick über die Notwendigkeiten und Bedürfnisse des Haushalts zu verschaffen und selbständig entsprechend planerisch zu handeln. Auch unterhält der Kläger – wenngleich seit geraumer Zeit eingeschränkt – Kontakte zu ihm nahestehenden Personen, wie etwa einer seiner Schwestern oder einem Freund. Es ist auch weiterhin durchaus der Wunsch nach anderen sozialen Kontak-ten erhalten. Dass dieser Wunsch (insbesondere im Hinblick auf die Kinder) teilweise nicht erwidert wird, belastet den Kläger zwar; er hat jedoch insoweit keinesfalls resig-niert. Aufgrund der dargestellten deutlichen Einschränkungen - auch im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist zu arbeiten - ist der GdB für die seelische Beeinträchtigung der Klägerin nach Auffassung der Kammer weiterhin mit 50 zu bewerten. Die vom behandelnden Psychiater T. postulierte Verschlimmerung des Zustandes ist nach Auffassung der Kammer nicht objektiviert. Der GdB von 50 ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf das beim Kläger trotz der Einschränkungen vorhandene Restfunktionsniveau aber als soeben erreicht anzusehen. Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen, der nach Auf-fassung der Kammer aber ebenfalls nur soeben erreicht wird. Der Kläger klagte gegenüber dem Gutachter Dr. E. über einen seit Längerem beste-henden Dauerschmerz im Rücken, wobei es beim Gehen teilweise zu einer Aus-strahlung in beide Oberschenkel, teilweise nach kürzerem, teilweise nach längerem Gehen, komme. Manchmal komme es auch nach längerem Sitzen zu Beschwerden. Im Nackenbereich komme es seit ca. einem ¾-Jahr zu Stichen mit Ausstrahlen bis zu den Schulterblättern. Teilweise sei ein Ausstrahlen in den rechten Arm zu verzeichnen. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung durch Dr. E. zeigte sich eine mögliche Seitwärtsdrehung des Kopfes nach rechts 90° und links 80°. Ein lokaler Druck-schmerz wurde nicht umschrieben. Inklination und Reklination werden als regelge-recht beschrieben. Eine Klopfschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze besteht nicht. Die Armeigenreflexe sind seitengleich auslösbar. Sensibilitätsstörungen in den Armen werden nicht beschrieben. Das Aufrichten aus dem Liegen in 90°- Position erfolgte mit leichtem mimisch und gestisch sichtbarem Schmerz. Der Finger-Boden-Abstand liegt bei 40 cm, damit korrespondiert ein gemessener Finger-Zehen-Abstand im re-gelrechten Strecksitz von 40 cm. Die Sensibilität in den Beinen (insbesondere auch im Unterschenkel) ist – trotz Angabe, der Kläger könne links zwischen spitz und stumpf nicht unterscheiden – im Übrigen weitgehend unauffällig, mit leicht verminder-tem Vibrationsempfinden rechts, wobei letzteres bei Kontrolle nicht mehr nachweis-bar war. Der vom Gutachter ermittelte Finger-Boden-Abstand entspricht weitgehend den Werten, die sich aus dem Befundbericht des Dr. X. ergeben (FBA: 35 cm). Dr. E. beschreibt in seinem Gutachten einen unauffälligen Muskeltonus, muskuläre Atro-phien fanden sich nicht. Im Armvorhalteversuch und im Beinhalteversuch keine Ab-sinktendenzen. Das Zeichen nach Lasègue erscheint beidseits fraglich endgradig positiv bei Schmerzen im Rücken und im frischen Narbenbereich aufgrund der Nie-renoperation rechts. Ein Druckschmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule fand sich bei der Untersuchung nicht, wohl aber im Bereich der Ileosakralgelenk-Fugen. Dr. X. beschreibt in seinem Befundbericht beidseits einen Pseudolasègue, welcher das Vorliegen eines Lasègue-Zeichens nicht sicher beurteilbar mache. Ein Schonhinken beschrieb Dr. X., wie auch Dr. E., nicht. Nach Auffassung der Kammer, deren Ein-schätzung sich insoweit nicht nur mit der Bewertung des Gutachters Dr. E. sondern auch derjenigen des Allgemeinmediziners Traub in seinem Befundbericht deckt, ist beim Kläger – bei bekannter Osteoporose – von mittelgradigen funktionelle Auswir-kungen in Bereich der Lendenwirbelsäule und leichtgradigen Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule auszugehen. Neurologische Ausfälle sind insgesamt insoweit nicht objektivierbar. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der vom Kläger angegeben Sensibilitätsstörungen. Auch die vom Gutachter Dr. E. durchgeführten elektrophysiologischen Untersuchungen zeigten keine Hinweise auf eine radikuläre Symptomatik. Unter Berücksichtigung der beim Kläger bestehenden chronischen Schmerzerkrankung kommt vorliegend mit dem Gutachter Dr. E. die Zuerkennung eines GdB von 30 in Betracht, wobei hierbei zu berücksichtigen ist, dass eine deutli-che Überlagerung mit dem psychopathologischen Beschwerdebild besteht. Dies ist im Rahmen der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen. Eine Doppelbewertung ist insoweit zu vermeiden. Für die beim Kläger bestehende Sehminderung hat der Beklagte gemäß Teil B Ziffer 4 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 20 in Ansatz gebracht. Auch wenn für die Kammer unter Berücksichtigung der Feststellungen des Gutach-ters Dr. E. nicht erkennbar war, aus welchem Grund der Beklagte hier in der Vergan-genheit diesen GdB für angemessen erachtet hat, war jedenfalls auch nicht erkenn-bar, dass insoweit eine Verschlechterung des Zustandes eingetreten ist. Für das Funktionssystem der Verdauungsorgane hat der Beklagte gemäß Teil B Zif-fer 10 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 30 in Ansatz ge-bracht. Unter Berücksichtigung der eingeholten Befundberichte und des erstellen Gutachtens war dies für die Kammer nicht (mehr) nachvollziehbar. Beim Kläger sind – dies ergibt sich unter anderem aus dem Befundbericht des Allgemeinmediziners Traub – eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis), eine Entzündung des Zwölf-fingerdarms bzw. dessen Schleimhaut (Duodenitis) sowie eine Entzündung der Spei-seröhrenschleimhaut durch Rückfluss von Magensaft (Refluxösophagitis) diagnosti-ziert. Es ist aber weder aus den aktuellen Befundberichten noch aus den Leidens-schilderungen des Klägers ersichtlich, dass hier weiter Beschwerden bestehen. Der Kläger gibt auch nicht an, diesbezüglich pharmakologisch therapiert zu werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Berücksichtigung eines GdB von 30 für das Funkti-onssystem der Verdauung durch den Beklagten der Kammer durchaus fragwürdig. Die Feststellung eines höheren GdB kommt insoweit keinesfalls in Betracht. Der Kläger hat sich im September 2015 wegen eines distalen Harnleitersteins rechts mit konsekutiver Fornixruptur (Einriss des Nierenbeckens) sowie Dilatation (Erweite-rung) der Niere und im Januar 2015 wegen einer Nierenbeckenabgangsenge rechts und Ausschluss eines Harnleitertumors rechts in stationäre Behandlung der Abteilung Urologie des Medizinischen Zentrums der StädteRegion B. begeben müssen. Gemäß Teil B Ziffer 12 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kommt unter Be-rücksichtigung der Restbeschwerden durch die Operation ein GdB von höchstens 10 in Betracht. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 rechtfertigen würden sind nicht objektiviert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die diagnostizierte Fettstoffwechselstörung gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungs-medizinischen Grundsätze und den Vitamin D-Mangel. Letzterer wurde mit seinen Auswirkungen bei den jeweiligen Funktionssystemen bereits berücksichtigt. Ausgehend von den objektivierten Beeinträchtigungen ist bei dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze keinesfalls ein GdB von mehr als 70 in Ansatz zu bringen. § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigun-gen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammen-schau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-gutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Be-weiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrach-tungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris). Vorliegend stehen beim Kläger die psychischen Beeinträchtigungen im Sinne der Depression, des chronischen Schmerzes und der Panikstörung im Vordergrund, die – wie oben ausführlich dargelegt – einen GdB von (soeben) 50 begründen. Dieser GdB wird – entsprechend der soeben niedergelegten Vorgaben – durch die Beein-trächtigungen der Wirbelsäule, die einen GdB von (ebenfalls soeben) 30 bedingen, nach Auffassung der Kammer auf 60 erhöht. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der GdB von 30 für die Wirbelsäule sich nur dadurch rechtfertigen ließ, dass hier die besondere Schmerzsymptomatik berücksichtigt wurde. Die objektivierten reinen kör-perlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten einen solchen GdB nicht. Der Schmerz war aber auch bereits ein nicht unerheblicher Teilaspekt des für die psychischen Be-einträchtigungen vergebenen GdB. Eine doppelte Berücksichtigung war, hierauf wur-de bereits oben verwiesen, zu vermeiden. Selbst wenn man mit dem Beklagten von einem GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Verdauungsorgane aus-geht, kommt hier lediglich ein GdB von 70 in Betracht. Der vom Beklagten zugrunde-gelegte GdB von 20 ist nicht geeignet hier eine weitere Erhöhung des GdB zu recht-fertigen. Nach alledem ist die Kammer der Auffassung, dass der GdB des Klägers unter Be-rücksichtigung der zum Zeitpunkt der Antragstellung und derzeit objektivierten ge-sundheitlichen Beeinträchtigungen mit 70 äußerst wohlwollend ist. Eine Erhöhung des GdB auf 80 kommt nicht in Betracht.
II. Auch die begehrte Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzun-gen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF kommt nicht in Betracht.
Gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinde-rung auch das Vorliegen gesundheitlicher Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Nachteilsausgleichen gehört das hier streitige Merkzeichen "RF", das nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) auf der Rück-seite des Schwerbehindertenausweises einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Eine volle Befreiung von den Rundfunkgebühren hatte das Merkzeichen nur bis zum 31.12.2012 zur Folge. Seit dem 01.01.2013 wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht mehr durch Gebühren, sondern durch Beiträge finanziert. Dies regelt nunmehr der Rund-funkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. bis 21.12.2010, der in Nordrhein-Westfalen in den hier maßgeblichen Teilen zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden. Bei den in § 4 Abs. 2 RBStV aufgeführten gesundheitlichen Einschränkungen wird keine Befreiung mehr gewährt, es werden die Rundfunkbeiträge vielmehr auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen wurden indes nicht geändert sondern entsprechen vollständig § 6 Abs. Nr. 7-8 des bis anhin geltenden Rundfunkgebührenstaatsvertrages in seiner achten Fassung (RGebStV) (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16. Januar 2013 - L 3 SB 3862/12 = juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.04.2015 – L 13 B 73/15 = juris Rn. 21 ff.; Sozialgericht – SG – Aachen Urteil vom 15.04.2014 – S 18 SB 564/12 = juris Rn. 17 ff.). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV wird der Rundfunkbeitrag auf ein Drittel ermäßigt für (1.) blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung, (2.) hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, und (3.) behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. (zum Merkzeichens RF BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24). Öffentliche Veranstaltung ist dabei jede grundsätzlich jedermann uneingeschränkt oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (z.B. Eintrittsgeld) zugänglich gemachte Veranstaltung im Sinne einer Organisation von Darbietungen verschiedenster Art; dazu zählen Veranstaltungen politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art, wobei es auf das tatsächliche Angebot von Veranstaltungen im örtlichen Einzugsbereich des Behinderten ebenso wenig ankommt wie auf seine persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG; auch BSG Urteil vom 10.08.1993, 9/9a RVs 7/91; Urteil vom 16.03.1994, 9/9a RVs 3/83; Urteil vom 12.02.1997, 9/9a RVs 2/93; LSG NRW Urteil vom 18.01.2006; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom15.03.2012 - L 11 SB 105/09 = juris Rn. 41). Dazu gehören nicht nur Theater-, Oper-, Konzert- und Kinovorstellungen, sondern auch Veranstaltungen wie etwa Ausstellungen, Messen, Museen, Märkte, Gottesdienste, Volksfeste, Sportveranstaltungen, Tier- und Pflanzengärten sowie letztlich auch öffentliche Gerichtsverhandlungen. Maßgeblich ist allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Mitteln (z.B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.09.1991 - 9/9a RVs 15/98 = juris Rn. 9). Die Unmöglichkeit zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leides ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist.
Auch wenn nach dem Wortlaut der Schwerbehindertenausweisverordnung weiterhin die Eintragung des Merkzeichens RF von der "Befreiung von der Rundfunkgebüh-renpflicht" abhängig macht, kommt die Feststellung des Merkzeichens RF (und die Eintragung des Merkzeichens auf Antrag in einen entsprechenden Ausweis) nach Auffassung der Kammer auch nach Inkrafttreten des RBStV und der damit verbun-denen bloßen "Ermäßigung des Rundfunktbeitrags" in Betracht. Es handelt sich in-soweit nach Auffassung der Kammer um ein redaktionelles Versehen, dass eine An-gleichung der Schwerbehindertenausweisverordnung an die Gegebenheiten des RBStV versäumt wurde (so auch zutreffend SG Aachen Urteil vom 15.04.2014 – S 18 SB 564/12 = juris Rn. 18; SG Dortmund, Urteil vom 13.02.2013, S 7 SB 2213/11 = juris Rn. 22; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16. Januar 2013 - L 3 SB 3862/12 = juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.04.2015 – L 13 B 73/15 = juris Rn. 21 ff.; vgl. auch Dau, jurisPR-SozR 22/2012 Anm. 1 F).
Eine Sehbehinderung des Klägers, die für sich die Zuerkennung des Merkzeichens RF bedingte, ist nicht gegeben. Aber auch im Hinblick auf die psychischen Beein-trächtigungen liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzei-chens nicht vor. Zwar kann die Zuerkennung des Merkzeichens RF auch allein auf-grund einer psychischen Erkrankung gerechtfertigt sein (BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.01.2013 - L 3 SB 3862/12 = juris Rn. 30) in besonderen gesundheitlichen Härtefällen auch bei einem GdB von unter 80 (BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24). Der Kläger verlässt, hiervon ist die Kammer aufgrund des Vorbringens des Klägers sowie der vorliegenden medizinischen Unterlagen überzeugt, aufgrund be-stehender Ängste auch nur ungern das Haus (dazu bereits oben) und hat Probleme bei der Kommunikation mit anderen Personen. Hier treten auch Ängste bis hin zu Panikattacken auf. Zur Überzeugung der Kammer ist der Kläger jedoch dennoch nicht in einer Weise allgemein und umfassend im Sinne der zum Merkzeichen RF entwickelten Rechtsprechung von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen, die die Annahme eines besonderen gesundheitlichen Härtefalls rechtfertigen würde. Der Kläger ist immer noch in der Lage, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstal-tungen zu besuchen, was nicht zuletzt seine Anwesenheit in der mündlichen Ver-handlung vor dem erkennenden Gericht am 17.05.2016 gezeigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF streitig.
Mit Bescheid vom 29.07.2011 stellte der Beklagte bei dem am 00.00.0000 gebore-nen Kläger aufgrund einer seelischen Beeinträchtigung, Funktionseinschränkungen der Verdauungsorgane, Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und beidseitiger Sehminderung einen GdB von 70 fest.
Am 27.01.2015 stellte der Kläger einen Änderungsantrag, in dem er neben der Fest-stellung eines höheren GdB auch die Zuerkennung des Merkzeichens RF beantrag-te. Zur Begründung verwies er darauf, seine psychischen Beeinträchtigungen hätten sich verschlimmert, was sich aus den von seinem Psychiater T. erhobenen Befunden ergebe. Der Beklagte holte daraufhin einen Befundbericht des Facharztes für Psy-chiatrie T. ein und wertete diesen durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung der GdB des Klägers für die psychischen Beeinträchtigungen sei mit 50 weiter zutreffend bewertet. Hieran ändere auch die zwischenzeitlich erfolgte Berentung des Klägers nichts. Die Funktionseinschränkungen der Verdauungsorgane und der Wirbelsäule seien weiterhin mit einem GdB von 30 und die beidseitige Sehminderung weiterhin mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB be-laufe sich weiterhin auf 70. Anhaltspunkte, wonach die gesundheitlichen Vorausset-zungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF vorlägen, ergäben sich nicht.
Mit Bescheid vom 02.04.2015 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung sowie die Zuerkennung des Merkzeichens RF ab.
Hiergegen legte der Kläger am 10.04.2015 Widerspruch ein, den er damit begründe-te, er leide an Angstzuständen, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, wes-wegen er kaum vor die Haustüre gehen könne.
Der ärztliche Dienst des Beklagten nahm durch den Neurologen und Psychiater Dr. L. zum Widerspruch Stellung. Dieser führte aus, im Vergleich zum ausführlichen ner-venärztlichen Befundbericht des Herrn T., der der Entscheidung im Jahr 2011 zug-rundegelegen habe, zeige der nunmehr vorliegende Befundbericht des Herrn T. kei-ne wesentliche Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes. Der GdB für die Psyche sei mit 50 weiter zutreffend bewertet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2015 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 24.07.2015 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Kla-ge erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Vorstellung deutlich verschlimmert, so dass mindestens ein GdB von 80 in Ansatz zu bringen sei. Der behandelnde Psychiater T. habe dem Kläger drin-gend geraten, einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Die Erkrankungen des Klä-gers seien zwischenzeitlich schlimmer geworden. Er könne kaum noch seine Woh-nung verlassen, weswegen ihm auch das Merkzeichen RF zuzuerkennen sei. Der Kläger hat einen "fachärztlichen Befundbericht zur Vorlage bei Rechtsanwalt" vom 24.07.2015 vorgelegt. Danach sei im Vergleich zum Vorbefund trotz inzwischen er-folgter Berentung, keine Befundbesserung eingetreten. Er bestehe weiterhin ein massives Vermeidungsverhalten und Ängste im Sinne einer sozialen Phobie mit Er-röten, dem Gefühl, beobachtet zu werden. Zusätzlich fände sich der sog. "Spotlight-Effekt" sowie ein niedriges Selbstwertgefühl und Furcht vor Kritik oder Zurückwei-sung mit negativen Folgen, die meist in Panikattacken und Überforderung in der Si-tuation endeten. Insgesamt bestehe eine soziale Isolation auch auf der Basis dysfunktioneller Kognitionen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Allge-meinmediziner U. und des Chefarztes der Klinik für Schmerztherapie und Palliativ-medizin der Medizinisches Zentrum StädteRegion B. GmbH Dr. X ... Darüber hinaus hat es ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Arztes für Neurologie, Psy-chiatrie und Psychotherapie Dr. E. beauftragt, welches dieser - nach entsprechender Untersuchung des Klägers am 11.02.2016 - gegenüber dem Gericht erstattet hat.
Am 17.05.2016 hat der Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Im Rah-men des Termins hat der Kläger einen Arztbericht des Radiologen und Nuklearmedi-ziners Prof. Dr. X. vom 02.05.2016 zu den Akten gereicht. In diesem wird die Diag-nose einer Osteoporose gestellt. Da derzeit weder eine Fraktur noch Risikofaktoren vorlägen sei aktuell eine spezifische Pharmakotherapie nicht notwendig. Der Kläger solle eine konsequente Prophylaxe mit Vitamin D3 fortsetzen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2015 zu verurteilen, den GdB des Klägers ab dem 27.01.2015 mit 80 zu bewerten sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Vo-raussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Ausführungen des Gutachters Dr. Dagge und wiederholt und vertieft im Übrigen die Ausführungen seiner medizinischen Berater im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezo-genen Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Be-scheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ihm steht derzeit kein höherer GdB als 70 zu (I.). Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF liegen nicht vor (II.)
I. Nach § 2 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrschein-lichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab-weicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Ge-sellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beein-trächtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Be-ziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht – BSG - Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versor-gungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wech-selseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Ur-teil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversor-gungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungs-medizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Me-thoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchti-gungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-grades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderun-gen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Ge-samtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizini-schen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 – B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsät-zen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätz-lich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuwei-sen (vgl. BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14; Bayerisches LSG Urteil vom 18.06.2013 – L 15 BL 6/10 = juris Rn. 67 ff.; Bayerisches LSG Urteil vom 05.02.2013 – L 15 SB 23/10= juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünfti-ger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R = juris Rn. 11), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92 = juris Rn. 14). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Im vorliegenden Fall steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die bei dem Klä-ger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen keinesfalls die Feststellung eines höheren GdB als 70 rechtfertigen.
Der Kläger leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Wesentli-chen unter
1. chronischem Schmerz mit somatischen und psychischen Faktoren, wobei die psy-chischen Symptome überwiegen 2. rezidivierender Depression, mittelgradig 3. Panikstörung mit deutlichem Vermeidungsverhalten 4. Lumbalgie mit leichter Cervikalgie 5. Osteoporose 6. Sehstörung beidseits 7. Gastritis 8. Duodenitis 9. Refluxösophagitis 10. Zustand nach Harnleiterstein mit erfolgter OP 11. Hypercholisterinämie
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte, sowie des Gutachtens des Dr. E. fest. Letzteres beruht auf umfangrei-chen Untersuchungen eines erfahrenen Neurologen und Psychiaters, die unter Ein-satz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen An-lass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialme-dizinische Bewertung ist bis zuletzt umstritten geblieben.
Für das Funktionssystem der Psyche ist gemäß Teil B Ziffer 3.7 der Versorgungsme-dizinischen Grundsätze der GdB weiterhin mit 50 zu bewerten.
Der Kläger leidet auf psychischem Gebiet im Wesentlichen unter einem chronischem Schmerz, einer rezidivierenden Depression sowie einer Panikstörung mit deutlichem Vermeidungsverhalten. Maßgeblich für die Beurteilung des Grades der Behinderung sind in diesem Zusammenhang – wie allgemein im Schwerbehindertenrecht – freilich weniger die Diagnosen als die Auswirkungen auf die Teilhabemöglichkeiten des Klä-gers. Hier ist nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der Feststellun-gen des erfahrenen Gutachters Dr. E. sowie der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Befundberichte und Atteste beim Kläger bereits seit längerem von stärker behindernden Störungen mit wesentliche Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bis hin zu schwereren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen.
Im Rahmen der Untersuchung bei Dr. E. zeigte sich kein Hinweis auf eine quantitati-ve oder qualitative Bewusstseins- oder Orientierungsstörung. Der Kläger zeigte sich also zeitlich, örtlich zur Personen zu Situation ausreichend orientiert. Hinweise für eine Störung der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses fan-den sich nicht. Der Gedankengang war formal geordnet und inhaltlich unauffällig. Der Kläger war in der Lage die Dinge regelgerecht aufzufassen. Die Auffassung war da-bei nicht verlangsamt. Einfache, aber auch komplexere Zusammenhänge wurden verstanden und richtig gedeutet. Es fanden sich auch keine formalen Denkstörungen im Sinne einer Denkverlangsamung, eines umständlichen Denkens oder eines ein-geengten Denkens. Trotz des bestehenden chronischen Schmerzes, der einen we-sentlichen Teil des Lebens des Klägers in Anspruch nimmt, war das Denken des Klägers nicht auf diesen Aspekt eingeengt. Im klinischen Bild zeigten sich auch keine Hinweise für Störungen der Konzentrationsfähigkeit. Der Kläger war in der Lage, dem Gespräch zu folgen. Er verlor nicht den roten Faden. Eine Hypochondrie bestand ebensowenig wie Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen. Affektiv war die Stimmung des Klägers gedrückt. Es zeigten sich Ängste und glaubhaft geschilderte Panikattacken. Dabei steht die Angst davor, dass Ängste auftreten können im Vordergrund. Daneben bestehen Ängste bezüglich größerer Menschenansammlungen. Seine Gedanken kreisten um den (nicht bestehenden) Kontakt zu seinen Kindern. In diesem Zusammenhang wurden auch glaubhaft Albträume angesprochen. Der Kläger nahm während des Gesprächs mit dem Gutachter, in dem er bereitwillig Auskünfte erteilte, kaum Blickkontakt auf. Das Vermeiden von Blickkontakt zeigte sich auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Der Gutachter beschreibt die Lebendigkeit und körperliche sowie seelische Frische als deutlich vermindert. Eine missmutige Stimmung, eine Unausgeglichenheit oder Verstimmtheit fand sich demgegenüber nicht. Er wolle auch – zusammen mit seiner Schwester – versuchen eine drohende zunehmende Isolation zu vermeiden. Es wurde vom Gutachter deutlich ein mangelndes Selbstwertgefühl und eine negative Bewertung der eigenen Personen beschrieben. Suizidideen beschrieb der Kläger aktuell nicht. Eine Anhedonie mit dem völligen Verlust des Interesses und der Fähigkeit sich zu freuen war nicht erkennbar. In der Vergangenheit bestehende Alkoholprobleme habe der Kläger nach eigenen Angaben im Griff. Bezüglich der kognitiven Funktionen bestand ein regelrechtes Abstraktions- und Ein-sichtsvermögen. Regelrechte Handlungsplanung und Organisation konnten ebenso nachgewiesen werden wie regelrechtes Zeitmanagement und Urteils- sowie Prob-lemlösungsvermögen. Der Kläger zeigte sich erkennbar eingeschränkt im kommuni-kativen Verhalten. Schwierigkeiten im Bereich der Selbstversorgung zeigten sich nicht. Der Kläger gab anamnestisch an, er erledigte die Hausarbeiten, mache das Bett und sortiere die – von der Schwester gewaschene – Wäsche. Er mache einen Einkaufszettel und mache sich auch selbst etwas zu essen. Insgesamt sei seine Wohnsituation gut, wenngleich er kaum Kontakt zu den Nachbarn habe. Zu den Ge-schwistern bestehe nur gelegentlich Kontakt, zu Freunden ebenfalls nicht häufig. Er lese gerne in Büchern und Illustrierten. Es gebe dort Konflikte. Der Gutachter nahm verschiedene testpsychologische Untersuchungen vor. Das Er-gebnis des Freiburger Persönlichkeitsinventars – revidierte Fassung (FPI-R) war im Hinblick auf die Stanine 2 in der Kategorie Offenheit nicht auswertbar. Bei der De-pressionsskala nach von Zerssen – einer Selbstbeurteilungsskala – ergab sich ein Summenwert von 23, was einem deutlich erhöhten Summenwert für Depression ent-spricht. Die vom Gutachter sodann zur Anwendung gebrachte Hamilton Depressi-onsskala – eine klinische Fremdbeurteilungsskala – ergab sich ein Punktwert von 20, was einer mittelgradigen Depressivität entspricht. Die Selbstbeurteilung von Angst und Depressivität zeigte sich jeweils mittelgradig erhöht. Das Ergebnis der Hamilton Angst Skala HAMA war mit einem Summenwert von 20 so gerade deutlich erhöht. Darüber hinaus führte der Gutachter den Aufmerksamkeits-Belastungs-Test D2 nach Brickenkamp zur Beurteilung der individuellen Aufmerksamkeits- und Konzentrations-leistung durch. Hierbei zeigte sich eine grenzwertig erniedrigte Konzentrationsfähig-keit. Die Beschwerdeliste nach von Zerssen 1976 zeigte eine deutliche Tendenz zur Somatisierung. Der Mini ICF – ein Fremdbeurteilungsinstrument zur Quantifizierung von Funktionsstörungen – gab mit einem Summenpunktwert von 14 Hinweise auf gerade mittelgradige Funktionsbeeinträchtigungen, wobei insbesondere die Selbst-behauptungsfähigkeit und Kontaktfähigkeit sowie die Flexibilität betroffen waren. Das Ergebnis der Schmerzsimulationsskala nach Bikowski deutete auf eine grenzwertige Aggravation bzw. Simulation in diesem Testverfahren hin, wobei der Gutachter dies vor dem Hintergrund der beim Kläger bestehenden Schmerzverarbeitungsstörung und der damit verbundenen verstärkten Wahrnehmung von Schmerz, erklären konn-te. Sowohl klinisch, als auch unter Berücksichtigung der testpsychologischen Untersu-chungen und nicht zuletzt auch der Vorbefunde, ist beim Kläger von einer psychi-schen Beeinträchtigung mit erheblich eingeschränkter – aber keinesfalls vollständig aufgehobener – Lebensfreude auszugehen. Es besteht insoweit ein deutlicher Lei-densdruck, insbesondere vor dem Hintergrund der bei ihm bestehenden Angst vor dem Auftreten von Angstzuständen. Hierin spielt auch die beim Kläger bestehende Schmerzsymptomatik. Die anamnestischen Angaben des Klägers machen deutlich, dass die Alltagsbewältigung eingeschränkt aber nicht aufgehoben ist. Es bestehen, wenngleich eingeschränkt, Kontakte zu einem Freund und insbesondere zu einer Schwester, die ihn täglich besucht. Die beim Kläger bestehende Angst vor Men-schenansammlungen wird ebenfalls deutlich. Sie ist indes nicht so ausgeprägt, dass der Kläger gar nicht mehr das Haus verlassen könnte. Dem Kläger war es unter an-derem auch möglich, am Termin zum mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Eine regelrechte Verhaltenstherapie zur Bekämpfung des Vermeidungsverhaltens führt der Kläger bislang nicht durch. Der Kläger nimmt 14-tägig Gespräche von 30-45 Mi-nuten mit seinem Psychiater wahr. Daneben erfolgt eine hochdosierte Therapie mit Mirtazapin in Kombination mit einem niederpotenten Neuroleptikum. Insgesamt konn-te der Gutachter eine Verschlimmerung der Situation gegenüber früher nicht bestäti-gen, vielmehr zeige sich tendenziell eher einer Verbesserung. Soweit der behan-delnde Psychiater T. – zuletzt im Juli 2015 – vom Vorliegen einer schweren sozialen Anpassungsschwierigkeit ausgeht, ist dies mit den Feststellungen des Gutachters, die auf der sorgfältigen und nachvollziehbaren Anamneseerhebung, dem klinischen Bild und den verschiedenen Testungen beruhen, nicht in Übereinstimmung zu brin-gen. Dies umso mehr als der Bericht von T. gerade keinen psychiatrischen Befund, sondern allein testpsychologische Auswertungen enthält. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können zur Auslegung der Be-griffe "mittelgradige" und "schwere" soziale Anpassungsschwierigkeiten die vom ärzt-lichen Sachverständigenbeirat am Beispiel des "schizophrenen Residualzustandes" entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R = juris Rn. 43. juris unter Bezugnahme auf die Beschlüs-se des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19. März 1998 und vom 8./9. November 2000; so unlängst auch LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 06.02.2013 - L 11 SB 245/10 = juris Rn. 45 ff; vgl. auch Wendler/Schillings, Versorgungsmedizini-sche Grundsätze, Teil B Ziffer 3.7; Steffens, in: Nieder/Losch/Thomann, Behinderun-gen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, S 86 ff.). Danach werden leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen, wenn z. B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist (wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z. B. Lehrer, Manager) und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, d. h. keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme bestehen. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkei-ten werden angenommen bei einer in den meisten Berufen sich auswirkenden psy-chischen Veränderung, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefähr-dung einschließt; als weiteres Kriterium werden erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung genannt, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z. B. eine vorher intakte Ehe stark ge-fährden könnte. Schließlich liegen nach dieser Einstufung schwere soziale Anpas-sungsschwierigkeiten dann vor, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark ge-fährdet oder ausgeschlossen ist; als weiteres Kriterium werden schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis benannt. Eine weitere Konkretisierung und Spezifizierung kann darüber hinaus anhand der Vorgaben des ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) aus dem Jahr 2005 erfolgen, welche die Alltagtauglichkeit ausdifferenzierter beschreiben, als dies durch die oben genannten Beschlüsse des Sachverständigenbeirats gewährleistet wird (vgl. hierzu auch Steffens, in: Nieder/Losch/Thomann, Behinderungen zutreffend einschätzen und begutachten, B 3, S 86 ff.). Der Kläger ist in seinem Alltagleben infolge seiner seelischen Beeinträchtigung durchaus nicht unerheblich eingeschränkt. Die Einschränkungen resultieren dabei insbesondere aus der Angst des Klägers vor dem Auftreten von Angstzuständen. Hierdurch zieht der Kläger sich zurück. Daneben sind auch noch die beim Kläger be-stehende Depression und die Schmerzerkrankungen zu berücksichtigen. Wie der Gutachter aber für die Kammer nachvollziehbar ausgeführt hat, ist der Kläger im An-trieb und hinsichtlich seiner Interessen zwar eingeschränkt, was sich durchaus auf das Alltagsleben des Klägers, seine Erwerbsfähigkeit der Klägerin und sein Sozialle-ben auswirken. So verlässt der Kläger nach eigenem Bekunden das Haus nur noch ungern. Es ist ihm aber durchaus noch möglich. Beim Kläger ist trotz seiner Erkran-kung schließlich auch ein nicht zu vernachlässigendes Restfunktionsniveau erhalten, das eine Integration des Klägers in bestimmte Lebensbereiche durchaus ermöglicht. Es gelingt ihm nach wie vor, Planungsleistungen zu erbringen. Er putz, räumt auf, kocht, gibt die Einkäufe für den Haushalt vor. Es gelingt ihm mithin trotz seiner Er-krankung weiterhin, sich einen Überblick über die Notwendigkeiten und Bedürfnisse des Haushalts zu verschaffen und selbständig entsprechend planerisch zu handeln. Auch unterhält der Kläger – wenngleich seit geraumer Zeit eingeschränkt – Kontakte zu ihm nahestehenden Personen, wie etwa einer seiner Schwestern oder einem Freund. Es ist auch weiterhin durchaus der Wunsch nach anderen sozialen Kontak-ten erhalten. Dass dieser Wunsch (insbesondere im Hinblick auf die Kinder) teilweise nicht erwidert wird, belastet den Kläger zwar; er hat jedoch insoweit keinesfalls resig-niert. Aufgrund der dargestellten deutlichen Einschränkungen - auch im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist zu arbeiten - ist der GdB für die seelische Beeinträchtigung der Klägerin nach Auffassung der Kammer weiterhin mit 50 zu bewerten. Die vom behandelnden Psychiater T. postulierte Verschlimmerung des Zustandes ist nach Auffassung der Kammer nicht objektiviert. Der GdB von 50 ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf das beim Kläger trotz der Einschränkungen vorhandene Restfunktionsniveau aber als soeben erreicht anzusehen. Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versor-gungsmedizinischen Grundsätze ein GdB von 30 in Ansatz zu bringen, der nach Auf-fassung der Kammer aber ebenfalls nur soeben erreicht wird. Der Kläger klagte gegenüber dem Gutachter Dr. E. über einen seit Längerem beste-henden Dauerschmerz im Rücken, wobei es beim Gehen teilweise zu einer Aus-strahlung in beide Oberschenkel, teilweise nach kürzerem, teilweise nach längerem Gehen, komme. Manchmal komme es auch nach längerem Sitzen zu Beschwerden. Im Nackenbereich komme es seit ca. einem ¾-Jahr zu Stichen mit Ausstrahlen bis zu den Schulterblättern. Teilweise sei ein Ausstrahlen in den rechten Arm zu verzeichnen. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung durch Dr. E. zeigte sich eine mögliche Seitwärtsdrehung des Kopfes nach rechts 90° und links 80°. Ein lokaler Druck-schmerz wurde nicht umschrieben. Inklination und Reklination werden als regelge-recht beschrieben. Eine Klopfschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze besteht nicht. Die Armeigenreflexe sind seitengleich auslösbar. Sensibilitätsstörungen in den Armen werden nicht beschrieben. Das Aufrichten aus dem Liegen in 90°- Position erfolgte mit leichtem mimisch und gestisch sichtbarem Schmerz. Der Finger-Boden-Abstand liegt bei 40 cm, damit korrespondiert ein gemessener Finger-Zehen-Abstand im re-gelrechten Strecksitz von 40 cm. Die Sensibilität in den Beinen (insbesondere auch im Unterschenkel) ist – trotz Angabe, der Kläger könne links zwischen spitz und stumpf nicht unterscheiden – im Übrigen weitgehend unauffällig, mit leicht verminder-tem Vibrationsempfinden rechts, wobei letzteres bei Kontrolle nicht mehr nachweis-bar war. Der vom Gutachter ermittelte Finger-Boden-Abstand entspricht weitgehend den Werten, die sich aus dem Befundbericht des Dr. X. ergeben (FBA: 35 cm). Dr. E. beschreibt in seinem Gutachten einen unauffälligen Muskeltonus, muskuläre Atro-phien fanden sich nicht. Im Armvorhalteversuch und im Beinhalteversuch keine Ab-sinktendenzen. Das Zeichen nach Lasègue erscheint beidseits fraglich endgradig positiv bei Schmerzen im Rücken und im frischen Narbenbereich aufgrund der Nie-renoperation rechts. Ein Druckschmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule fand sich bei der Untersuchung nicht, wohl aber im Bereich der Ileosakralgelenk-Fugen. Dr. X. beschreibt in seinem Befundbericht beidseits einen Pseudolasègue, welcher das Vorliegen eines Lasègue-Zeichens nicht sicher beurteilbar mache. Ein Schonhinken beschrieb Dr. X., wie auch Dr. E., nicht. Nach Auffassung der Kammer, deren Ein-schätzung sich insoweit nicht nur mit der Bewertung des Gutachters Dr. E. sondern auch derjenigen des Allgemeinmediziners Traub in seinem Befundbericht deckt, ist beim Kläger – bei bekannter Osteoporose – von mittelgradigen funktionelle Auswir-kungen in Bereich der Lendenwirbelsäule und leichtgradigen Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule auszugehen. Neurologische Ausfälle sind insgesamt insoweit nicht objektivierbar. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der vom Kläger angegeben Sensibilitätsstörungen. Auch die vom Gutachter Dr. E. durchgeführten elektrophysiologischen Untersuchungen zeigten keine Hinweise auf eine radikuläre Symptomatik. Unter Berücksichtigung der beim Kläger bestehenden chronischen Schmerzerkrankung kommt vorliegend mit dem Gutachter Dr. E. die Zuerkennung eines GdB von 30 in Betracht, wobei hierbei zu berücksichtigen ist, dass eine deutli-che Überlagerung mit dem psychopathologischen Beschwerdebild besteht. Dies ist im Rahmen der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen. Eine Doppelbewertung ist insoweit zu vermeiden. Für die beim Kläger bestehende Sehminderung hat der Beklagte gemäß Teil B Ziffer 4 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 20 in Ansatz gebracht. Auch wenn für die Kammer unter Berücksichtigung der Feststellungen des Gutach-ters Dr. E. nicht erkennbar war, aus welchem Grund der Beklagte hier in der Vergan-genheit diesen GdB für angemessen erachtet hat, war jedenfalls auch nicht erkenn-bar, dass insoweit eine Verschlechterung des Zustandes eingetreten ist. Für das Funktionssystem der Verdauungsorgane hat der Beklagte gemäß Teil B Zif-fer 10 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen GdB von 30 in Ansatz ge-bracht. Unter Berücksichtigung der eingeholten Befundberichte und des erstellen Gutachtens war dies für die Kammer nicht (mehr) nachvollziehbar. Beim Kläger sind – dies ergibt sich unter anderem aus dem Befundbericht des Allgemeinmediziners Traub – eine Magenschleimhautentzündung (Gastritis), eine Entzündung des Zwölf-fingerdarms bzw. dessen Schleimhaut (Duodenitis) sowie eine Entzündung der Spei-seröhrenschleimhaut durch Rückfluss von Magensaft (Refluxösophagitis) diagnosti-ziert. Es ist aber weder aus den aktuellen Befundberichten noch aus den Leidens-schilderungen des Klägers ersichtlich, dass hier weiter Beschwerden bestehen. Der Kläger gibt auch nicht an, diesbezüglich pharmakologisch therapiert zu werden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Berücksichtigung eines GdB von 30 für das Funkti-onssystem der Verdauung durch den Beklagten der Kammer durchaus fragwürdig. Die Feststellung eines höheren GdB kommt insoweit keinesfalls in Betracht. Der Kläger hat sich im September 2015 wegen eines distalen Harnleitersteins rechts mit konsekutiver Fornixruptur (Einriss des Nierenbeckens) sowie Dilatation (Erweite-rung) der Niere und im Januar 2015 wegen einer Nierenbeckenabgangsenge rechts und Ausschluss eines Harnleitertumors rechts in stationäre Behandlung der Abteilung Urologie des Medizinischen Zentrums der StädteRegion B. begeben müssen. Gemäß Teil B Ziffer 12 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kommt unter Be-rücksichtigung der Restbeschwerden durch die Operation ein GdB von höchstens 10 in Betracht. Weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die einen GdB von mindestens 10 rechtfertigen würden sind nicht objektiviert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die diagnostizierte Fettstoffwechselstörung gemäß Teil B Ziffer 15.3 der Versorgungs-medizinischen Grundsätze und den Vitamin D-Mangel. Letzterer wurde mit seinen Auswirkungen bei den jeweiligen Funktionssystemen bereits berücksichtigt. Ausgehend von den objektivierten Beeinträchtigungen ist bei dem Kläger für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze keinesfalls ein GdB von mehr als 70 in Ansatz zu bringen. § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchti-gungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigun-gen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammen-schau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-gutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Be-weiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrach-tungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich ver-stärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris). Vorliegend stehen beim Kläger die psychischen Beeinträchtigungen im Sinne der Depression, des chronischen Schmerzes und der Panikstörung im Vordergrund, die – wie oben ausführlich dargelegt – einen GdB von (soeben) 50 begründen. Dieser GdB wird – entsprechend der soeben niedergelegten Vorgaben – durch die Beein-trächtigungen der Wirbelsäule, die einen GdB von (ebenfalls soeben) 30 bedingen, nach Auffassung der Kammer auf 60 erhöht. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der GdB von 30 für die Wirbelsäule sich nur dadurch rechtfertigen ließ, dass hier die besondere Schmerzsymptomatik berücksichtigt wurde. Die objektivierten reinen kör-perlichen Beeinträchtigungen rechtfertigten einen solchen GdB nicht. Der Schmerz war aber auch bereits ein nicht unerheblicher Teilaspekt des für die psychischen Be-einträchtigungen vergebenen GdB. Eine doppelte Berücksichtigung war, hierauf wur-de bereits oben verwiesen, zu vermeiden. Selbst wenn man mit dem Beklagten von einem GdB von 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen der Verdauungsorgane aus-geht, kommt hier lediglich ein GdB von 70 in Betracht. Der vom Beklagten zugrunde-gelegte GdB von 20 ist nicht geeignet hier eine weitere Erhöhung des GdB zu recht-fertigen. Nach alledem ist die Kammer der Auffassung, dass der GdB des Klägers unter Be-rücksichtigung der zum Zeitpunkt der Antragstellung und derzeit objektivierten ge-sundheitlichen Beeinträchtigungen mit 70 äußerst wohlwollend ist. Eine Erhöhung des GdB auf 80 kommt nicht in Betracht.
II. Auch die begehrte Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzun-gen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens RF kommt nicht in Betracht.
Gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinde-rung auch das Vorliegen gesundheitlicher Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Nachteilsausgleichen gehört das hier streitige Merkzeichen "RF", das nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) auf der Rück-seite des Schwerbehindertenausweises einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Eine volle Befreiung von den Rundfunkgebühren hatte das Merkzeichen nur bis zum 31.12.2012 zur Folge. Seit dem 01.01.2013 wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland nicht mehr durch Gebühren, sondern durch Beiträge finanziert. Dies regelt nunmehr der Rund-funkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. bis 21.12.2010, der in Nordrhein-Westfalen in den hier maßgeblichen Teilen zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt worden. Bei den in § 4 Abs. 2 RBStV aufgeführten gesundheitlichen Einschränkungen wird keine Befreiung mehr gewährt, es werden die Rundfunkbeiträge vielmehr auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen wurden indes nicht geändert sondern entsprechen vollständig § 6 Abs. Nr. 7-8 des bis anhin geltenden Rundfunkgebührenstaatsvertrages in seiner achten Fassung (RGebStV) (vgl. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16. Januar 2013 - L 3 SB 3862/12 = juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.04.2015 – L 13 B 73/15 = juris Rn. 21 ff.; Sozialgericht – SG – Aachen Urteil vom 15.04.2014 – S 18 SB 564/12 = juris Rn. 17 ff.). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 RBStV wird der Rundfunkbeitrag auf ein Drittel ermäßigt für (1.) blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung, (2.) hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, und (3.) behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. (zum Merkzeichens RF BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24). Öffentliche Veranstaltung ist dabei jede grundsätzlich jedermann uneingeschränkt oder bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (z.B. Eintrittsgeld) zugänglich gemachte Veranstaltung im Sinne einer Organisation von Darbietungen verschiedenster Art; dazu zählen Veranstaltungen politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender oder wirtschaftlicher Art, wobei es auf das tatsächliche Angebot von Veranstaltungen im örtlichen Einzugsbereich des Behinderten ebenso wenig ankommt wie auf seine persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse, Neigungen oder Interessen (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG; auch BSG Urteil vom 10.08.1993, 9/9a RVs 7/91; Urteil vom 16.03.1994, 9/9a RVs 3/83; Urteil vom 12.02.1997, 9/9a RVs 2/93; LSG NRW Urteil vom 18.01.2006; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom15.03.2012 - L 11 SB 105/09 = juris Rn. 41). Dazu gehören nicht nur Theater-, Oper-, Konzert- und Kinovorstellungen, sondern auch Veranstaltungen wie etwa Ausstellungen, Messen, Museen, Märkte, Gottesdienste, Volksfeste, Sportveranstaltungen, Tier- und Pflanzengärten sowie letztlich auch öffentliche Gerichtsverhandlungen. Maßgeblich ist allein die Möglichkeit der körperlichen Teilnahme, gegebenenfalls mit technischen Mitteln (z.B. Rollstuhl) und/oder mit Hilfe einer Begleitperson (Bayerisches LSG Urteil vom 25.09.2012 - L 3 SB 15/12 = juris Rn. 27 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.09.1991 - 9/9a RVs 15/98 = juris Rn. 9). Die Unmöglichkeit zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leides ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist.
Auch wenn nach dem Wortlaut der Schwerbehindertenausweisverordnung weiterhin die Eintragung des Merkzeichens RF von der "Befreiung von der Rundfunkgebüh-renpflicht" abhängig macht, kommt die Feststellung des Merkzeichens RF (und die Eintragung des Merkzeichens auf Antrag in einen entsprechenden Ausweis) nach Auffassung der Kammer auch nach Inkrafttreten des RBStV und der damit verbun-denen bloßen "Ermäßigung des Rundfunktbeitrags" in Betracht. Es handelt sich in-soweit nach Auffassung der Kammer um ein redaktionelles Versehen, dass eine An-gleichung der Schwerbehindertenausweisverordnung an die Gegebenheiten des RBStV versäumt wurde (so auch zutreffend SG Aachen Urteil vom 15.04.2014 – S 18 SB 564/12 = juris Rn. 18; SG Dortmund, Urteil vom 13.02.2013, S 7 SB 2213/11 = juris Rn. 22; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16. Januar 2013 - L 3 SB 3862/12 = juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.04.2015 – L 13 B 73/15 = juris Rn. 21 ff.; vgl. auch Dau, jurisPR-SozR 22/2012 Anm. 1 F).
Eine Sehbehinderung des Klägers, die für sich die Zuerkennung des Merkzeichens RF bedingte, ist nicht gegeben. Aber auch im Hinblick auf die psychischen Beein-trächtigungen liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzei-chens nicht vor. Zwar kann die Zuerkennung des Merkzeichens RF auch allein auf-grund einer psychischen Erkrankung gerechtfertigt sein (BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 16.01.2013 - L 3 SB 3862/12 = juris Rn. 30) in besonderen gesundheitlichen Härtefällen auch bei einem GdB von unter 80 (BSG Urteil vom 16.02.2012 - B 9 SB 2/11 R = juris Rn. 22,24). Der Kläger verlässt, hiervon ist die Kammer aufgrund des Vorbringens des Klägers sowie der vorliegenden medizinischen Unterlagen überzeugt, aufgrund be-stehender Ängste auch nur ungern das Haus (dazu bereits oben) und hat Probleme bei der Kommunikation mit anderen Personen. Hier treten auch Ängste bis hin zu Panikattacken auf. Zur Überzeugung der Kammer ist der Kläger jedoch dennoch nicht in einer Weise allgemein und umfassend im Sinne der zum Merkzeichen RF entwickelten Rechtsprechung von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen, die die Annahme eines besonderen gesundheitlichen Härtefalls rechtfertigen würde. Der Kläger ist immer noch in der Lage, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstal-tungen zu besuchen, was nicht zuletzt seine Anwesenheit in der mündlichen Ver-handlung vor dem erkennenden Gericht am 17.05.2016 gezeigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
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