L 8 U 388/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3416/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 388/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im vorliegenden Berufungsverfahren die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig. Außerdem ist beim Senat ein Berufungsverfahren des Klägers L 8 U 4242/15 wegen der Gewährung von Verletztenrente wegen einer anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 BKV anhängig.

Der 1955 geborene Kläger war von September 1971 bis Mai 1997 und von Juli 1997 bis Oktober 2007 als Fliesenleger beschäftigt. Dazwischen leistete er den Wehrdienst ab bzw. war arbeitslos. Seit dem 16.10.2007 ist der Kläger nicht mehr erwerbstätig. Der Kläger ist privat berentet.

Am 20.07.2012 beantragte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten ohne Begründung die Zahlung von Verletztenrente aufgrund des Vorliegens einer BK Nr. 2108 ff. BKV.

Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Mit Bescheid vom 19.03.2014 stellte die Beklagte - ausgehend vom Eintritt des Versicherungsfalls am 16.10.2007 - das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der BKV fest und gewährte dem Kläger Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 01.07.2012.

Gegen den Bescheid vom 19.03.2014 legte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 21.03.2014 Widerspruch ein (L 8 U 4242/15). Gleichzeitig beantragte der Kläger die Gewährung von Geldleistungen nach § 3 BKV.

Mit Bescheid vom 25.03.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 BKV nicht bestehe. Zwar lägen die Voraussetzungen grundsätzlich nach dem Tag der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit (Oktober 2007) vor. Nach Auswertung der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.03.2011 - B 2 U 12/10 R - bestehe jedoch kein Anspruch auf Übergangsleistungen. Die Übergangsleistung habe einen präventiven Charakter. Da sie zukunftsgerichtet sei, könne die Leistung nicht außerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums rückwirkend erbracht werden. Da die Voraussetzungen ab Oktober 2007 vorgelegen hätten, entfalle der präventive Charakter der Übergangsleistungen und die Leistung könne rückwirkend nicht mehr erbracht werden.

Gegen den Bescheid vom 25.03.2014 legte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 27.03.2014 Widerspruch ein. Er machte zur Begründung (mit Schriftsätzen vom 23.04.2014 und 10.07.2014) geltend, er könne die Auffassung des BSG in der zitierten Entscheidung absolut nicht nachvollziehen. Mit einer solchen Argumentation könne man jegliche Sozialleistung, die Entgeltersatzfunktion habe, konterkarieren. Wenn diese Auffassung Schule mache, sei das die Abschaffung des Art. 19 Abs. 4 GG. Es sei Aufgabe aller am Rechtsstreit Beteiligten, wozu auch die Behörden gehörten, rechtsstaatliche Grundsätze zu wahren. Dazu würde es auch gehören, einer solchen Rechtsprechung nicht zu folgen. Es gebe Fälle, in denen acht bis neun Jahre um die Anerkennung einer Berufskrankheit gestritten werde, dann heiße es hinterher, ätsch, ätsch, es gebe die Leistung nach § 3 BKV nicht, weil sie den Zweck nicht erfülle. Das könne man ja wohl wirklich nicht mehr ernstnehmen. Die Rechtsprechung des BSG vom 22.03.2011 werde wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG für verfassungswidrig erachtet. Mit der Berufsaufgabe am 15.10.2007 hätten keinerlei Einkünfte bestanden. Es gebe keine Antragsfristen im BG-Recht und infolgedessen wäre dann tatsächlich die Leistung zu berechnen. Der Leistungsfall sei auf den 15.10.2007 festgelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Übergangsleistungen dürften nicht mehr bewilligt werden, wenn seit Vorliegen aller anspruchsbegründenden Tatsachen fünf Jahre vergangen seien. Dies sei der Fall. Ein Anspruch auf Übergangsleistungen hätte grundsätzlich vom 16.10.2007 bis 15.10.2012 bestanden.

Hiergegen erhob der Kläger am 24.07.2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Er wiederholte zur Begründung sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trug er vor, ein Antrag auf Verletztenrente beinhalte gleichzeitig auch den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV. Solange ein Rechtsstreit über Verletztenrente laufe, könne über den Leistungsantrag nach § 3 BKV nicht entschieden werden, der akzessorisch zur Gewährung der Hauptleistung, nämlich der Anerkennung einer BK, sei. Schließe sich ein zehnjähriger Rechtsstreit wegen des Antrags auf Verletztenrente aufgrund des Vorliegens einer BK an, würden die Voraussetzungen der im Gesetz vorgesehenen Übergangsleistung nicht mehr vorliegen. Es sei dann eine fehlende Justiziabilität gegeben. Fazit sei, es gebe in keinem Fall Leistungen nach § 3 BKV. Eine solche Rechtsprechung könne nur Kopfschütteln machen und überhaupt nicht mehr nachvollzogen werden. Entscheidender Punkt sei, es gebe Art. 19 Abs. 4 GG und die Anspruchsnorm des § 3 BKV. Der Gedankengang des BSG weitergesponnen habe zur Folge, dass auch um Kranken- und Arbeitslosengeld, Rente sowie Hinterbliebenenleistungen für die vergangene Zeiträume usw. nicht mehr gestritten werden könnte. Der Rechtsprechung dürfe unter keinen Umständen gefolgt werden.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.01.2016 wies das SG die Klage ab. Es nahm zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Bescheides vom 25.03.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 16.07.2014 Bezug. Ergänzend führte das SG aus, die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die von der Beklagten zutreffend angewandten Grundsätze des BSG teile das Gericht nicht.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 28.01.2016 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung (Schriftsatz vom 18.05.2016) zusätzlich zu seinem bisherigen Vorbringen ergänzend ausgeführt, dass er aus eigenen finanziellen Erwägungen und Möglichkeiten heraus aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit am 15.10.2007 aufgegeben habe, stehe einem Anspruch nach § 3 BKV nicht entgegen. Auf Bedürftigkeit komme es nicht an. Die Ausführungen des SG zur Verjährung seien nicht nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13.01.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.07.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Übergangsleistungen nach § 3 BKV zu bewilligen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 04.05.2016 und 19.05.2016; Schriftsatz der Beklagten vom 21.04.2016).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers sachdienlich und den Berufungsantrag der Beklagten sinngemäß gefasst.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Der Kläger macht einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Rechts auf Übergangsleistung nach § 3 BKV geltend. Da die Beklagte einen Anspruch auf Übergangsleistung noch nicht konkretisiert hat, geht es ihm darum, die Beklagte zu verpflichten, ihm ein Recht auf eine Übergangsleistung zu bewilligen. Um dieses Rechtsschutzziel zu erreichen, ist die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die richtige Klageart (BSG, Urteil vom 22.03.2011 - B 2 U 12/10 R -, m.w.N., juris).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 25.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 BKV nicht zu. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 i.m.V. mit Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch vorursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Liegen die Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Übergangsleistungen. Die Höhe, Dauer und Zahlungsart steht allerdings im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Insoweit hat der Versicherte gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Als Übergangsleistung wird gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (vgl. BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 § 3 Nr. 1 RdNr. 6 m.w.N.).

§ 3 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV regelt einen eigenständigen ("kleinen") Versicherungsfall, der nicht den Eintritt des ("großen") Versicherungsfalls einer BK voraussetzt. Auf der anderen Seite genügt weder eine arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr (§ 1 Nr. 1, § 14 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]) noch ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII), denn die Übergangsleistungen sind immer auf mindestens eine bestimmte BK bezogen. Für den Anspruch auf Übergangsleistungen ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Versicherte aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen auf seine Gesundheit ausgesetzt ist, die aktuell eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens einer BK begründen, wegen der fortbestehenden Gefahr die gefährdende Tätigkeit eingestellt wird und es dadurch zu einer konkreten Verdienstminderung und/oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen kommt. Die von vergangenheitsbezogenen Leistungen zur Entschädigung bereits eingetretener Versicherungsfälle zu unterscheidende zukunftsgerichtete Übergangsleistung soll vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen und dient der Vorbeugung sowie Krankheitsverhütung. Damit wird die vorrangige Aufgabe der Unfallversicherung konkretisiert, mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten (§ 1 Nr. 1 SGB VII; BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 33/08 R -, a.a.O.). Nach der genannten Rechtsprechung des BSG bedarf es notwendigerweise der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 3 BKV besteht danach nicht, wenn die Anerkennung einer BK mit Unterlassungszwang lediglich daran scheitert, dass der Versicherte sich weigert, die gesundheitsgefährdende Tätigkeit aufzugeben (BSG, Urteil vom 22.03.2011 - B 2 U 4/10 R = SozR 4-5671 § 3 Nr. 5).

Der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV scheitert bereits daran, dass die mit der Übergangsleistung intendierten Zwecke nicht mehr zu erreichen waren. Der Kläger konnte nicht mehr präventiv mit zukunftsgerichteten Überbrückungsleistungen unterstützt werden.

Nach dem Urteil des BSG vom 22.03.2011 - B 2 U 12/10 R - (juris) ist Zweck der Übergangsleistung allein die Prävention die darin besteht, beruflich bedingten Erkrankungen möglichst dadurch vorzubeugen, dass Anreize gesetzt werden, die gefährdende Tätigkeit rechtzeitig zu unterlassen (vgl. BSG vom 31.5.1996 - 2 RU 25/95 - BSGE 78, 261, 264 = SozR 3-5670 § 3 Nr. 2). Dadurch wird die Unterlassung gefährdender Tätigkeit, auf die nach § 3 Abs. 1 BKV hinzuwirken ist, ergänzend gefördert. Denn dem Versicherten wird für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und im Wesentlichen dadurch verursachte Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs. 2 BKV vorgegebenen Umfang, ausgeglichen werden (vgl. BSG Urteil vom 27.11.1986 - 5a RKnU 7/85 - SozR 5695 § 5 Nr. 1 - Juris RdNr 11). Die Übergangsleistung ist als präventive Hilfe beim und zum Übergang in eine nicht gefährdende Tätigkeit ausgestaltet (vgl. BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R - SozR 4-5671 § 3 Nr. 1 RdNr. 7, 15) und verfolgt aufgrund dessen zukunftsgerichtete Ziele (BSG, a.a.O., RdNr. 15).

Ein Anspruch auf eine Entscheidung über die Zuerkennung eines Rechts auf eine Übergangsleistung entsteht erst, wenn der Versicherte nach der durch die (drohende) Berufskrankheit bedingten Aufgabe seiner bisherigen gefährdenden Tätigkeiten deswegen (ggf. trotz eines Vorteilsausgleichs) einen geringeren oder keinen Verdienst erlangt hat. Dies liegt u.a. vor, wenn er wegen der gefährdenden Tätigkeiten auch seine bisherige Erwerbstätigkeit insgesamt aufgeben muss und keine anderweitige Erwerbstätigkeit und damit keinen anderweitigen Verdienst erlangt. Die Übergangsleistung soll gerade das übergangslose Absinken im wirtschaftlichen Status vermeiden. Sie ist darauf angelegt, innerhalb des normativ bestimmten Zeitraums durch vollständigen bis teilweisen Ausgleich der infolge Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit entstehenden wirtschaftlichen Nachteile von der wirtschaftlichen Situation vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu der danach eintretenden wirtschaftlichen Situation überzuleiten (vgl. BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 1/03 R -, juris, RdNr. 13 m.w.N.). Der Versicherte soll innerhalb dieser Zeit - unterstützt durch die Übergangsleistung - versuchen, seinen wirtschaftlichen Status so zu gestalten, dass er gegebenenfalls zusammen mit ihm zustehenden Leistungen wie Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder das Niveau vor Auftreten der BK erreicht. Gelingt ihm das nicht, vermag ihn die Übergangsleistung nach Ablauf der für diese vorgesehenen Dauer von höchstens fünf Jahren ab Tatbestandserfüllung jedoch nicht mehr davor zu bewahren, dass er auf einen wirtschaftlich niedrigeren Stand absinkt (vgl. BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr. 2).

Dagegen dient die Übergangsleistung nicht dem Ersatz eines (in der Vergangenheit) eingetretenen Schadens. Sie ist nicht als Ausgleich des Schadens gedacht, den der Versicherte durch die krankheitsbedingte Tätigkeitsaufgabe in Form des Minderverdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile erleidet. Gegen eine Schadensersatzfunktion spricht schon, dass § 3 Abs. 2 BKV weder das Vorliegen einer BK noch die Feststellung eines Versicherungsfalls voraussetzt und nicht den vollen und auf Dauer eintretenden Nachteil durch die erzwungene Tätigkeitseinstellung vollständig ausgleichen kann und will. Der rein präventive Charakter der Leistungsart schließt es zugleich aus, dass diese der Entschädigung dienen soll. Es handelt sich nicht um soziale Entschädigung. Diese dient dem Ausgleich auch der wirtschaftlichen Auswirkungen eines erlittenen Gesundheitsschadens, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen einsteht (§ 5 SGB I). Der Gedanke der Entschädigung eines besonderen Opfers für die staatliche Gemeinschaft - wie er vom Bundesversorgungsgesetz oder Opferentschädigungsgesetz verfolgt wird - trifft auf die echte gesetzliche Unfallversicherung nicht zu (vgl. Voelzke, jurisPK-SGB I, § 5 RdNr 4). Vielmehr handelt es sich bei § 3 BKV um eine im Recht der Sozialversicherung angesiedelte Regelung zur Prävention und Krankheitsvorsorge (vgl. BSG vom 5.8.1993 - 2 RU 46/92 - HVBG-INFO 1994, 496; BSGE 19, 157, 158). Ein Verständnis der Vorschrift als haftungsrechtliche Entschädigung im Sinne des sonstigen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts scheidet aus.

Der Unfallversicherungsträger darf Zahlungsansprüche auf Grundlage des § 3 Abs. 2 BKV längstens für fünf Jahre seit der Tatbestandserfüllung begründen. Der präventive Zweck des § 3 Abs. 2 BKV kann nur erreicht werden, wenn die Geldleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Verdienstminderung oder der wirtschaftlichen Nachteile i.S.d Tatbestandes erbracht wird. Die Vorschrift gibt diesen zeitlichen Rahmen ausdrücklich für das weiterreichende Recht auf monatlich wiederkehrende Zahlung vor. Er gilt aber auch für den bloßen Anspruch auf einmalige "Beihilfe". Dies erfordert, dass auch sie zeitnah nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV erbracht wird. Typischerweise ist ein einmaliger Geldbetrag alsbald zu leisten, nachdem der Versicherte den Übergang in eine andere berufliche Tätigkeit begonnen hat. Nach der in § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV getroffenen Typisierung ist der Übergang in die andere berufliche Tätigkeit längstens nach fünf Jahren abgeschlossen. Nach ihren Zwecken können deshalb beide Arten von Übergangsleistung außerhalb eines angemessenen, fünf Jahre überschreitenden Zeitraums nicht erbracht werden (Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Anhang zu K § 9 - § 3 BKV RdNr. 67).

Der Verordnungsgeber trägt mit § 3 Abs. 2 BKV auch dem Gedanken Rechnung, dass den Versicherten bei typisierender Betrachtung nach einem Zeitraum von fünf Jahren die Umstellung auf eine andere Tätigkeit gelungen sein wird (vgl. BSG vom 28.2.1980 - 8a RU 66/78 - BSGE 50, 40, 42 f = SozR 5677 § 3 Nr. 2). Andererseits berücksichtigt die Länge des möglichen Anspruchszeitraums auch, dass der Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit in der Regel nicht unmittelbar die Aufnahme einer neuen nicht gefährdenden Tätigkeit folgen muss oder kann. Neben den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts können auch andere Umstände, wie z.B. ein Bedarf an Ausbildung, Umschulung, Weiterbildung oder persönliche Gründe, der Aufnahme einer neuen Tätigkeit entgegenstehen (vgl. auch Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, G § 3 Anm. 5.1).

Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 22.03.2011, der sich der Senat anschließt, ist die Beklagte nicht zur Bewilligung einer Übergangsleistung wegen der am 15.10.2007 erfolgten Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit berechtigt oder verpflichtet. Die mit Präventionsleistungen zu unterstützende, bis zu fünf Jahre dauernde Phase der Umstellung auf ein neues Tätigkeitsfeld war beim Kläger abgeschlossen. Der Fünf-Jahres-Zeitraum beginnt, wenn auch der wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist (BSG, Urteil vom 22.03.2011, a.a.O.). Dies ist vorliegend der Tag nach der der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit am 15.10.2007, der 16.10.2007. Dass beim Kläger ein Minderverdienst / wirtschaftlicher Nachteil erst später eingetreten ist, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger hat einen solchen Sachverhalt nicht geltend gemacht. Er hat vielmehr - im Widerspruchsverfahren - vorgetragen, mit der Berufsaufgabe am 15.10.2007 hätten zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einkünfte bestanden (Schriftsatz vom 23.04.2014). Die Frist läuft kalendermäßig ab und wird durch den zeitweisen Wegfall des Minderverdienstes oder eines sonstigen wirtschaftlichen Nachteils nicht unterbrochen, gehemmt oder neu in Gang gesetzt (vgl. BSG SozR Nr. 1 zu § 9 7. BKVO; BSG vom 22.5.1997 - 2 BU 84/97 - HVBG-INFO 1997, 1912). Die Frist endete damit mit Ablauf des 15.10.2012. Soweit der Kläger geltend macht, bereits mit dem Antrag vom 20.07.2012, und damit innerhalb der Fünf-Jahres-Frist, Übergangsleistungen beantragt zu haben, kann ihm nicht gefolgt werden. Er hat vielmehr ausdrücklich lediglich die Zahlung von Verletztenrente aufgrund des Vorliegens einer BK Nr. 2108 ff BKV bei der Beklagten beantragt. Nähere Gründe, die darauf hindeuten, dass der Kläger entgegen dem ausdrücklich auf Gewährung von Verletztenrente beschränkten Antrag auch die Gewährung von Übergangsleistungen geltend macht, sind dem nicht begründeten Schreiben vom 20.07.2012 nicht zu entnehmen. Insbesondere hat der Kläger nicht mitgeteilt, die gefährdende Tätigkeit mit einem Minderverdienst aufgegeben zu haben. Einen möglichen Bedarf an Präventionsleistungen, insbesondere Übergangsleistungen, lässt sich dem Schreiben vom 20.07.2012 nicht ansatzweise entnehmen. Die Beklagte musste deshalb ein Feststellungsverfahren wegen der Gewährung von Übergangsleistungen aufgrund des Antragsschreibens vom 20.07.2012 nicht einleiten. Dementsprechend hat die Beklagte im Bescheid über die Feststellung des Vorliegens einer BK Nr. 2108 BKV vom 19.03.2014 über die Gewährung von Übergangsleistungen nicht entschieden und auch nicht zu entscheiden gehabt. Kenntnis von einem möglichen Bedarf an Präventionsleistungen hat die Beklagte frühestens durch die Rücksendung der dem Klägerbevollmächtigten nach dem Eingangsstempel am 15.08.2012 zugegangenen Fragebögen der Beklagten (insbesondere zur Arbeitsanamnese -Formblatt L2530-, Angabe der Beendigung der Tätigkeit als Fliesenleger bei der Firma B. am 15.10.2007) mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 13.05.2013 und damit außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraumes erlangt. Doch selbst diesen Angaben war ein konkreter Minderverdienst nicht eindeutig zu entnehmen. Wegen des zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen Fünf-Jahres-Zeitraums musste die Beklagte diesbezüglich keine weitere Aufklärung betreiben. Damit ist die Beklagte nach der dargestellten Rechtsprechung des BSG vom 22.03.2011 (a.a.O.) gehindert, Übergangsleistungen rückwirkend für die Zeit ab dem 16.10.2007 (bis 15.10.2012) zu erbringen.

Ein Anspruch des Klägers auf Übergangsleistungen für Zeiträume innerhalb von fünf Jahren vor oder nach der Übersendung der Fragebögen mit Schreiben vom 13.05.2013 besteht nicht. Dem Vorbringen des Klägers lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum später begonnen hätte, weil ein Minderverdienst nicht schon mit der Berufsaufgabe eingetretene wäre. Dies wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht, wie oben unter Bezugnahme auf das Widerspruchsvorbringen des Klägers dargelegt ist. Vielmehr hat der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. S. am 13.11.2013 bereits angegeben, seit Aufgabe der Erwerbstätigkeit vom Ersparten und einer privaten Rente zu leben, was er auch zur Berufungsbegründung bestätigt hat.

Der Ansicht des Klägers zur Verfassungswidrigkeit der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze kann nicht gefolgt werden. Die vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten zur Begründung seiner Ansicht vorgetragenen Argumente treffen weder die dem Urteil des BSG vom 22.03.2011 zu Grunde liegende Fallgestaltung noch die Fallgestaltung im vorliegenden Rechtsstreit. Zudem kann davon, dass der Gedankengang des BSG weitergesponnen zur Folge habe, dass auch um Kranken- und Arbeitslosengeld, Rente sowie Hinterbliebenenleistungen für die vergangene Zeiträume usw. nicht mehr gestritten werden könnte, keine Rede sein, was bereits das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat. Ein Verstoß insbesondere gegen Art. 19 Abs. 4 GG, wie der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten meint, ist nicht erkennbar. Die vorgetragenen Argumente des Prozessbevollmächtigten des Klägers rechtfertigen die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 4 GG ersichtlich nicht. Auch dem sonstigen Vorbringen des Klägers kann nicht gefolgt werden. Sein auf Leistungen mit Entgeltersatzcharakter bezogenes Vorbringen verfängt im Hinblick auf die präventive Zielrichtung der Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV (vgl. auch Beschluss des Senats vom 17.12.2015 - L 8 U 4935/15 ER-B -) nicht. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger auf das Rechtsinstitut der Verjährung abstellt. Ein Fall der Verjährung liegt nicht vor. Für den Senat besteht deshalb auch kein Anlass, sich dem Urteil des BSG vom 22.03.2011 nicht anzuschließen.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Vielmehr sind die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des BSG geklärt.
Rechtskraft
Aus
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