Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3717/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 894/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014.
Die am 1965 geborene Klägerin war nach Abschluss einer Berufsausbildung als Verkäuferin ab dem 16. Juli 1983 mit wiederholten Unterbrechungen wegen Arbeitsunfähigkeit und durch den Bezug von Entgeltersatzleistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) versicherungspflichtig beschäftigt bis zum 30. Juni 1998, anschließend bezog sie bis zum Beginn des Mutterschutzes am 16. Februar 2001 Kranken- und Arbeitslosengeld sowie Arbeitslosenhilfe und ab dem 1. Oktober 2003 wiederum Arbeitslosengeld und -hilfe sowie Arbeitslosengeld II bis zum 28. Februar 2005. Im Anschluss bestanden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug und nicht abgeschlossenen Fachschulausbildung. Versicherungspflichtig beschäftigt war sie zuletzt vom 28. Januar bis 15. Juli 2008. Anschließend bestand mit Ausnahme einer Zeit fehlender Arbeitslosmeldung vom 1. September 2009 bis 18. Februar 2010 Arbeitslosigkeit überwiegend ohne Leistungsbezug bis 31. Juli 2010, unterbrochen von einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit und Rehabilitation vom 13. Oktober bis 10. Dezember 2008. Ab dem 16. September 2011 bis zum 31. Juli 2013 war die Klägerin bei Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen als Fahrerin für behinderte Kinder geringfügig beschäftigt (Verzicht auf die Versicherungsfreiheit), unterbrochen von einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 30. März bis 20. April 2012. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug war sie erneut als Fahrerin für behinderte Kinder vom 9. September 2013 erneut geringfügig beschäftigt, ab dem 1. Oktober 2013 bis 7. März 2014 unter Verzicht auf die Versicherungsfreiheit. Anschließend war die Klägerin arbeitsunfähig und bezog für die Dauer einer Rehabilitationsmaßnahme vom 24. Juni bis 29. Juli 2014 Übergangsgeld.
Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) jedenfalls von 50 seit dem 7. Mai 2012 festgestellt (Bescheid des Landratsamtes R. vom 22. Juni 2012).
Ein erster Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 13. Juli 2010 blieb ohne Erfolg (Ablehnungsbescheid vom 23. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2011; Rücknahme der Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe [SG] - S 5 R 184/11 - am 6. Februar 2012), ebenso der zweite Antrag vom 11. Mai 2012 (Ablehnungsbescheid vom 23. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2012; Rücknahme der Klage vor dem SG - S 5 R 3350/12 - am 30. Januar 2013) und der dritte vom 7. Oktober 2013 (bestandskräftiger Ablehnungsbescheid vom 17. Oktober 2013). Im Rechtsstreit S 5 R 487/11 hatte Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Diplompsychologe B. in seinem am 3. August 2011 erstatteten Gutachten eine depressive Anpassungsstörung mit multiplen Schmerzen, eine somatoforme Schmerzstörung sowie einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Nicht mehr zumutbar seien der Klägerin mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, dauerndes bzw. überwiegendes Stehen oder Gehen und auch Sitzen ("Zwangshaltungen"), häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, überdurchschnittliche Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition. Unter Beachtung dieser Einschränkungen seien der Klägerin noch leichte körperliche Tätigkeiten acht Stunden täglich zumutbar. In einem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. N., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, unter dem 15. Januar 2012 erstellten Gutachten beschrieb dieser chronische Schmerzstörungen mit somatischen und psychischen Faktoren, Hals- und Lendenwirbelsäulenfunktionsstörungen ohne radikuläre Reizung, eine Dysthymia sowie einen Spannungskopfschmerz. Mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, dauerndes Stehen und Gehen, gleichförmige Körperhaltungen mit Zwangshaltungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kälte und Nässe, unter ständigem Zeitdruck und Stressbelastungen wie Akkord- und Fließbandarbeiten, sowie unter nervlicher Belastung seien der Klägerin nicht mehr zumutbar. Unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen könne die Klägerin leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich durchführen. Im Verfahren S 5 R 3550/12 hatte Facharzt für Orthopädie Dr. J. in seinem am 8. Januar 2013 erstatteten Gutachten als Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet beschrieben: diskrete Fehlstatik der Wirbelsäule mit leichter Verspannung der Nacken- und Lendenstreckmuskulatur sowie des oberen Trapeziusrandes beidseits (keine relevante Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule, keine neurologischen Ausfälle, keine Zeichen einer Nervenwurzelreizung), versteiftes Halswirbelsäulensegment C5/6 und Lendenwirbelsäulensegment L5/S1, einliegende Bandscheibenprothese Halswirbelkörper 6/7, Deformierung des ersten Großzehenstrahles (deutlich betont links), Einsteifung der linken Großzehe, Beugeeinschränkung im rechten Großzehengrundgelenk. Die Klägerin könne noch leichte und kurzzeitig mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen acht Stunden täglich verrichten. Gemieden werden sollten Arbeiten in vornüber gebeugter Körperhaltung sowie in Wirbelsäulenzwangshaltungen, Heben und Tragen von Gegenständen über 10 kg, Arbeiten in der Hocke und im Knien, auf Leitern und Gerüsten, in Nässe und Kälte sowie wiederkehrende Überkopfarbeiten beidseits.
Vom 24. Juni bis 29. Juli 2014 befand sich die Klägerin erneut in stationärer psychosomatischer Rehabilitation der Reha-Klinik S. B., B. B ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 5. August 2014 diagnostizierte PD Dr. M. eine somatoforme Schmerzstörung bei vorbefundeter Fibromyalgie, eine Dysthymia, einen Bruxismus (Zähneknirschen), ein Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach zweimaliger Wirbelsäulenoperation (zervikal und lumbal), Schmerzen im Fuß bei Zustand nach mehrfachen Hallux valgus-Operationen beidseits, einen Zustand nach Hörsturz rechts sowie nach Cholecystektomie (Entfernung der Gallenblase) 2014. Aus psychotherapeutischer Sicht verfüge die Klägerin über ein vollschichtiges berufliches Leistungsvermögen mit Ausnahme von Nachtschicht und Akkord. Aus organmedizinischer Sicht ergebe sich eine Einschränkung auf leichte bis ab und zu mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen oder ständig im Sitzen in Tagesschicht unter Früh- und Spätschicht, unter Vermeidung von Wirbelsäulenzwangshaltungen und Überkopfarbeiten. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne die Klägerin über sechs Stunden täglich eine Tätigkeit ausüben. Gegebenenfalls müsse noch auf HNO-ärztliche Einschränkungen Rücksicht genommen werden.
Am 4. August 2014 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, zu dessen Begründung sie angab, seit Mai 2014 ohne Krankengeldbezug arbeitsunfähig zu sein. Erwerbsgemindert sei sie seit 2010 wegen mehrfachen Operationen an beiden Füßen, Versteifungsoperationen an der Hals- und Lendenwirbelsäule (seit 2014 Schraubenbruch an der Lendenwirbelsäule), Dauerschmerzen am ganzen Körper (Fibromyalgie) und psychosomatischen Störungen mit Depression und ständigen Magenschmerzen. Während der Gallenblasen-Operation im Januar 2014 habe sie einen Hörsturz rechts erlitten; das Ohr sei ohne Erfolg operiert worden; es bestehe eine akute Ertaubung.
Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen bei. In einem ärztlichen Befundbericht vom 28. August 2014 diagnostizierte HNO-Facharzt Dr. Gr. einen Hörsturz, eine Trommelfellperforation sowie eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Es erfolge eine Hörgeräteversorgung. Im beigelegten Audiogramm vom 28. August 2014 wurde ein Hörverlust rechts von 75 % (Ton) und 80 % (Sprache), links von jeweils 0 % beschrieben. In einem Arztbrief vom 7. Mai 2014 beschrieb Dr. Ki., Facharzt für Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie, nach Durchführung eines MRT des Schädels vom 6. Mai 2014 einen Normalbefund. Nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen kam Ärztin für Chirurgie Dr. La. in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 2. September 2014 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie, ein Wirbelsäulensyndrom (Halswirbelsäule, Lendenwirbelsäule) sowie ein hochgradiger Hörverlust rechts (bei normalem Hörvermögen links) vorlägen. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen oder Sitzen ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Ausgeschlossen seien besonderer Zeitdruck, besondere Beanspruchung des Hörvermögens, längere Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern und Steigen sowie häufige Überkopfarbeiten.
Mit Bescheid vom 9. September 2014 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, die Schwere der berücksichtigten Erkrankungen erlaube ihr eine tägliche Erwerbstätigkeit von allenfalls drei bis vier Stunden, was hausärztlicher Internist Kr. bestätige. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund der Reha-Entlassungsberichte und weiterer medizinischer Unterlagen liege eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht vor.
Hiergegen erhob die Kläger am 6. November 2014 Klage beim SG, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholte. Die Agentur für Arbeit R. habe ihr mitgeteilt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vermittelbar sei. Sie sei vom 24. Januar bis 30. September 2014 und wieder seit dem 27. Oktober 2014 durchgehend krankgeschrieben. Sie könne weder sechs Stunden täglich arbeiten noch 500 m laufen. Die Klägerin legte einen Arztbrief der Leitenden Oberärztin der HNO-U.-klinik F. Prof. Dr. A. vom 23. Juni 2015 vor (Diagnosen: hochgradige Schwerhörigkeit rechts, Zustand nach Tympanoskopie mit Rundfenstermembranabdichtung Februar 2014 und Hörsturz rechts Januar 2014; empfohlen Hörgerätoptimierung rechts, gegebenenfalls Cochlear Implantat-Versorgung rechts) sowie den vorläufigen Entlassbrief von Dr. Ka., A. Rheumazentrum B.-B., vom 11. Dezember 2015.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Internisten und Rheumatologen Dr. Lu. vom 30. Juni 2015 entgegen.
Das SG holte schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Gr. beschrieb in seiner Auskunft vom 12. Februar 2015 einen Druckschmerz lumbal und zervikal mit deutlichem paravertebralem Hartspann ohne Paresen oder sensible Wurzeldefizite bei seitengleichen Reflexen. Nach der im März 2012 durchgeführten Wirbelsäulenoperation an L5/S1 seien die Hauptbeschwerden deutlich rückläufig gewesen. Eine S1-Wurzelsymptomatik sei als Residuum verblieben, habe aber gut konservativ behandelt werden können. Im weiteren Verlauf seien nach Wiederaufnahme der Arbeit Brennschmerzen im Gesäßbereich wieder aufgetreten, ohne dass neurologische Defizite eruierbar gewesen seien. Vermehrt seien Schmerzen im Nackenbereich bei Belastung angegeben worden. Die Klägerin könne eine körperlich leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dr. Gr. diagnostizierte in seiner Auskunft vom 10. Februar 2015 eine rechtseitige Schwerhörigkeit seit 29. Januar 2014. Die initial festgestellte Trommelfellperforation rechts habe geschlossen werden können. Bei der letzten Untersuchung am 13. Januar 2015 sei ein Hörverlust rechts von 90 % und links von 0 % (nach Röser 1980) festgestellt worden. In der Freifeldaudiometrie mit Hörgeräteversorgung rechts sei bei 60 dB eine Einsilberverständlichkeit von 95 % erreicht worden. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Der die Klägerin bis Ende 2014 hausärztlich behandelnde Internist Kr. hielt die Klägerin wegen Depression, Ertaubung, chronischer Schmerzen und Fibromyalgie für nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (Auskunft vom 11. Februar 2015). Beigelegt wurde u.a. ein Arztbrief der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 22. April 2014 über eine Untersuchung am 17. April 2014 (Hypakusis rechts; keine Indikation für eine antidepressive Medikation). Neurologe und Psychiater Dr. Ha. gab unter dem 24. Februar 2015 eine mit Hörgerät versorgte Hypakusis rechts, eine bedrückte Stimmung, eine Zunahme von Schmerzen bei mentaler Belastung sowie einen Bruxismus an. Dass sie aufgrund ihres Hörschadens nicht berufsmäßig Autofahren dürfe, habe die Klägerin in ihrer Stimmung deutlich gedämpft. Die die Klägerin seit November 2014 hausärztlich behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H.-K. diagnostizierte in ihrer Auskunft vom 24. Februar 2015 eine Fibromyalgie, ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation Halswirbelkörper 5/6 und 6/7 und einen Zustand nach Lendenwirbelsäulen-Versteifungsoperation, des Weiteren Bruxismus und Dysthymie. Der Klägerin seien auch körperlich leichte Tätigkeiten lediglich bis zu drei Stunden täglich zumutbar aufgrund chronischer Schmerzen. Diese Leistungseinschränkung bestehe seit einem Bandscheibenvorfall im Jahr 2010. Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation Dr. Dre., Leiter des A. Medizinischen Versorgungszentrums Fachpraxen B.-B., berichtete unter dem 2. April 2015 über Behandlungen der Klägerin im Zeitraum vom 8. Juni 2011 bis 16. Juli 2013. Bedingt durch ein ausgeprägtes Fibromyalgie-Syndrom, den Zustand nach Bandscheibenvorfällen vor allem im Halswirbelsäulen-Bereich C5/C6 und C6/C7 mit Zustand nach ventraler Fusion und Implantation einer Prothese sowie durch ein degeneratives Lendenwirbelsäulen-Syndrom und vor allem durch eine mittelgradige Depression betrage die maximal noch mögliche Arbeitsbelastung unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch drei Stunden täglich für eine leichte körperliche Tätigkeit. Bedingt durch den Zustand nach mehrfachen Vorfußoperationen bestehe eine Einschränkung der Gehstrecke.
Das SG bestellte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Be. zum gerichtlichen Sachverständigen und beauftragte Psychologischen Psychotherapeuten und klinischen Neuropsychologie Dr. phil. As. mit der Erstellung eines psychologischen Zusatzgutachtens. Letzterer stellte in seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 22. September 2015 unter dem 2. Oktober 2015 erstatteten Gutachten die Diagnosen einer Dysthymie, einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren sowie eines Bruxismus. Die Klägerin sei nicht in der Lage, Tätigkeiten in Nacht- oder Schichtdienst sowie mit erhöhter Verantwortung und mentaler Belastung, wie Publikumsverkehr und Zeitdruck zu verrichten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen seien ihr leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich möglich. Aufgrund der psychischen Störungen bestünden zwar geringe Einschränkungen in der psychophysischen Belastbarkeit, diese seien von der Klägerin jedoch unter zumutbarer Willensanspannung kompensierbar. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Dr. Be. bestätigte in seinem aufgrund einer Untersuchung am 22. September 2015 unter dem 28. Oktober 2015 erstellten Hauptgutachten die Diagnosen einer Dysthymie, einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren sowie eines Bruxismus; des Weiteren bestünden chronische haltungs- und belastungsabhängig verstärkte Nackenschmerzen bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (Fusion Halswirbelkörper 5/6, Implantation einer Bandscheibenprothese Halswirbelkörper 6/7, 04/10) ohne radikuläre Ausfallerscheinungen, haltungs- und belastungsabhängig auftretende Kreuzschmerzen (Versteifungsoperation wegen Spondylolisthese L5/S1 Grad II Meyerding, 03/12) ohne radikuläre Ausfallerscheinungen, mehrfache Operationen wegen Hallux valgus beidseits (operative Versteifung des Großzehengrundgelenks links, Verkürzung und Deformation einzelner Zehen links, belastungsabhängige Vorfußschmerzen beidseits) sowie eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts durch Hörsturz rechts 2014 (Tympanoskopie mit Rundumfenstermembranabdichtung rechts 2014). Wegen der chronischen Schmerzstörung und der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen könnten nur noch leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten zugemutet werden, keine Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständigen Überkopfarbeiten, häufigem Bücken oder mit Vorhalten des Rumpfes, im Knien oder in der Hocke, auf Leitern oder Gerüsten. Auch wegen der zusätzlichen depressiven Störung seien Tätigkeiten mit erhöhter Stress- oder nervlicher Belastung, mit besonderem Zeitdruck, erhöhtem Publikumsverkehr, Akkord- oder Fließbandarbeiten ausgeschlossen, ebenso Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung, in Gefährdungsbereichen oder mit erhöhter Unfallgefahr, mit besonderer Eigen- oder Fremdgefährdung, in Nacht- oder häufig wechselnden Schichten, berufliche Fahrertätigkeiten, Steuerung oder Überwachung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Tätigkeiten in Kälte oder Nässe. Wegen der hochgradigen Schwerhörigkeit seien Tätigkeiten, die ein uneingeschränktes Hörvermögen erforderten oder mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen einhergingen, sowie solche in Lärm oder in Großraumbüros nicht mehr leidensgerecht. Unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen könne die Klägerin leichte Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die Wegefähigkeit sei gegeben.
Zuletzt zog das SG den Bericht über den stationären Aufenthalt der Klägerin in der A. Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie B.-B. vom 25. November bis 12. Dezember 2015 von Prof. Dr. E. vom 14. Dezember 2015 bei, in dem als Diagnosen genannt wurden: Fibromyalgie-Syndrom, degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Bandscheibenvorfall C5/C6, C6/C7, OP 2010 mit ventraler Fusion und Prothesenimplantation, Lendenwirbelkörper L5/S1 Bandscheibenoperation (Spondylodese) 2012, Zustand nach Hörsturz rechts mit anhaltender hochgradiger Schwerhörigkeit, Zustand nach mehrfacher Vorfußoperation, Interpositionsarthrodese D I, Laktoseintoleranz, Zustand nach HP-Eradikation sowie rezidivierende Depression, derzeit mittelgradig ausgeprägt.
Mit Urteil vom 10. Februar 2016 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den Einschätzungen von Dr. Be. und Dr. As. folgend und in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht des PD Dr. M. sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt. Es könne sich nicht von einer derart schweren Ausprägung der Schmerzstörung überzeugen, die das Vermögen der Klägerin mehr als sechs Stunden eine leichte Tätigkeit auszuüben, beeinträchtigen könnte. Weder aufgrund der Untersuchung durch Dr. Be. noch aufgrund der Alltagsgestaltung der Klägerin und auch nicht aufgrund der Gerichtsverhandlung sei eine solche erhebliche Schmerzstörung nachvollziehbar. Die Klägerin sei in der Lage, den normalen Alltagsanforderungen eigenständig nachzukommen. Sie sei sozial gut integriert und mobil. Sie unternehme auch Reisen mit dem Flugzeug oder dem Fernbus nach Berlin. Im Übrigen sprächen auch die aus den Akten ersichtlichen Frequenz und Intensität der ärztlichen Behandlungen gegen eine schwergradige Schmerzstörung oder eine schwere depressive Störung. Die Klägerin habe sich in sehr unregelmäßiger neurologisch-psychiatrischer Behandlung befunden.
Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 15. Februar 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. März 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) B.-Württemberg eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sich entgegen der Darstellung des SG nicht unregelmäßig in neurologisch-psychiatrischer Behandlung zu befinden. Vielmehr sei sie regelmäßig bei der Psychologin Su. in Behandlung. Da die Krankenkasse vorgeschrieben habe, dass eine einjährige Pause eingelegt werden müsse, habe sie in dieser Zeit nur einmal im Quartal die Psychologin aufsuchen können. Der Entlassungsbericht des Prof. Dr. E. über den stationären Aufenthalt im Dezember 2015 sei vom SG nicht erwähnt und in Betracht gezogen worden. Sie unternehme auch keine "Reisen", sondern besuche lediglich ein- bis maximal zweimal jährlich ihre Eltern in Berlin. Des Weiteren habe sie den Eindruck, dass die Krankheit Fibromyalgie weder von der Beklagten noch vom SG anerkannt werde. Dabei handle es sich um eine chronische und unheilbare Krankheit, die gekennzeichnet sei durch weitverbreitete Schmerzen mit wechselnder Lokalisation in der Muskulatur, um die Gelenke und im Bereich des Rückens. Bei ihr stünden vor allem die Schmerzen im Vordergrund. Hinzu kämen psychische Symptome wie starke Depressionen. Die Medikamentendosis hierfür sei ärztlicherseits erhöht worden. Wegen der Schwerhörigkeit sei ihr mittlerweile im März 2016 ein Cochlear-Implantat eingesetzt worden. Die "Reha-Zeit" beginne am 10. April 2016 im ICF Zentrum des Universitätsklinikums Freiburg und sei verteilt auf zwei bis drei Jahre. Seitens der Agentur für Arbeit sei ihr mitgeteilt worden, dass sie nicht mehr vermittelt werden könne. Es bestehe eine Sonderregelung bei Arbeitslosigkeit. Sei man arbeitslos und könne aus gesundheitlichen Gründen nur noch eine Teilzeitarbeit von mindestens drei Stunden, aber weniger als sechs Stunden täglich ausüben, gelte man als voll erwerbsgemindert. Zuletzt hat die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 23. März und 13. Mai 2016 vorgelegt, in der Dr. H.-K. die kodierten Diagnosen Q66.8G (Sonstige angeborene Deformität der Füße), F45.8G (Sonstige somatoforme Störung) und F32.1G (mittelgradige depressive Episode) angegeben hat.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2014 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG, der Vorverfahrensakten des SG S 5 R 487/11 und S 5 R 3550/12, sowie der vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, die nicht der Zulassung bedarf, weil die Klägerin Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig.
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014 (vgl. § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht sie zu Recht nicht geltend, da sie nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Streitbefangen ist der Bescheid vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2014.
3. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Senat ist überzeugt, dass diese zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden pro Tag verrichten kann.
(1) Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass auf orthopädischem Fachgebiet ein Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach zweimaliger Wirbelsäulenoperation (zervikal und lumbal) und Schmerzen im Fuß bei Zustand nach mehrfachen Hallux valgus-Operationen beidseits bestehen. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen im Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M., dem bereits im früheren Verfahren vor dem SG (S 5 R 3550/12) erstatteten Gutachten von Dr. J., die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51), der Auskunft von Dr. Gr. sowie hinsichtlich des neurologischen Anteils dem Gutachten von Dr. Be ... Danach hat das Wirbelsäulensyndrom nach den erfolgreich durchgeführten Operationen nicht zu einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule oder zu radikulären Ausfallerscheinungen geführt. PD Dr. M. beschreibt eine lediglich leichtgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke und die Beweglichkeit der Wirbelsäule in allen Etagen als ausreichend frei; der Finger-Boden-Abstand betrug 2 cm. Die Zeichen nach Lasègue waren beidseits negativ. Es fanden sich keine Störungen der Motorik und Sensibilität. Einen unauffälligen neurologischen Befund hat auch Dr. Be. - in Übereinstimmung mit Dr. Ha. - beschrieben. Dr. Gr. beschrieb einen Druckschmerz lumbal und zervikal mit deutlichem paravertebralem Hartspann ebenfalls ohne Paresen oder sensible Wurzeldefizite bei seitengleichen Reflexen. Nach der im März 2012 durchgeführten Wirbelsäulenoperation an L5/S1 seien die Hauptbeschwerden deutlich rückläufig gewesen. Eine als Residuum verbliebene S1-Wurzelsymptomatik habe aber gut konservativ behandelt werden können. Im weiteren Verlauf seien nach Wiederaufnahme der Arbeit Brennschmerzen im Gesäßbereich wieder aufgetreten, ohne dass neurologische Defizite eruierbar gewesen seien. Aufgrund der mehrfachen Vorfußoperationen besteht nach den Feststellungen von PD Dr. M. eine Versteifung der linken sowie eine Verkürzung der rechten Großzehe. Ansonsten waren die Gelenke aktiv und passiv frei beweglich und ohne Deformierungen. Dr. Be. berichtete über einen unauffälligen Gang und ebensolchen Zehen- und Hackengang und -stand.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehen eine chronische, leichte depressive Störung im Sinne einer Dysthymie, eine chronische Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren sowie ein Bruxismus. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. Be. einschließlich dem Zusatzgutachten von Dr. As. sowie dem Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M ... Eine schwerere Verlaufsform der depressiven Störung war nicht festzustellen. Während des Rehaverfahrens in der S.-klinik B. B. zeigte sich die Klägerin im Kontakt freundlich und kooperativ. Die Stimmung war zwar gedrückt, die Auslenkbarkeit aber erhalten. Suizidalität bestand nicht, ebenso wenig Hinweise auf Störungen der höheren kognitiven Funktionen. Aktivitätsbeeinträchtigungen wurden ausdrücklich verneint. Flexibilität, Umstellungs-, Durchhalte- und Selbstbehauptungsfähigkeit sowie die Fähigkeit zu Spontanaktivitäten wurden als lediglich leicht beeinträchtigt beschrieben. Empfohlen wurde eine ambulante Psychotherapie sowie als Medikation weiterhin L-Thyroxin 75 sowie Ibuprofen 400 bei Bedarf. Dr. W. sah bei der Untersuchung am 17. April 2014 keine Indikation für eine antidepressive Medikation. Dr. Ha. gab am 24. Februar 2015 eine bedrückte Stimmung und eine Zunahme von Schmerzen bei mentaler Belastung an. Nach dem von Dr. As. erhobenen psychischen Befund bestand kein Hinweis für formale oder inhaltliche Denkstörungen. Der Gedankengang war geordnet. Störungen der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses wurden während der dreistündigen Untersuchung nicht beobachtet. Es fanden sich keine Hinweise für Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen. Die Stimmung war leicht ins Negative ausgelenkt, die affektive Schwingungsfähigkeit bei Affektarmut leicht reduziert, ebenso der Antrieb. Geringfügige Schlafstörungen sowie ein sozialer Rückzug wurden berichtet. Depressive Beschwerden wie Traurigkeit, Schlafschwierigkeiten, Antriebsminderung, Einschränkungen im Gefühlserleben und negative Gedanken mit Selbstwertproblematik konnten festgestellt werden; im Vordergrund der depressiven Symptome stand eine ausgeprägte innere Anspannung. Dr. Be. beschreibt die Klägerin als in der Stimmung themenbezogen bedrückt und gedämpft; eine durchgängige tiefergehende depressive Verstimmung bestand jedoch nicht. Bei unbelasteten Themen konnte sie auch authentisch lächeln und lachen. Die emotionale Schwingungsfähigkeit war allenfalls leicht eingeschränkt. Es bestand ein normaler Antrieb. Spürbar wurden eine vermehrte innere Anspannung und Unruhe sowie eine vermehrte Irritierbarkeit. Die Klägerin war durchgehend konzentriert. Störungen des Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisses waren nicht erkennbar, ebenso wenig Störungen der Wahrnehmung oder Auffassung. Ob die Annahme einer mittelgradigen Depression durch Dr. Dre. für den Zeitpunkt der bei ihm durchgeführten Behandlung zutraf, kann der Senat offen lassen, denn diese endete im Juli 2013 und somit bereits ein Jahr vor Beginn des hier streitigen Zeitraums. Gemeinsam mit Prof. Dr. E. und Dr. Ka. beschreibt derselbe Arzt im Bericht vom 14. Dezember 2015 wiederum eine rezidivierende Depression in derzeit mittelgradiger Ausprägung. Im psychopathologischen Befund wurde ein gepflegtes Erscheinungsbild beschrieben. Die Psychomotorik sei eher ausdrucksarm, die Schwingungsfähigkeit aber erhalten. Der Antrieb sei reduziert. Dabei ist aber nicht ersichtlich, ob es sich hierbei um eine subjektive Angabe der Klägerin oder eine Befunderhebung durch den behandelnden Arzt handelt. Denn im Weiteren wird deutlich eine subjektive Angabe wiedergegeben, die Klägerin "müsse sich zu allem zwingen". Das Ausmaß der Antriebsreduzierung wurde nicht bestimmt. Die Grundstimmung sei traurig, die Klägerin niedergeschlagen, freud- und interesselos. Subjektiv angegebene zunehmende Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen wurden nicht objektiviert. Funktionsbehinderungen im Alltag wurden anhand psychologischer Testdiagnostik angenommen. Ein Tagesablauf ist im Bericht aber nicht dargestellt, so dass nicht festgestellt werden kann, dass ein Abgleich mit den tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen in der Alltagsgestaltung erfolgt ist. Die Klägerin selbst hatte eine Beschwerdebesserung unter Erhöhung der antidepressiven Medikation (Amitriptylin 25 Tropfen) angegeben. Der Bericht ist daher nicht geeignet, die von Dr. Be. und Dr. As. überzeugend begründete Diagnose in Frage zu stellen.
Die Schmerzen der Klägerin sind nach übereinstimmender ärztlicher Darstellung organisch nicht ausreichend zu erklären. In Übereinstimmung mit Dr. As. beschrieb Dr. Be. eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Nachvollziehbar wurde dargelegt, dass der Unterschied zu der insbesondere von PD Dr. M. diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung lediglich in der Zuordnung psychischer Faktoren als Ursache oder Verstärkung/Aufrechterhaltung der Schmerzen bestehe. Anschaulich hat Dr. Be. des Weiteren dargelegt, dass aus nervenärztlicher Sicht die Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms häufig mit der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung übereinstimme. Bei der Fibromyalgie würden funktionelle Syndrome im somatischen Kontext diagnostiziert, während die gleichen klinischen Beschwerden in psychosomatischen Kontext als somatoforme Störung klassifiziert würden. Maßgeblich für beide Erscheinungsbilder sei, dass keine ausreichende Erklärung im Sinne eines nachweisbaren Körperschadens gefunden werden könne. Für die im Rahmen eines Rentenverfahrens relevante Frage der beruflichen Leistungsfähigkeit kommt es allerdings nicht auf die genaue diagnostische Einordnung an, sondern auf die Frage, welche Funktionsbeeinträchtigungen krankheitsbedingt tatsächlich vorliegen und in welchem Ausmaß. Die Klägerin kann somit nicht mit dem Einwand durchdringen, die Fibromyalgie werde vom Gericht oder der Beklagten nicht anerkannt, wenn die tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen unter abweichender diagnostischer Zuordnung berücksichtigt werden.
Schließlich besteht bei der Klägerin eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts durch Hörsturz 2014 (Tympanoskopie mit Rundumfenstermembranabdichtung rechts 2014). Dies entnimmt der Senat neben dem Gutachten von Dr. Be. und dem Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M. insbesondere den im Verwaltungsverfahren von der Beklagten beigezogenen und von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen von Dr. A. und Dr. Gr. sowie dessen Auskunft als sachverständiger Zeuge. Im Audiogramm vom 28. August 2014 wurde ein Hörverlust rechts von 75 % (Ton) und 80 % (Sprache), links von jeweils 0 % beschrieben. Im Sprachaudiogramm vom 8. Juni 2015 ergab sich ein Hörverlust bei Zahlen bei 10 dB links, rechts unversorgt bei 65 dB, mit Hörgeräten bei 40 dB sowie ein Einsilberverständnis links von 100 % bei 65 dB, rechts unversorgt 65 % bei 105 dB, mit Hörgerät maximal 60 % bei 80 dB. Dr. Gr. gab am 10. Februar 2015 an die initial festgestellte Trommelfellperforation rechts habe geschlossen werden können. Bei der letzten Untersuchung am 13. Januar 2015 sei ein Hörverlust rechts von 90 % und links von 0 % (nach Röser 1980) festgestellt worden. In der Freifeldaudiometrie mit Hörgeräteversorgung rechts sei bei 60 dB eine Einsilberverständlichkeit von 95 % erreicht worden. Daraus ergibt sich - unabhängig von der Klägerin zuletzt mitgeteilten Cochlear -Implantation im März 2016 - eine lediglich einseitige Hörstörung bei unbeeinträchtigtem Hörvermögen links.
(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin nur in qualitativer, nicht aber in zeitlicher Hinsicht ein. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen im Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M., dem bereits im früheren Verfahren vor dem SG (S 5 R 3550/12) erstatteten Gutachten von Dr. J., dem Gutachten von Dr. Be. einschließlich dem Zusatzgutachten von Dr. As. sowie den Stellungnahmen von Dr. Gr. und Dr. Gr ...
aa) Wegen der chronischen Schmerzstörung und der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sind nur noch Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten zumutbar, keine Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständigen Überkopfarbeiten, häufigem Bücken oder mit Vorhalten des Rumpfes, im Knien oder in der Hocke, auf Leitern oder Gerüsten. Auch wegen der zusätzlichen depressiven Störung sind Tätigkeiten mit erhöhter Stress- oder nervlicher Belastung, mit besonderem Zeitdruck, erhöhtem Publikumsverkehr, Akkord- oder Fließbandarbeiten ausgeschlossen, ebenso Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung, in Gefährdungsbereichen oder mit erhöhter Unfallgefahr, mit besonderer Eigen- oder Fremdgefährdung, in Nacht- oder häufig wechselnden Schichten, berufliche Fahrertätigkeiten, Steuerung oder Überwachung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Tätigkeiten in Kälte oder Nässe. Wegen der hochgradigen Schwerhörigkeit sind Tätigkeiten, die ein uneingeschränktes Hörvermögen erforderten oder mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen einhergingen, sowie solche in Lärm oder in Großraumbüros nicht mehr leidensgerecht.
bb) Diese qualitativen Einschränkungen reichen aus, um den Leiden der Klägerin ausreichend Rechnung zu tragen. Unter deren Beachtung ist die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Für die orthopädischen Gesundheitsstörungen ergibt sich dies zunächst aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. J. und der aktuellen Bestätigung durch PD Dr. M. und Dr. Gr ... Angesichts der weitgehend unbeeinträchtigten Funktion der Wirbelsäule bei Fehlen neurologischer Defizite sowie des unauffälligen Gangbildes ist dies für den Senat überzeugend. Gleiches gilt für die weitgehend, aber nur einseitig bestehende Hörminderung rechts bei unbeeinträchtigtem Hörvermögen links.
Eine weitergehende Leistungseinschränkung ergibt sich auch nicht unter zusätzlicher Berücksichtigung der psychischen Gesundheitsstörungen. Bei der Dysthymie handelt es sich nach ihrer Definition nach dem ICD-10 (F34.1) (lediglich) um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Wie oben dargestellt, kann eine schwerergradige Verlaufsform nicht festgestellt werden. Gleiches gilt für die Schmerzsymptomatik der Klägerin, unabhängig von ihrer diagnostischen Einordnung als chronische Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren, somatoforme Schmerzstörung oder Fibromyalgie. Zu Recht hat Dr. Be. ausgeführt, die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung sage nichts über dadurch bedingte Leistungsbeeinträchtigungen aus. Bei der dortigen Untersuchung zeigte sich noch keine erhebliche Ausprägung der Schmerzstörung. Die Klägerin konnte während des gesamten langen Untersuchungsgespräches ruhig sitzen ohne wesentliche Ausweichbewegungen zur Schmerzentlastung. Es besteht eine ausreichende Fähigkeit zur Tagesstrukturierung. Mit Ausnahme körperlich schwerer Arbeiten kann die Klägerin Hausarbeiten verrichten, das Essen kochen, die Wäsche versorgen, dem Sohn bei den Hausarbeiten helfen, am Computer täglich etwa eine Stunde Verschiedenes erledigen. Sie fährt regelmäßig mit dem Fahrrad und regelmäßig kurze Strecken mit dem Auto. Wenn ihr Mann sie nicht begleiten kann, besucht sie ihre Familie in Berlin mit dem Flugzeug oder Fernbus. Dass diese Besuche nur ca. zweimal jährlich stattfinden, worauf die Klägerin hingewiesen hat, ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist dies als Indiz für eine erhaltene Partizipation. Eine spezielle schmerztherapeutischer Behandlung fand nicht statt. Zum Zeitpunkt der Begutachtung nahm die Klägerin Ibuprofen ein (maximal dreimal wöchentlich); eine regelmäßige medikamentöse Behandlung erfolgte mit dem Antidepressivum Amitrptylin 50 mg und dem Schmerzmittel Tilidin 50 mg zur Nacht. Nervenärztliche Termine fanden alle zwei Monate, psychotherapeutische alle drei Wochen statt. Die Frequenz und Intensität der Behandlung spricht nach überzeugender Darstellung von Dr. Be. gegen eine schwergradige Schmerzstörung. Zur Bestimmung des Ausmaßes der krankheitsbedingten Fähigkeitseinschränkungen hat Dr. As. die Klägerin anhand des Mini-ICF-Ratings standardisiert beurteilt. Danach ergaben sich keine Beeinträchtigungen in der Anwendung fachlicher Kompetenzen, der Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit sowie in der Selbstpflege. In allen übrigen Leistungsbereichen (insbesondere Planung und Strukturierung von Aufgaben, Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit) bestanden nur leichte Beeinträchtigungen; mittelschwere oder schwere Aktivitäts- oder Teilhabeeinschränkungen lagen nicht vor. Dies stimmt mit der Einschätzung von PD Dr. M. während des Rehaverfahrens überein. Die Klägerin ist in der Lage, die normalen Alltagsanforderungen zu meistern; die Kommunikationsfähigkeit ist nicht eingeschränkt. Die Klägerin ist mobil, kann das häusliche Leben organisieren und ist sozial gut integriert. Hinweise für eine wesentliche Einschränkung der Durchhaltefähigkeit, der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ergaben sich nicht.
Aus dem von der Klägerin vorgelegten Bericht von Prof. Dr. E. vom 14. Dezember 2015 ergibt sich keine andere Beurteilung der Leistungsfähigkeit. Ausdrücklich wird eine solche dort ohnehin nicht abgegeben. Aus den oben genannten Gründen kann der Senat der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode nicht folgen. Soweit (allein) anhand psychologischer Testdiagnostik Funktionsbehinderungen im Alltag angenommen wurden, ist - im Gegensatz zur Begutachtung durch Dr. Be. und Dr. As. - kein Abgleich mit den tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen in der Alltagsgestaltung erfolgt. Die ohne Untermauerung durch entsprechende Befunde abgegebene Leistungseinschätzung der Hausärztin Dr. H.-K. vermag gegenüber den gutbegründeten fachärztlichen Beurteilungen nicht zu überzeugen. Gleiches gilt für die von ihr ausgestellten, lediglich Diagnoseangaben enthaltenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
(3) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
(4) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
(5) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Trotz der mehrfachen Vorfußoperationen mit verbliebener Versteifung der linken sowie Verkürzung der rechten Großzehe zeigte die Klägerin bei Dr. Be. ein unauffälliges Gangbild; Zehen- und Hackengang und -stand konnten demonstriert werden. Die Klägerin selbst gab ausdrücklich an, eine halbe Stunde oder ein bis 2 km könne sie in jedem Fall gehen; sie mache zweimal pro Woche ein Spaziergang, wobei sie eine Wegstrecke von ca. 2 km zurücklege. Überzeugend geht Dr. Be. daher von einer erhaltenen Wegefähigkeit der Klägerin aus. Im Übrigen ist sie nach eigenen Angaben mit Fahrrad und Pkw mobil.
(6) Aus der Anerkennung eines GdB von 50, nach Behauptung der Klägerin im Berufungsverfahren von 60, folgt ebenfalls nicht, dass die Klägerin erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechsel-wirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, juris, Rn. 3).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014.
Die am 1965 geborene Klägerin war nach Abschluss einer Berufsausbildung als Verkäuferin ab dem 16. Juli 1983 mit wiederholten Unterbrechungen wegen Arbeitsunfähigkeit und durch den Bezug von Entgeltersatzleistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) versicherungspflichtig beschäftigt bis zum 30. Juni 1998, anschließend bezog sie bis zum Beginn des Mutterschutzes am 16. Februar 2001 Kranken- und Arbeitslosengeld sowie Arbeitslosenhilfe und ab dem 1. Oktober 2003 wiederum Arbeitslosengeld und -hilfe sowie Arbeitslosengeld II bis zum 28. Februar 2005. Im Anschluss bestanden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug und nicht abgeschlossenen Fachschulausbildung. Versicherungspflichtig beschäftigt war sie zuletzt vom 28. Januar bis 15. Juli 2008. Anschließend bestand mit Ausnahme einer Zeit fehlender Arbeitslosmeldung vom 1. September 2009 bis 18. Februar 2010 Arbeitslosigkeit überwiegend ohne Leistungsbezug bis 31. Juli 2010, unterbrochen von einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit und Rehabilitation vom 13. Oktober bis 10. Dezember 2008. Ab dem 16. September 2011 bis zum 31. Juli 2013 war die Klägerin bei Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen als Fahrerin für behinderte Kinder geringfügig beschäftigt (Verzicht auf die Versicherungsfreiheit), unterbrochen von einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 30. März bis 20. April 2012. Nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug war sie erneut als Fahrerin für behinderte Kinder vom 9. September 2013 erneut geringfügig beschäftigt, ab dem 1. Oktober 2013 bis 7. März 2014 unter Verzicht auf die Versicherungsfreiheit. Anschließend war die Klägerin arbeitsunfähig und bezog für die Dauer einer Rehabilitationsmaßnahme vom 24. Juni bis 29. Juli 2014 Übergangsgeld.
Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) jedenfalls von 50 seit dem 7. Mai 2012 festgestellt (Bescheid des Landratsamtes R. vom 22. Juni 2012).
Ein erster Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 13. Juli 2010 blieb ohne Erfolg (Ablehnungsbescheid vom 23. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2011; Rücknahme der Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe [SG] - S 5 R 184/11 - am 6. Februar 2012), ebenso der zweite Antrag vom 11. Mai 2012 (Ablehnungsbescheid vom 23. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2012; Rücknahme der Klage vor dem SG - S 5 R 3350/12 - am 30. Januar 2013) und der dritte vom 7. Oktober 2013 (bestandskräftiger Ablehnungsbescheid vom 17. Oktober 2013). Im Rechtsstreit S 5 R 487/11 hatte Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Diplompsychologe B. in seinem am 3. August 2011 erstatteten Gutachten eine depressive Anpassungsstörung mit multiplen Schmerzen, eine somatoforme Schmerzstörung sowie einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Nicht mehr zumutbar seien der Klägerin mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, dauerndes bzw. überwiegendes Stehen oder Gehen und auch Sitzen ("Zwangshaltungen"), häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, überdurchschnittliche Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition. Unter Beachtung dieser Einschränkungen seien der Klägerin noch leichte körperliche Tätigkeiten acht Stunden täglich zumutbar. In einem auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. N., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, unter dem 15. Januar 2012 erstellten Gutachten beschrieb dieser chronische Schmerzstörungen mit somatischen und psychischen Faktoren, Hals- und Lendenwirbelsäulenfunktionsstörungen ohne radikuläre Reizung, eine Dysthymia sowie einen Spannungskopfschmerz. Mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 8 kg, dauerndes Stehen und Gehen, gleichförmige Körperhaltungen mit Zwangshaltungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kälte und Nässe, unter ständigem Zeitdruck und Stressbelastungen wie Akkord- und Fließbandarbeiten, sowie unter nervlicher Belastung seien der Klägerin nicht mehr zumutbar. Unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen könne die Klägerin leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich durchführen. Im Verfahren S 5 R 3550/12 hatte Facharzt für Orthopädie Dr. J. in seinem am 8. Januar 2013 erstatteten Gutachten als Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet beschrieben: diskrete Fehlstatik der Wirbelsäule mit leichter Verspannung der Nacken- und Lendenstreckmuskulatur sowie des oberen Trapeziusrandes beidseits (keine relevante Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule, keine neurologischen Ausfälle, keine Zeichen einer Nervenwurzelreizung), versteiftes Halswirbelsäulensegment C5/6 und Lendenwirbelsäulensegment L5/S1, einliegende Bandscheibenprothese Halswirbelkörper 6/7, Deformierung des ersten Großzehenstrahles (deutlich betont links), Einsteifung der linken Großzehe, Beugeeinschränkung im rechten Großzehengrundgelenk. Die Klägerin könne noch leichte und kurzzeitig mittelschwere körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen acht Stunden täglich verrichten. Gemieden werden sollten Arbeiten in vornüber gebeugter Körperhaltung sowie in Wirbelsäulenzwangshaltungen, Heben und Tragen von Gegenständen über 10 kg, Arbeiten in der Hocke und im Knien, auf Leitern und Gerüsten, in Nässe und Kälte sowie wiederkehrende Überkopfarbeiten beidseits.
Vom 24. Juni bis 29. Juli 2014 befand sich die Klägerin erneut in stationärer psychosomatischer Rehabilitation der Reha-Klinik S. B., B. B ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 5. August 2014 diagnostizierte PD Dr. M. eine somatoforme Schmerzstörung bei vorbefundeter Fibromyalgie, eine Dysthymia, einen Bruxismus (Zähneknirschen), ein Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach zweimaliger Wirbelsäulenoperation (zervikal und lumbal), Schmerzen im Fuß bei Zustand nach mehrfachen Hallux valgus-Operationen beidseits, einen Zustand nach Hörsturz rechts sowie nach Cholecystektomie (Entfernung der Gallenblase) 2014. Aus psychotherapeutischer Sicht verfüge die Klägerin über ein vollschichtiges berufliches Leistungsvermögen mit Ausnahme von Nachtschicht und Akkord. Aus organmedizinischer Sicht ergebe sich eine Einschränkung auf leichte bis ab und zu mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen oder ständig im Sitzen in Tagesschicht unter Früh- und Spätschicht, unter Vermeidung von Wirbelsäulenzwangshaltungen und Überkopfarbeiten. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne die Klägerin über sechs Stunden täglich eine Tätigkeit ausüben. Gegebenenfalls müsse noch auf HNO-ärztliche Einschränkungen Rücksicht genommen werden.
Am 4. August 2014 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, zu dessen Begründung sie angab, seit Mai 2014 ohne Krankengeldbezug arbeitsunfähig zu sein. Erwerbsgemindert sei sie seit 2010 wegen mehrfachen Operationen an beiden Füßen, Versteifungsoperationen an der Hals- und Lendenwirbelsäule (seit 2014 Schraubenbruch an der Lendenwirbelsäule), Dauerschmerzen am ganzen Körper (Fibromyalgie) und psychosomatischen Störungen mit Depression und ständigen Magenschmerzen. Während der Gallenblasen-Operation im Januar 2014 habe sie einen Hörsturz rechts erlitten; das Ohr sei ohne Erfolg operiert worden; es bestehe eine akute Ertaubung.
Die Beklagte zog verschiedene ärztliche Unterlagen bei. In einem ärztlichen Befundbericht vom 28. August 2014 diagnostizierte HNO-Facharzt Dr. Gr. einen Hörsturz, eine Trommelfellperforation sowie eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Es erfolge eine Hörgeräteversorgung. Im beigelegten Audiogramm vom 28. August 2014 wurde ein Hörverlust rechts von 75 % (Ton) und 80 % (Sprache), links von jeweils 0 % beschrieben. In einem Arztbrief vom 7. Mai 2014 beschrieb Dr. Ki., Facharzt für Nuklearmedizin und diagnostische Radiologie, nach Durchführung eines MRT des Schädels vom 6. Mai 2014 einen Normalbefund. Nach Auswertung der vorliegenden medizinischen Unterlagen kam Ärztin für Chirurgie Dr. La. in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 2. September 2014 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie, ein Wirbelsäulensyndrom (Halswirbelsäule, Lendenwirbelsäule) sowie ein hochgradiger Hörverlust rechts (bei normalem Hörvermögen links) vorlägen. Die Klägerin sei in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, überwiegend im Gehen oder Sitzen ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Ausgeschlossen seien besonderer Zeitdruck, besondere Beanspruchung des Hörvermögens, längere Wirbelsäulen-Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Klettern und Steigen sowie häufige Überkopfarbeiten.
Mit Bescheid vom 9. September 2014 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, die Schwere der berücksichtigten Erkrankungen erlaube ihr eine tägliche Erwerbstätigkeit von allenfalls drei bis vier Stunden, was hausärztlicher Internist Kr. bestätige. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2014 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund der Reha-Entlassungsberichte und weiterer medizinischer Unterlagen liege eine volle oder teilweise Erwerbsminderung nicht vor.
Hiergegen erhob die Kläger am 6. November 2014 Klage beim SG, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholte. Die Agentur für Arbeit R. habe ihr mitgeteilt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vermittelbar sei. Sie sei vom 24. Januar bis 30. September 2014 und wieder seit dem 27. Oktober 2014 durchgehend krankgeschrieben. Sie könne weder sechs Stunden täglich arbeiten noch 500 m laufen. Die Klägerin legte einen Arztbrief der Leitenden Oberärztin der HNO-U.-klinik F. Prof. Dr. A. vom 23. Juni 2015 vor (Diagnosen: hochgradige Schwerhörigkeit rechts, Zustand nach Tympanoskopie mit Rundfenstermembranabdichtung Februar 2014 und Hörsturz rechts Januar 2014; empfohlen Hörgerätoptimierung rechts, gegebenenfalls Cochlear Implantat-Versorgung rechts) sowie den vorläufigen Entlassbrief von Dr. Ka., A. Rheumazentrum B.-B., vom 11. Dezember 2015.
Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf eine beratungsärztliche Stellungnahme des Internisten und Rheumatologen Dr. Lu. vom 30. Juni 2015 entgegen.
Das SG holte schriftliche Aussagen der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen ein. Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Gr. beschrieb in seiner Auskunft vom 12. Februar 2015 einen Druckschmerz lumbal und zervikal mit deutlichem paravertebralem Hartspann ohne Paresen oder sensible Wurzeldefizite bei seitengleichen Reflexen. Nach der im März 2012 durchgeführten Wirbelsäulenoperation an L5/S1 seien die Hauptbeschwerden deutlich rückläufig gewesen. Eine S1-Wurzelsymptomatik sei als Residuum verblieben, habe aber gut konservativ behandelt werden können. Im weiteren Verlauf seien nach Wiederaufnahme der Arbeit Brennschmerzen im Gesäßbereich wieder aufgetreten, ohne dass neurologische Defizite eruierbar gewesen seien. Vermehrt seien Schmerzen im Nackenbereich bei Belastung angegeben worden. Die Klägerin könne eine körperlich leichte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Dr. Gr. diagnostizierte in seiner Auskunft vom 10. Februar 2015 eine rechtseitige Schwerhörigkeit seit 29. Januar 2014. Die initial festgestellte Trommelfellperforation rechts habe geschlossen werden können. Bei der letzten Untersuchung am 13. Januar 2015 sei ein Hörverlust rechts von 90 % und links von 0 % (nach Röser 1980) festgestellt worden. In der Freifeldaudiometrie mit Hörgeräteversorgung rechts sei bei 60 dB eine Einsilberverständlichkeit von 95 % erreicht worden. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Der die Klägerin bis Ende 2014 hausärztlich behandelnde Internist Kr. hielt die Klägerin wegen Depression, Ertaubung, chronischer Schmerzen und Fibromyalgie für nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (Auskunft vom 11. Februar 2015). Beigelegt wurde u.a. ein Arztbrief der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 22. April 2014 über eine Untersuchung am 17. April 2014 (Hypakusis rechts; keine Indikation für eine antidepressive Medikation). Neurologe und Psychiater Dr. Ha. gab unter dem 24. Februar 2015 eine mit Hörgerät versorgte Hypakusis rechts, eine bedrückte Stimmung, eine Zunahme von Schmerzen bei mentaler Belastung sowie einen Bruxismus an. Dass sie aufgrund ihres Hörschadens nicht berufsmäßig Autofahren dürfe, habe die Klägerin in ihrer Stimmung deutlich gedämpft. Die die Klägerin seit November 2014 hausärztlich behandelnde Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. H.-K. diagnostizierte in ihrer Auskunft vom 24. Februar 2015 eine Fibromyalgie, ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation Halswirbelkörper 5/6 und 6/7 und einen Zustand nach Lendenwirbelsäulen-Versteifungsoperation, des Weiteren Bruxismus und Dysthymie. Der Klägerin seien auch körperlich leichte Tätigkeiten lediglich bis zu drei Stunden täglich zumutbar aufgrund chronischer Schmerzen. Diese Leistungseinschränkung bestehe seit einem Bandscheibenvorfall im Jahr 2010. Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation Dr. Dre., Leiter des A. Medizinischen Versorgungszentrums Fachpraxen B.-B., berichtete unter dem 2. April 2015 über Behandlungen der Klägerin im Zeitraum vom 8. Juni 2011 bis 16. Juli 2013. Bedingt durch ein ausgeprägtes Fibromyalgie-Syndrom, den Zustand nach Bandscheibenvorfällen vor allem im Halswirbelsäulen-Bereich C5/C6 und C6/C7 mit Zustand nach ventraler Fusion und Implantation einer Prothese sowie durch ein degeneratives Lendenwirbelsäulen-Syndrom und vor allem durch eine mittelgradige Depression betrage die maximal noch mögliche Arbeitsbelastung unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch drei Stunden täglich für eine leichte körperliche Tätigkeit. Bedingt durch den Zustand nach mehrfachen Vorfußoperationen bestehe eine Einschränkung der Gehstrecke.
Das SG bestellte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Be. zum gerichtlichen Sachverständigen und beauftragte Psychologischen Psychotherapeuten und klinischen Neuropsychologie Dr. phil. As. mit der Erstellung eines psychologischen Zusatzgutachtens. Letzterer stellte in seinem aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am 22. September 2015 unter dem 2. Oktober 2015 erstatteten Gutachten die Diagnosen einer Dysthymie, einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren sowie eines Bruxismus. Die Klägerin sei nicht in der Lage, Tätigkeiten in Nacht- oder Schichtdienst sowie mit erhöhter Verantwortung und mentaler Belastung, wie Publikumsverkehr und Zeitdruck zu verrichten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen seien ihr leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich möglich. Aufgrund der psychischen Störungen bestünden zwar geringe Einschränkungen in der psychophysischen Belastbarkeit, diese seien von der Klägerin jedoch unter zumutbarer Willensanspannung kompensierbar. Die Wegefähigkeit sei erhalten.
Dr. Be. bestätigte in seinem aufgrund einer Untersuchung am 22. September 2015 unter dem 28. Oktober 2015 erstellten Hauptgutachten die Diagnosen einer Dysthymie, einer chronischen Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren sowie eines Bruxismus; des Weiteren bestünden chronische haltungs- und belastungsabhängig verstärkte Nackenschmerzen bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (Fusion Halswirbelkörper 5/6, Implantation einer Bandscheibenprothese Halswirbelkörper 6/7, 04/10) ohne radikuläre Ausfallerscheinungen, haltungs- und belastungsabhängig auftretende Kreuzschmerzen (Versteifungsoperation wegen Spondylolisthese L5/S1 Grad II Meyerding, 03/12) ohne radikuläre Ausfallerscheinungen, mehrfache Operationen wegen Hallux valgus beidseits (operative Versteifung des Großzehengrundgelenks links, Verkürzung und Deformation einzelner Zehen links, belastungsabhängige Vorfußschmerzen beidseits) sowie eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts durch Hörsturz rechts 2014 (Tympanoskopie mit Rundumfenstermembranabdichtung rechts 2014). Wegen der chronischen Schmerzstörung und der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen könnten nur noch leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten zugemutet werden, keine Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständigen Überkopfarbeiten, häufigem Bücken oder mit Vorhalten des Rumpfes, im Knien oder in der Hocke, auf Leitern oder Gerüsten. Auch wegen der zusätzlichen depressiven Störung seien Tätigkeiten mit erhöhter Stress- oder nervlicher Belastung, mit besonderem Zeitdruck, erhöhtem Publikumsverkehr, Akkord- oder Fließbandarbeiten ausgeschlossen, ebenso Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung, in Gefährdungsbereichen oder mit erhöhter Unfallgefahr, mit besonderer Eigen- oder Fremdgefährdung, in Nacht- oder häufig wechselnden Schichten, berufliche Fahrertätigkeiten, Steuerung oder Überwachung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Tätigkeiten in Kälte oder Nässe. Wegen der hochgradigen Schwerhörigkeit seien Tätigkeiten, die ein uneingeschränktes Hörvermögen erforderten oder mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen einhergingen, sowie solche in Lärm oder in Großraumbüros nicht mehr leidensgerecht. Unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen könne die Klägerin leichte Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die Wegefähigkeit sei gegeben.
Zuletzt zog das SG den Bericht über den stationären Aufenthalt der Klägerin in der A. Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie B.-B. vom 25. November bis 12. Dezember 2015 von Prof. Dr. E. vom 14. Dezember 2015 bei, in dem als Diagnosen genannt wurden: Fibromyalgie-Syndrom, degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Bandscheibenvorfall C5/C6, C6/C7, OP 2010 mit ventraler Fusion und Prothesenimplantation, Lendenwirbelkörper L5/S1 Bandscheibenoperation (Spondylodese) 2012, Zustand nach Hörsturz rechts mit anhaltender hochgradiger Schwerhörigkeit, Zustand nach mehrfacher Vorfußoperation, Interpositionsarthrodese D I, Laktoseintoleranz, Zustand nach HP-Eradikation sowie rezidivierende Depression, derzeit mittelgradig ausgeprägt.
Mit Urteil vom 10. Februar 2016 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den Einschätzungen von Dr. Be. und Dr. As. folgend und in Übereinstimmung mit dem Entlassungsbericht des PD Dr. M. sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt. Es könne sich nicht von einer derart schweren Ausprägung der Schmerzstörung überzeugen, die das Vermögen der Klägerin mehr als sechs Stunden eine leichte Tätigkeit auszuüben, beeinträchtigen könnte. Weder aufgrund der Untersuchung durch Dr. Be. noch aufgrund der Alltagsgestaltung der Klägerin und auch nicht aufgrund der Gerichtsverhandlung sei eine solche erhebliche Schmerzstörung nachvollziehbar. Die Klägerin sei in der Lage, den normalen Alltagsanforderungen eigenständig nachzukommen. Sie sei sozial gut integriert und mobil. Sie unternehme auch Reisen mit dem Flugzeug oder dem Fernbus nach Berlin. Im Übrigen sprächen auch die aus den Akten ersichtlichen Frequenz und Intensität der ärztlichen Behandlungen gegen eine schwergradige Schmerzstörung oder eine schwere depressive Störung. Die Klägerin habe sich in sehr unregelmäßiger neurologisch-psychiatrischer Behandlung befunden.
Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 15. Februar 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. März 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) B.-Württemberg eingelegt und zu deren Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sich entgegen der Darstellung des SG nicht unregelmäßig in neurologisch-psychiatrischer Behandlung zu befinden. Vielmehr sei sie regelmäßig bei der Psychologin Su. in Behandlung. Da die Krankenkasse vorgeschrieben habe, dass eine einjährige Pause eingelegt werden müsse, habe sie in dieser Zeit nur einmal im Quartal die Psychologin aufsuchen können. Der Entlassungsbericht des Prof. Dr. E. über den stationären Aufenthalt im Dezember 2015 sei vom SG nicht erwähnt und in Betracht gezogen worden. Sie unternehme auch keine "Reisen", sondern besuche lediglich ein- bis maximal zweimal jährlich ihre Eltern in Berlin. Des Weiteren habe sie den Eindruck, dass die Krankheit Fibromyalgie weder von der Beklagten noch vom SG anerkannt werde. Dabei handle es sich um eine chronische und unheilbare Krankheit, die gekennzeichnet sei durch weitverbreitete Schmerzen mit wechselnder Lokalisation in der Muskulatur, um die Gelenke und im Bereich des Rückens. Bei ihr stünden vor allem die Schmerzen im Vordergrund. Hinzu kämen psychische Symptome wie starke Depressionen. Die Medikamentendosis hierfür sei ärztlicherseits erhöht worden. Wegen der Schwerhörigkeit sei ihr mittlerweile im März 2016 ein Cochlear-Implantat eingesetzt worden. Die "Reha-Zeit" beginne am 10. April 2016 im ICF Zentrum des Universitätsklinikums Freiburg und sei verteilt auf zwei bis drei Jahre. Seitens der Agentur für Arbeit sei ihr mitgeteilt worden, dass sie nicht mehr vermittelt werden könne. Es bestehe eine Sonderregelung bei Arbeitslosigkeit. Sei man arbeitslos und könne aus gesundheitlichen Gründen nur noch eine Teilzeitarbeit von mindestens drei Stunden, aber weniger als sechs Stunden täglich ausüben, gelte man als voll erwerbsgemindert. Zuletzt hat die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 23. März und 13. Mai 2016 vorgelegt, in der Dr. H.-K. die kodierten Diagnosen Q66.8G (Sonstige angeborene Deformität der Füße), F45.8G (Sonstige somatoforme Störung) und F32.1G (mittelgradige depressive Episode) angegeben hat.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2014 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten des Senats und des SG, der Vorverfahrensakten des SG S 5 R 487/11 und S 5 R 3550/12, sowie der vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, die nicht der Zulassung bedarf, weil die Klägerin Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig.
2. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014 (vgl. § 99 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht sie zu Recht nicht geltend, da sie nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (vgl. § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Streitbefangen ist der Bescheid vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2014.
3. Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. August 2014.
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung liegen bei der Klägerin nicht vor. Der Senat ist überzeugt, dass diese zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden pro Tag verrichten kann.
(1) Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass auf orthopädischem Fachgebiet ein Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach zweimaliger Wirbelsäulenoperation (zervikal und lumbal) und Schmerzen im Fuß bei Zustand nach mehrfachen Hallux valgus-Operationen beidseits bestehen. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen im Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M., dem bereits im früheren Verfahren vor dem SG (S 5 R 3550/12) erstatteten Gutachten von Dr. J., die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51), der Auskunft von Dr. Gr. sowie hinsichtlich des neurologischen Anteils dem Gutachten von Dr. Be ... Danach hat das Wirbelsäulensyndrom nach den erfolgreich durchgeführten Operationen nicht zu einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule oder zu radikulären Ausfallerscheinungen geführt. PD Dr. M. beschreibt eine lediglich leichtgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke und die Beweglichkeit der Wirbelsäule in allen Etagen als ausreichend frei; der Finger-Boden-Abstand betrug 2 cm. Die Zeichen nach Lasègue waren beidseits negativ. Es fanden sich keine Störungen der Motorik und Sensibilität. Einen unauffälligen neurologischen Befund hat auch Dr. Be. - in Übereinstimmung mit Dr. Ha. - beschrieben. Dr. Gr. beschrieb einen Druckschmerz lumbal und zervikal mit deutlichem paravertebralem Hartspann ebenfalls ohne Paresen oder sensible Wurzeldefizite bei seitengleichen Reflexen. Nach der im März 2012 durchgeführten Wirbelsäulenoperation an L5/S1 seien die Hauptbeschwerden deutlich rückläufig gewesen. Eine als Residuum verbliebene S1-Wurzelsymptomatik habe aber gut konservativ behandelt werden können. Im weiteren Verlauf seien nach Wiederaufnahme der Arbeit Brennschmerzen im Gesäßbereich wieder aufgetreten, ohne dass neurologische Defizite eruierbar gewesen seien. Aufgrund der mehrfachen Vorfußoperationen besteht nach den Feststellungen von PD Dr. M. eine Versteifung der linken sowie eine Verkürzung der rechten Großzehe. Ansonsten waren die Gelenke aktiv und passiv frei beweglich und ohne Deformierungen. Dr. Be. berichtete über einen unauffälligen Gang und ebensolchen Zehen- und Hackengang und -stand.
Auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehen eine chronische, leichte depressive Störung im Sinne einer Dysthymie, eine chronische Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren sowie ein Bruxismus. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten von Dr. Be. einschließlich dem Zusatzgutachten von Dr. As. sowie dem Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M ... Eine schwerere Verlaufsform der depressiven Störung war nicht festzustellen. Während des Rehaverfahrens in der S.-klinik B. B. zeigte sich die Klägerin im Kontakt freundlich und kooperativ. Die Stimmung war zwar gedrückt, die Auslenkbarkeit aber erhalten. Suizidalität bestand nicht, ebenso wenig Hinweise auf Störungen der höheren kognitiven Funktionen. Aktivitätsbeeinträchtigungen wurden ausdrücklich verneint. Flexibilität, Umstellungs-, Durchhalte- und Selbstbehauptungsfähigkeit sowie die Fähigkeit zu Spontanaktivitäten wurden als lediglich leicht beeinträchtigt beschrieben. Empfohlen wurde eine ambulante Psychotherapie sowie als Medikation weiterhin L-Thyroxin 75 sowie Ibuprofen 400 bei Bedarf. Dr. W. sah bei der Untersuchung am 17. April 2014 keine Indikation für eine antidepressive Medikation. Dr. Ha. gab am 24. Februar 2015 eine bedrückte Stimmung und eine Zunahme von Schmerzen bei mentaler Belastung an. Nach dem von Dr. As. erhobenen psychischen Befund bestand kein Hinweis für formale oder inhaltliche Denkstörungen. Der Gedankengang war geordnet. Störungen der Aufmerksamkeit oder des Gedächtnisses wurden während der dreistündigen Untersuchung nicht beobachtet. Es fanden sich keine Hinweise für Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen. Die Stimmung war leicht ins Negative ausgelenkt, die affektive Schwingungsfähigkeit bei Affektarmut leicht reduziert, ebenso der Antrieb. Geringfügige Schlafstörungen sowie ein sozialer Rückzug wurden berichtet. Depressive Beschwerden wie Traurigkeit, Schlafschwierigkeiten, Antriebsminderung, Einschränkungen im Gefühlserleben und negative Gedanken mit Selbstwertproblematik konnten festgestellt werden; im Vordergrund der depressiven Symptome stand eine ausgeprägte innere Anspannung. Dr. Be. beschreibt die Klägerin als in der Stimmung themenbezogen bedrückt und gedämpft; eine durchgängige tiefergehende depressive Verstimmung bestand jedoch nicht. Bei unbelasteten Themen konnte sie auch authentisch lächeln und lachen. Die emotionale Schwingungsfähigkeit war allenfalls leicht eingeschränkt. Es bestand ein normaler Antrieb. Spürbar wurden eine vermehrte innere Anspannung und Unruhe sowie eine vermehrte Irritierbarkeit. Die Klägerin war durchgehend konzentriert. Störungen des Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisses waren nicht erkennbar, ebenso wenig Störungen der Wahrnehmung oder Auffassung. Ob die Annahme einer mittelgradigen Depression durch Dr. Dre. für den Zeitpunkt der bei ihm durchgeführten Behandlung zutraf, kann der Senat offen lassen, denn diese endete im Juli 2013 und somit bereits ein Jahr vor Beginn des hier streitigen Zeitraums. Gemeinsam mit Prof. Dr. E. und Dr. Ka. beschreibt derselbe Arzt im Bericht vom 14. Dezember 2015 wiederum eine rezidivierende Depression in derzeit mittelgradiger Ausprägung. Im psychopathologischen Befund wurde ein gepflegtes Erscheinungsbild beschrieben. Die Psychomotorik sei eher ausdrucksarm, die Schwingungsfähigkeit aber erhalten. Der Antrieb sei reduziert. Dabei ist aber nicht ersichtlich, ob es sich hierbei um eine subjektive Angabe der Klägerin oder eine Befunderhebung durch den behandelnden Arzt handelt. Denn im Weiteren wird deutlich eine subjektive Angabe wiedergegeben, die Klägerin "müsse sich zu allem zwingen". Das Ausmaß der Antriebsreduzierung wurde nicht bestimmt. Die Grundstimmung sei traurig, die Klägerin niedergeschlagen, freud- und interesselos. Subjektiv angegebene zunehmende Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen wurden nicht objektiviert. Funktionsbehinderungen im Alltag wurden anhand psychologischer Testdiagnostik angenommen. Ein Tagesablauf ist im Bericht aber nicht dargestellt, so dass nicht festgestellt werden kann, dass ein Abgleich mit den tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen in der Alltagsgestaltung erfolgt ist. Die Klägerin selbst hatte eine Beschwerdebesserung unter Erhöhung der antidepressiven Medikation (Amitriptylin 25 Tropfen) angegeben. Der Bericht ist daher nicht geeignet, die von Dr. Be. und Dr. As. überzeugend begründete Diagnose in Frage zu stellen.
Die Schmerzen der Klägerin sind nach übereinstimmender ärztlicher Darstellung organisch nicht ausreichend zu erklären. In Übereinstimmung mit Dr. As. beschrieb Dr. Be. eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Nachvollziehbar wurde dargelegt, dass der Unterschied zu der insbesondere von PD Dr. M. diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung lediglich in der Zuordnung psychischer Faktoren als Ursache oder Verstärkung/Aufrechterhaltung der Schmerzen bestehe. Anschaulich hat Dr. Be. des Weiteren dargelegt, dass aus nervenärztlicher Sicht die Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms häufig mit der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung übereinstimme. Bei der Fibromyalgie würden funktionelle Syndrome im somatischen Kontext diagnostiziert, während die gleichen klinischen Beschwerden in psychosomatischen Kontext als somatoforme Störung klassifiziert würden. Maßgeblich für beide Erscheinungsbilder sei, dass keine ausreichende Erklärung im Sinne eines nachweisbaren Körperschadens gefunden werden könne. Für die im Rahmen eines Rentenverfahrens relevante Frage der beruflichen Leistungsfähigkeit kommt es allerdings nicht auf die genaue diagnostische Einordnung an, sondern auf die Frage, welche Funktionsbeeinträchtigungen krankheitsbedingt tatsächlich vorliegen und in welchem Ausmaß. Die Klägerin kann somit nicht mit dem Einwand durchdringen, die Fibromyalgie werde vom Gericht oder der Beklagten nicht anerkannt, wenn die tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen unter abweichender diagnostischer Zuordnung berücksichtigt werden.
Schließlich besteht bei der Klägerin eine hochgradige Schwerhörigkeit rechts durch Hörsturz 2014 (Tympanoskopie mit Rundumfenstermembranabdichtung rechts 2014). Dies entnimmt der Senat neben dem Gutachten von Dr. Be. und dem Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M. insbesondere den im Verwaltungsverfahren von der Beklagten beigezogenen und von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen von Dr. A. und Dr. Gr. sowie dessen Auskunft als sachverständiger Zeuge. Im Audiogramm vom 28. August 2014 wurde ein Hörverlust rechts von 75 % (Ton) und 80 % (Sprache), links von jeweils 0 % beschrieben. Im Sprachaudiogramm vom 8. Juni 2015 ergab sich ein Hörverlust bei Zahlen bei 10 dB links, rechts unversorgt bei 65 dB, mit Hörgeräten bei 40 dB sowie ein Einsilberverständnis links von 100 % bei 65 dB, rechts unversorgt 65 % bei 105 dB, mit Hörgerät maximal 60 % bei 80 dB. Dr. Gr. gab am 10. Februar 2015 an die initial festgestellte Trommelfellperforation rechts habe geschlossen werden können. Bei der letzten Untersuchung am 13. Januar 2015 sei ein Hörverlust rechts von 90 % und links von 0 % (nach Röser 1980) festgestellt worden. In der Freifeldaudiometrie mit Hörgeräteversorgung rechts sei bei 60 dB eine Einsilberverständlichkeit von 95 % erreicht worden. Daraus ergibt sich - unabhängig von der Klägerin zuletzt mitgeteilten Cochlear -Implantation im März 2016 - eine lediglich einseitige Hörstörung bei unbeeinträchtigtem Hörvermögen links.
(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin nur in qualitativer, nicht aber in zeitlicher Hinsicht ein. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen im Rehaentlassungsbericht von PD Dr. M., dem bereits im früheren Verfahren vor dem SG (S 5 R 3550/12) erstatteten Gutachten von Dr. J., dem Gutachten von Dr. Be. einschließlich dem Zusatzgutachten von Dr. As. sowie den Stellungnahmen von Dr. Gr. und Dr. Gr ...
aa) Wegen der chronischen Schmerzstörung und der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sind nur noch Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ohne Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten zumutbar, keine Tätigkeiten mit Wirbelsäulenzwangshaltungen, ständigen Überkopfarbeiten, häufigem Bücken oder mit Vorhalten des Rumpfes, im Knien oder in der Hocke, auf Leitern oder Gerüsten. Auch wegen der zusätzlichen depressiven Störung sind Tätigkeiten mit erhöhter Stress- oder nervlicher Belastung, mit besonderem Zeitdruck, erhöhtem Publikumsverkehr, Akkord- oder Fließbandarbeiten ausgeschlossen, ebenso Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung, in Gefährdungsbereichen oder mit erhöhter Unfallgefahr, mit besonderer Eigen- oder Fremdgefährdung, in Nacht- oder häufig wechselnden Schichten, berufliche Fahrertätigkeiten, Steuerung oder Überwachung komplexer Arbeitsvorgänge sowie Tätigkeiten in Kälte oder Nässe. Wegen der hochgradigen Schwerhörigkeit sind Tätigkeiten, die ein uneingeschränktes Hörvermögen erforderten oder mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen einhergingen, sowie solche in Lärm oder in Großraumbüros nicht mehr leidensgerecht.
bb) Diese qualitativen Einschränkungen reichen aus, um den Leiden der Klägerin ausreichend Rechnung zu tragen. Unter deren Beachtung ist die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten.
Für die orthopädischen Gesundheitsstörungen ergibt sich dies zunächst aus dem überzeugenden Gutachten von Dr. J. und der aktuellen Bestätigung durch PD Dr. M. und Dr. Gr ... Angesichts der weitgehend unbeeinträchtigten Funktion der Wirbelsäule bei Fehlen neurologischer Defizite sowie des unauffälligen Gangbildes ist dies für den Senat überzeugend. Gleiches gilt für die weitgehend, aber nur einseitig bestehende Hörminderung rechts bei unbeeinträchtigtem Hörvermögen links.
Eine weitergehende Leistungseinschränkung ergibt sich auch nicht unter zusätzlicher Berücksichtigung der psychischen Gesundheitsstörungen. Bei der Dysthymie handelt es sich nach ihrer Definition nach dem ICD-10 (F34.1) (lediglich) um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Wie oben dargestellt, kann eine schwerergradige Verlaufsform nicht festgestellt werden. Gleiches gilt für die Schmerzsymptomatik der Klägerin, unabhängig von ihrer diagnostischen Einordnung als chronische Schmerzstörung mit psychischen und körperlichen Faktoren, somatoforme Schmerzstörung oder Fibromyalgie. Zu Recht hat Dr. Be. ausgeführt, die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung sage nichts über dadurch bedingte Leistungsbeeinträchtigungen aus. Bei der dortigen Untersuchung zeigte sich noch keine erhebliche Ausprägung der Schmerzstörung. Die Klägerin konnte während des gesamten langen Untersuchungsgespräches ruhig sitzen ohne wesentliche Ausweichbewegungen zur Schmerzentlastung. Es besteht eine ausreichende Fähigkeit zur Tagesstrukturierung. Mit Ausnahme körperlich schwerer Arbeiten kann die Klägerin Hausarbeiten verrichten, das Essen kochen, die Wäsche versorgen, dem Sohn bei den Hausarbeiten helfen, am Computer täglich etwa eine Stunde Verschiedenes erledigen. Sie fährt regelmäßig mit dem Fahrrad und regelmäßig kurze Strecken mit dem Auto. Wenn ihr Mann sie nicht begleiten kann, besucht sie ihre Familie in Berlin mit dem Flugzeug oder Fernbus. Dass diese Besuche nur ca. zweimal jährlich stattfinden, worauf die Klägerin hingewiesen hat, ist nicht entscheidend. Maßgeblich ist dies als Indiz für eine erhaltene Partizipation. Eine spezielle schmerztherapeutischer Behandlung fand nicht statt. Zum Zeitpunkt der Begutachtung nahm die Klägerin Ibuprofen ein (maximal dreimal wöchentlich); eine regelmäßige medikamentöse Behandlung erfolgte mit dem Antidepressivum Amitrptylin 50 mg und dem Schmerzmittel Tilidin 50 mg zur Nacht. Nervenärztliche Termine fanden alle zwei Monate, psychotherapeutische alle drei Wochen statt. Die Frequenz und Intensität der Behandlung spricht nach überzeugender Darstellung von Dr. Be. gegen eine schwergradige Schmerzstörung. Zur Bestimmung des Ausmaßes der krankheitsbedingten Fähigkeitseinschränkungen hat Dr. As. die Klägerin anhand des Mini-ICF-Ratings standardisiert beurteilt. Danach ergaben sich keine Beeinträchtigungen in der Anwendung fachlicher Kompetenzen, der Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit sowie in der Selbstpflege. In allen übrigen Leistungsbereichen (insbesondere Planung und Strukturierung von Aufgaben, Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, Durchhaltefähigkeit) bestanden nur leichte Beeinträchtigungen; mittelschwere oder schwere Aktivitäts- oder Teilhabeeinschränkungen lagen nicht vor. Dies stimmt mit der Einschätzung von PD Dr. M. während des Rehaverfahrens überein. Die Klägerin ist in der Lage, die normalen Alltagsanforderungen zu meistern; die Kommunikationsfähigkeit ist nicht eingeschränkt. Die Klägerin ist mobil, kann das häusliche Leben organisieren und ist sozial gut integriert. Hinweise für eine wesentliche Einschränkung der Durchhaltefähigkeit, der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit ergaben sich nicht.
Aus dem von der Klägerin vorgelegten Bericht von Prof. Dr. E. vom 14. Dezember 2015 ergibt sich keine andere Beurteilung der Leistungsfähigkeit. Ausdrücklich wird eine solche dort ohnehin nicht abgegeben. Aus den oben genannten Gründen kann der Senat der Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode nicht folgen. Soweit (allein) anhand psychologischer Testdiagnostik Funktionsbehinderungen im Alltag angenommen wurden, ist - im Gegensatz zur Begutachtung durch Dr. Be. und Dr. As. - kein Abgleich mit den tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen in der Alltagsgestaltung erfolgt. Die ohne Untermauerung durch entsprechende Befunde abgegebene Leistungseinschätzung der Hausärztin Dr. H.-K. vermag gegenüber den gutbegründeten fachärztlichen Beurteilungen nicht zu überzeugen. Gleiches gilt für die von ihr ausgestellten, lediglich Diagnoseangaben enthaltenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
(3) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.
(4) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
(5) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Trotz der mehrfachen Vorfußoperationen mit verbliebener Versteifung der linken sowie Verkürzung der rechten Großzehe zeigte die Klägerin bei Dr. Be. ein unauffälliges Gangbild; Zehen- und Hackengang und -stand konnten demonstriert werden. Die Klägerin selbst gab ausdrücklich an, eine halbe Stunde oder ein bis 2 km könne sie in jedem Fall gehen; sie mache zweimal pro Woche ein Spaziergang, wobei sie eine Wegstrecke von ca. 2 km zurücklege. Überzeugend geht Dr. Be. daher von einer erhaltenen Wegefähigkeit der Klägerin aus. Im Übrigen ist sie nach eigenen Angaben mit Fahrrad und Pkw mobil.
(6) Aus der Anerkennung eines GdB von 50, nach Behauptung der Klägerin im Berufungsverfahren von 60, folgt ebenfalls nicht, dass die Klägerin erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechsel-wirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 SB 5/01 B -, juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 - 5b BJ 156/87 -, juris, Rn. 3).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
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