L 6 KR 1501/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 4 KR 3252/11
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1501/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 8. August 2013 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge des Klägers zur freiwilligen Krankenver-sicherung und zur sozialen Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 31. Januar 2011.

Der Kläger ist bei der Beklagten zu 1 seit dem 12. April 2004 als hauptberuflich Selbstständiger freiwillig krankenversichert und bei der Beklagten zu 2 pflegeversichert. Am 22. April 2010 übersandte er der Beklagten zu 1 eine Erklärung über seine Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit sowie den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solida-ritätszuschlag (im Folgenden: Einkommenssteuerbescheid) vom 26. März 2010, der ihm am 29. März 2010 zugegangen ist. Danach betrugen seine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit 45.070 Euro, das zu versteuernde Einkommen 40.383 Euro.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2010 teilte die Beklagte zu 1 ihm mit, ab 1. April 2010 würden seine Beiträge monatlich für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) 536,25 Euro, für die soziale Pflegeversicherung (sPV) 82,50 Euro, insgesamt 618,75 Euro betragen. Bei der Berechnung sei der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2008 berücksichtigt worden. Diesen habe sie leider erst verspätet erhalten, so dass sie verpflichtet sei, die Beiträge rückwirkend anzupassen. Für die Beitragsberechnung werde der Bescheid ab dem Monat berücksichtigt, der auf die Zustellung durch das Finanzamt - also ab dem 1. April 2010 - folge. Für den Monat April 2010 bestehe ein Beitragsrückstand in Höhe von 261,93 Euro. Der Bescheid ergehe auch im Namen der Beklagten zu 2. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, es sei falsch, als Grundlage die monatliche Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 3.750 Euro zu berücksichtigen. Hierzu könne die Beklagte zu 1 nur gelangen, wenn sie der Beitragsbemessung den Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 45.070 Euro zu Grunde lege. Tatsächlich sei das "zu versteuernde Einkommen" in Höhe von 40.383 Euro in Ansatz zu bringen. Aufgrund seines Einspruchs gegen den Einkommenssteuerbescheid sei nunmehr der Einkommenssteuerbescheid vom 10. Mai 2010 erlassen worden, wonach das zu versteuernde Einkommen 39.965 Euro betrage. Mit Schreiben vom 27. Mai 2010 wies die Beklagte zu 1 darauf hin, dass sich durch den geänderten Einkommenssteuerbescheid keine Änderung des der Beitragsbemessung zu Grunde liegenden Einkommens ergeben habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2011 wies sie den Widerspruch, auch im Namen der Beklagten zu 2, zurück. Für den Personenkreis der hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigen sehe der Gesetzgeber vor, dass der Beitragsbemessung grundsätzlich monatliche beitragspflichtige Einnahmen in Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2010: 3.750 Euro) zu Grunde zu legen sind. Eine am tatsächlichen Einkommen orientierte Einstufung komme nur in Betracht, wenn der Versicherte niedrigere Einnahmen nachweise. Dann würden diese, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe von 75 v.H. der monatlichen Bezugsgröße (2010: 1.916,25 EUR) herangezogen (§ 240 Abs. 4 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 7 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz))). Dies gelte analog auch für die Beitragsbemessung in der sPV (§ 57 Abs. 4 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 1 BeitrVerfGrsSz). Das Bundessozialgericht (BSG) habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass bei einer selbstständigen Tätigkeit das Arbeitseinkommen als beitragspflichtige Einnahme maßgebend sei. Nach § 15 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei Arbeitseinkommen, der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen sei als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommenssteuerrecht zu bewerten sei. Für die Gewinnermittlung aus selbstständiger Arbeit seien §§ 4 bis 7 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) maßgebend. Bei der Feststellung des Gewinns im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV würden sonstige Abzüge von der Summe der Einkünfte, die das zu versteuernde Einkommen mindern, wie z.B. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, nicht berücksichtigt. Er habe monatlich 3.755,83 Euro zu berücksichtigende Einnahmen erzielt. Diese seien der Beitragsbemessung - begrenzt auf die Beitragsbemessungsgrenze - zu Grunde zu legen.

Im Klageverfahren hat der Kläger die Ansicht vertreten, seiner Beitragsbemessung seien lediglich Einnahmen in Höhe des in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V genannten 90. Teils der monatlichen Bezugsgröße zu Grunde zu legen. Für die Berücksichtigung weiterer Einnahmen fehle es an einer wirksamen rechtlichen Grundlage. Der Gesetzgeber habe die Frage, welche Einkommensarten bei der Beitragsbemessung berücksichtigt werden dürfen, nur für Pflichtmitglieder der GKV geregelt. Die vom Spitzenverbandband der Krankenkassen aufgrund des § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB V erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler seien unwirksam. Werde dieser Ansicht nicht gefolgt, sei zu berücksichtigen, dass die durch § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V beabsichtigte Gleichbehandlung des freiwillig versicherten Mitglieds mit dem versicherungspflichtigen Mitglied, welches regelmäßig über Arbeitseinkommen verfüge, es vorliegend gebieten würde, die Beitragsbemessung anhand des zu versteuernden Einkommens vorzunehmen und nicht - wie hier - anhand des Gesamtbetrages der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit/freiberuflicher Tätigkeit. Daher könne lediglich das zu versteuernde Einkommen des Jahres 2008 in Höhe von 39.965 EUR berücksichtigt werden.

Mit Beschluss vom 30. November 2012 hat das Sozialgericht (SG) das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 15. März 2013 hat die Beklagte das Verfahren aufgrund des Urteils des BSG vom 19. Dezember 2012 - Az.: B 12 KR 20/11 R wieder aufgerufen.

Mit Urteil vom 8. August 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid beruhe auf der hinreichende Rechtsgrundlage des § 240 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGB V i.V.m. den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler. Ebenfalls sei nicht zu beanstanden, dass nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der nach dem Einkommenssteuerrecht ermittelte Gewinn bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen sei. Diese Ausführungen gälten nach § 57 Abs. 4 SGB XI ebenfalls für die Beitragsbemessung in der sPV.

Im Berufungsverfahren vertritt der Kläger die Ansicht, er werde durch die Anwendung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler i.V.m. § 240 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 15 Abs. 1 SGB IV im Rahmen der Beitragsbemessung unangemessen gegenüber einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten benachteiligt. Vorliegend wäre das zu versteuernde Ein-kommen in Höhe von 39.965 Euro der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen gewesen, um eine annähernde Gleichbehandlung gegenüber gesetzlich Krankenversicherungspflichtigen zu erreichen. So sei der versicherungspflichtig Beschäftigte, etwa der angestellte Anwalt, lediglich verpflichtet, die Hälfte der Beiträge an Krankenkasse, Pflegeversicherung und Rentenver-sicherung zu leisten, die andere Hälfte werde vom Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitgeberanteils geleistet. Da ihm die Zahlbeträge an Krankenkasse und Rentenversicherung nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung stünden, sei es unbillig, diese vollumfänglich bei der Bei-tragsbemessung im Rahmen der Einkünfte zu berücksichtigen. Ausweislich des Einkommens-steuerbescheides für das Jahr 2008 habe er Versicherungsbeiträge in Höhe von 5.957 Euro geleistet. Hierin eingeschlossen seien die vollumfänglichen Kranken- und Pflegeversiche-rungsbeiträge sowie Rentenversicherungsbeiträge (Versorgungswerk). Hier habe er für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens den gesetzlichen Vorwegabzug in Höhe von 3.068 EUR ausschöpfen können. Dieser Vorwegabzug verringere sich gesetzlich seit 2011 jährlich um 300 Euro und liege beispielsweise für das laufende Kalenderjahr 2013 nur noch bei 2.100 EUR und werde weiter jährlich abgesenkt und zum Jahr 2020 abgeschafft. Er könne somit seine Versicherungsbeiträge kaum steuermindernd in Ansatz bringen, müsse aber - im Gegensatz zum versicherungspflichtig Beschäftigten - die Beiträge alleine tragen. Er zahle aufgrund des angefochtenen Bescheides allein an Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen jährlich 7.425 Euro. Es erscheine naheliegend, nur das zu versteuernde Einkommen der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen. Unproblematisch könnten die Beiträge auch auf das in § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V fingierte Mindesteinkommen festgesetzt werden. Danach würde sein Beitrag zur GKV in dem streitigen Zeitraum monatlich 103,44 EUR betragen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 8. August 2013 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2011 abzuändern und die Beiträge vom 1. April 2010 bis zum 31. Januar 2011 zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, die Gleichbehandlung des freiwillig versicherten selbstständig tätigenen Klägers sei weder rechtlich noch systematisch möglich.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Ver-handlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beiträge zur GKV und zur sozialen Pflegeversicherung nach der Min-destbeitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 SGB V festgesetzt werden. Der Senat nimmt insoweit auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils nach § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug, denen er sich anschließt. Ergänzend führt der Senat im Hinblick auf die Berufungsbegründung noch Folgendes aus: Die vom Kläger vorgetragenen Gründe sind nicht geeignet, eine Verfassungswidrigkeit des § 240 Abs. 1 SGB V i.V.m. den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler darzulegen. Soweit der Kläger geltend macht, im Jahr 2020 könne er seine Vorsorgeaufwendungen beim zu versteuernden Einkommen im Wege des Vorwegabzugs nicht mehr steuerrechtlich geltend machen, ist nicht ersichtlich, in-wieweit dies für die Beitragsbemessung nach § 240 SGB V i.V.m. den Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler in den Jahren 2010/2011 relevant sein könnte. Dass das Arbeitseinkommen des Selbstständigen ohne Abzug von z.B. Sonderausgaben und sonstigen zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abzuziehenden Beträgen des Steuerpflichtigen zu ermitteln ist, ist aus Gründen der Gleichbehandlung mit den versicherungspflichtig Beschäftigten geboten. Bei diesen ist nach § 14 SGB IV für die Beitragsbemessung das auf Bruttobasis festgestellte Arbeitsentgelt vor Abzug von direkten Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und vergleichbarer Abzüge maßgebend. Soweit der Kläger einwendet, er trage als Selbstständiger die Beiträge alleine, ist dem entgegenzuhalten, dass keine Pflicht zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht, vielmehr freiwillig Versicherte grundsätzlich frei disponieren können, ob sie sich gesetzlich oder privat krankenversichern. Dieses Wahlrecht haben versicherungspflichtige Personen nicht. Wegen dieser gegenüber Pflichtversicherten zumindest geringeren Schutzbedürftigkeit dürfen die freiwillig versicherten Mitglieder gegenüber den pflichtversicherten Mitgliedern beitragsrechtlich nicht begünstigt werden, sondern müssen im Durchschnitt selbst kostendeckend verbeitragt werden. Sie sollen nicht auf Kosten der Pflichtversicherten möglichst niedrige Beiträge erhalten. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 15. März 2000 - Az.: 1 BvL 16/96 und andere, nach juris) hat in der Differenzierung zwischen Pflichtversicherten und freiwillig versicherten Personen eine im Recht der GKV langfristig bewährte Unterscheidung erkannt. Als verfassungswidrig wurde nur angesehen, dass langjährig versicherungspflichtig Beschäftigte, die durch Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze zu freiwillig Versicherten geworden waren, der Zugang zur Pflichtversicherung der Rentner versperrt worden war, mit der Folge, dass sie Beitragsnachteile zu tragen hatten. Der Gesetzgeber hat die Verfassungswidrigkeit in Ausführung dieser Entscheidung nicht durch einen Eingriff in das Beitragsrecht beseitigt, sondern durch eine Öffnung des Zugangs der Krankenversicherung der Rentner. Die unterschiedliche Beitragsbelastung von Pflichtversicherten einerseits und freiwillig Versicherten andererseits hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. Mai 2014 - Az.: L 1 KR 608/13 m.w.N., nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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