S 4 SF 17/16 K

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 17/16 K
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG zur nachträglichen Geltendmachung von Umsatzsteuer scheidet wegen Verschuldens des Sachverständigen aus, wenn sich seine Umsatzsteuerpflicht aus dem Überschreiten der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer gem. § 19 Abs. 1 UStG im Vorjahr der Gutachtenerstattung ergibt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller war im Verfahren des SG Fulda S 8 U 97/14 mit Beweisanordnung vom 24. November 2014 zum Sachverständigen bestimmt worden, woraufhin er sein schriftliches Gutachten unter dem 20. März 2015 erstattete. Mit Datum vom 18. März 2015 stellte er seine Vergütung mit einem Betrag von 1.865,92 EUR in Rechnung. Die Erstattung von Umsatzsteuer wurde seitens des Antragstellers in dieser Rechnung nicht geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 16. März 2016 wandte sich der Antragsteller an das Sozialgericht Fulda und teilte mit, dass er (erst) durch Schreiben seines Steuerberaterbüros vom 15. März 2016 darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass seine Umsätze im Jahr 2014 die Grenze für "Kleinunternehmer" überschritten haben, so dass er für seine gutachterliche Tätigkeit im Jahr 2015 umsatzsteuerpflichtig gewesen sei. Daher beantrage er – unter Beifügung einer entsprechend geänderten Vergütungsrechnung – die Erstattung der Umsatzsteuer auf den Rechnungsbetrag vom 20. März 2015 in Höhe von 354,52 EUR.
Mit Schreiben vom 4. April 2016, bei dem SG Fulda per e-mail eingegangen am 1. April 2016 und postalisch am 6. April 2016, begehrt der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung verwies er erneut auf die erst im März 2016 erhaltene Mitteilung der Umsatzsteuerpflicht durch seine Steuerberater. Vorher habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass er "die Voraussetzungen für die Kleinunternehmerregelung nicht mehr erfülle".

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Frist des § 2 Abs. 1 JEVG zu gewähren.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 3. Juni 2016 erklärt,
auf eine Stellungnahme zu dem Antrag zu verzichten.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung hat keinen Erfolg.

1. Zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist die Kammer (durch ihren Vorsitzenden) berufen, nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (so aber Hartmann, KostG, 46. Aufl. 2016, § 2 JVEG Rn. 17). Denn gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung ist gem. § 2 Abs. 2 S. 4 JVEG die Beschwerde zulässig, die nur gegen Entscheidungen des Richters, nicht des Urkundsbeamten gegeben ist (so auch ThürLSG, Beschl. v. 27. Mai 2015 – L 6 JVEG 329/15 –, juris Rn. 9; ebenso SG Darmstadt, Beschl. v. 15. Juni 2009 – S 10 P 30/05 [unveröff.]; nach Stattgabe/Ablehnung des Antrags differenzierend SG Detmold, Beschl. v. 5. März 2014 – S 2 SF 52/14 E –, juris Rn. 2 ff.; Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 53; Giers, in: Schneider/Volpert/Fölsch [Hrsg.], Gesamtes Kostenrecht, § 2 JVEG Rn. 14).

2. Der Anspruch eines Sachverständigen auf Vergütung seiner Gutachterleistung erlischt gem. § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG, wenn und soweit er sie nicht binnen drei Monaten bei der beauftragenden Stellen geltend gemacht wird. Diese Frist beginnt gem. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG mit dem Eingang des Gutachtens bei dieser Stelle, hier dem SG Fulda. Die Übermittlung des verfahrensgegenständlichen Gutachtens des Antragstellers erfolgte am 20. März 2015 per Telefax, so dass die Vergütung spätestens am Montag, 22. Juni 2015, hätte geltend gemacht werden müssen. Dies ist hinsichtlich des Umsatzsteueranteils der Vergütung nicht erfolgt, sondern erst mit Schreiben des Antragstellers vom 16. März 2016 einschließlich der Übersendung der die Umsatzsteuer ausweisenden (korrigierten) Rechnung vom 14. März 2016.
Die gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 JVEG erforderliche Belehrung über die Erlöschensfrist war mit gerichtlichem Schreiben an den Antragsteller vom 24. November 2014 erfolgt.
Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei der auf die Sachverständigenvergütung entfallenden Umsatzsteuer nicht um einen Annex zum JVEG-Vergütungsanspruch handelt, sondern diese nach der Systematik des JVEG selbst Bestandteil der "Vergütung" i.S.d. § 2 Abs. 1 JVEG ist, entsprechend fristgebunden geltend gemacht werden muss und bei Fristversäumnis erlischt. Dies folgt aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 JVEG, demzufolge auch der "Ersatz für besondere Aufwendungen" gem. § 12 JVEG dem Vergütungsbetriff unterfällt, somit auch der Ersatz der auf die Vergütung entfallenden Umsatzsteuer (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 JVEG; i.E. ebenso ThürOLG, Beschl. v. 7. November 2011 – 1 Ws 398/11 –, juris Rn. 8).

3. Damit ist der Anspruch des Antragstellers auf Erstattung der geltend gemachten Umsatzsteuer erloschen und kann nur noch nach vorheriger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 2 Abs. 2 JVEG geltend gemacht werden (dies dürfte allgemeine Meinung sein, s. etwa OLG Bamberg, Beschl v. 16. September 2009 – 1 Ws 472/09 –; ThLSG, Beschl. v. 18. Juni 2007 – L 6 B 77/07 SF –, jeweils juris; Binz, in: ders./Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG 3. Aufl. 2014, JVEG § 2 Rn. 3 m.w.Nw.). Entsprechend ist der vorliegende Antrag statthaft, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen jedoch nicht vor.
a) Dabei kann offenbleiben ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist, insbesondere die Wiedereinsetzungsgründe (fristgerecht) glaubhaft gemacht worden sind (s. dazu BayLSG, Beschl. v. 4. Dezember 2014 – L 15 SF 53/13 –, juris Rn. 33 ff.).
b) Jedenfalls war der Antragsteller nach seinem Vorbringen nicht ohne sein Verschulden an der fristgerechten Geltendmachung des Umsatzsteueranteils seiner Vergütung gehindert. Mangels den in § 2 Abs. 2 JVEG verwendeten Verschuldensbegriff einschränkender Normen schließt in analoger Anwendung des § 276 BGB jedes Verschulden, also auch jede Fahrlässigkeit im Sinne des Außerachtlassens der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, die Wiedereinsetzung aus. Diese Sorgfalt hat der Antragsteller nicht aufgewandt.
Es ist unbestritten, dass die Umsätze des Antragstellers in seiner Funktion als (Gerichts )Gutachter zu den Umsätzen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gehören, so dass sie der Umsatzsteuer unterliegen. Diese Steuer würde gem. § 4 Abs. 1 UStG lediglich dann nicht erhoben, wenn der Gesamtumsatz im Sinne des Satzes 2 der Norm zuzüglich Umsatzsteuer im vorangegangenen Kalenderjahr des jeweiligen Umsatzjahres (2015) 17.500 EUR nicht überstiegen hätte (Besteuerung so genannter "Kleinunternehmer"), was bei dem Antragsteller für das damit relevante Jahr 2014 jedoch der Fall war. Damit war für das Jahr 2015 Umsatzsteuer zu erheben und entsprechend von dem Antragsteller zu zahlen.
Für die rechtzeitige Geltendmachung der Umsatzsteuer als Vergütung war daher für den Antragsteller erforderlich, einerseits seine grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht zu kennen (dazu b) und andererseits bis zum Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 JVEG die Gesamtsumme seines Umsatzes aus dem Jahre 2014 beziffern zu können (dazu a).
a) Als Wiedereinsetzungsgrund hat der Antragsteller im Schreiben vom 16. März 2016 wie auch im ausdrücklichen Wiedereinsetzungsantrag vom 4. April 2016 lediglich geltend gemacht, dass er von seiner Umsatzsteuerpflicht erst durch Mitteilung seines Steuerberaters vom Überschreiten der Kleinunternehmergrenze erfahren habe. Damit macht er also (nur) geltend, dass er die Höhe seiner Umsätze aus 2014 nicht gekannt habe. Dies aber ist fahrlässig.
Wie die Rechnungsstellung in dem hiesigen Ausgangsverfahrens S 8 U 97/14 – und auch diejenigen der anhängigen Parallelverfahren – zeigt, stellte der Antragsteller seine Vergütungsrechnungen jeweils selbst, nicht etwa unter Hinzuziehung seines Steuerberatungsbüros. Daher hätte ihm durch einfache Addition der selbst ermittelten Rechnungsbeträge, die er im Jahr 2014 geltend gemacht hat, spätestens am 31. Dezember 2014 bekannt sein müssen, dass für die Umsätze des Folgejahres Umsatzsteuer zu zahlen war. Indem er diese Addition nicht vorgenommen und/oder sich die daraus ergebenden steuerrechtlichen Folgen nicht bewusst gemacht hat, hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Es ist einem Sachverständigen ohne Weiteres zumutbar, die Summe seiner Vergütung laufend aktuell zu halten. Hätte er sich diese Kenntnis angeeignet, hätte einer Geltendmachung innerhalb von drei Monaten nach der Ablieferung seines Gutachtens nichts im Wege gestanden. Daher fußt die Fristversäumnis allein auf der verschuldeten Nichtbeachtung der Gesamtumsätze des Antragstellers in 2014, so dass es auf die Frage einer etwaigen Zurechnung des Verschuldens seines Steuerberaters hier nicht ankommt.
b) Soweit der Vortrag des Antragstellers zu seinen Gunsten auch dahingehend zu interpretieren sein sollte, dass er geltend macht, gar keine Kenntnis von der grundsätzlichen Umsatzsteuerpflicht seiner Gutachterumsätze gehabt zu haben, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn selbstverständlich gehört es zu den Pflichten eines Sachverständigen, die (steuer)gesetzlichen Regelungen seiner Tätigkeit zu kennen. Ist dies nicht der Fall, begründet dies sein Verschulden. Hierzu hat das BayLSG (Beschl. v. 22. September 2015 – L 15 SF 232/15 –, juris Rn. 33 m.w.Nw. auch aus der Rspr. des BVerfG und des BSG) zutreffend ausgeführt:
"Wegen des Grundsatzes der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten Gesetze mit ihrer Verkündung allen Normadressaten als bekannt ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis davon erhalten haben. Eine Unkenntnis des Rechts und der Befristung seiner Ausübung vermag daher nach ständiger Rechtsprechung eine Wiedereinsetzung nicht zu rechtfertigen."

Nach alledem kann dem Antragsteller keine Wiedereinsetzung in die Frist des § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG gewährt werden.
Rechtskraft
Aus
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