S 4 SF 50/15 E

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Fulda (HES)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 4 SF 50/15 E
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ob ein Kostenfestsetzungsbeschluss mit der Erinnerung gem. § 197 Abs. 2 SGG grundsätzlich als vollumfänglich angegriffen gilt oder in Teilrechtskraft erwächst, soweit Gebührenpositionen nicht durch die Erinnerungsschrift in Streit gestellt werden, bleibt offen.

2. Die Anfertigung einer Kopie der streitgegenständlichen Behandlungsdokumentation ist im Krankenhausvergütungsstreit für einen Bevollmächtigten der Krankenversicherung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und -verteidigung regelmäßig erforderlich.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2015 im Verfahren S 4 KR 700/12 wird dahingehend abgeändert, dass die von der Erinnerungsführerin und Beklagten des Ausgangsverfahrens zu erstattenden Kosten auf
68,17 EUR
festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostenfestsetzung im zugrunde liegenden Ausgangsverfahren S 4 KR 700/12; dieses Verfahren war durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet worden. Gemäß Beschluss der Kammer vom 2. Oktober 2014 hat die Erinnerungsführerin und Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden nur: Erinnerungsführerin) von den Kosten des Ausgangsverfahrens 1/4, die Erinnerungsgegnerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden nur: Erinnerungsgegnerin) 3/4 zu tragen. Gleichzeitig wurde der Streitwert auf 783,23 EUR festgesetzt.
Mit (korrigiertem) Kostenfestsetzungsantrag vom 6. November 2014 bezifferte die Erinnerungsgegnerin ihre außergerichtlichen Kosten wie folgt und beantrage die verzinsliche Kostenfestsetzung unter Hinzusetzung der weiter gezahlten Gerichtsgebühren:
Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 84,15 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 78,00 EUR
Auslagenpauschale, § 197a SGG, § 162 II 3 VwGO 20,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 Nr. 1 a) VV RVG (127 Seiten Patientenakte) 36,55 EUR
219,05 EUR
USt, Nr. 7008 VV RVG 41,62 EUR
260,67 EUR
Verauslagte Aktenversendungspauschale 12,00 EUR
272,67 EUR

Hiergegen wandte sich die Erinnerungsführerin dahingehend, dass die geltend gemachten Kopierkosten nicht erstattungsfähig seien, da sie mit den "allgemeinen Gebühren" abgegolten seien.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hielt hingegen sämtliche geltend gemachten Kosten für erstattungsfähig und setzt daraufhin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2015, den Beteiligten zugestellt am 23. September 2015, die von der Erinnerungsführerin zu erstattenden Kosten auf
204,50 EUR,
verzinslich seit dem 10. November 2014, fest.
Dabei war ihr jedoch im Tenor des Kostenfestsetzungsbeschlusses ein Fehler unterlaufen, da sie damit zugunsten der Erinnerungsgegnerin einen Erstattungsbetrag festsetzte, der nach ihren Berechnungen in den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses dem der Erinnerungsführerin zustehenden Kostenbruchteil entsprach. Die Hinzusetzung des Gerichtsgebührenanteils unterblieb.
Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2015, der am Folgetag bei dem SG Fulda eingegangen ist, hat die Erinnerungsführerin Erinnerung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass die geltend gemachten Ablichtungskosten nicht erstattungsfähig seien, da sie zur sachgemäßen Bearbeitung nicht erforderlich gewesen seien. Die Erinnerungsgegnerin sei nicht zur Einholung eines medizinischen Gutachtens verpflichtet gewesen. Wenn sie hierzu Kopien angefertigt habe, dann hätten diese nur dazu gedient, ihrer Darlegungspflicht nachzukommen. Diese Kosten müsse die Erinnerungsgegnerin jedoch selbst tragen.
Auf Hinweis der Kammer, dass die festgesetzte, nur als fiktive in Betracht kommende Terminsgebühr im Ausgansverfahren nicht angefallen sei, aber unklar bleibe, ob diese überhaupt seitens der Erinnerungsführerin angegriffen werde, hat diese unter dem 5. April 2016 vorgetragen, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss durch die Erinnerung als insgesamt angefochten anzusehen sei. Allerdings sei die fiktive Terminsgebühr infolge eines angenommenen Teilanerkenntnisses tatsächlich entstanden, da der Rechtsstreit im Übrigen für erledigt erklärt worden sei. Zudem verwies sie auf den zuvor aufgezeigten Widerspruch zwischen Tenor und Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses. Wegen ihres weiteren Vorbringens im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2015 abzuändern und die von ihr zu erstattenden Kosten auf 108,55 EUR festzusetzen.

Die Erinnerungsgegnerin hat sich nicht zur Akte geäußert.

II.

Die zulässige Erinnerung führt zur Herabsetzung des festgesetzten Erstattungsbetrages.

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist schon deshalb hinsichtlich der Höhe fehlerhaft, weil die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den infolge der Kostengrundentscheidung vom 2. Oktober 2014 der Erinnerungsführerin zustehenden Kostenerstattungsbruchteil im Tenor rechnerisch der Erinnerungsgegnerin zugeordnet hat.

2. Sodann kann offen bleiben, ob eine fiktive Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG angefallen ist und daher festgesetzt werden durfte. Denn jedenfalls ist diese von der Erinnerung nicht (mehr) angegriffen und steht damit rechtskräftig der Erinnerungsgegnerin zu.
Dabei wird die Frage der Rechtskraft eines Kostenfestsetzungsbeschlusses und des Umfangs ihrer Verhinderung im Falle der Erinnerung uneinheitlich beantwortet. Das FG Köln formuliert im Beschluss vom 28. April 2011 (– 10 Ko 410/10 u.a. –, juris Rn. 22) restriktiv:
"Deshalb muss es bei dem Grundsatz bleiben, dass das Rechtsbehelfsbegehren innerhalb der Rechtsbehelfsfrist klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden muss. Tut dies ein Beteiligter durch die Nennung eines bestimmten Betrags bzw. die Darlegung, welche Gebühren seines Erachtens nicht zu berücksichtigen sind, bestimmt er damit auch den Umfang der Teilrechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses."
Entsprechend geht das OVG Hamburg (NVwZ 2006, S. 1301 [1302]) davon aus, dass "im Rechtsbehelfsverfahren ( ) keine umfassende Überprüfung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs" stattfinde, "sondern nur eine Entscheidung über die vom Kostenschuldner erhobenen Einwendungen und Einreden" (zustimmend Kunze, in: Posser/Wolf [Hrsg.], VwGO, 2. Aufl. 2014, § 165 Rn. 10).
Demgegenüber meint Leitherer (in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 197 SGG Rn. 10), das Sozialgericht überprüfe die Festsetzung vollumfänglich. Folglich soll auch nach Fristablauf eine Erinnerung gegenüber den ursprünglichen Einwendungen erweitert werden können (Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 104 Rn. 15, unter Verweis auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 6. April 1992 – 11 W 39/92 –, juris [LS]). Dies entspricht der generellen Auffassung zur Hemmung der Rechtskraft mittels Rechtsmitteleinlegung. So hat der BGH im Urteil vom 1. Dezember 1993 (– VIII ZR 41/93 –, juris Rn. 24 = NJW 1994, 657 [659]) ausgeführt, dass sich die Hemmungswirkung eines Rechtsmittels grundsätzlich auf das gesamte Urteil erstrecke und insbesondere auch diejenigen Teile erfasse, die ausweislich der Rechtsmittelanträge nicht angefochten worden sind (so i.E. auch Zöller/Stöber, ebd., § 705 Rn. 11). Doch auch diese Auffassungen gehen dann vom Eintritt einer Teilrechtskraft aus, wenn die Rechtsmittelschrift insoweit eine Beschränkung im Sinne eines teilweisen Rechtsmittelverzichts enthält (BGH, Urt. v. 12.5.1992 – VI ZR 118/91 –, juris Rn. 10 = NJW 1992, 2296 [2296]). Dabei soll aber die Stellung beschränkter Rechtsmittelanträge im Zweifel keinen Verzicht auf die Anfechtung des Urteils im Übrigen bedeuten (BGH, Urt. v. 12.11.1997 – XII ZR 39/97 –, juris Rn. 14 = NJW-RR 1998, S. 572; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 705 Rn. 11).
Es bedarf hier keiner Entscheidung, welcher Auffassung zu folgen ist, denn die Erinnerungsführerin hat (spätestens) im Schriftsatz vom 5. April 2016 ausdrücklich erklärt, dass sie die Ansetzung der Terminsgebühr zugunsten der Erinnerungsgegnerin für "korrekt" erachtet und damit einen unzweideutigen Verzicht auf einen Angriff gegen diese Gebührenposition erklärt, so dass die Festsetzung insoweit in Rechtskraft erwachsen ist.

3. Die geltend gemachte Dokumentenpauschale steht der Erinnerungsgegnerin ebenfalls zu. Gem. § 162 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 197a SGG sind solche Kosten erstattungsfähig, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Hierzu gehört im Krankenhausvergütungsstreit regelmäßig die Herstellung einer Kopie der Patientenakte durch die Krankenversicherung oder ihren Bevollmächtigten.
Die medizinische Beurteilung einer wie hier im Ausgangsverfahren streitigen sekundären Fehlbelegung ist regelmäßig nicht ohne Kenntnis der Patientenakte möglich. Fordert ein Rechtsanwalt daher diese Akte, die analog Nr. 7000 Nr. 1 a) RVG als Behördenakte anzusehen ist, an und kopiert sie, um sie einem medizinischen Berater vorzulegen, so ist dies zur sachgerechten Rechtsverfolgung notwendig. Dies gilt auch für die gesamte Behandlungsdokumentation, da der medizinisch unkundige Rechtsanwalt nicht in der Lage ist, entscheidungsrelevante Behandlungsunterlagen von nicht relevanten zu unterscheiden. Alternativ wäre nur denkbar zu verlangen, dass der Rechtsanwalt das Original der Akte an den medizinischen Berater weitergibt. Dies aber würde ihn nicht von der Verantwortung für die erhaltene Akte entbinden, so dass ihm zuzugestehen ist, dass er, wie im Ausgangsverfahren erfolgt, die Patientenakte kopiert, die Kopie dem medizinischen Berater übermittelt und das Original der Akte dem Gericht zurückreicht. Zudem ist auch nach Anfertigung einer medizinischen Stellungnahme oder auch der Einholung eines MDK-Gutachtens im Klageverfahren nicht absehbar, ob weiter über medizinische Sachverhalte gestritten wird, wozu auch später noch die Kenntnis der Behandlungsdokumentation benötigt wird. Folglich ist es legitimes Interesse eines Beteiligten, die Patientenakte für das gesamte Verfahren in Kopie verfügbar zu halten.
Gegen die Geltendmachung der Dokumentenpauschale ist daher nichts zu erinnern.

4. Nach alledem ergibt sich folgender Kostenerstattungsanspruch der Erinnerungsgegnerin für das Ausgangsverfahren:
Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG 84,15 EUR
Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG 78,00 EUR
Auslagenpauschale, § 197a SGG, § 162 II 3 VwGO 20,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 Nr. 1 a) VV RVG (127 Seiten Patientenakte) 36,55 EUR
219,05 EUR
UStG, Nr. 7008 VV RVG 41,62 EUR
260,67 EUR
Verauslagte Aktenversendungspauschale 12,00 EUR
272,67 EUR
hiervon 1/4 gem. Kostengrundentscheidung 68,17 EUR

5. Der entgegen dem Antrag der Erinnerungsgegnerin nicht festgesetzten Gerichtsgebührenanteil ist durch die Kammer nicht zu berücksichtigen, da dies die Erinnerungsführerin nicht beschwert und daher auch entsprechend nicht (zulässig) zum Streitgegenstand des dieses Erinnerungsverfahrens gemacht worden ist.

6. Die notwendige Kostenentscheidung (vgl. SG Fulda, Beschl. v. 10. Februar 2010 – S 3 SF 22/09 E – juris Rn. 68 ff.) zu Lasten der Erinnerungsführerin beruht auf folgenden Erwägungen:
Die Erinnerungsführerin ist mit ihren Angriffen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht durchgedrungen; als Unterlegener gebührt ihr daher die Kostenlast. Daran ändert sich nichts dadurch, dass sie eine deutliche Reduzierung des Festsetzungsbetrages erreicht hat. Dies beruhte einzig auf dem Versehen der Kostenbeamtin, die einen fehlerhaften Tenor formuliert hat. Dies war aber ausweislich der eindeutig widersprüchlichen und korrekten Berechnung und Erläuterung in den Gründen des Kostenfestsetzungsbeschlusses eine offensichtliche Unrichtigkeit, die die Erinnerungsführerin ohne Weiteres mittels eines Antrags analog § 138 SGG hätte beseitigten lassen können. Eines Erinnerungsverfahrens bedurfte es daher nicht. Ergänzend ist auch darauf hinzuweisen, dass die Erinnerungsführerin ausweislich der Erinnerungsschrift vom 20. Oktober 2015 das Verfahren allein wegen der geltend gemachten Dokumentenpauschale in Gang gesetzt hat.
Gerichtskosten sind gem. § 3 GKG i.V.m. Teil 7 der Anlage 1 des GKG für das Erinnerungsverfahren nicht vorgesehen.
Rechtskraft
Aus
Saved