L 11 KR 1159/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2563/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1159/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.03.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Krankengeld (Krg) über den 12.06.2015 hinaus.

Der am 23.02.1973 geborene Kläger war bis zum 23.04.2015 als Busfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Zunächst aufgrund dieser Beschäftigung, dann ab 13.06.2015 über seine Ehefrau im Rahmen der Familienversicherung ist er bei der Beklagten bis 30.11.2015 krankenversichert gewesen; anschließend wechselte er zur AOK.

Ausweislich der vom Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. am 27.03.2015 ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) war der Kläger seit 26.03.2015, also noch während des Beschäftigungsverhältnisses, wegen einer Nervenwurzelreizung im Cervikalbereich (kodiert nach ICD-10 mit M 54.12) und Rückenschmerzen ohne nähere Angabe (kodiert nach ICD-10 mit M 54.90) arbeitsunfähig erkrankt. Mit Auszahlscheinen vom 11.05, 18.05. und 01.06.2015 bescheinigte Dr. S. ein Fortdauern der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis einschließlich 14.06.2015.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 12.05.2015 (Bl 81 Verwaltungsakte) nach dem Ende der Entgeltfortzahlung durch den ehemaligen Arbeitgeber ab 24.04.2015 Krg in Höhe von 45,64 EUR täglich.

Die Beklagte veranlasste eine Überprüfung des Vorliegens bzw Fortdauerns der Arbeitsunfähigkeit über den 31.05.2015 hinaus durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Bayern (MDK). Frau M. vom MDK gelangte in ihrer Stellungnahme vom 08.06.2015 (Bl 51 Verwaltungsakte) nach telefonischer Rücksprache mit Dr. S., der mit einer Arbeitsunfähigkeits-Beendigung einverstanden war, zu dem Ergebnis, die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ende am 12.06.2015.

Gestützt hierauf teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 08.06.2015 (Bl 92 Verwaltungsakte) mit, ab 13.06.2015 habe er keinen Anspruch auf Krg mehr, er solle sich umgehend bei seiner Arbeitsagentur melden.

Hiergegen legte der Kläger am 24.06.2015 Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung ein, er sei noch immer krankgeschrieben wegen seines rechten Fußes. Er legte zwei von dem Internisten O. am 15.06.2015 und 22.06.2015 ausgestellte AUB vor. In der AUB vom 15.06.2015 war eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 15.06. bis 20.06.2015 wegen Hallux valgus rechts (kodiert nach ICD-10 mit M 20.1) und wegen einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (kodiert nach ICD-10 mit J 44.99) und in der vom 22.06.2015 datierenden AUB eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 22.06. bis 27.06.2015 wegen Gelenkschmerz Knöchel/Fuß rechts (kodiert nach ICD-10 mit M 25.57) bescheinigt. Beide AUB waren handschriftlich mit Kreuz als Folgebescheinigung gekennzeichnet und das Kästchen bei "Erstbescheinigung" offensichtlich von Hand nachgezeichnet.

Hingegen waren in den vom Internisten O. direkt an die Beklagte übersandten Kopien dieser AUB maschinell jeweils "Erstbescheinigung" angekreuzt und das Original-Kästchen bei "Folgebescheinigung" enthielt keinen Eintrag (vgl beider "Versionen" auf Bl 15/22 Verwaltungsakte).

Mit weiteren AUB vom 29.06. und 13.07.2015 bescheinigte der Internist O. dem Kläger eine weiter bestehende Arbeitsunfähigkeit zunächst bis 11.07.2015, dann bis zum 23.07.2015. Mit Auszahlscheinen vom 13.08., 11.09. und 07.10.2015 bestätigte der Internist O. ein Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum 01.11.2015.

Im von der Beklagten eingeholten Gutachten der Frau M. vom MDK vom 08.07.2015 (Bl 55 Verwaltungsakte) wurde unter Hinweis auf die neue Diagnose des Internisten O. ausgeführt, eine Änderung der früheren Beurteilung sei nicht angezeigt.

Hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2015 den Widerspruch des Klägers gegen ihren Bescheid vom 08.06.2015 als unbegründet zurück. Die Arbeitsunfähigkeit habe am 12.06.2015 geendet. Damit habe seine Mitgliedschaft an diesem Tag geendet, ein weiterer Anspruch auf Krg bestehe nicht. Die Familienversicherung ab dem 13.06.2015 enthalte keinen Krg-Anspruch.

Hiergegen hat der Kläger am 09.10.2015 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Ihm stehe auch nach dem 12.06.2015 hinaus Krg zu. Er sei vom 26.03.2015 bis 30.11.2015 lückenlos von zwei Ärzten wegen seines Fußes krankgeschrieben gewesen. Sein Fuß sei sehr geschwollen und seine Haut offen gewesen. Überdies habe er sich nur mit Krücken fortbewegen können. Zur Begründung hat der Kläger zum einen das ärztliche Attest des Dr. S. vom 16.09.2015, zum anderen den ärztlichen Bericht des Herrn O. vom 09.11.2015 vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2016 das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und würden den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Krankengeld über den 12.06.2015 hinaus. Arbeitsunfähigkeit habe ab dem 26.03.2015 bestanden, als das Beschäftigungsverhältnis noch angedauert habe. Über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 23.04.2015 habe wegen des Bezugs von Krankengeld das Pflichtversicherungsverhältnis noch bis zum 12.06.2015 hinaus fortbestanden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe noch Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Danach nicht mehr. Das SG hat hierauf auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen der Frau M. vom MDK vom 08.06.2015 und 08.07.2015 Bezug genommen. Aus der vom Internisten O. am 15.06.2015 ausgestellten AUB ergebe sich kein Anspruch auf die Weitergewährung von Krg ab dem 13.06.2015. Bei den beiden AUB vom 15.06. und 22.06.2015 handle es sich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts um Erstbescheinigungen. Die vom Kläger der Beklagten vorgelegten Bescheinigungen seien offensichtlich manipuliert worden, wodurch offenbar der Eindruck habe erweckt werden sollen, es habe durchgehend AU vorgelegen, obgleich die vom Internisten O. festgestellte AU nunmehr auf einer anderen Erkrankung als der von Dr. S. festgestellten Erkrankung beruht habe. Aufgrund der vom Internisten O. erstmalig bescheinigten Erkrankung an der rechten unteren Extremität sei es auch ohne Weiteres nachvollziehbar, dass es sich bei den beiden AUB vom 15. und 22.06.2015 um Erstbescheinigungen gehandelt habe. Aufgrund der vom Internisten O. ausgestellten Bescheinigung könne ein Anspruch auf Krg erst ab dem 16.06.2015 entstehen; an diesem Tag sei der Kläger jedoch nicht mehr mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert gewesen, da die Familienversicherung nach § 10 SGB V keinen Krg-Anspruch beinhalte. Aus den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attesten des Dr. S. vom 16.09.2015 und dem Bericht des Internisten O. vom 09.11.2015 ergebe sich nichts anderes. Die über mehrere Monate rückwirkend bescheinigte AU überzeuge nicht und könne die Feststellungen des MDK nicht erschüttern. Der Internist O. habe im Übrigen nicht einmal in der am 15.06.2015 ausgestellten AUB eine AU des Klägers auf den 13.06.2015 zurückdatiert.

Gegen den ihm am 03.03.2016 mit Postzustellungsurkunde zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 27.03.2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Einen zunächst gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe hat er am 09.06.2016 zurückgenommen. Zur Begründung der Berufung hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er sei immer noch bis zum heutigen Tag und weiterhin behandlungsbedürftig. Er sei lückenlos krankgeschrieben gewesen und könne bis zum heutigen Tag nicht richtig laufen. Ihm stehe daher Krg über den 12.06.2015 hinaus zu. Er hat nochmals die Atteste des Internisten O. vom 09.11.2015 und des Allgemeinmediziners Dr. S. vom 16.09.2015 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 02.03.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 08.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Krankengeld in Höhe von 45,64 EUR/Tag vom 13.06.2015 bis 30.11.2015 zu gewähren

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen und die Ausführungen des SG Bezug.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 09.06.2016 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid vom 08.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Krg für die Zeit vom 13.06.2015 bis 30.11.2015.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff SGB V. Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) folgt (§ 46 Satz 1 SGB V in der bis 22.07.2015 geltenden Fassung - § 46 Satz 1 SGB V aF). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (Bundessozialgericht [BSG] 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als Versicherter Anspruch auf Krg hat (BSG 05.05.2009, B 1 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 4; BSG 02.11.2007, B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 14). Die Versicherungsverhältnisse, die die Gewährung von Krankengeld nicht einschließen, sind in § 44 Abs 2 SGB V aufgeführt. Danach können ua die nach § 10 SGB V Versicherten kein Krg beanspruchen.

Wird Krg wegen ärztlich festgestellter AU - wie vorliegend - begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der AU folgt (ständige Rechtsprechung, vgl etwa BSG 26.06.2007, B 1 KR 37/06 R, juris). Das Gesetz bietet hierbei keinerlei Anhaltspunkte, dass es sich bei § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V aF um eine bloße Zahlungsvorschrift handelt. Auch gibt es keinen Anhalt dafür, dass der Anspruch aus § 44 SGB V schon bei Eintritt der AU entsteht (BSG 26.06.2007, a.a.O.). Maßgebend für das Entstehen eines Krg-Anspruches ist somit das Bestehen des Versicherungsverhältnisses an dem Tag, der sich an jenen anschließt, an dem ein Arzt selbst tatsächlich AU festgestellt hat. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut und -zweck ist es für den Krg-Anspruch unerheblich, wenn der Arzt an diesem Tage einen früheren Beginn der AU bescheinigt (BSG 26.06.2007, aaO).

Nach der von Dr. S. am 27.03.2015 ausgestellten AUB bestand AU beim Kläger ab 26.03.2015. Ausgehend von der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 27.03.2015 entstand der Anspruch des Klägers auf Krg am 28.03.2015, dem Folgetag. An diesem Tag war er aufgrund seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung als Beschäftigter nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten krankenversichert. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung durch seinen ehemaligen Arbeitgeber erhielt er dementsprechend von der Beklagten ab 24.04.2015 Krg.

Auch über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 23.04.2015 hinaus, das an sich nach § 19 Abs 1 SGB V iVm § 190 Abs 2 SGB V zur Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers als versicherungspflichtiger Beschäftigter geführt hätte, bestand diese Pflichtversicherung nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bis zum 12.06.2015 hinaus fort. Bis zu diesem Zeitpunkt lag beim Kläger nach Überzeugung des Senats noch AU vor. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der sozialmedizinischen Stellungnahmen des MDK (Frau M.) vom 08.06. bzw. 08.07.2015, in denen sie nachvollziehbar darlegt, dass die AU beim Kläger am 12.06.2015 geendet hat. Zwar hat Dr. S. in seinem am 01.06.2015 erstellten Auszahlschein noch bestätigt, dass die seit 26.03.2015 bestehende AU des Klägers noch voraussichtlich bis zum 14.06.2015 weiter fortbesteht. Allerdings hat er diese Ansicht ausweislich der Stellungnahme der Frau M. vom 08.06.2015 bei einem mit dieser geführten Telefongespräch dahingehend revidiert, dass auch er nunmehr mit der Beendigung der AU am 12.06.2015 einverstanden war. Auch in dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest vom 16.09.2015 hat Dr. S. bestätigt, bei dem mit Frau M. mit Juni 2015 geführten Telefongespräch die Auffassung vertreten zu haben, dass beim Kläger keine AU über den 12.06.2015 hinaus mehr vorliegt. In Abweichung zu dem zunächst von Dr. S. am 01.06.2015 ausgestellten Auszahlschein ist der Senat somit der Überzeugung, dass die AU des Klägers am 12.06.2015 geendet hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich auch aus der vom Facharzt für Innere Medizin O. am 15.06.2015 ausgestellten AUB kein Anspruch auf Weitergewährung von Krg ab 13.06.2015. Bei der AUB sowohl vom 15.06.2015 als auch vom 22.06.2015 handelt es sich zur Überzeugung des Senats um Erstbescheinigungen. Dies ergibt sich aus den vom Internisten O. vorgelegten Kopien der von ihm ausgestellten AUB. Aus diesen Kopien ist eindeutig zu ersehen, dass die beiden AUB als Erstbescheinigungen ausgestellt wurden. Aus den in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Kopien der vom Kläger vorgelegten AUB vom 15. und 22.06.2015 ist ferner zu ersehen, dass die dortige Angabe "Erstbescheinigung" handschriftlich in "Folgebescheinigung" geändert wurde. Die Praxis O. hat der Beklagten mitgeteilt, die Änderung nicht vorgenommen zu haben. Der Kläger hat im Erörterungstermin am 09.06.2016 behauptet, das von ihm vorgelegte Formular von der Praxis erhalten und unverändert bei der Beklagten eingereicht zu haben.

Letztlich kann offenbleiben, wer und mit welcher Motivation die Manipulation vorgenommen hat. Da die vom Internisten O. am 15.06.2015 festgestellte AU auf einer anderen Erkrankung als der von Dr. S. zugrunde gelegten Erkrankung beruht, ist in der Sache eindeutig, dass es sich bei den AUB vom 15. und 22.06.2015 um Erstbescheinigungen gehandelt hat. Ausgehend von der am 15.06.2015 getroffenen Feststellung von AU könnte der Anspruch des Klägers auf Krg erst am 16.06.2015, dem Folgetag, entstehen. An diesem Tag war er jedoch nicht mehr mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert. Das Beschäftigungsverhältnis hatte bereits am 23.04.2015 geendet. Die fortbestehende Mitgliedschaft endete jedenfalls mit Ablauf des 12.06.2015. Will ein Versicherter seine Mitgliedschaft als Beschäftigter in der gesetzlichen Krankenversicherung über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus durch einen Anspruch auf Krankengeld aufrechterhalten, muss er seine Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen lassen (vgl BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/3 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 6), dh selbst wenn man vorliegend zu Gunsten des Klägers den zunächst von Dr. S. angenommenen 14.06.2015 als Ablauftag werten würde, wäre die erst am 15.06.2015 erfolgte Feststellung der AU durch den Internisten O. nicht ausreichend, sondern zu spät gewesen, um den lückenlosen Bezug von Krg und die Aufrechterhaltung des Versicherungsverhältnisses zu sichern.

Krankenkassen sind überdies nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf erneut erforderlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vorzusehen. Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (vgl BSG 16.12.2014, B 1 KR 25/14 R, KrV 2015, 69 unter Hinweis auf BSG 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, BSGE 111, 9, SozR 4-2500 § 192 Nr 5 und 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 6).

Soweit der Kläger vorbringt, aus den späteren ärztlichen Attesten des Dr. S. vom 16.09.2015 und des Internisten O. vom 09.11.2015 ergebe sich, dass er durchgehend vom 26.03.2015 bis 30.11.2015 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Nach § 5 Abs 3 Satz 1 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie soll eine AU für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Allerdings lässt § 5 Abs 3 Satz 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie hiervon eine dahingehende Ausnahme zu, dass eine Rückdatierung des Beginns der AU nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu 2 Tage zulässig ist. Selbst wenn man vorliegend der Auffassung sein sollte, der Internist O. sei ausnahmsweise berechtigt gewesen, den Beginn der von ihm festgestellten AU des Klägers auf den 13.06.2015 zurückzudatieren, was er ohnehin nicht getan hat, bleibt entscheidend für den Beginn der Krg-Gewährung auch im Falle einer Rückdatierung der Tag der ärztlichen Feststellung der AU (§ 46 Satz 2 SGB V). Die vom Internisten O. getroffene Feststellung der AU datiert vom 15.06.2015, sodass ein Anspruch des Klägers auf Krg erst am Folgetag, also am 16.06.2015 entstehen könnte. An diesem Tag war jedoch der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krg bei der Beklagten versichert. Hieran vermag auch die Aussage des Dr. S. in seinem Attest vom 16.09.2015, die Atteste und Bescheinigungen des Herrn O. seien seines Erachtens voll berechtigt, nichts zu ändern.

Auch nach der Neufassung des § 46 SGB V mWv 23.07.2015 ergibt sich kein Anspruch auf Krg. Der Anspruch auf Krankengeld bleibt danach jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (§ 46 Satz 2 SGB V). Der Internist O. hat nicht wegen derselben, sondern wegen einer anderen Erkrankung AU erstbescheinigt. Die Behauptung des Klägers, er sei durchgehend ab März 2015 am Fuß erkrankt und sogar mit Krücken bei Dr. S. gewesen, ist schon dadurch widerlegt, dass Dr. S. im Schreiben vom 16.09.2015 mitteilt, er habe im Frühjahr 2015 trotz mehrerer persönlicher Vorstellungen des Klägers nicht gewusst, dass im Bereich der unteren Extremitäten eine Erkrankung vorgelegen habe. Er habe dies erst im Herbst 2015 erfahren. Er habe dem MDK vor dem 12.06.2015 mitgeteilt, dass wegen der von ihm behandelten Erkrankungen der oberen Extremitäten keine weitere AU nach dem 12.06.2015 mehr vorliege.

Der geltend gemachte Krg-Anspruch lässt sich auch nicht über § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V begründen. Ist die Mitgliedschaft auch unter Berücksichtigung der Erhaltungstatbestände in § 192 SGB V beendet, besteht gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V noch ein nachgehender Leistungsanspruch (ggf auch auf Krg) längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Der beitragsfreie, nachwirkende Versicherungsschutz dient der Vermeidung sozialer Härten. Er soll verhindern, dass Betroffene bei kurzzeitigen Beschäftigungslücken, etwa einem Arbeitsplatzwechsel, vorübergehend keinen Krankenversicherungsschutz haben. Da § 19 Abs 2 Satz 1 eine Ausnahmevorschrift zur Vermeidung sozialer Härten darstellt, entfallen die Schutzbedürftigkeit und damit der gesetzgeberische Grund für die Gewährung eines über das Mitgliedschaftsende hinausreichenden, begrenzten, beitragsfreien Versicherungsschutzes, wenn es keine Sicherungslücke (mehr) gibt. Eine solche Lücke ist nicht gegeben, wenn entweder unmittelbar im Anschluss an eine bisherige Pflichtmitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V ein neues Versicherungsverhältnis begründet wird (BSG 26.06.2007, B 1 KR 2/07 R, juris). Das aktuelle Versicherungsverhältnis hat mithin Vorrang gegenüber dem nachgehenden Anspruch. Damit hat hier die Familienversicherung nach § 10 SGB V Vorrang, so dass ein nachgehender Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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