L 1 KA 3/15 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KA 175/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KA 3/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Vertragsarztrecht; Streitwertbeschwerde; Entscheidung durch den Berichterstatter; fehlende Entscheidung des Sozialgerichts über die Abhilfe oder Nichtabhilfe keine Verfahrensvoraussetzung; Rechtsschutzbedürfnis bei Streitwerterhöhungsbeschwerde aufgrund einer Honorarvereinbarung; gestufte Streitwertfestsetzung bei Teilklagerücknahme; Streitwert bei Klage gegen die Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums und zugehörige Anstellungsgenehmigungen
Bei einer Klage einer Kassenärztlichen Vereinigung gegen die Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums, in dem nur angestellte Ärzte tätig werden sollen, und gegen die zugehörigen Anstellungsgenehmigungen kann der Streitwert für das Verfahren auf 60.000,00 EUR multipliziert mit der Summe der betreffenden Vollzeitstellen - ggf. auch im Sinne der Summe der Voll- und Teilzeitstellen entsprechend den bedarfsplanungsrechtlichen Abstufungen - festgesetzt werden.
I. Auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 1. wird die Streitwertfestsetzung im Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2014 abgeändert und der Streitwert für das Verfahren vor dem Sozialgericht endgültig für die Zeit bis zum 5. September 2013 auf 360.000,00 EUR und für Zeit ab dem 6. September 2013 auf 195.000,00 EUR festgesetzt.

II. Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Beigeladene zu 1. wendet sich gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts Dresden (SG) über den Streitwert in einem Rechtsstreit gegen einen Beschluss des beklagten Berufungsausschusses, der zwei der Beigeladenen zu 1. erteilte Zulassungen für Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie zugehörige Anstellungsgenehmigungen betrifft.

Die zu 1. beigeladene GmbH ist Trägerin eines seit dem 1. Juli 2008 zur vertragsärztlichen Versorgung in den Fachgebieten Laboratoriumsmedizin sowie Kinder- und Jugendmedizin zugelassenen MVZ mit Sitz in der S straße in L. Zur Erweiterung ihres Praxisbetriebs beantragte die Beigeladene zu 1. am 3. September 2012 beim Zulassungs-ausschuss Ärzte L (Zulassungsausschuss) die Zulassung eines zweiten MVZ am Standort S straße in L für die Fachrichtungen Strahlentherapie, Laboratoriumsmedizin und Mikrobiologie sowie eines dritten MVZ in der P Straße in L für die Fachrichtungen Humangenetik und Pathologie; ferner beantragte die sie unter der Bedingung der Zulassung der weiteren MVZ die Änderung der bestehenden Anstellung von Dr. B von einer 0,75 Vollzeitstelle auf eine 0,25 Vollzeitstelle.

Durch Beschluss des Zulassungsausschusses vom 20. November 2012 (Az. Z/Ä 12-10/22) wurde der Antrag auf Zulassung des MVZ am Standort S straße abgelehnt sowie mit Beschluss vom gleichen Tage (Az. Z/Ä 12-10/09) auch der Antrag auf Zulassung des MVZ am Standort P Straße. Dem Antrag auf Reduzierung des Beschäftigungsverhältnisses von Dr. B gab der Zulassungsausschuss jedoch mit einem weiteren Beschluss vom 20. November 2012 (Az. Z/Ä 12-10/21) statt. Die Beigeladene zu 1. erhob gegen alle drei Beschlüsse unter dem 21. Dezember 2012 Widerspruch.

Der Beklagte entschied über die drei Widersprüche – dortige Az. 83/12, 84/12 und 13/11 –durch Beschluss vom 17. April 2013, indem er die Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 20. November 2012 aufhob und die Beigeladene zu 1. mit der Betriebsstätte S straße zur vertragsärztlichen Versorgung in den Fachgebieten Strahlentherapie (2,5 Vollzeitstellen), Laboratoriumsmedizin (0,5 Vollzeitstellen) und Mikrobiologie (0,25 Vollzeitstellen) sowie mit der Betriebsstätte P Straße zur vertragsärztlichen Versorgung in Fachgebieten Humangenetik (1,0 Vollzeitstellen) und Pathologie (1,75 Vollzeitstellen) zuließ. Zugleich erteilte der Beklagte der Beigeladenen zu 1. Anstellungsgenehmigungen im Umfang der genannten Vollzeitstellen, die sich auf elf Ärzte im MVZ S straße sowie sechs Ärzte im MVZ P Straße verteilten.

Daraufhin hat die Klägerin am 17. Juni 2013 Klage zum SG erhoben und beantragt, "den Beschluss des Beklagten vom 17. April 2013, Az. 83/12, 84/12, 13/11, [ ] aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über die Widersprüche der [Beigeladenen zu 1.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden". Die Beigeladene zu 1. hat am 10. Juli 2013 durch ihre anwaltlichen Prozessbevollmächtigten umfassende Klageabweisung beantragt. Mit einem am 6. September 2013 beim SG eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin die von ihr erhobene Klage "beschränkt" und beantragt, den Beschluss des Beklagten vom 17. April 2013 aufzuheben, "soweit dem Widerspruch gegen die Ablehnung der Zulassung [der Beigeladenen zu 1.] für die Betriebsstätte S straße stattgegeben" und die Anstellung der betreffenden elf Ärzte in dieser Betriebsstätte genehmigt wurde. Die in dieser Weise beschränkte Klage hat das SG mit Urteil vom 17. Dezember 2014 abgewiesen, wobei es der Klägerin die Tragung der Verfahrenskosten einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. auferlegt hat. Zugleich hat es den Streitwert auf 180.000,00 EUR festgesetzt. Dieser ergebe sich aus dem Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) je Quartal des für Dauerrechtsverhältnisse maßgeblichen Zeitraums von drei Jahren (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GKG), gerechnet pro Vollzeitstelle des betreffenden MVZ.

Am 17. März 2015 hat die Beigeladenen zu 1. eine Streitwertbeschwerde erhoben. Erstens sei nicht bedacht worden, dass mit der Klage ursprünglich der gesamte Beschluss des Beklagten vom 17. April 2013 angegriffen worden sei, d.h. auch die Zulassung des MVZ P Straße und die zugehörigen Anstellungsgenehmigungen im Umfang von 2,75 Vollzeitstellen. Das SG hätte daher gestufte Streitwerte für die Zeit vor und nach der Klagebeschränkung vom 6. September 2013 festsetzen müssen. Zweitens sei nicht berücksichtigt worden, dass streitgegenständlich sowohl die MVZ-Zulassungen (bzw. nach dem 6. September 2013 nur noch die Zulassung des MVZ S straße ) als auch die zugehörigen Anstellungsgenehmigungen gewesen seien. Das SG habe bei der Wertfestsetzung jedoch nur auf die Anstellungsgenehmigungen abgestellt, ohne die MVZ-Zulas¬sungen gesondert streitwerterhöhend zu berücksichtigen; letztere seien pro Zulassung mit weiteren 60.000,00 EUR zu bemessen gewesen. Drittens sei zwar nicht zu beanstanden, dass pro Anstellungsgenehmigung ein Wert von 60.000,00 EUR angesetzt worden sei. Jedoch habe das SG nicht auf die Vollzeitstellen, sondern auf die Kopfzahl abstellen müssen (elf Ärzte für das MVZ S straße und sechs Ärzte für das MVZ P Straße ). Denn die betreffenden Ärzte hätten sich durch besonderes fachliches Können und Renommee ausgezeichnet, weshalb sich der wirtschaftliche Wert der Anstellungsgenehmigungen für die Beigeladene zu 1. nicht nur nach dem Anstellungsumfang richte; Ziel sei es gewesen, durch die Verteilung der Versorgungsaufträge auf mehrere Ärzte die Leistungsfähigkeit der beiden MVZ zu steigern. Der Streitwert hätte daher gestuft für die Zeit bis zur Teilklagerücknahme auf 1.140.000,00 EUR (11 und 6 Anstellungsgenehmigungen sowie zwei MVZ-Zulassungen mal 60.000,00 EUR) und für die Zeit danach auf 720.000,00 EUR (11 Anstellungsgenehmigungen und eine MVZ-Zulassung) festgesetzt werden müssen. Wenn man dagegen dem SG darin folgen würde, dass von der Zahl der Vollzeitstellen auszugehen sei, müsse der Streitwert zumindest für die Zeit bis zur Teilklagerücknahme auf 480.000,00 EUR (3,25 und 2,75 Vollzeitstellen sowie zwei MVZ-Zulassungen mal 60.000,00 EUR) und für die Zeit danach auf 255.000,00 EUR (3,25 Vollzeitstellen und eine MVZ-Zulassung) festgesetzt werden. Unverständlich sei, weshalb das SG nur auf drei Vollzeitstellen – entsprechend 180.000,00 EUR – abgestellt habe.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

den Streitwert anderweitig auf 1.140.000,00 EUR und ab teilweiser Klageänderung anderweitig auf 720.000,00 EUR festzusetzen,

hilfsweise den Streitwert anderweitig auf 480.000,00 EUR und ab teilweiser Klageänderung anderweitig auf 255.000,00 EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er gibt zu bedenken, dass durch die Zulassung einer Streitwerterhöhungsbeschwerde aufgrund hoher Honorarvereinbarungen die allgemein anerkannten Berechnungsgrundlagen nicht ad absurdum geführt werden dürften.

Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt, jedoch darauf hingewiesen, dass sie zunächst nur fristwahrend Klage erhoben habe. Da diese bis zum 6. September 2013 nicht begründet worden sei, habe keine Veranlassung der Beigeladenen zu 1. bestanden, sich zuvor mit der Klage zu befassen. Es sei nur um die Zulassung des MVZ in der S straße gegangen und in diesem Zusammenhang seien auch nur zwei Anstellungsgenehmigungen streitig gewesen. Es habe kein Grund für eine gestufte Streitwertfestsetzung bestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Schrift-sätze der Beteiligten nebst zugehörigen Anlagen, Bezug genommen.

II.

Das SG hat im Urteil vom 17. Dezember 2014 eine Streitwertentscheidung getroffen, die einem Streitwertbeschluss gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG gleichsteht (z.B. Landessozialgericht [LSG] Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. April 2012 – L 4 P 1/10 B – juris Rn. 15). Die nach Maßgabe des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte Beschwerde gegen diese Entscheidung, über die nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet (Sächsisches LSG, Beschluss vom 9. Juni 2008 – L 1 B 351/07 KR – juris Rn. 6 ff.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. Februar 2015 – L 9 KA 7/14 B – juris Rn. 8 ff.), hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass das SG nicht über die Abhilfe- oder Nichtabhilfe entschieden hat, sondern die Gerichtsakte nach Eingang der Beschwerdeschrift und Kenntnisnahme des Vorsitzenden unmittelbar dem Sächsischen LSG vorgelegt hat. Zwar ist bei Beschwerden gegen die Streitwertfestsetzung eines Sozialgerichts gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 1 GKG eine Entscheidung über die Abhilfe weiterhin vorgeschrieben (z.B. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Juli 2014 – L 11 R 2546/14 B – juris Rn. 2). Für dieses Verfahren gelten insbesondere nicht die Bestimmungen über die Beschwerde nach dem SGG, die ein Abhilfeverfahren seit dem Wegfall des § 174 SGG zum 1. April 2008 nicht mehr vorsehen. Jedoch stellt das fehlende Abhilfeverfahren generell keine Verfahrensvoraussetzung für die Beschwerdeinstanz dar (Meyer, GKG – FamGKG, 13. Aufl., § 66 GKG Rn. 41; vgl. auch zu § 306 StPO Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 306 Rn. 10). Das Beschwerdegericht ist nicht verpflichtet, die Nachholung eines unterbliebenen Abhilfeverfahrens zu veranlassen.

b) Die Beigeladene zu 1. ist auch beschwerdeberechtigt, obwohl sie nach dem Urteil des SG nicht kostenpflichtig, sondern kostenerstattungsberechtigt ist.

Wie jedes Rechtsmittel setzt die Streitwertbeschwerde eine Beschwer des Rechtsmittelführers voraus. Soweit sich die Kosten des Verfahrens nach dem festgesetzten Streitwert richten (vgl. auch § 32 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG]), kann ein Verfahrensbeteiligter durch die Streitwertfestsetzung normalerweise nur dann beschwert sein, wenn er kostenpflichtig und der Streitwert zu hoch festgesetzt ist – es ihm also um die Minderung der ihm auferlegten Kostenlast geht (z.B. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof [VGH], Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 9 C 12.2433 – juris Rn. 10). Bei einer zu niedrigen Streitwertfestsetzung ist regelmäßig nur der Prozessbevollmächtigte des Beteiligten selbst beschwert, der aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG Beschwerde führen kann.

Ist ein beschwerdeführender Beteiligter kostenerstattungsberechtigt und begehrt er eine Streitwerterhöhung, besteht nur ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn er mit seinem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen hat, nach der ein höheres Honorar als die gesetzliche Vergütung nach Maßgabe des bislang festgesetzten Streitwerts geschuldet ist (vgl. Oberverwaltungsgericht [OVG] Mecklenburg-Vor¬pommern, Beschluss vom 15. Januar 2013 – 1 O 103/12 – juris Rn. 3 ff.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 – 9 C 12.2433 – juris Rn. 11; indirekt auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. Juni 2015 – L 9 SO 408/14 B – juris Rn. 13). In solchen Fällen kann der kostenerstattungsberechtigte Beteiligte nach einer höheren Streitwertfestsetzung vom Prozessgegner die Erstattung eines höheren Betrags erwirken und so zugleich seine eigene Zahlungsverpflichtung aus der Honorarvereinbarung mindern oder sogar die daraus resultierenden Kosten gänzlich abwenden. Dies bedeutet nicht, dass sich die Höhe der außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten als Teil der Kosten des Rechtsstreits (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]) nach einer Honorarvereinbarung richtet. Vielmehr kann der kostenerstattungsberechtigte Beteiligte lediglich geltend machen, dass der Streitwert in rechtswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden sei und er deshalb einen Teil der ihm entstandenen Kosten nicht erstattet verlangen könne. Bei Streitwertbeschwerden besteht demnach ein Rechtsschutzbedürfnis des kostenerstattungsberechtigten Beteiligten immer dann, wenn das nach einer Honorarvereinbarung geschuldete Honorar des Prozessbevollmächtigten dieses Beteiligten das nach der bisherigen Streitwertfestsetzung und den Vorgaben des RVG vom kostenpflichtigen Teil zu erstattende Honorar übersteigen würde.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Zwischen der Beigeladenen zu 1. und ihren Prozessbevollmächtigten bestanden Vergütungsvereinbarungen mit einem Stundensatz in Höhe von 250,00 EUR, auf deren Grundlage die Prozessbevollmächtigten – wie durch entsprechende Kostennoten nachgewiesen ist – für ihre Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren insgesamt 5.212,50 EUR netto bzw. 6.202,88 EUR brutto abgerechnet haben, während bei einem Streitwert von 180.000,00 EUR Gebühren nach dem RVG in Höhe von insgesamt 5.197,33 EUR brutto abzurechnen gewesen wären (1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 Vergütungsverzeichnis zum RVG [VV] = 2.260,70 EUR [nach Anlage 2 zum RVG in der hier maßgeblichen bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung] zzgl. 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV = 2.086,80 EUR zzgl. Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV = 20,00 EUR, Summe = 4.367,50 EUR netto bzw. 5.197,33 EUR brutto).

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1. gehören indes nicht die ihr entstandenen Kosten des Vorverfahrens zu den Kosten des Verfahrens im Sinne des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 162 Abs. 1 VwGO. Denn Kosten des Vorverfahrens gemäß § 162 Abs. 1 VwGO sind nur die Kosten eines solchen Vorverfahrens, das nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG vor Erhebung der Klage – im Sinne einer Sachentscheidungsvoraussetzung – durchzuführen gewesen ist (z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 1986 – 1 E 1/86 – juris [Leitsatz]; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. März 2006 – 15 ZB 05.2726 – juris Rn. 10). Hier ist jedoch eine "isolierte" Anfechtungsklage einer im Widerspruchsverfahren erstmalig beschwerten Klagepartei erhoben worden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.), die in entsprechender Anwendung des § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO ohne erneute Durchführung eines Vorverfahrens zulässig gewesen ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 78 Rn. 8). Der Beigeladenen zu 1. waren die Kosten des Vorverfahrens schon gemäß Nr. 24 des hier angegriffenen Beschlusses vom 17. April 2013 erstattet worden; daran haben die Klageabweisung und die damit verbundene Kostengrundentscheidung nichts geändert.

c) Der Wert der im vorstehenden Sinne bestehenden Beschwer der Beigeladenen zu 1. übersteigt auch gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG den Betrag von 200,00 EUR. Dies gilt schon mit Blick darauf, dass bei einem Streitwert in Höhe von mindestens 255.000,00 EUR eine Gebühr nach Anlage 2 zum RVG (in der bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung) 2.052,00 EUR netto betragen würde (abzurechnen sind 2,5 Gebühren), bei einem Streitwert von 180.000,00 EUR jedoch nur 1.739,00 EUR netto.

d) Das Rechtsmittel ist auch innerhalb von sechs Monaten eingelegt worden, § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 3, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG.

2. Die Beschwerde ist allerdings nur teilweise begründet.

a) Zu Recht geht die Beigeladene zu 1. davon aus, dass eine gestufte Streitwertfestsetzung für die Zeit bis zur "Beschränkung" der Klage mit Schriftsatz der Klägerin vom 6. September 2013 und für die darauffolgende Zeit erforderlich war.

Insbesondere trifft zu, dass mit der Klageerhebung zunächst der gesamte Beschluss des Beklagten vom 17. April 2013 streitgegenständlich gewesen ist, soweit der Beigeladenen zu 1. Zulassungen für ein MVZ in der S straße und für ein MVZ in der P Straße zur vertragsärztlichen Versorgung sowie die zugehörigen Anstellungsgenehmigungen erteilt wurden. Gerade weil der Schriftsatz der Klägerin vom 13. Juni 2013, mit dem die Klage am 17. Juni 2013 eingeleitet worden ist, keine Begründung enthalten hat, kann der ausdrücklich gestellte Antrag nach dem Empfängerhorizont (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 12. Dezember 2002 – B 4 RA 44/02 R – juris Rn. 16) nicht im Sinne einer Beschränkung der Klage auf die Zulassung des MVZ S straße und die entsprechenden Anstellungsgenehmigungen ausgelegt werden. Dagegen spricht ferner, dass in dem Antrag gemäß Schriftsatz vom 13. Juni 2013 alle drei Widerspruchsaktenzeichen ausdrücklich benannt worden sind und das Wort "Widersprüche" (der Beigeladenen zu 1.) im Plural steht, während sich nur einer der Widersprüche (Az. Z/Ä 12-10/22) auf die Zulassung des MVZ in der S straße bezog.

Somit stellt sich der bei Gericht am 6. September 2013 eingegangene Schriftsatz der Klägerin vom gleichen Tage, mit dem ausdrücklich die Klage "beschränkt" worden ist, als Teilklagerücknahme dar, die schon deshalb eine gestufte Streitwertfestsetzung erfordert (z.B. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. März 2007 – L 5 B 373/06 KNK – juris Rn. 8), weil die Gerichtsgebühren (Nr. 7110 Kostenverzeichnis, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 40 GKG nach dem im Zeitpunkt der Klageerhebung maßgeblichen Streitwert (Nr. 7111 KV ist bei Teilklagerücknahmen, d.h. ohne "Beendigung des gesamten Verfahrens" nicht anwendbar) zu bemessen sind, während jedenfalls die infolge der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2014 angefallene Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV (zum RVG) nur nach dem niedrigeren Wert desjenigen Gegenstands zu berechnen ist, über den nach der Teilklagerücknahme mündlich verhandelt worden ist (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., VV 3104 zum RVG Rn. 38).

b) Hinsichtlich der Höhe des Streitwerts ist indes der Ausgangspunkt des SG nicht zu beanstanden, dass der Wert einer MVZ-Zulassung (nur) nach der Anzahl der genehmigten ärztlichen Vollzeitstellen multipliziert mit 60.000,00 EUR zu bemessen ist.

Der Streitwert ist gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 52 Abs. 1 GKG, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Maßgebend ist grundsätzlich das wirtschaftliche Interesse am Ausgang des Verfahrens (BSG, Urteil vom 16. Juli 2014 – B 3 KS 3/13 R – juris Rn. 28). Im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung kann das Interesse auch im Rahmen einer Schätzung bemessen werden, wenn dafür genügende Angaben oder Anhaltspunkte vorliegen (z.B. BSG, Beschluss vom 16. Januar 2012 – B 11 SF 1/10 R – juris Rn. 2). Sind auch solche Angaben oder Anhaltspunkte nicht vorhanden, ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR festzusetzen.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist in vertragsärztlichen Zulassungssachen der Streitwert in der Regel in Höhe des Umsatzes gemäß dem Durchschnittswert der betreffenden Arztgruppe zu bemessen, den der Arzt bei erlangter Zulassung innerhalb von drei Jahren aus vertragsärztlicher Tätigkeit erzielen könnte, abzüglich des durchschnittlichen Praxiskostenanteils (BSG, Beschluss vom 12. September 2006 – B 6 KA 70/05 B – juris Rn. 1 f.; BSG, Beschluss vom 1. September 2005 – B 6 KA 41/04 R – juris Rn. 6 ff.). Wenn allerdings diese Wertberechnung dem Interesse der Klagepartei, auf die es nach § 52 Abs. 1 GKG maßgeblich ankommt, nicht gerecht wird bzw. das Interesse erkennbar nicht nach der betreffenden Umsatzzahl bemessen werden kann und keine anderen Anhaltspunkte für eine Schätzung vorliegen, ist nach der Rechtsprechung des BSG, an der der Senat ungeachtet seiner Bedenken gegen eine Vervielfachung des Auffangstreitwerts festhält (Beschluss vom 20. Mai 2016 – L 1 KA 10/16 B – juris), von der zwölffachen Höhe des Auffangstreitwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG, d.h. von 60.000,00 EUR (vier Quartale mal drei Jahre mal 5.000,00 EUR) auszugehen (BSG, Urteil vom 28. November 2007 – B 6 KA 26/07 R – juris Rn. 36; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2015 – B 6 KA 36/15 B – juris Rn. 20; zur Konkurrentenklage LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. Juli 2011 – L 5 KA 19/11 B ER – juris Rn. 20). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Klagepartei die betreffende Zulassung nicht für sich selbst begehrt, sondern – wie hier – als Kassenärztliche Vereinigung das Rechtsmittel in Wahrnehmung "der ihr übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung" führt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Juli 2014 – B 6 KA 23/13 R – juris Rn. 13).

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1. ist bei der Streitwertfestsetzung nicht die Zulassung eines MVZ als solche (§ 95 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]) neben den damit verbundenen Anstellungsgenehmigungen (§ 95 Abs. 2 Satz 7 SGB V) gesondert zu bewerten. Zwar trifft zu, dass nach Zulassung eines MVZ jede erneute Anstellung eines Arztes der Genehmigung bedarf und Streitgegenstand eines Klageverfahren sein kann (z.B. BSG, Urteil vom 2. Juli 2014 – B 6 KA 23/13 R). Jedoch erfordert die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in der Teilnahmeform eines MVZ, in dem – wie hier – nur angestellte Ärzte tätig werden sollen, die Genehmigung der Anstellung mehrerer Ärzte, durch die nach der vorliegend maßgeblichen bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung des § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V das Kriterium einer fachübergreifenden Einrichtung erfüllt wird. Die Zulassung als MVZ mit einem bestimmten Versorgungsauftrag und die erstmalige Genehmigung einer dazu aus Rechtsgründen erforderlichen Anstellungsgenehmigung können daher nicht als zwei gemäß § 39 Abs. 1 GKG gesondert zu bemessende Streitgegenstände angesehen werden. Es ist auch sonst kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Streitwert je Versorgungsauftrag im Falle der Zulassung als MVZ höher als im Falle der Zulassung als Vertragsarzt bemessen werden soll.

Gemäß diesen Maßgaben hat das SG den Wert einer MVZ-Zulassung zutreffend nach der Anzahl der betreffenden Vollzeitstellen multipliziert mit 60.000,00 EUR festgesetzt, da eine Zulassungsentscheidung, die nicht nur einen vollzeitigen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag (vgl. § 19a Zulassungsverordnung für Vertragsärzte), sondern im Umfang ein Vielfaches betrifft, auch mit einem dementsprechend höheren Streitwert zu bemessen ist. Insbesondere hat das SG das Interesse der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung gemäß § 52 Abs. 1 und 2 GKG zu Recht nicht nach der Kopfzahl der anzustellenden Ärzte beurteilt. Denn die Bedeutung einer MVZ-Zulassung hängt in erster Linie von der Anzahl der Vollzeitstellen ab, die durch Vertragsärzte oder angestellte Ärzte besetzt werden sollen. Diese – und nicht die Kopfzahl – sind für die Klägerin, der nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Bedarfsplanung obliegt, von wesentlichem Interesse (vgl. § 51 Abs. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie), während einmal genehmigte Anstellungen in einem MVZ auch nachträglich in mehrere Teilzeitstellen entsprechend den bedarfsplanungsrechtlichen Abstufungen aufgeteilt werden können (vgl. z.B. Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Mai 2015 – L 12 KA 175/14 – juris). Soweit die Beigeladene zu 1. meint, sie könne die Leistungsfähigkeit der MVZ durch eine Aufteilung der Vollzeitstellen auf eine Vielzahl besonders fachkundiger und renommierter Ärzte steigern, betrifft dies nicht das Interesse der Klägerin.

c) Im Ergebnis ist also der Streitwert – unter Berücksichtigung der Zulassungen für das MVZ S straße mit 3,25 Vollzeitstellen und für das MVZ P Straße mit 2,75 Vollzeitstellen – für die Zeit bis zur Teilklagerücknahme am 6. September 2013 auf 360.000,00 EUR (3,25 zzgl. 2,75 = 6 Vollzeitstellen mal 60.0000,00 EUR) und für die Zeit ab 6. September 2013 auf 195.000,00 EUR (3,25 Vollzeitstellen mal 60.0000,00 EUR) festzusetzen.

3. Das Verfahren ist gebührenfrei; eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 3 GKG.

4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden, § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG.

Stinshoff
Rechtskraft
Aus
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