S 8 R 985/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 985/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1. Die Beurteilung, ob eine Tätigkeit dem Berufsbild des Architekten entspricht, richtet sich vorrangig nach berufsrechtlichen Maßgaben.
2. Die Möglichkeit, dass eine bestimmte Tätigkeit auch von Angehörigen anderer Berufsgruppen ausgeübt werden kann, steht ihrer Einstufung als berufsspezifische Architektentätigkeit nicht zwingend entgegen.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 22.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2014 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin ab dem 01.06.2013 hinsichtlich ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. als Immobilienbewerterin von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. 3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Klägerin ist ausgebildete Architektin und bei der Beigeladenen zu 2. als Immobilienbewerterin angestellt.

Ausweislich ihres Befreiungsantrages vom 30.04.2013 zum 01.06.2013 sei sie bei der Beigeladenen zu 2. berufsspezifisch als Architektin beschäftigt und seit dem 01.03.2003 gesetzliches Pflichtmitglied in der Architektenkammer Baden-Württemberg und Pflichtmitglied bei der Beigeladenen zu 1. als berufsständischem Versorgungswerk. Ausweislich einer hierzu vorgelegten Erklärung der Beigeladenen zu 1. sei die Klägerin ab dem 01.05.2003 kraft Gesetzes Mitglied des Versorgungswerkes. Hierzu legte die Klägerin im Weiteren eine Kopie ihres Arbeitsvertrages, eine Kopie der diesbezüglichen Stellenausschreibung, eine Stellen- und Funktionsbeschreibung der Beigeladenen zu 2. und eine Bestätigung über die fortdauernde Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2. vor. Insoweit wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 22.10.2013 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht ab, weil es sich bei der Beschäftigung als Immobiliengutachterin um keine berufsspezifische Tätigkeit als Architektin handele. Eine Befreiung könne nur für die Beschäftigung erfolgen, wegen der der Versicherte aufgrund Gesetzes Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe und Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Es müsse also ein innerer Zusammenhang zwischen der Tätigkeit, für die die Befreiung begehrt werde, und dem Versicherungsschutz durch die berufsständische Versorgungseinrichtung bestehen. Ein solcher innerer Zusammenhang werde durch das Merkmal "berufsspezifisch" gewährleistet. Architekten entwürfen Bauwerke und städtebauliche Anlagen vorwiegend im Bereich Hochbau, sie planten und überwachten die Ausführung des Baus. Bei der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung handle es sich um keine berufsspezifische Tätigkeit, weil für diese Tätigkeit die Zulassung als Architektin keine unabdingbare Zugangsvoraussetzung sei. Die für eine Immobiliengutachterin erforderlichen fachlichen Kenntnisse könnten durch diverse Ausbildungen und Berufserfahrung erworben werden. Wenn der Arbeitgeber sich dafür entscheide, die Stelle mit einer Architektin zu besetzen, so sei dies eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung.

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin mit am 03.11.2013 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch. Zur Begründung legte sie ein Schreiben der Architektenkammer Baden-Württemberg vor, nach welchem sie als Architektin in die Architektenliste eingetragen sei. Daher gelte für sie das Architektengesetz. Zu diesen Berufsaufgaben gehöre u.a. die Erstattung von Fachgutachten. Die Erstellung von Gutachten beziehe sich auf typischerweise von Architekten erbrachte Bereiche, wie Gutachten für Schäden an Gebäuden, Wertermittlungen und zur Beurteilung von Architektenhonoraren. Die Klägerin habe Wertermittlungsgutachten zu erstellen. Dieser Bereich gehöre zu den Kernaufgaben der Architektentätigkeit. Unerheblich sei, dass bei der Ausschreibung neben dem Abschluss als Architekt auch ein Abschluss als Dipl.Ingenieur oder Bautechniker eine Voraussetzung darstellen konnte. Dies sei so zu verstehen, dass der Arbeitgeber für den Fall, dass sich keine Architekten auf die Stelle bewerben, hier auch andere Angehörige anderer Berufe einstellen könne. Dies sei aber mit einer Veränderung des Leistungsbildes verbunden.

Mit Bescheid vom 21.02.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die maßgebliche Tätigkeit als Immobiliengutachterin sei nicht als berufsspezifisch anzusehen. Als Nachweis, dass für die Tätigkeit, für die die Befreiung begehrt werde, ein erfolgreich absolviertes Studium der Architektur zwingend erforderlich sei, könne auch die entsprechende Stellenausschreibung oder die interne Stellenbeschreibung dienen. Daraus müsse deutlich werden, dass es sich um eine Tätigkeit handle, die allein durch die Berufsgruppen ausgeübt werden könnten. Da die Position als Immobiliengutachterin auch von Personen mit anderen Ausbildungen zugänglich gewesen sei, sei eine berufsspezifische Tätigkeit als Architektin nicht gegeben.

Ausweislich des in der Beklagtenakte enthaltenen Versandkuverts wurde der Widerspruchsbescheid am 21.02.2014 als Einschreiben abgeschickt. Am 17.03.2014 gelangte er zurück an die Beklagte. Ausweislich eines Vermerks des Versandunternehmens sei das Schreiben nicht abgeholt worden. Eine erneute Versendung erfolgte am 20.03.2014.

Mit am 22.04.2014 zugegangenem Schreiben hat die Klägerin hierauf Klage beim hiesigen Gericht erhoben. Über ihr Vorbringen aus dem Widerspruch hinaus trägt sie vor, ihre Kernaufgaben bestünden in der bautechnischen Beurteilung von Gebäuden und Sachverhalten, die Prüfung von Kostenberechnungen, insbesondere bei komplexen Gebäuden und Umbauten, die Erstellung von Planunterlagen für Objekte, bei denen keine Planunterlagen vorhanden seien und die Koordination der hausinternen Bauvorhaben. Ihr täglicher Ablauf bestehe im Wesentlichen aus der Beurteilung und Prüfung der geplanten Bauvorhaben hinsichtlich der Kosten und der Machbarkeit im Hinblick auf die baurechtlichen und bautechnischen Anforderungen. Hierbei erstelle sie insbesondere Rentabilitätsberechnungen, Kosten- und Plausibilitätsprüfungen, Prüfung von Beleihbarkeit baulicher Objekte und die Überprüfung von Sicherheiten in Form von Immobilie. Es sei geplant, dass sie die Leitung der Koordination der Planungsphase und Baubegleitung für den Bau eines Bankgebäudes in naher Zukunft übernehme.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2014 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab Vorliegen der Voraussetzungen Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Über ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hinaus trägt die Beklagte vor, die Klägerin sei weder in einem typischen Berufsfeld für Architekten noch berufsspezifisch als Architektin tätig. Es sei weder die Ausbildung zum Architekten erforderlich, noch bildeten die berufsspezifischen Tätigkeiten den deutlichen Schwerpunkt.

Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag. Sie trägt vor, die Erstattung von Fachgutachten gehöre zu den im baden-württembergischen Architektengesetz geregelten Berufsaufgaben. Diese Fachgutachten müssten sich selbstverständlich auf die üblichen Architektentätigkeiten beziehen. Hierzu gehöre das Erstellen von Gutachten im Bereich der Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken, neuerdings als Immobilienbewertung bezeichnet. Dass dies eine wichtige Aufgabe sei, die von Architekten wahrgenommen werde, ergebe sich aus dem umfangreichen Seminarkatalog der Architektenkammer. Es werde eine eigene Fachliste "Immobilienbewertung" für Mitglieder mit besonderen Qualifikationen in diesem Bereich geführt. Eine spezielle Art der Berufstätigkeit als Architekt stelle die Tätigkeit als Bausachverständiger dar. Ähnliche Aufgaben nähmen Immobilienabteilungen von Sparkassen und Banken wahr. Es bestehe deshalb kein Zweifel, dass die Tätigkeit als Immobilienbewerterin bei einer Sparkasse zu den typischen Berufsaufgaben von Architekten zähle.

Die Beigeladene zu 2. stellt ebenfalls keinen Antrag. Sie trägt vor, die Klägerin sei im Schwerpunkt mit der Erstellung von Gutachten im Zuge des Kreditvergabeprozesses bei gewerblichen Immobilien sowie die Beleihungswertermittlung für diese beschäftigt. Dies beinhalte Objektbesichtigungen, Baufortschrittskontrollen, Baukostenanalysen, Plausibilisierung und Festsetzung von Bewertungen weiterer Gutachter und Sachverständiger. Darüber hinaus führe sie Marktwertrecherchen, Analysen und Plausibilisierungen von Bauplänen und Wohnflächenberechnungen sowie Prüfungen hinsichtlich der baurechtlichen Zulässigkeit von baulichen Vorhaben durch. Darüber hinaus sei potenziell vorgesehen, bei größeren Bauprojekten die Klägerin unterstützend bei der Planung und Durchführung der Baumaßnahmen einzubinden. Dies werde gegenwärtig jedoch nicht ausgeübt. Die im Profil der Stellenanzeige genannten Qualifikationen als Dipl.-Ingenieur oder Bautechniker seien zum Zeitpunkt der Ausschreibung als generell geeignet angesehen worden. Allerdings habe sich im Zuge der Bewerbungsgespräche gezeigt, dass letztendlich nur Bewerber mit dem Abschluss als Architekt diese Anforderungen vollumfänglich erfüllt hätten.

Das Gericht hat die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört. Einwendungen wurden nicht erhoben. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, welche Gegenstand des Erörterungstermins vom 14.07.2015 war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über welche das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht erhoben. Hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist nach § 87 Abs. 1 S. 1 SGG ist anzumerken, dass nach der ersten Versendung, welche zu einem Rücklauf der Postsendung führte, kein fristauslösender Zugang belegt ist. Daher konnte auf diesen Zeitpunkt nicht abgestellt werden.

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Beklagte hinsichtlich ihrer Tätigkeit als bei der Beigeladenen zu 2. angestellte Immobilienbewerterin.

Grundsätzlich sind gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, vgl. § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Von der Versicherungspflicht werden jedoch Beschäftigte für die Beschäftigung befreit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin ist in die Architektenliste eingetragen (§§ 3 f. Architektengesetz Baden-Württemberg - ArchG) und Pflichtmitglied sowohl in der für sie maßgeblichen berufsständischen Kammer, der Architektenkammer Baden-Württemberg, und der Beigeladenen zu 1. als dem entsprechenden Versorgungswerk (§ 13 Abs.1 ArchG i.V.m. § 11 Abs. 1 der Satzung der Beigeladenen zu 1.). In der Architektenkammer bestand weiter die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geforderte Verpflichtung zur Mitgliedschaft (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 a) SGB VI i.V.m. § 11 Abs. 1 ArchG), sie hat einkommensbezogene Beiträge an die Beigeladene zu 1. zu entrichten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 b) SGB VI i.V.m. § 17 der Satzung der Beigeladenen zu1.), welche im Gegenzug Leistungen für den Fall des Alters oder der verminderten Erwerbsfähigkeit gewährt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1c) SGB VI i.V.m. §§ 24 ff. der Satzung der Beigeladenen).

Weiter ist die Klägerin auch gerade wegen der hier zu beurteilenden Beschäftigung als Immobilienbewerterin Pflichtmitglied bei der Beigeladenen zu 1. und der Architektenkammer Baden-Württemberg. Der erforderliche tätigkeitsbezogene, innere Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der Klägerin und der Mitgliedschaft besteht. Voraussetzung der Pflichtmitgliedschaft in der Architektenkammer Baden-Württemberg ist für Architekten die Eintragung in die Architektenliste (vgl. § 11 Abs. 1 ArchG und § 3 Abs.1 der Satzung der Architektenkammer Baden-Württemberg), die Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 1.) folgt, von hier offenkundig nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, aus der Mitgliedschaft bei u.a. der Architektenkammer Baden-Württemberg § 11 Abs.1 der Satzung der Beigeladenen zu 1.). Somit ist nach Ansicht des Gerichts für die Frage des Zusammenhangs maßgeblich darauf abzustellen, ob die Beschäftigung der Klägerin die fachlichen Voraussetzungen zur Eintragung in die Architektenliste erfüllen würde (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 S.1 ArchG). Unerheblich ist für diese Bewertung, ob die Eintragungsvoraussetzungen -tätigkeitsbezogene und persönliche- ggf. bereits zuvor erfüllt wurden. Hierzu ist zu fordern, dass die Beschäftigung die Ausübung einer praktischen Tätigkeit im Aufgabenbereich der Fachrichtung darstellt. Der Aufgabenbereich der Fachrichtung ergibt sich zunächst aus § 1 Abs. 1 u. 4 ArchG. Damit ist Berufsaufgabe der Architekten die gestaltende, technische, wirtschaftliche, ökologische und soziale Planung von Bauwerken, die Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers oder Dienstherrn in allen die Planung, Ausführung und Überwachung eines Vorhabens betreffenden Angelegenheiten unter Beachtung der die Sicherheit der Nutzer und der Öffentlichkeit betreffenden Gesichtspunkte. Zu den Berufsaufgaben können auch Sachverständigen-, Forschungs-, Lehr- und Entwicklungstätigkeiten sowie sonstige Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen, bei der Nutzung von Bauwerken sowie die Wahrnehmung der damit verbundenen sicherheits- und gesundheitstechnischen Belange gehören, ebenso Überwachungstätigkeiten im Hinblick auf die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften.

Im Hinblick auf diese Maßgaben ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit der Klägerin als berufsspezifische Architektentätigkeit einzustufen ist. Die konkrete Tätigkeit der Klägerin ist gekennzeichnet durch die Erstellung von Wertgutachten im Rahmen von Kreditvergabe zur Erstellung und Beleihung von Immobilien, die Überprüfung der baurechtlichen Zulässigkeit von Bauvorhaben sowie die Analyse von Bauplänen. Dies stellt eine berufsspezifische Architektentätigkeit in Gestalt einer Sachverständigentätigkeit dar, denn die Klägerin ist somit mit der Überwachung und Betreuung von Bauvorhaben in technischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sowie der diesbezüglichen Beratung der Beigeladenen zu 2. und deren Kunden betraut. Einzig die eigentliche Bauwerksplanung ist - derzeit - nicht gegeben, die fachliche Kontrolle architektonischer Planung sehr wohl. Für die Einstufung als Architektentätigkeit ist aber, wie sich aus den Maßgaben des § 1 ArchG ergibt, keineswegs die zeitgleiche Erfüllung sämtlicher möglicher Merkmale zu fordern.

Ein weiteres Indiz für die Einstufung der Tätigkeit der Klägerin als berufsspezifisch ist die - wie von der Klägerin und der Beigeladenen zu 2. übereinstimmend und schlüssig berichtet - perspektivisch vorgesehene Durchführung eigener Bauvorhaben der Beigeladenen zu 2. unter der planenden Ägide der Klägerin.

Der Einstufung einer Architektentätigkeit steht die Möglichkeit der Wahrnehmung der Tätigkeit durch Mitglieder anderer Berufsgruppen, bspw. Bauingenieure, nicht entgegen. Dies folgt daraus, dass dies wesensverwandte Berufsgruppen betrifft, deren Tätigkeitsprofil naturgemäß Überschneidungen aufweist. Bezüglich der Bauingenieure ergibt sich dies etwa aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, welche in ihren Vergütungsregelungen aufzeigt, dass auch die von der Beklagten für die Annahme der Berufsspezifität geforderten planerischen Tätigkeiten von beiden Berufsgruppen ausgeführt werden können. Dies ändert an der Bewertung dieser Tätigkeiten als - jeweils - berufsspezifisch nichts (so auch SG Duisburg, Urteil vom 18. Januar 2013 – S 37 R 777/11 –, juris).

Im Übrigen ist nach den glaubhaften Ausführungen der Beigeladenen zu 2. zu beachten, dass die zu beurteilende Tätigkeit weiter gefasst ist, als sich aus der ursprünglichen Stellenausschreibung ergibt. Wie die Beigeladene zu 2. betont, zeigte sich im Rahmen der Bewerbungsgespräche, dass einzig Architekten die gewünschten Fähigkeiten in ausreichendem Maße mitbringen, weswegen sich im weiteren Auswahlprozess auf Architekten beschränkt wurde. Dies eröffnete auch die Möglichkeit, zukünftig eigenständige, bauliche Planungsvorhaben ins Auge zu fassen.

Die Befreiung wirkt vom 01.06.2013 an, da an diesem Tag die vorgenannten Voraussetzungen vorlagen, der Antrag rechtzeitig gestellt wurde und die Klägerin erstmals die Tätigkeit aufnahm, für welche sie die Befreiung beantragt hatte, vgl. § 6 Abs. 4, 5 SGB VI.

Die Kostenentscheidung beruht einheitlich (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2014 – L 4 R 2204/13 –, juris) auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang sowie hinsichtlich der Beigeladenen den Umstand, dass auch sie durch die rechtswidrige Entscheidung der Beklagten betroffen und in dieses Verfahren hineingezwungen wurden.
Rechtskraft
Aus
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