L 5 R 3482/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3567/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3482/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 in R. geborene, später nach K. gezogene Kläger (GdB 50) hat in seinem Heimatland (nach eigenen Angaben) eine (in Deutschland nicht anerkannte) zweijährige Ausbildung zum Schreiner absolviert und in diesem Beruf gearbeitet. Im Jahr 1994 ist er nach Deutschland übergesiedelt. In Deutschland hat der Kläger unterschiedliche Tätigkeiten als Arbeiter verrichtet. Zuletzt ist er (seit Juni 2006) als (Metall-)Arbeiter in einer Stanzerei (Bedienung einer Stanzmaschine) sowie im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung nach einem Arbeitsunfall (Wegeunfall) am 11.01.2008 als Staplerfahrer und Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Seit 10.07.2009 ist der Kläger arbeitslos und stand bis 16.10.2010 im Leistungsbezug. Nach dem Wegeunfall vom 11.01.2008 hat der Kläger vom 14.03.2008 bis 04.04.2008 eine Anschlussheilbehandlung in den R. Kliniken, D., absolviert, aus der er nach voraussichtlich sechsmonatiger Rekonvaleszenzzeit mit einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen als Arbeiter in einer Stanzerei und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts entlassen worden ist (Entlassungsbericht vom 07.04.2008). Der Kläger bezieht Verletztenrente von der zuständigen Berufsgenossenschaft (mittlerweile offenbar) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50%.

Am 28.03.2012 beantragte der Kläger (nach einem ersten erfolglosen Rentenantrag 2009 - Gutachten Dr. Sch. vom 20.04.2009: mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen als Lagerarbeiter und für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts) Rente wegen Erwerbsminderung. Zuvor hatte er vom 08.02.2011 bis 01.03.2011 nach einer Wirbelsäulenoperation eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Rehabilitationsklinik H., B.-B., absolviert. Im Entlassungsbericht vom 02.03.2011 sind die Diagnosen op. Dekompression und interspinöse Spacer L 3 bis L 5 (03.02.2011) wegen Spinalkanalstenose, zeitgerechtes OP-Resultat, lokales BWS-Syndrom (BWK 2- und -5-Frakturen), polygene Hypercholesterinämie, Z.n. Lungentuberkulose 90er Jahre und 2008 sowie schädlicher Gebrauch von Tabak festgehalten. Als Metallarbeiter könne der Kläger nur unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) aber 6 Stunden täglich und mehr verrichten. Die Krankheitsverarbeitung erscheine bei latentem Rentenwusch tendenziell dysfunktionell.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Allgemeinarztes K. vom 21.05.2012. Dieser fand keine Zeichen einer schweren depressiven Störung und auch keine Antriebsstörung und diagnostizierte Restbeschwerden nach operativer Versorgung einer Verengung des Rückenmarkskanals im Bereich der LWS, wiederkehrende Schmerzen im Bereich der BWS nach Bruch des 2. und. 5. Brustwirbelkörpers im Rahmen eines Arbeitsunfalls und Alkoholmissbrauch, Verdacht auf Alkoholabhängigkeit (normale Lungenfunktionswerte bei chronischer Bronchitis und durchgemachter Lungentuberkulose). Als Staplerfahrer oder Lagerarbeiter könne der Kläger nur unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) aber 6 Stunden täglich und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 25.05.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Am 15.06.2012 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.08.2012 zurückwies.

Am 28.09.2012 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er trug vor, wegen seiner vielfältigen Erkrankungen und Beschwerden könne er nicht mehr erwerbstätig sein. Er leide u.a. an Schmerzen wegen einer Verengung des Rückenmarkskanals im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in das linke Bein; diese hätten sich seit der Operation im Jahr 2011 verstärkt und träten bereits nach K. Gehstrecken auf. Außerdem bestünden eine Osteochondrose, eine chronische Lumboischialgie, Schmerzen im Bereich der BWS, eine chronische Bronchitis, ein Zustand nach früherer Tuberkulose sowie Schwerhörigkeit mit Tinnitus. Im Hinblick auf den erlernten und zeitweise ausgeübten Schreinerberuf stehe ihm Berufsschutz zu.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG befragte behandelnde Ärzte und erhob Gutachten auf unfallchirurgisch-orthopädischem, internistischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.

Der Neurochirurg Dr. H. (Behandlung vom 20.10.2010 bis 15.08.2012) teilte im Bericht vom 17.01.2013 Diagnosen mit und führte u.a. aus, es bestehe ein Verdacht auf Aggravation; bei der Untersuchung habe Aggravation vorgelegen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten wegen einer Atrophie der Beinmuskulatur links und wegen Sensibilitätsstörungen und Lähmungserscheinungen im linken Bein nur noch 2 Stunden täglich verrichten. Der Allgemeinarzt Dr. v. L. (Behandlung seit 13.02.2006) führte im Bericht vom 17.01.2013 aus, im Vordergrund stünden die Wirbelsäulenschmerzen; die Lungentuberkulose sei ausgeheilt, habe aber Narben und eine Einschränkung der Atmung hinterlassen. Wegen Rückenschmerzen, die bei längerem Gehen und Stehen (nach ca. 1 Stunde) bis ins Knie ausstrahlten, könne der Kläger leichte Tätigkeiten höchstens 1 Stunde täglich verrichten. Der Orthopäde B. (einmalige Untersuchung am 28.06.2012) gab eine Leistungseinschätzung nicht ab (Bericht vom 17.01.2013). Der HNO-Arzt Dr. K. (zweimalige Behandlung am 09.11.2011 und 13.03.2012) teilte im Bericht vom 21.01.2013 mit, aus seiner Sicht spreche nichts gegen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Der Unfallchirurg und Orthopäde Prof. Dr. D. führte im Gutachten vom 30.04.2013 aus, nach Angaben des Klägers bestünden die Hauptbeschwerden in einer Schwäche im linken Bein, die sich nach der Operation im Februar 2011 nicht gebessert hätten; deswegen müsse er auch regelmäßig Schmerzmittel einnehmen. Die Gehstrecke sei auf maximal 1 Stunde beschränkt. Der Gutachter diagnostizierte knöchern konsolidierte BWK-2- und BWK-5-Frakturen nach konservativer Behandlung (Unfallereignis im Jahr 2008), eine ausgeprägte degenerative Gesamtsituation im Bereich der LWS bei operativ therapierter Spinalkanalstenose durch Dekompressions-Operation L 3/ L 4 und L 4/ L 5 (OP im Jahr 2011), eine Gibbusbildung BWK 5/6 von 30° sowie eine Teillähmung linkes Bein durch chronischen nervalen Kompressionsschaden bei Spinalkanalstenose. Die Summe der Gesundheitsstörungen am zentralen Achsenorgan Wirbelsäule bewirke eine signifikante Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Wegen des klinisch relevanten Folgezustands der ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren LWS im Sinne der Spinalkanalstenose und der Teilparese des linken Beines könne der Kläger im zuletzt ausgeübten Beruf noch mindestens 3 Stunden täglich arbeiten und auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 3 Stunden täglich verrichten. Wegefähigkeit liege vor. Eine abschließende Leistungseinschätzung sei allerdings erst nach Vorliegen der (Zusatz-)Gutachten auf internistischem und neurologischem Fachgebiet möglich.

Der Internist, Kardiologe und Sozialmediziner Dr. Th. diagnostizierte im Gutachten vom 05.08.2013 einen Zustand nach Lungenkontusion bei Verkehrsunfall am 11.01.2008 und einen Zustand nach Lungentuberkulose mit leichter Lungenüberblähung und leichter Atemwegsobstruktion bei fortgesetztem Nikotinkonsum (20 Zigaretten/Tag), einen Zustand nach Verkehrsunfall am 11.01.2008 mit Nasenbeinfraktur, Sternumfraktur, BWK-2-Fraktur, BWK-5-Fraktur mit Gibbusbildung (alles knöchern konsolidiert) nach konservativer Behandlung, einen Zustand nach operativer Korrektur einer Spinalkanalstenose, nach Angaben des Klägers ohne klinische Besserung (hierzu neurologisches Gutachten), Schwerhörigkeit mit Tinnitus beidseits sowie eine Allergie auf Penicillin und Acetylsalicylsäure. Aus internistischer Sicht könne der Kläger mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) über 6 Stunden täglich verrichten. Auch die bisher ausgeübte Berufstätigkeit sei aus internistischer Sicht leidensgerecht. Der Kläger sei wegefähig.

Der Facharzt (u.a.) für Neurologie, Psychiatrie, Rehabilitationswesen und Sozialmedizin Prof. Dr. R. diagnostizierte im Gutachten vom 20.12.2013 eine leichte, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine leichte Schädigung der aus der LWS austretenden Nervenwurzel S 1 links, degenerative und posttraumatische Veränderungen der Wirbelsäule (operierte Spinalkanalstenose und unfallbedingte Brustwirbelkörperfrakturen) sowie Residuen (Restbefunde) einer Lungentuberkulose. Hinsichtlich der somatoformen Schmerzstörung bestehe eine Diskrepanz zwischen der Intensität bzw. dem Ausbreitungsgebiet der geklagten Beschwerden und den organisch nachweisbaren Befunden. Die Analyse der Alltagsaktivitäten und der nur geringfügig gestörte psychische Befund zeigten, dass nur ein leichter und kein mittelschwerer oder schwerer Ausprägungsgrad vorliege. Die beschriebene Nervenwurzelschädigung S 1 links habe zu einer Schmerzausstrahlung in das linke Bein, zu einer Taubheit des linken Beins und zu einer Abschwächung des Achillessehnenreflexes links geführt. Durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und durch den leichten Nervenwurzelschaden S 1 links sei es zu einer Einschränkung der freien Kraftentfaltung der Muskulatur und zu einer Reduktion der körperlichen Belastbarkeit gekommen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen, vorzugsweise im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen) ca. 8 Stunden täglich verrichten. Er sei auch wegefähig. Prof. Dr. D. habe ohne Analyse des Tagesablaufs und ohne Erhebung eines psychischen Befundes ein Leistungsvermögen von 3 Stunden täglich angenommen. Unter Hinzuziehung der Ergebnisse der aktuellen neurologisch-psychiatrischen Begutachtung könne hierzu ergänzt werden, dass der Kläger noch in der Lage sei, 6 Stunden täglich und mehr zu arbeiten.

Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. Sch. vom 22.04.2013 (richtig wohl: 2014) vor. Darin ist ausgeführt, Prof. Dr. D. habe in seinem Gutachten ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen nicht ausgeschlossen, vielmehr nur ausgeführt, dass der Kläger noch mindestens 3 Stunden täglich arbeiten könne. Eine Beschränkung des Leistungsvermögens auf unter 6 Stunden täglich wäre bei den erhobenen Befunden auch weder schlüssig noch nachvollziehbar. Bei Betrachtung der von den Gutachtern erhobenen Befunden im Vergleich werde deutlich, dass der Kläger bei der unfallchirurgischen Begutachtung offensichtlich deutlich aggraviert habe und dass es keinen hinreichenden Grund für eine generelle Minderung des quantitativen Leistungsvermögens für wenig wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten gebe. Die aus den Befunden des Prof. Dr. D. hervorgehende Haupteinschränkung beträfe ohnehin das Gehen und nicht das Verrichten von Tätigkeiten in überwiegend sitzender oder in wechselnder Körperhaltung. Auch wäre es in keiner Weise schlüssig, dass der Kläger sowohl seine letzte, die Wirbelsäule nicht wenig belastende Arbeit und eine idealtypische Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts bei einer im Vordergrund stehenden Erkrankung des Bewegungsapparats nur in gleichartigem zeitlichem Rahmen solle ausführen können. Betrachte man den Tagesablauf des Klägers, den Dr. Th. und Prof. Dr. R. - anders als Prof. Dr. D. - erhoben hätten, sehe man, dass eine wesentliche Einschränkung der Aktivitäten nicht vorliege. Der Kläger sei (u.a.) in der Lage, den Alltag zu gestalten, Gartenarbeit zu erledigen (Rasenmähen sei bspw. keine wenig wirbelsäulenbelastende Tätigkeit), Hobbys nachzugehen, Auto zu fahren, für sich selbst zu sorgen und Mahlzeiten zuzubereiten. Eine Einschränkung des gesamten Leistungsvermögens sei daraus nicht ableitbar. Der Kläger könne daher leichte (die Wirbelsäule wenig belastende) Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Nachdem der Kläger abschließend Einwendungen gegen die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Sch. erhoben hatte, wies das SG die Klage mit Urteil vom 09.07.2014 ab. Zur Begründung führte es aus, dem Kläger stehe Erwerbsminderungsrente (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) nicht zu, weil er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne; er sei daher nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das gehe aus den vorliegenden Gutachten überzeugend hervor. Prof. Dr. D. habe in seinem Gutachten zwar ausgeführt, der Kläger könne 3 Stunden täglich erwerbstätig sein und dies mit dem klinisch relevanten Folgezustand der ausgeprägten degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren LWS im Sinne der Spinalkanal-stenose und der Teilparese des linken Beins begründet. Er habe die abschließende Leistungsbeurteilung allerdings erst nach Einholung von Zusatzgutachten auf internistischem und insbesondere neurologischem Fachgebiet für möglich erachtet, da insbesondere die neurologische Symptomatik im linken Bein durch den chronischen nervalen Kompressionsschaden bei Spinalkanalstenose leistungsmindernd sei. Prof. Dr. D. habe die Leistungsbeurteilung daher nach oben ausdrücklich offengelassen. Prof. Dr. R. habe in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten die Fragestellung des Prof. Dr. D. aufgegriffen und schlüssig dahingehend ergänzt, dass der Kläger unter Hinzuziehung der Ergebnisse seiner aktuellen Begutachtung 6 Stunden täglich und mehr erwerbstätig sein könne. Insoweit seien die Auswirkungen der orthopädischen Erkrankungen des Klägers auf neurologischem Fachgebiet zu würdigen. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB V) stehe dem Kläger ebenfalls nicht zu. Er sei zuletzt als ungelernter Arbeiter in einer Stanzerei versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar. Berufsschutz als Schreiner könne der Kläger nicht beanspruchen, zumal weder eine entsprechende Berufsausbildung (im Herkunftsland) noch deren Anerkennung in Deutschland nachgewiesen sei.

Gegen das ihm am 21.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.08.2014 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Maßgeblich für die Leistungsbeurteilung sei das Gutachten des Prof. Dr. D. mit den darin festgestellten Leistungseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet. Prof. Dr. D. habe ein auf 3 Stunden täglich abgesunkenes Leistungsvermögen angenommen und dies in seinem Gutachten überzeugend begründet. Er habe die abschließende Leistungseinschätzung nicht dem neurologischen Gutachter überlassen. Dem Gutachten des Prof. Dr. R. sei demgegenüber nicht zu folgen. Dieser Gutachter habe die Auswirkungen seiner Erkrankungen nicht hinreichend berücksichtigt. Bei ihm liege eine ungewöhnliche Häufung von Leistungseinschränkungen vor. Ihm komme auch Berufsschutz als Schreiner zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 09.07.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.08.2012 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01.03.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zunächst die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. D. vom 09.10.2014 eingeholt. Darin ist ausgeführt, unter jeweils alleiniger Berücksichtigung der erhobenen Befunde auf internistischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet erscheine die Ausgangslage für die Annahme, dass der Kläger unter Hinzuziehung der Ergebnisse der beiden Zusatzgutachten noch in der Lage sei, 6 Stunden täglich und mehr zu arbeiten, nicht zu beanstanden. Das betreffe auch die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung der Dr. Sch ... Er sei nach wie vor der Ansicht, dass diese Einschätzung unter Berücksichtigung der in seinem Gutachten erhobenen Befunde nicht voll umfänglich möglich erscheine. Er habe in seinem Gutachten ausgeführt, der Kläger erscheine noch in der Lage, in seinem zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig mindestens 3 Stunden täglich zu arbeiten. Diese Aussage beinhalte insofern eine Flexibilität, als es dem Kläger theoretisch auch möglich sein müsste, bis zu 6 Stunden zu arbeiten, wobei dies allerdings von der persönlichen Motivation und dem Arbeitsleistungswillen abhänge. Ihm erscheine es kaum vorstellbar, dass der Kläger aufgrund der auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen eine vollschichtige Tätigkeit ausführen könne, selbst wenn es sich um eine leichte Tätigkeit handele. Sollte dem Kläger eine vollschichtige Arbeit zugemutet werden, sei die regelmäßige Dokumentation von Fehlzeiten vorprogrammiert und sie werde sich auch nachträglich in gleicher Weise dokumentieren lassen. Die Einschätzung einer Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf, die er regelmäßig für mindestens 3 Stunden täglich als möglich eingeschätzt habe, beinhalte auch unter Flexibilitätsgesichtspunkten die Annahme eines Leistungsvermögens des Klägers für leichte oder sehr leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Leistungseinschränkungen) für maximal bis zu 6 Stunden.

Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Sch. vom 11.11.2014 vorgelegt. Dr. Sch. hat ausgeführt, Prof. Dr. D. sei auf die in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.04.2013 angeführten Kritikpunkte, insbesondere hinsichtlich des gänzlich fehlenden Abgleichs der Beschwerdeangaben und der körperlichen Befunde mit den Alltagsaktivitäten des Klägers, nicht eingegangen. Er habe auch nicht thematisiert, dass die Befunderhebung mitarbeitsabhängig sei. Prof. Dr. D. habe die sozialmedizinische (rentenrechtliche) Fragstellung offenbar nicht hinreichend erfasst, da er - was vorliegend unerheblich sei - für die Leistungseinschätzung auf die persönliche Motivation und den Arbeitsleistungswillen des Klägers abgestellt habe. Der Gutachter habe ein sechsstündiges Leistungsvermögen zudem theoretisch - gemeint der Sache nach: bei Aufbietung der vorhandenen Willenskräfte - für möglich erachtet. Eine rentenberechtigende Leistungsminderung sei insgesamt nicht schlüssig dargetan.

Auf erneute Nachfrage des Senats hat Prof. Dr. D. sich unter dem 24.02.2015 abschließend geäußert. Er hat ausgeführt, er gehe in Abhängigkeit der den Kläger belastenden speziellen Tätigkeit von einem zeitlichen Leistungsvermögen (unter den von ihm genannten Maßgaben) von einschließlich 6 Stunden täglich aus. Dieses eingeschätzte zeitliche Leistungsvermögen sei allerdings auch unter dem Gesichtspunkt der individuellen und persönlichen Einstellung im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit zu werten. Da eine exakte Definition einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht genau zu evaluieren sei, stelle seine Einschätzung einen abstrakten Wert dar, der Abhängigkeit zeige von den jeweiligen speziellen Bedingungen und Anforderungen an eine so genannte leichte Arbeit.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Z. vom 12.12.2015 eingeholt. Dieser hat folgende Diagnosen gestellt: Endgradige Funktionseinschränkung der LWS mit in das linke Bein ausstrahlender Beschwerdesymptomatik nach operativer Dekompression des Spinalkanals L 3/4 und L 4/5 mit Implantation eines Spacers bei L 3/4 und L 4/5 vom 03.02.2011; Verdacht auf Teillähmung linkes Bein durch nervalen Kompressionsschaden bei Zustand nach Spinalkanalstenose L 3/4 und L 4/5; knöchern verheilte Frakturen BWK 2 und BWK 5 nach konservativer Behandlung bei Wegeunfall vom 11.01.2008 mit Hyperkyphose bei BWK 5/6; Coxalgie links ohne wesentliche Funktionseinbuße; Senk-Spreizfuß beidseits ohne wesentliche Funktionseinbuße. Maßgeblich für die quantitative Leistungseinschränkung sei die Funktionseinschränkung der LWS und BWS sowie die Schmerzsymptomatik am linken Bein mit mäßiggradiger Fußheberschwäche. Der Kläger könne leichte bis kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten, vorwiegend sitzend, mit der Möglichkeit des Positionswechsels zum Gehen und Stehen und auch im Wechselrhythmus (unter qualitativen Einschränkungen, wie kein Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, keine länger andauernde monotone Rumpffehlhaltung oder Zwangsfehlhaltung für die Wirbelsäule, kein häufiges Bücken, keine Arbeit auf Leitern und Gerüsten, keine länger dauernde Überkopfarbeit, kein ausschließliches Stehen oder Gehen, kein häufiges Begehen von Treppen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten. Er sei auch wegefähig. Derzeit erfolge keine spezifische Behandlung für die Wirbelsäule. Bei Beschwerden werde bei Bedarf NSAR (Diclofenac) eingenommen, jedoch nicht regelmäßig. Es erfolge auch keine regelmäßige Schmerztherapie und keine fachorthopädische Intervention. Bei der Begutachtung sei das Gehvermögen und das Standvermögen umfassend in die Leistungsbeurteilung einbezogen worden; einer erneuten neurologischen Abklärung bedürfe es nicht.

Der Kläger hat abschließend Stellung genommen und auf ein - Dr. Z. bei der Begutachtung vorliegendes - Attest des Dr. H. vom 29.07.2015 (Kläger nicht arbeitsfähig; Arbeitsfähigkeit durch Spondylodese nicht wieder herstellbar) hingewiesen; die Beklagte hat die abschließende beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Sch. vom 09.05.2016 vorgelegt (Zustimmung zum Gutachten des Dr. Z.).

Mit Bescheid vom 02.04.2015 hat die Beklagte einen Antrag des Klägers auf Gewährung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme abgelehnt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG)

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§§ 43, 240 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:

Auch der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann, weshalb Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das geht insbesondere aus dem Verwaltungsgutachten des Allgemeinarztes K. und den Gerichtsgutachten der Dres. Th. und Z. und des Prof. Dr. R. überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung behandelnder Ärzte kann sich der Senat nicht anschließen.

In internistischer oder psychiatrischer Hinsicht liegen rentenberechtigende Leistungseinschränkungen (unstreitig) nicht vor. Der Kläger stützt sein Rentenbegehren auf Erkrankungen des unfallchirurgisch-orthopädischen Fachgebiets. Auch wegen Erkrankungen dieses Fachgebiets ist sein Leistungsvermögen aber nicht in rentenberechtigendem Maße eingeschränkt. Prof. Dr. D. hat in seinen im Berufungsverfahren eingeholten ergänzenden Stellungnahmen, namentlich in der abschließenden Stellungnahme vom 24.02.2015, letztendlich klargestellt, dass der Kläger auch aus seiner Sicht leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) noch 6 Stunden täglich verrichten kann, was die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ausschließt. Auf die Arbeitsmotivation oder den Arbeitswillen des Klägers kommt es für die sozialmedizinische (rentenrechtliche) Leistungsbeurteilung nicht an. Das hat Dr. Sch. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22.04.2013 (richtig wohl: 2014) zutreffend dargelegt und außerdem zu Recht betont, dass die von Prof. Dr. D. im Gutachten vom 30.04.2013 erhobenen Befunde hinsichtlich des linken Beins eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens ohnehin nicht begründen könnten und lediglich qualitative Leistungseinschränkungen - für Tätigkeiten im Gehen, nicht jedoch überwiegend im Sitzen - bedingen würden. Das im sozialgerichtlichen Verfahren erstattete Gutachten des Prof. Dr. D. kann dem Rentengebegehren des Klägers daher nicht zum Erfolg verhelfen. Das auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. Z. hat schließlich (ebenfalls) bestätigt, dass das Leistungsvermögen des Klägers wegen orthopädischer Erkrankungen nicht in rentenberechtigendem Maße gemindert ist. Auch Dr. Z. hat den Kläger überzeugend für fähig erachtet, (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Die von ihm postulierten qualitativen Leistungseinschränkungen sind für leichte Tätigkeiten kennzeichnend; eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor. Die abweichenden Einschätzungen behandelnder Ärzte (Dres. H. und v. L.) stellen ärztliche Meinungsäußerungen, jedoch keine aus Befunden nachvollziehbar begründete sozialmedizinische Leistungseinschätzungen dar. Sie haben vor den gegenteiligen Einschätzungen der Gutachter, insbesondere auch des Dr. Z., keinen Bestand.

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt für den auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbaren Kläger nicht in Betracht. Den Berufsschutz des Facharbeiters kann er wegen der (nicht nachgewiesenen und in Deutschland nach eigenen Angaben des Klägers auch nicht anerkannten) zweijährigen Schreinerausbildung in R. nicht beanspruchen, nachdem er in Deutschland nur als ungelernter Arbeiter - zuletzt als Metallarbeiter an einer Stanzmaschine - versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Arztberichte und Gutachten weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen, nicht auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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