L 11 R 5156/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 4455/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5156/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.10.2015 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2013 aufgehoben, soweit darin Beiträge iHv mehr als 38.273,43 EUR und Säumniszuschläge iHv von mehr als 10.229 EUR festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 5/6, die Beklagte 1/6 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auf 56.147,66 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist eine von der Beklagten geltend gemachte Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 45.418,16 EUR zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 10.729,50 EUR betreffend den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.12.2011 und in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestand.

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt ein Maler- und Gipsergeschäft. Der 1947 geborene Beigeladene zu 1) übernahm nach eigenen Angaben 1990 die Firma seines Vaters in W./E. und führte diese bis 1999. Zwischen 15.09.1997 und 20.12.2002 war er mit Unterbrechungen, vom 10.02.2003 bis 30.06.2008 nahezu ununterbrochen bei Personalleasingfirmen beschäftigt. Ab 2005/2006 arbeitete er nach eigenen Angaben mit Unterbrechungen als Leiharbeiter bei der Klägerin. Zum 01.07.2008 meldete der Beigeladene zu 1) ein Gewerbe für eine Tätigkeit im Maler- und Gipserhandwerk an.

Am 01.07.2008 schlossen die Klägerin und der Beigeladene zu 1) einen Rahmenvertrag über die Erbringung von Werkleistungen. Dieser enthielt ua folgende Regelungen: § 1 Gegenstand des Vertrags (1) Auf der Grundlage dieses Rahmenvertrags wird der Auftragnehmer für den Auftraggeber Leistungen bei der Durchführung von Fassadenanstrichen, Gipserarbeiten, Estricharbeiten, Malerarbeiten, Betonsanierungen und Verlegung von Industriefußböden und Teppich-, PVC- und Korkböden erbringen. Die jeweilige Spezifikation der Leistung nach Art und Umfang wird in jeweiligen Einzelverträgen festgelegt. Die Einzelverträge werden durch die Vorschriften dieses Rahmenvertrags ergänzt, soweit sie keine anderslautenden Vorschriften enthalten. Die jeweilige Auftragserteilung erfolgt durch den Abschluss eines Einzelvertrags, oder die Baustelle wird nach der vorliegenden Einzelpreisvereinbarung abgerechnet. Hierzu gibt grundsätzlich der Auftragnehmer ein entsprechendes Angebot ab, das der Auftraggeber annehmen kann, aber nicht muss. Ein Auftragsangebot kann auch durch den Auftraggeber abgegeben werden. In dem Einzelvertrag wird insbesondere festgelegt: - Beginn und Ende der Leistungserbringung - Leistungsbeschreibung - Ort der Leistung - Preisvereinbarung nach Volumen der Leistung/Zeitaufwand oder Festpreisvereinbarung (2) Der Auftragnehmer kann aus diesem Vertrag keine Verpflichtung des Auftraggebers zur Erteilung von Aufträgen herleiten. Andererseits ist auch der Auftragnehmer berechtigt, die Übernahme von Auftragsangeboten des Auftraggebers abzulehnen. § 2 Auftrag, Abänderung und Vergütung (1) Der Auftragnehmer verpflichtet sich gegenüber dem Auftraggeber, der mit einem Kunden eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat, die mit dem jeweiligen Einzelvertrag beschriebene Werkleistung zu erbringen. Sofern nicht nachfolgend etwas anderes geregelt wird, gelten für den jeweiligen selbstständigen Werkvertrag die §§ 631 ff BGB ergänzend. (2) Während der Vertragslaufzeit des jeweiligen Werkvertrags kann der Auftraggeber die Änderung der in dem entsprechenden Einzelvertrag festgelegten Leistungsbeschreibung oder –zeit verlangen. Etwaige Änderungen der zu erbringenden Leistung werden zwischen den Parteien abgestimmt und schriftlich vereinbart. Der Auftraggeber kann verlangen, dass die von der Leistungsänderung betroffenen Arbeiten bis zur Anpassung des Vertrags unterbrochen werden. (3) Der Auftraggeber verpflichtet sich, dem Auftragnehmer die in dem jeweiligen selbstständigen Werkvertrag vereinbarte Vergütung zu zahlen ... § 5 Pflichten des Auftragnehmers (1) der Auftragnehmer hat die jeweiligen Leistungen aus den Einzelverträgen nach Maßgabe der konkreten Anforderungen aus der Beschreibung des Einzelvertrags zu erbringen. (2) - (4) ... (5) Der Auftragnehmer haftet im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen für alle von ihm verursachten Schäden. Im Falle der schuldhaften Nichteinhaltung der Vertragstermine haftet der Auftragnehmer für alle Schäden und Nachteile, die dem Auftraggeber entstehen. (6) Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber mit Abschluss dieses Vertrags durch Aushändigung des Versicherungsscheins in Kopie nachzuweisen, dass er eine auf Personen-, Vermögens- und Sachschäden bezogene Berufshaftpflichtversicherung iHv mindestens EUR 250.000 abgeschlossen hat. (7) Der Auftragnehmer berichtet dem Auftraggeber in regelmäßigen Zeitabständen über den Fortgang der Arbeiten. Der Auftraggeber behält sich das Recht vor, die Einhaltung des Leistungsfortschritts jederzeit zu überprüfen und vom Auftragnehmer jederzeit Auskunft (auch in schriftlicher Form) über den Stand der Leistungserbringung zu verlangen. § 6 Vertragsdurchführung/Verantwortlichkeit (1) Der Auftragnehmer erbringt seine Leistung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als selbstständiger Unternehmer. Bei der Durchführung der Aufträge unterliegt der Auftragnehmer nicht den Weisungen des Auftraggebers. Die Durchführung der Einzelaufträge erfolgt grundsätzlich durch den Auftragnehmer selbst oder dessen qualifizierte Arbeitnehmer. Sollte der Auftragnehmer zur Durchführung der jeweiligen Leistungen Arbeitnehmer einsetzen, so muss er diese Tatsache dem Auftraggeber anzeigen ... (2) ... (3) Führt der Auftragnehmer ausnahmsweise die Werkleistung durch einen selbstständigen Dritten (Subunternehmer des Auftragnehmers) aus, wozu er die Zustimmung des Auftraggebers benötigt (siehe oben), so hat er dem Auftraggeber die in Absatz 1 dieses Paragraphen in Satz 7 und 8 genannten Nachweise im Hinblick auf den Dritten sowie einen Nachweis über deren Qualifikation vorzulegen und für die Einhaltung der arbeits-, aufenthalts-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Bestimmungen einzustehen und im Schadensfall den Auftraggeber von Ansprüchen freizustellen. (4) Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer keine Werkzeuge zur Verfügung. Sämtliche Werkzeuge, die zur Durchführung des Auftrags erforderlich sind, hat der Auftragnehmer selbstständig auf eigene Kosten zu besorgen. Verfügt der Auftraggeber ausnahmsweise nicht über die erforderlichen Arbeitsgeräte, so kann ihm ggf vom Auftraggeber gemäß einem im Einzelfall abzuschließenden Mietvertrag entsprechendes Arbeitsgerät zur Verfügung gestellt werden ... (5) ...

§ 9 Loyalität/Kundenschutz (1) Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, nur für den Auftraggeber tätig zu sein. Vielmehr ist der Auftragnehmer frei, selbst oder durch Dritte bei anderen Auftraggebern tätig zu sein, soweit nicht projektspezifische Eigenheiten oder vertragliche Verpflichtungen dem entgegen stehen. (2) Der Auftragnehmer kann jedoch einzelvertraglich verpflichtet werden, für die Dauer des jeweiligen Einzelvertrags und einen Zeitraum von 12 Monaten nach dessen Beendigung keine selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit für den Kunden oder die in dem Einzelvertrag benannten Dritten unmittelbar oder mittelbar zu erbringen, den Kunden oder die benannten Dritten abzuwerben oder Dritte hierbei zu unterstützen. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe iHv § 15.000 an den Auftraggeber zu zahlen. Die Klägerin setzte in der Folge den Beigeladenen zu 1) bei verschiedenen Aufträgen ein. Einzelverträge wurden entgegen dem Rahmenvertrag nicht geschlossen. Die monatlich vom Beigeladenen zu 1) gestellten Rechnungen erfolgten im Zeitraum Juli bis September 2008 nach Stunden (Stundenlohn 21,50 EUR), ab Oktober 2008 sind die jeweiligen Bauvorhaben namentlich benannt mit nicht näher aufgeschlüsselten Endbeträgen.

Die Beklagte führte in der Zeit vom 05.11.2008 bis 10.05.2010 bei der Klägerin für den Prüfzeitraum vom 01.01.2004 bis 30.09.2008 eine Betriebsprüfung durch. Der Beigeladene zu 1) teilte der Beklagten auf einem Anfrageformular mit, er habe regelmäßige Arbeitszeiten einzuhalten (8 Stunden täglich im Rahmen einer 40-Stunden-Woche), ihm würden Weisungen erteilt, die Einstellung von Hilfskräften/Vertretern sei von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig, der auch das Einsatzgebiet ohne seine Zustimmung verändern könne.

Einen Antrag des Beigeladenen zu 1) auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige mit einem Auftraggeber lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2011 ab, da keine selbständige Tätigkeit, sondern eine abhängige Beschäftigung vorliege.

Mit Bescheid vom 15.07.2010 setzte die Beklagte die Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen iHv 5.370,42 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2008 bis 30.09.2008 fest. Der Beigeladene zu 1) sei bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Zwar sei am 01.07.2008 ein Rahmenvertrag über Werkvertragsleistungen geschlossen worden, die tatsächlichen Gegebenheiten wichen aber von den vertraglichen Regelungen ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.08.2011), ebenso das anschließende Klage- und Berufungsverfahren (Sozialgericht Heilbronn (SG) 07.06.2013, S 2 R 3184/11; Senatsurteil 22.07.2014, L 11 R 3128/13).

Zwischen dem 08.02.2012 und dem 03.12.2012 führte die Beklagte eine weitere Betriebsprüfung bei der Klägerin für den Prüfzeitraum 01.10.2008 bis 31.12.2011 durch. Nach Anhörung mit Schreiben vom 20.09.2012 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 03.12.2012 für die Zeiträume 01.10.2008 bis 31.10.2010, Juli und Dezember 2011 insgesamt Sozialversicherungsbeiträge iHv 45.418,16 EUR und Säumniszuschläge iHv 10.729,50 EUR fest. Der Beigeladene zu 1) habe bei der Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.

Die Klägerin legte am 10.12.2012 Widerspruch ein und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, was die Beklagte mit Schreiben vom 30.01.2013 ablehnte. Auf den am 20.02.2013 beim SG gestellten Antrag ordnete dieses mit Beschluss vom 20.03.2013 (S 2 R 507/13 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruch an. Auf die Beschwerde der Beklagten hob der Senat den Beschluss auf und lehnte den Antrag ab (Senatsbeschluss vom 11.07.2013, L 11 R 1608/13 ER-B).

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2013 zurück. Der Beigeladene zu 1) besitze einen Geschäftswagen und stelle eigenes Werkzeug. Das Material werde von der Klägerin an die jeweilige Baustelle geliefert. Bei Bedarf habe der Beigeladene zu 1) unentgeltlich auf ein Fahrzeug der Klägerin mit Anhängerkupplung zurückgreifen können, ebenso bei Geräten für größere Arbeiten. Dies lasse den Schluss zu, dass der Beigeladene zu 1) für eine selbstständige Tätigkeit nicht hinreichend gerüstet gewesen sei. Im Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht habe der Beigeladene zu 1) angegeben, er habe regelmäßige Arbeitszeiten (8 Stunden täglich) einzuhalten, ihm würden Weisungen erteilt, die sich aber auf die Vorgaben der Kunden beschränkten. Der Einsatz von Ersatzkräften habe der Zustimmung der Klägerin bedurft, tatsächlich seien jedoch keine eingesetzt worden. Der Beigeladene zu 1) habe ohne seine Zustimmung an einem beliebigen Einsatzort eingesetzt werden können. Dass hinsichtlich der Ausführung der Arbeit keine ins Einzelne gehenden Weisungen erforderlich gewesen seien, ergebe sich aus dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1) bereits seit Jahren über eine Personalleasingfirma bei der Klägerin tätig gewesen sei. Ab Oktober 2008 sei die Rechnungsstellung zwar von Stundenbasis umgestellt worden auf das jeweilige Bauvorhaben, ohne dass jedoch ersichtlich oder dargelegt worden sei, wie sich der Betrag zusammensetze. Auffällig sei, dass die abgerechneten Beträge größtenteils durch 21,50 teilbar seien, so dass naheliege, dass weiterhin eine Abrechnung nach Stunden erfolgt sei, ohne diese auszuweisen. Ein Unternehmerrisiko sei nur in sehr geringem Umfang ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die am 20.12.2013 zum SG erhobene Klage. Die Klägerin verweist darauf, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum immer weniger für sie tätig geworden sei. Daher sei auch die Argumentation betreffend den früheren Zeitraum nicht übertragbar. Der Beigeladene zu 1) habe zwar in der Anfangszeit weniger Auftraggeber gehabt und sei daher nahezu ausschließlich für die Klägerin tätig geworden. Dies habe sich aber geändert, je größer seine Bekanntheit geworden sei. Von einer Eingliederung in den Betriebsablauf der Klägerin könne daher keine Rede sein.

Mit Urteil vom 08.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene zu 1) sei im Prüfzeitraum bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen und unterliege der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Die Art der Arbeiten, die der Beigeladene zu 1) verrichtet habe, unterscheide sich nicht von denen, die er im Zeitraum 01.07. bis 30.09.2008 ausgeübt habe und umfasse Maler-, Estricharbeiten oder Fassadenanstriche. Diese Arbeiten gehörten zum Kerngeschäft der Klägerin und würden vom Beigeladenen zu 1) anstelle eines Festangestellten verrichtet. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg habe im vorangegangenen Verfahren dargelegt, dass insbesondere die Unbestimmtheit des Vertragsgegenstands in § 1 Abs 1 des Rahmenvertrags und das damit verbundene Erfordernis der Konkretisierung durch Vereinbarung der Klägerin mit ihren jeweiligen Endkunden ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung darstelle. Ebenfalls spreche das denklogisch erforderliche Weisungsrecht, das entgegen § 6 Abs 1 Satz 3 Rahmenvertrag auch von der Klägerin ausgeübt werden müsse, um die Auftragsdurchführung entsprechend ihrer Vereinbarung mit den Endkunden zu gewährleisten, für eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betriebsablauf der Klägerin. Auch habe die Klägerin ihm fehlendes Werkzeug und Fahrzeuge mit Anhänger überlassen, so dass aufgrund des eigenen Materialeinsatzes nur ein geringes Unternehmerrisiko vorliege. Der Umfang der Aufträge habe zwar nachgelassen (10-12/2008: 11.233,75 EUR, 2009: 42.891,25 EUR, 2010: 38.562,98 EUR und 2011: 19.267,42 EUR). Maßgebend sei allerdings die Beurteilung der Einsätze bei der Klägerin, auch wenn die Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für Selbstständigkeit sein könne. Aus den vom Beigeladenen zu 1) vorgelegten Rechnungen an andere Auftraggeber ergebe sich allerdings für 2009 und 2010 bei gerade einmal sieben Rechnungen ein Betrag iHv maximal 2.175,80 EUR. Der Beigeladene zu 1) sei daher vorrangig für die Klägerin tätig gewesen. Die Höhe der Beiträge sei nicht zu beanstanden.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 27.11.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 14.12.2015 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Das SG habe einfach pauschal angenommen, dass die Ausführung im streitigen Zeitraum genauso abgelaufen sei wie zuvor. Im Verfahren L 11 R 3128/13 sei am 15.01.2014 ein Erörterungstermin durchgeführt worden, bei dem auch der Folgezeitraum miterörtert worden sei. Hier sei deutlich geworden, dass der Beigeladene zu 1) zwar zu Anfang auf die Aufträge der Klägerin angewiesen gewesen sei, jedoch nur als Sprungbrett für die weitere Selbstständigkeit. Die Aufträge seien zunehmend pauschal abgerechnet worden, egal ob der Beigeladene zu 1) die kalkulierte Stundenzahl gebraucht habe. Das SG habe nicht sehen wollen, dass sich ein Verhältnis auch über mehrere Jahre entwickele. Spätestens zum späteren Zeitpunkt im Jahr 2009 habe keine Abhängigkeit des Beigeladenen zu 1) mehr von der Klägerin bestanden. Der Beigeladene zu 1) sei auch nicht in den Arbeitsablauf eingebunden gewesen, er habe seine Arbeitszeit frei wählen können. Er sei auch nicht immer für die Klägerin erreichbar gewesen, so dass diese auf andere Subunternehmer habe zurückgreifen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 08.10.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 03.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und auf die Urteilsgründe des SG Bezug. Soweit für den 01. bis 31.07.2011 ein beitragspflichtiges Entgelt iHv 17.307,67 EUR bzw 19.267,42 EUR zugrunde gelegt worden sei, handele es sich bei der Darstellung des Beginns des Zeitraums (01.07.) um eine offenbare Unrichtigkeit iS eines Übertragungsfehlers bzw Eingabefehlers bei der Tastaturbedienung. Somit liege ein mechanisches Versehen vor, dessen Ergebnis als Unrichtigkeit jederzeit berichtigungsfähig sei. Eine diesbezügliche Korrektur wurde zu einer Erhöhung der Säumniszuschläge von 195 EUR führen. Es sei jedoch im Rahmen der Ermessensausübung zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen, diesen geringfügigen Fehler zu berichtigen. Eine zusätzliche Beschwer sei angesichts der zutreffenden Höhe der Beiträge nicht gegeben.

Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.06.2011 eine Probeberechnung vorgelegt zur Ermittlung der Beiträge unter Berücksichtigung des tatsächlich im Juli 2011 erzielten Entgelts iHv 1.601,75 EUR.

Die Beigeladenen haben keine eigenen Sachanträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber im Wesentlichen unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nur insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, als die Beitragsforderung für den Monat Juli 2011 zu korrigieren ist unter Anpassung der Säumniszuschläge.

Zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin bestand im streitigen Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.12.2011 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege-, gesetzlichen Renten- und der Arbeitslosenversicherung begründete. Die festgestellte Beitragsnachforderung ist iHv 38.273,43 EUR nicht zu beanstanden. Soweit die Beitragsforderung darüber hinausgeht, beruht sie auf der (wohl versehentlichen) Zusammenfassung der Entgelte für den Zeitraum 01.02. bis 31.07.2011 im Monat Juli 2011, in dem unzulässigerweise beitragspflichtiges Entgelt von 17.307,67 EUR (Kranken- und Pflegeversicherung) bzw 19.267,42 EUR (Rentenversicherung, Arbeitsförderung, Umlagen) zugrunde gelegt wurde, obwohl der Beigeladene zu 1) in diesem Monat nur eine Rechnung über 1.601,75 EUR gestellt hatte. Insofern mindern sich auch die Säumniszuschläge auf 10.229,00 EUR. Die Gesamtforderung der Beklagten beläuft sich damit auf 48.502,43 EUR. Soweit der angefochtene Bescheid darüber hinausgeht, ist er aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig; die erforderliche Anhörung (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X) ist erfolgt. Soweit die Festsetzungen im Bescheid von der Anhörung abweichen – in der Anhörung war das Einkommen für Januar bis Oktober 2010 im Monat Oktober 2010 zusammengefasst worden, im Bescheid vom 03.12.2012 erfolgt die Aufteilung zutreffend nach den monatlichen Einkünften – wäre die Anhörung jedenfalls im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt worden (§ 41 Abs 1 Nr 3 SGB X, vgl Senatsurteil vom 05.04.2011, L 11 KR 965/09, juris), da die Klägerin die Gelegenheit erhalten hat, sich zu allen für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (vgl BSG 13.12.2001, B 13 RJ 67/99 R, BSGE 89, 111, SozR 3-1300 § 1 Nr 1, juris RdNr 26 f).

Rechtsgrundlage für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides ist § 28p Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV erfüllen und erlassen im Rahmen dessen Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Dies gilt auch in Bezug auf die Nachforderung von Umlagen zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit und Mutterschutz (U 1/U 2) nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, weil Gegenstand der Betriebsprüfung ebenfalls die Umlagen U 1 und U 2 sind sowie die Inso-Umlage (so in Bezug auf die insoweit vergleichbare Rechtslage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz BSG 30.10.2002, B 1 KR 19/01 R, SozR 3-2400, § 28p Nr 1; siehe auch: Roßbach, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hg.), Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 28p SGB IV RdNr 4, 12). Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach § 253 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 174 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sowie § 60 Abs 1 Satz 2 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV, § 348 Abs 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auch für die Arbeitsförderung. Nach § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.

Als Arbeitsentgelt gelten gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Um das Bestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht sowie ggf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge feststellen zu können, war es schon immer eine selbstverständliche Pflicht des Arbeitgebers, hierüber geeignete Aufzeichnungen anzufertigen. Diese Pflicht ist seit 1989 ausdrücklich in § 28f Abs 1 Satz 1 SGB V normiert (Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 28f SGB IV RdNr 3).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist.

Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Beigeladene zu 1) bei der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum eine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung zur Folge hatte, weshalb die Klägerin zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet ist. Eine Änderung zum vorangegangenen Zeitraum (dazu Senatsurteil vom 22.07.2014, aaO) im Sinne einer Anlaufphase zum Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz liegt entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht vor. Zwar haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) übereinstimmend vorgetragen, nur in der Anfangsphase sei der Beigeladene zu 1) überwiegend für die Klägerin tätig gewesen, später habe sich sein Kundenstamm erweitert. Dem widerspricht jedoch, dass der Beigeladene zu 1) bis einschließlich Oktober 2010 nahezu konstante Einkünfte aus der Tätigkeit bei der Klägerin erzielt hat, die sich auf durchschnittlich zwischen 3.700 EUR und 3.800 EUR beliefen und bei Zugrundelegung eines Stundenlohns von 21,50 EUR einer Vollzeittätigkeit entsprechen. Insgesamt hat der Beigeladene zu 1) nur elf fortlaufend nummerierte Rechnungen an andere Auftraggeber vorgelegt, die aus dem Zeitraum Juli 2008 bis Mai 2010 datieren. Hieraus lässt sich erkennen, dass parallel zur geringer werdenden Tätigkeit für die Klägerin auch die sonstigen Tätigkeiten abgenommen haben (Umsatz 2008 ab Juli: 2.211 EUR, 2009: 4.305,80 EUR, 2010: 2.100 EUR). Hierbei ist anzumerken, dass der Beigeladene zu 1) bei Anmeldung des Gewerbebetriebs im Juli 2008 bereits im 61. Lebensjahr stand und eine französische Rente bezog. Anlässlich der Terminsladung durch das SG im September 2015 stellte sich heraus, dass der Beigeladene zu 1) inzwischen in einer Obdachlosenunterkunft lebte und einen gesetzlichen Betreuer hat. Vom erfolgreichen Aufbau einer selbstständigen Existenz kann somit sicher nicht ausgegangen werden.

Der Beigeladene zu 1) hat für die Klägerin im hier streitigen Zeitraum verschiedene Tätigkeiten (Malerarbeiten, Fassadenstriche, Estricharbeiten etc) durchgeführt, die nicht nur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, sondern grundsätzlich auch in nichtabhängiger Beschäftigung getätigt werden können. Für die Statusabgrenzung ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht entscheidend, an wie vielen verschiedenen Vorhaben der Betreffende teilgenommen hat und ob er auch für andere Auftraggeber tätig ist bzw war (BAG 09.10.2002, 5 AzR 405/01, juris Rn 23). Erforderlich ist auch im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Es ist daher allein auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin abzustellen und nicht auf die daneben im streitigen Zeitraum ebenfalls ausgeübte Tätigkeit für andere Handwerksbetriebe oder Auftraggeber.

Mit Blick auf die vertraglichen Verhältnisse ist festzustellen, dass der geschlossene Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) zu keinem Zeitpunkt tatsächlich gelebt worden ist. Dies beginnt schon damit, dass die nach dem Rahmenvertrag abzuschließenden Einzelwerkverträge (§ 1 Abs 1 Satz 2, § 5 Abs 1) tatsächlich nie geschlossen worden sind, wie die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.2012 ausdrücklich bestätigt hat. Auch wurden dem Beigeladenen zu 1) entgegen der Regelung in § 6 Abs 4 Satz 3 des Rahmenvertrags Werkzeug und Fahrzeuge zur Ausführung der Arbeiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Schließlich ist der Senat davon überzeugt, dass entgegen § 6 Abs 1 des Rahmenvertrags dem Beigeladenen zu 1) sehr wohl auch Weisungen erteilt worden sind. Der Beigeladene zu 1) hat von Anfang an angegeben, dass sein Einsatzort von der Klägerin ohne seine Zustimmung geändert werden konnte. Dies hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt bestritten. Entscheidend ist jedoch, dass aufgrund der unklaren Vorgaben die Tätigkeit ohne tatsächliche Weisungen an den Beigeladenen zu 1) gar nicht ausgeübt werden konnte.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein gewichtiges Indiz für eine abhängige Beschäftigung der Umstand, dass der Vertragsgegenstand derart unbestimmt ist, dass er erst durch weitere Vorgaben konkretisiert werden muss (Senatsurteile vom 14.02.2012, L 11 KR 3007/11, NZS 2012, 667; 14.10.2013, L 11 R 4625/12; 22.07.2014, L 11 R 3128/13). Dies ist auch hier der Fall. Nach dem zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossenen Rahmenvertrag vom 01.07.2008 sollte die detaillierte Aufgabenstellung, die "jeweilige Spezifikation der Leistung nach Art und Umfang" in gesonderten Einzelvereinbarungen (§ 1 Abs 1 des Rahmenvertrags) festgelegt werden. Derartige Einzelwerkverträge wurden jedoch nie geschlossen. Der konkrete Inhalt des Auftrags wurde dem Beigeladenen zu 1) von der Klägerin nach deren mit dem jeweiligen Endkunden getroffenen Vereinbarungen vorgegeben, ohne dass der Beigeladene zu 1) hierauf Einfluss nehmen konnte (§ 2 Abs 1 des Rahmenvertrages). Eine derartige Konkretisierung ist im Rahmenvertrag vom 01.07.2008, der auch keine Vertragslaufzeit enthält, nicht erfolgt, vielmehr ist die Aufgabenstellung lediglich abstrakt und grob umrissen. Mit dieser Leistungsbeschreibung allein ließe sich kaum eine Erfolgskontrolle der erbrachten Leistungen durchführen, wie es bei einem Werkvertrag erforderlich wäre. Die tatsächlich geschuldete Leistung des Beigeladenen zu 1) ist erst durch Weisungen des Klägerin konkretisiert worden, so dass eine Weisungsabhängigkeit vorliegt, die regelmäßig ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründet (Senatsurteil 14.02.2012, aaO, mwN). Dem steht nicht entgegen, dass das Weisungsrecht insbesondere bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert" sein kann, wenn der Beschäftigte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 19). Selbst wenn der Beigeladene zu 1) in der Einteilung seiner Arbeitszeit frei gewesen sein sollte, was seinen Angaben im Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung widerspricht, stünde dies einer Eingliederung in den Betriebsablauf nicht entgegen, da derartige Freiheiten auch bei abhängig Beschäftigten heutzutage nicht unüblich sind. Gegenüber der Klägerin hat sich der Beigeladene zu 1) im Ergebnis lediglich dazu verpflichtet, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und eine Leistung zu erbringen, die im Rahmen einer von der Klägerin gegenüber einem Dritten, nämlich ihrem Auftraggeber (Endkunden, Bauherren), geschuldeten Werk erforderlich war. Der Beigeladene zu 1) war damit in die von der Klägerin geschuldete Auftragserledigung eingebunden. Die Auftraggeber der Klägerin konnten den Beigeladenen zu 1) nicht anweisen, denn sie waren ihm gegenüber mangels Vertrag dazu nicht berechtigt. Vielmehr mussten diese zunächst die Klägerin anweisen, die wiederum - nun entgegen § 6 Abs 1 Satz 3 des Rahmenvertrages - den Beigeladenen zu 1) anweisen musste. Daraus schließt der Senat, dass ein Ausschluss des Weisungsrechts nicht ernsthaft gewollt und durchsetzbar war. Auch wird daraus deutlich, dass der den Beigeladene zu 1) in die Arbeitsstruktur der Klägerin eingegliedert war (so bereits Senatsurteil vom 22.07.2014, aaO).

Zwar war der Beigeladene zu 1) sowohl nach dem Rahmenvertrages als auch dem übereinstimmenden Vorbringen der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) nicht verpflichtet, die ihm von der Klägerin zugedachten Aufträge anzunehmen. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angesehen werden, weil damit der Beigeladene zu 1) über den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmte. Doch sind ebenso im Rahmen abhängiger Beschäftigung Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Beschäftigten überlassen, wie er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er eine Anfrage ablehnt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12). In Abruf- oder Aushilfsbeschäftigungsverhältnissen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen, beispielsweise bei Erkrankung und Ausfall von Mitarbeitern, lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Anfrage abzulehnen. Eine derartige Vereinbarung kann auch arbeitsrechtlich zulässig sein. Dabei handelt es sich dann idR nicht um eine Arbeit auf Abruf iSd § 12 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG), sondern um auf den jeweiligen Einsatz bezogene Einzelarbeitsverträge (Ein-Tages-Arbeitsverhältnisse). Nach der Rspr des BAG sind die Arbeitsvertragsparteien nicht gezwungen, statt Einzelarbeitsverträgen ein Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG zu begründen. Auch kann der Arbeitnehmer ein Interesse an einer solchen Vertragskonstruktion haben; denn er kann dadurch über seine Zeit frei verfügen und läuft nicht Gefahr, dass seine anderweitigen Dispositionen und Verpflichtungen mit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung kollidieren (BAG 16.05.2012, 5 AZR 268/11, BAGE 141, 348). Derartige Einzelarbeitsverträge können auch in Kombination mit einem Rahmenvertrag vereinbart werden. Ob Dienstleistungen, die auf diese Weise über einen längeren Zeitraum erbracht werden, zu einem einheitlichen Abrufarbeitsverhältnis führen, bedarf hier keiner Entscheidung. Wird die Anfrage angenommen, so wird die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt und stellt die Tätigkeit nicht allein wegen der vorhandenen Ablehnungsmöglichkeiten eine selbständige Tätigkeit dar. Wenn der Beigeladene zu 1) den Auftrag angenommen hatte, musste er auftragsgemäß handeln; mit der Annahme eines Auftrags war er auch zeitlich und örtlich gebunden. Im Übrigen ist bei der Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV vorliegt, unbeachtlich, ob die konkrete Vertragsgestaltung arbeitsrechtlich zulässig ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt die Möglichkeit, Aufträge nach freiem Entschluss anzunehmen oder abzulehnen daher nicht zwingend zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit.

Für eine selbstständige Tätigkeit spricht, dass der Beigeladene zu 1) - nach vorheriger Anzeige bei der Klägerin (vgl § 6 Abs 1 des Rahmenvertrags) - qualifizierte Mitarbeiter einsetzen durfte. Dies ist ein Indiz für selbstständige Tätigkeit, da bei einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis die persönliche Leistungserbringung gefordert wird (vgl BSG 17.12.2014, B 12 R 13/13 R, SozR 4-2400 § 28p Nr 4). Da der Beigeladene zu 1) jedoch weder Arbeitnehmer beschäftigt noch Subunternehmer eingesetzt, sondern die Leistung stets höchstpersönlich erbracht hat, misst der Senat diesem Indiz keine entscheidende Bedeutung zu.

Schließlich liegt auch ein maßgebliches Unternehmerrisiko des Beigeladenen zu 1) nicht vor. Zwar musste der Beigeladene zu 1) grundsätzlich sein eigenes Werkzeug einsetzen. Entgegen der Vereinbarung in § 6 Abs 4 Satz 3 des Rahmenvertrags stellte ihm die Klägerin jedoch größere Werkzeuge und Fahrzeuge mit Anhänger soweit notwendig kostenfrei zur Verfügung. Für eine selbstständige Tätigkeit könnte die Art der Vergütung ab Oktober 2008 sprechen, sofern sie tatsächlich nach Pauschalpreisen erfolgt ist und es somit dem Kläger möglich war, durch schnelle Arbeit seinen Verdienst zu erhöhen, er bei längerem Zeitaufwand aber auch das Risiko trug, seinen Arbeitseinsatz geringer entlohnt zu erhalten. Die vorliegenden Rechnungen des Beigeladenen zu 1) an die Klägerin ab Oktober 2008 lassen nur Endbeträge für die jeweiligen Bauvorhaben erkennen, ohne dass ersichtlich wäre, wie diese sich zusammensetzen und für welche konkreten Arbeiten sie gefordert werden. Fest steht, dass der Beigeladene zu 1) tatsächlich im gesamten streitigen Zeitraum Stundenaufzeichnungen für die Klägerin geführt hat. Dies hat der Geschäftsführer der Klägerin im Erörterungstermin vor dem SG am 03.12.2012 (S 2 R 3184/11) ausdrücklich bestätigt. Angebote der Klägerin an den Beigeladenen zu 1) über Pauschalpreise (Bl 28 ff Akte S 2 R 3184/11) wurden im Rahmen der Betriebsprüfung nicht gefunden, sondern erst im Rahmen des Klageverfahrens vorgelegt. Auf Nachfrage des Vertreters der Beklagten im Termin am 03.12.2012, warum derartige Anfrageschreiben bei der Betriebsprüfung nicht gefunden worden seien, konnte keine Erklärung gegeben werden. Letztlich kann jedoch offen bleiben, ob die Handhabung tatsächlich entsprechend der vorgelegten Pauschalvereinbarungen erfolgte, denn selbst wenn dies als zutreffend unterstellt wird, ergibt sich daraus keine andere Beurteilung. Die von der Klägerin dem Beigeladenen zu 1) gemachten Angebote enthalten zwar Pauschalpreise. Die Beschreibungen der durchzuführenden Arbeiten - Vollwärmeschutzarbeiten beim Bauvorhaben x, Außenanstricharbeiten beim Bauvorhaben y usw - sind jedoch ebenfalls derart unbestimmt, dass die Annahme eines Werkvertrages nicht in Betracht kommt. Insgesamt hatte der Beigeladene zu 1) wenig unternehmerischen Spielraum. Letztlich beliefen sich die unternehmerischen Chancen und Risiken darauf, mit eigenem Werkzeug und unter Einsatz der eigenen Arbeitskraft Einkommen zu erzielen. Das Risiko, für den Einsatz von Arbeitskraft aber kein Entgelt zu erhalten, ist aber gerade kein typisches Unternehmer-, sondern ein typisches Arbeitnehmerrisiko. Auch der Einsatz vorhandenen, eigenen Werkzeuges birgt insoweit kein erhebliches unternehmerisches Risiko.

In der Gesamtschau überwiegen daher angesichts der deutlichen Eingliederung in den Betriebsablauf der Klägerin die Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Der Umstand, dass der Beigeladene zu 1) ausschließlich im Kerngeschäft der Klägerin statt eines gewöhnlichen Mitarbeiters eingesetzt war, dass er kein wesentliches unternehmerisches Risiko trug, dass er letztlich dem Weisungsrecht der Klägerin unterlag, wiegt schwerer als die Umstände, die gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Der Beigeladene zu 1) ist auch nicht hauptberuflich selbstständig tätig, was der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung entgegen stünde (§ 5 Abs 5 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 1 SGB XI). Eine selbstständige Tätigkeit ist hauptberuflich, wenn sie vom Umfang her die sonstigen Erwerbstätigkeiten deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Angesichts der bis Oktober 2010 sogar in Vollzeit für die Klägerin ausgeübten und auch danach noch überwiegenden Tätigkeit für die Klägerin, kann von einer anderweitigen hauptberuflich selbstständig ausgeübten Tätigkeit nicht ausgegangen werden.

Auch die Festsetzung der Säumniszuschläge auf Grundlage des § 24 Abs 2 SGB IV ist zutreffend erfolgt und nicht zu beanstanden. Denn die Berechtigung, rückwirkend Säumniszuschläge zu erheben, beruht auf der vom Gesetzgeber implizit angestellten Vermutung, dass der Beitragsverpflichtete den Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt seiner konkreten Verpflichtung kennt und deshalb für Rückstände verantwortlich ist, so dass insoweit grundsätzlich kein Vertrauensschutz in Frage kommt (vgl Seewald, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB IV, § 24 RdNr 13). Säumniszuschläge sind nach § 24 Abs 2 SGB IV nur dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (vgl Schlegel in Küttner, Personalhandbuch 2011, Stichwort "Säumniszuschlag/Sozialversicherungsrecht" RdNr 16). Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist nicht auf diejenigen Maßstäbe zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes iSd § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (so aber BSG 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 7). Vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass die Person mit "Wissen" und "Wollen" gehandelt hat, wobei das "Wollen" darauf beschränkt sein kann, dass der (rechtswidrige) Erfolg eines Tuns oder Unterlassens (hier: Nichtabführung von Beiträgen) billigend in Kauf genommen wird. Das Gesetz stellt in § 24 Abs 2 SGB IV nur auf die fehlende Kenntnis einer Rechtspflicht (Zahlungspflicht) ab. Dies betrifft einen den Vorsatz ohnedies nicht berührenden Subsumtionsirrtum, der in strafrechtlicher Hinsicht allenfalls geeignet wäre, einen durch Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV vermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (BGH 07.10.2009, 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337). Dieser Gesichtspunkt lässt sich auch auf die Regelung in § 24 Abs 2 SGB IV übertragen. Die Vorschrift dient lediglich der Vermeidung unbilliger Härten (BSG 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92,150). Maßgebend ist deshalb auch im Fall des § 24 Abs 2 SGB IV nur, ob die Unkenntnis des Beitragsschuldners von der Zahlungspflicht vermeidbar war. Davon ist hier auszugehen. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, sich über ein Verfahren nach § 7a SGB IV oder eine Anfrage bei der Einzugsstelle (§ 28 h SGB IV) die erforderliche Kenntnis zu verschaffen (ebenso Senatsurteil vom 20.10.2015, L 11 R 3898/14, juris).

Hinsichtlich der Höhe der Beitragsforderung ist jedoch insoweit eine Korrektur vorzunehmen, als lediglich das im Juli 2011 tatsächlich erzielte Entgelt iHv 1.601,75 EUR verbeitragt werden kann. Im Bescheid vom 03.12.2012 ist die Regelung enthalten, dass für den Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum 01. bis 31.07.2011 Beiträge und Umlagen iHv 7.823,56 EUR festgesetzt werden auf der Grundlage von Entgelt iHv 17.307,67 EUR (Kranken- und Pflegeversicherung) bzw 19.267,42 EUR (Rentenversicherung, Arbeitsförderung und Umlagen). Richtigerweise hätte dieses Entgelt für den Zeitraum 01.02. bis 31.07.2011 berücksichtigt werden müssen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sieht der Senat in der falschen Angabe des Zeitraums keine offenbare Unrichtigkeit iSv § 38 SGB X, so dass nur das tatsächlich im Juli 2011 auch erzielte Entgelt verbeitragt werden kann.

Nach § 38 Satz 1 SGB X kann die Behörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigen. Offenbare Unrichtigkeiten ziehen nicht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nach sich, da die Berichtigung idR nur Klarstellungsfunktion hat. Der Verwaltungsakt gilt vielmehr mit dem wirklich gewollten Inhalt (Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, § 38 RdNr 3a). Hier liegt ein Fehler im Verfügungssatz vor, denn der Bescheid vom 03.12.2012 regelt (ua) die Beitragserhebung nur für Juli 2011, nicht – wie es zutreffend wäre – für Februar bis Juli 2011. Die Berichtigung nach § 38 SGB X kommt nur bei Fehlern im Ausdruck des Willens, nicht aber bei Fehlern in der Willensbildung in Betracht. Ausgeschlossen ist eine Korrektur nach dieser Vorschrift daher bei materiellen Fehlern, wie Denkfehlern, Ermessensfehlern, Rechtsirrtümern, fehlerhafter Tatsachenfeststellung, -würdigung oder Rechtsanwendung. Schon die Möglichkeit von Mängeln in der Willensbildung begründet eine Anwendungssperre des § 38 SGB X (BSG 19.01.1966, 11/1 RA 344/62, BSGE 24, 203 = SozR Nr 50 zu § 77 SGG; Bundesfinanzhof (BFH) 08.03.1989, X R 116/87, BFHE 156, 59; Leopold in juris-PK, SGB X, § 38 RdNr 31).

Im konkreten Fall kommt das Vorliegen eines Übertragungsfehlers als sonstige Unrichtigkeit iS von Schreib- und Rechenfehlern vergleichbaren Unrichtigkeiten in Betracht. Hierfür spricht, dass in der handschriftlichen Aufstellung (Blatt 33 Prüferakte) die Zuordnung der Entgelte im Jahr 2011 korrekt dargestellt ist. In der Anhörung wie nachfolgend im Bescheid erfolgte dann jedoch eine falsche Zuordnung des Zeitraums. Ob bei dieser Konstellation die Möglichkeit einer fehlerhaften Würdigung des Sachverhalts im Rahmen der Bescheiderteilung ausgeschlossen werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls lag keine offenbare Unrichtigkeit vor. Als offenbar ist eine Unrichtigkeit dann anzusehen, wenn sie sich aus dem Verwaltungsakt selbst, den Umständen der Verkündung oder aus den sonstigen, den Beteiligten bekannten Umständen ohne Weiteres und unschwer ergibt (BSG 19.01.1966, aa0; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) 23.10.1985, 7 B 193/85, NVwZ 1986, 198), die Unrichtigkeit muss "ins Auge springen" (Engelmann, aaO RdNr 6; Mutschler in Kasseler Kommentar, SGB X, § 38 RdNr 6). Abzustellen ist dabei auf den Horizont einer verständigen, dh sachkundigen außen stehenden Person (BSG 31.05.1990, 8 RKn 22/88, SozR 3-1300 § 38 Nr 1). Maßgebend ist daher nicht die individuelle Erkenntnisfähigkeit des Bescheidempfängers, sondern die Sicht eines objektiv Außenstehenden mit dem Sonderwissen des Empfängers (Littmann in Hauck/Noftz, SGB X, § 38 RdNr 13). Es kommt daher nicht darauf an, dass die Klägerin tatsächlich den Fehler nicht erkannt hat, wie sich aus ihrem Schreiben vom 30.12.2012 an die Beklagte ergibt (Blatt 49 Verwaltungsakte). Dort hatte sie (wohl auf der Grundlage der Anhörungsmitteilung) sogar argumentiert, dass der Beigeladene zu 1) nur in einzelnen Monaten gearbeitet habe (10/2010, 7/2011 und 12/2011) und im Oktober 2010 ein Entgelt von über 34.000 EUR erzielt habe, das noch nicht einmal der Geschäftsführer der Klägerin verdiene. Bei Lektüre des Bescheids vom 03.12.2012 fällt allenfalls auf, dass für Juli 2011 ein Entgelt jenseits der Bemessungsgrenze verbeitragt wurde. Ob jedoch lediglich die Höhe falsch ist oder Zeitraum, erschließt sich aus dem Bescheid selbst nicht. Das Datum des Beginns 01.07.2011 ist als solches nicht aus sich heraus als falsch erkennbar (vgl Leopold, aaO, RdNr 37.1). Da der Beigeladene zu 1) über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren auch mit Unterbrechungen für die Klägerin tätig war, ist auch aus der Sicht eines verständigen Dritten nicht ohne Weiteres erkennbar, dass das genannte Entgelt auf den Zeitraum 01.02. bis 31.07.2011 zu beziehen ist. Die wirklich gewollte Regelung "scheint nicht hindurch" (vgl Thelen, DAngVers 1983, 229, 230; Littmann, aaO, RdNr 12). Eine extensivere Auslegung des § 38 SGB X und damit weitergehende Korrekturmöglichkeiten jenseits des Verfahrens der §§ 44 SGB X würde im konkreten Fall auch das Vertrauen des Adressaten in die Richtigkeit des verwaltungsbehördlichen Handelns außer Acht lassen.

Aus der Berechnung der Beiträge für Juli 2011 auf der Grundlage eines Entgelts iHv 1.601,75 EUR ergibt sich eine Ermäßigung der gesamten Beitragsforderung auf 38.273,43 EUR und dem folgend eine Ermäßigung der Säumniszuschläge auf 10.229 EUR. Insoweit nimmt der Senat auf die Berechnung der Beklagten vom 01.06.2016 Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 1 Abs 2 Nr 3, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers wie vorliegend eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 S 1 GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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