Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 VG 1463/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4513/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufungsverfahren L 6 VG 4513/15 und L 6 VG 4522/15 werden unter dem Aktenzeichen L 6 VG 4513/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2015 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Anerkennung mehrerer schädigender Ereignisse im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie weiterer Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge eines dieser oder der mehreren Ereignisse. Hinsichtlich einer behaupteten Vergewaltigung im Januar 1995 handelt es sich um ein Überprüfungsverfahren, hinsichtlich geltend gemachter Falschbehandlungen in einem Krankenhaus in den Jahren 1999 und 2004/2005 um einen Erst¬antrag.
Die Klägerin ist im April 1972 in N. in der ehemaligen Sowjetunion (heute Russische Föderation) geboren. Sie siedelte etwa mit 17 Jahren mit ihren Eltern und zwei Schwestern in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie wiederholte die Abiturprüfung und nahm ein Studium der Betriebswirtschaft auf. Dieses brach sie nach Auslaufen der Ausbildungsförderung ohne Abschluss ab. Seit etwa dem Jahre 2000 lebt die Klägerin in einer Sozialwohnung und bezieht Sozialhilfe bzw. seit 2005 Arbeitslosengeld II. Den Tag verbringt sie mit Lesen, Handarbeiten und Spaziergängen. Eine Partnerschaft besteht nicht, die Kontakte zu den Verwandten sind stark eingeschränkt (Angabe der Klägerin nach dem Bericht des Klinikums E. vom 7. August 2015 und im Schriftsatz vom 5. Januar 2015).
Am 27. Mai 1997 erstattete die Klägerin bei der Polizei Strafanzeige, zunächst gegen Unbekannt. Sie sei im Januar 1995, vermutlich zwischen dem 3. und 5. Januar 1995, während eines Urlaubsaufenthalts in der Wohnung ihrer Eltern in einer Gemeinde im Schwarzwald von schätzungsweise 10 unbekannten Männern aufgesucht worden. Sie sei ins Schlafzimmer gedrängt und aufgefordert worden, sich auszuziehen. Gegen ihren Willen habe man ihren Bademantel hochgeschoben, den Slip ausgezogen und sie an der Scheide manipuliert. Im weiteren Verlauf seien weitere Männer durch die geöffnete Terrassentür gekommen, darunter der "Chef" der Gruppe. Möglicherweise seien auch Frauen dabei gewesen. Die Gruppe habe sich noch einige Zeit in der Wohnung aufgehalten und sich unterhalten, entweder auf Deutsch oder in einer Sprache, die sie nicht verstanden habe. Später habe sie den Männern gesagt, sie habe die Polizei gerufen. Im Zusammenhang mit dieser Aussage sei die Gruppe gegangen. Ihren Eltern oder anderen Personen habe sie von dem Vorfall nichts erzählt, weil man sie schon im Vorfeld des Vorfalls mit Telefonanrufen in ihrer Wohnung in S. unter Druck gesetzt worden sei. Im weiteren Verlauf teilte die Klägerin der Polizei mit, sie glaube mittlerweile, einige der Männer zu kennen. Sie habe zumindest einen der Männer in einer Vorlesung an der Universität wiedererkannt, einen anderen habe sie vor dem Vorfall in dem Studentenwohnheim gesehen, in dem sie gewohnt habe. Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin gegen zwei namentlich benannte Männer geführt.
Im Juni 1997 vernahm die Polizei diese beiden Männer informatorisch. Beide bestritten, die Klägerin zu kennen und jemals in dem fraglichen Ort im Schwarzwald gewesen zu sein. Beide Männer boten für den Jahreswechsel 1994/1995 Alibi auf, der eine den Besuch einer befreundeten Familie, der andere einen Aufenthalt in Russland. Beide Angaben wurden belegt (Aussage eines der Besucher, Ein- und Ausreisestempel im Pass).
Der Vater der Klägerin teilte bei seiner Vernehmung als Zeuge am 9. Juli 1997 mit, er und seine Frau hätten nichts von einem solchen Vorfall bemerkt. Die Klägerin habe ihnen vor wenigen Wochen davon erzählt. Sie glaubten ihr nicht. Sie hätten den Eindruck, die Klägerin fantasiere sich Sachen zusammen bzw. leide an Wahnvorstellungen. Sie sei in dem Studium überfordert und befinde sich augenscheinlich in ärztlicher Behandlung, wegen welcher Diagnose wisse er nicht. Ferner vernahm die Polizei den Eigentümer des Hauses in der Schwarzwaldgemeinde, in dem der Vorfall stattgefunden haben soll. Dieser teilte mit, seine Familie und er seien über den Jahreswechsel 1994/1995 ebenfalls in dem Haus gewesen und hätten nichts bemerkt. Abschließend überprüfte die Polizei die genannte Wohnung, konnte aber keine taterhärtenden Feststellungen treffen. Auch gestützt auf diese Angaben des Vaters äußerte der Ermittlungsführer im Abschlussbericht "erhebliche Zweifel" am Wahrheitsgehalt der Angaben der Klägerin und führte aus, nach seinem Eindruck aus den Vernehmungen beständen psychische Probleme. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat und falscher Verdächtigung gegen die Klägerin eingeleitet.
Am 21. August 1997 stellte die Staatsanwaltschaft Konstanz die Ermittlungsverfahren (32 Js 339/97) gegen die beiden beschuldigten Männer sowie jenes gegen die Klägerin ein, weil jeweils kein hinreichender Tatverdacht bestehe. Die Angaben der Klägerin zu der sexuellen Nötigung seien absolut lebensfremd. Zwischenzeitlich habe diese auch angegeben, sie sei sich selbst nicht sicher, ob die Tat stattgefunden habe. Während der Ermittlungen habe sie von weiteren ähnlich lebensfremden und nicht nachvollziehbaren Geschehnissen in ihrem Stuttgarter Studentenwohnheim berichtet. Die Klägerin habe aber auch nicht vorsätzlich falsch verdächtigt. Vielmehr beständen Wahnvorstellungen, sodass der Vorsatz bzw. die Schuldfähigkeit auszuschließen seien.
Am 17. Juni 1997 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Versorgung nach dem OEG. Sie machte dort ähnliche Angaben wie gegenüber der Polizei. Der Beklagte versuchte erfolglos, Vorerkrankungsverzeichnisse von der Krankenkasse der Klägerin beizuziehen. Der Beklagte wies darauf hin, er wolle das laufende Ermittlungsverfahren abwarten. Die Klägerin erklärte zunächst am 28. Juli 1997 telefonisch und sodann am 2. November 1997 schriftlich, sie sei an dem Antrag nicht mehr interessiert. Daraufhin wurde das Verwaltungsverfahren eingestellt.
Vom 16. März 1999 bis zum 16. April 1999 befand sich die Klägerin auf Grund richterlicher Einweisung im B.hospital S. Nach dem dortigen Entlassungsbericht vom 21. Mai 1999 war die Klägerin bei Zustand nach Tablettenintoxikation und weiterhin bestehender Suizidalität aufgenommen worden. Als Grund für die Einnahme von ca. 120 Schlaftabletten habe sie angegeben, sie habe zu wenig Geld, spreche schlecht deutsch, die Eltern hätten nur die beiden Schwestern unterstützt, Kommilitonen beschimpften und schubsten sie, sie werde als Aussiedlerin diskriminiert, auch in ihrem Wohnheim werde sie gehänselt und schikaniert, die Polizei schenke ihr keinen Glauben. Als Diagnose nannte das B.hospital einen Verdacht auf eine blande Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und einen Zustand nach akuter Belastungssituation. Da die Klägerin anfangs nicht zu einer Therapie bereit gewesen sei, sei sie richterlich für vier Wochen untergebracht worden. Sie sei mit Taxilan und später mit Haldol behandelt worden, der Zustand habe sich gebessert und dies habe intensiv an der psychologischen Behandlung teilnehmen können. Sie habe aber keine tiefergehende Einsicht in die psychopathologische Dynamik gewinnen können. Sie sei daher nach Ablauf der Unterbringung trotz mehrerer Gespräche über die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung auf eigenen Wunsch entlassen worden.
Am 10. Januar 2000 beantragte die Klägerin erneut Beschädigtenversorgung. Sie sei von Oktober 1994 bis April 1995 durch Telefonanrufe unbekannter Personen belästigt worden. In der Zeit vom 2. bis zum 9. Januar 1995 sei sie mehrfach überfallen und vergewaltigt worden. Sexuelle Belästigungen und Schläge durch Studenten hätten bis August 1995 angedauert. Im Oktober 1995 hätten sie mehrere Täter beraubt. Seit 1996 werde sie im B.hospital S. wegen psychischer Beschwerden behandelt. Der Beklagte zog die Ermittlungsakte zu der Anzeige vom 27. Mai 1997 bei. Die Krankenkasse der Klägerin teilte kurze Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen "Neurosen, nicht näher bezeichnet" im August 1997 und für 1999 mit. Mit Bescheid vom 16. August 2000 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG sei nicht nachgewiesen.
Am 29. Dezember 2003 beantragte die Klägerin erstmals die Überprüfung des Ablehnungsbescheids und erneut Beschädigtenversorgung. Sie teilte mit, offenbar wolle niemand den Vorfall im Januar 1995 aufklären. Es gebe eine Schlamperei bei den Ermittlungen, unter anderem sei kein psychologisches Gutachten über sie eingeholt worden, ferner sei ihr Vater ohne Dolmetscher vernommen worden. Mit Bescheid vom 14. Januar 2004 lehnte der Beklagte eine Rücknahme des Bescheids vom 16. August 2000 ab. Den auch auf Nachfrage nicht begründeten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2005 zurück.
Nach den späteren Angaben der Klägerin fanden in den Jahren 2004 und 2005 weitere Behandlungen im B.hospital S. statt, in die sie sich freiwillig begab.
Einen weiteren Überprüfungs- und Versorgungsantrag der Klägerin vom 27. Juli 2007, der nicht weitergehend begründet wurde, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 ab.
Die in diesem Verfahren streitigen Anträge stellte die Klägerin am 28. Mai 2014. Sie hob zum einen erneut auf die Vorfälle der Jahre 1994 und 1995 ab. Sie trug vor, sie habe in Folge jener Schädigungen einen Gedächtnisverlust erlitten, der unmittelbar nach der Tat begonnen und über Jahre angedauert habe. Sie sei dann psychisch krank geworden und habe ihr Studium abbrechen müssen. Zum anderen führte die Klägerin aus, auch die Behandlungen im B.hospital in den Jahren 1999 und 2004/2005 seien als weitere, selbstständige Schädigungen anzusehen. Nach ihrer Einlieferung 1999 sei im B.hospital alles schiefgelaufen. Unter anderem hätten die Ärzte fälschlicherweise eine Schizophrenie diagnostiziert und sie gegen ihren Willen behandelt. 2004 sei sie auf den Rat ihrer damaligen Ärztin M. R. wiederum in das B.hospital gegangen. Diese Therapie sei nicht derart grauenerregend gewesen wie jene im Jahre 1999. Sie habe dort viele Medikamente schlucken müssen und viele seelische Kränkungen erlitten. Auf Grund aller Schädigungen leide sie an psychischen Erkrankungen, ferner habe sie seit 2007 Rückenschmerzen. Die Klägerin legte den genannten Entlassungsbericht des B.hospitals vom 21. Mai 1999 vor.
Mit Bescheid vom 20. August 2014 lehnte der Beklagte – erneut – die Rücknahme des Bescheids vom 16. August 2000 und eine Beschädigtenversorgung wegen einer sexuellen Nötigung Anfang 1995 ab. Neue Gesichtspunkte seien nicht vorgebracht worden.
Mit weiterem Bescheid vom 21. August 2014 lehnte der Beklagte eine Beschädigtenversorgung wegen der Behandlungen im B.hospital in den Jahren 1999 und 2004/2005 ab. Ein rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG setze eine feindliche Willensrichtung voraus, die hier fehle.
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug vor, sie sei auf Grund des schweren psychischen Traumas nicht in der Lage gewesen, sich an die Vergewaltigung zu erinnern. Sie leide an den typischen Symptomen einer PTBS, weshalb ihr grundlos Leistungen verweigert würden.
Der Beklagte erließ die zurückweisenden Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2015 (wegen der sexuellen Nötigung 1995) und vom 9. Februar 2015 (wegen der Krankenhausaufenthalte). Er hielt an den Begründungen der Ablehnungsbescheide fest.
In beiden Komplexen hat die Klägerin am 6. März 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat die Verfahren getrennt geführt (S 26 VG 1463/15 und S 26 VG 1464/15). Die Klägerin hat ihre Ausführungen zu der angeschuldigten sexuellen Nötigung im Jahre 1995 vertieft. Zu den Krankenhausbehandlungen hat sie ausgeführt, es liege eine Falschbehandlung darin, dass keine PTBS behandelt worden sei. Vorsätzlich sei eine Schizophrenie unterstellt worden, die schon deswegen nicht habe diagnostiziert werden können, weil ihre Wahrscheinlichkeit verschwindend gering sei. Selbst wenn die Behandlung im Krankenhaus nicht selbst eine Schädigung darstelle, so sei sie doch Folge des Traumas aus dem Jahre 1995 und müsse daher bei der Bestimmung des daraus folgenden Grades der Schädigungsfolgen (GdS) berücksichtigt werden.
Nachdem die Klägerin am 10. September 2015 mitgeteilt hat, sie werde psychiatrisch behandelt, hat das SG die Behandlerin, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie A., schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen. Diese hat am 14. September 2015 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe eine PTBS, differenzialdiagnostisch ("DD") eine Persönlichkeitsstörung. Die Symptomatik sei anamnestisch 20 Jahre zurückzuverfolgen. Eine stationäre Behandlung sei geplant, dazu hätten bereits Vorgespräche in mehreren Kliniken stattgefunden. Frau A. hat hierzu die Berichte über diese Gespräche aus dem Klinikum E. vom 7. August 2015 und aus der Akutklinik für Psychosomatik Dr. R. in C. vom 25. August 2015 vorgelegt.
Das SG hat die Klägerin in mündlicher Verhandlung zu allen angeschuldigten Vorfällen persönlich angehört. Sie hat dort unter anderem angegeben, die Männer seien im Januar 1995 an mehreren Tagen in die Wohnung gekommen. Sie habe damals auch ihren Eltern davon berichtet. Es sei zu einer Vergewaltigung gekommen, die sie sofort vergessen habe. Erst Jahre später seien Erinnerungen bruchstückhaft wiedergekommen. Bei der Strafanzeige 1997 sei sie sich noch nicht sicher gewesen, dass es diese Vergewaltigung gegeben habe, die sichere Erinnerung sei erst später entstanden. Wegen der weiteren Angaben der Klägerin wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des SG vom 22. September 2015 verwiesen.
Mit Urteilen vom selben Tage hat das SG beide Klagen abgewiesen.
In dem Verfahren S 26 VG 1463/15 hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 16. August 2000 und auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung bestehe nicht. Hinsichtlich der angeschuldigten Vergewaltigung reiche zwar nach § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) eine bloße Glaubhaftmachung aus. Hierzu müsse nur die gute Möglichkeit bestehen, dass die Schädigung stattgefunden habe. Auch von einer solchen guten Möglichkeit sei hier jedoch nicht auszugehen. Die Angaben der Klägerin seien nicht glaubhaft. Anfangs habe sie eine Bedrängung angegeben und sei sich nicht sicher gewesen, ob der Vorfall stattgefunden habe. Bereits ihre damaligen Aussagen seien vage und wirr gewesen, so zu der heiteren Stimmung der Männer. Die damals angeschuldigten Männer hätten nicht mit einer Tat in Verbindung gebracht werden können. Die spätere Erinnerung an eine Vergewaltigung sei ebenfalls nicht glaubhaft. Die Klägerin könne keine konkreten Umstände angeben. Nach wie vor seien die Angaben vage und wirr. So meine die Klägerin jetzt, die Männer seien mehrfach gekommen, obwohl sie beim ersten Male aus Furcht vor der Polizei gegangen seien.
In dem Urteil in dem Verfahren S 26 VG 1464/15 hat das SG ausgeführt, zwar könne in einer ärztlichen Behandlung grundsätzlich ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG liegen. Dies setzte jedoch voraus, dass die Behandlung als Körperverletzung strafbar sei und außerdem eine feindliche Willensrichtung und nicht der Wunsch zu behandeln und zu helfen vorliege. Eine solche Behandlung habe die Klägerin nicht angegeben. Ihre Aussagen, es sei falsch diagnostiziert und behandelt worden, blieben vage und oberflächlich; konkrete Vorfälle benenne sie nicht. Nach den vorliegenden Unterlagen gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die behandelnden Ärzte nicht von ihrem Heilauftrag hätten leiten lassen. Die Aussage, es seien Medikamente in Überdosis verabreicht worden, werde durch die Angaben über die Schlussmedikation in dem Entlassungsbericht des B.hospitals nicht bestätigt. Vor diesem Hintergrund gebe es auch hier nicht die gute Möglichkeit, dass in der Krankenhausbehandlung ein schädigendes Ereignis liege.
Gegen diese Urteile, die ihr am 2. Oktober 2015 zugestellt worden sind, hat die Klägerin am 28. Oktober 2015 Berufungen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2015 und den Bescheid vom 20. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 16. August 2000 zurückzunehmen und festzustellen, dass sie infolge eines schädigenden Ereignisses im Sinne einer Vergewaltigung im Januar 1995 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, Schlafstörungen sowie Bandscheibenschäden leidet (L 6 VG 4513/15) und
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2015 und den Bescheid vom 21. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen festzustellen, dass sie infolge schädigender Ereignisse im Sinne fehlerhafter Behandlungen im B.hospital Stuttgart in den Jahren 1999 und 2004 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, Schlafstörungen sowie Bandscheibenschäden leidet (L 6 VG 4522/15).
Der Beklagte beantragt,
beide Berufungen zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffenen Urteile und seine Entscheidungen.
Der Berichterstatter des Senats hat unter dem 13. April 2016 Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben und angekündigt, der Senat erwäge, ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss über die Berufungen zu entscheiden. Beiden Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. Mai 2016 gegeben. Die Klägerin hat hiervon Gebrauch gemacht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat verbindet beide Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Nach § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der nach § 153 Abs. 1 SGG für das Berufungsverfahren entsprechend gilt, kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten oder verschiedener Beteiligter zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten bilden, in Zusammenhang stehen oder von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. Die beiden Berufungen der Klägerin betreffen Verfahren gegen den selben Beklagten. Die geltend gemachten Ansprüche fußen auf der selben Rechtsgrundlage, außerdem stellt die Klägerin selbst einen Zusammenhang her, indem sie die Behandlungen im B.hospital – im Sinne einer Hilfserwägung – auch als Folge der vorgetragenen Vergewaltigung 1995, also als mittelbare Folge der selben Schädigung einstuft.
Der Senat entscheidet über die Berufungen nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Er hält die Berufungen einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Die Berufungen sind nach § 143 SGG statthaft, insbesondere waren sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Klägerin keine Geld-, Sach- oder Dienstleistungen, sondern behördliche Feststellungen begehrt.
Auch im Übrigen waren die Berufungen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, § 151 Abs. 1 SGG.
Jedoch sind sie, wie ausgeführt, nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen der Klägerin (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen.
Die Klagen sind zwar zulässig. Insbesondere konnte die Klägerin zulässigerweise die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung, dass bestimmte Gesundheitsstörungen Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sind, begehren (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Sie war nicht gehalten, die Gewährung konkreter Versorgungsleistungen (z. B. Heilbehandlung, Beschädigtenrente) zu begehren. Denn der Beklagte hatte mit beiden hier streitigen Bescheiden (Bescheid vom 16. August 2000 wegen der Vergewaltigung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, Bescheid vom 21. August 2014 wegen der Krankenhausbehandlungen) die Anträge der Klägerin deswegen abgelehnt, weil die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. des § 1 OEG nicht nachgewiesen seien. Über etwaige Versorgungsansprüche, die die Klägerin zu keinem Zeitpunkt konkret beantragt hatte, hat der Beklagte nicht entschieden, sodass für eine klagweise Geltendmachung kein Rechtsschutzbedürfnis bestände (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2015 - L 6 VG 1832/12 -, Juris Rn. 33). Ferner hat die Klägerin zu Recht ihre Verpflichtungsklagen auch auf die Feststellung von Gesundheitsschäden erstreckt. Eine isoliertes Feststellungsbegehren darauf, dass bestimmte schädigende Ereignisse stattgefunden hätten oder Opfer einer solchen Schädigung geworden zu sein, wäre unzulässig gewesen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, BSGE 118, 63-73, SozR 4-3800 § 1 Nr. 21, Juris Rn. 9). Ein solches isoliertes Feststellungsbegehren könnte - im Rahmen einer Klage auf gerichtliche Feststellung - weder auf § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 noch auf § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG gestützt werden; es wäre eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12 ff.). Gleiches gilt für den Antrag auf Verurteilung zu einer solchen behördlichen Feststellung.
Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Die geltend gemachten Feststellungsansprüche bestehen nicht. Die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsschädigungen können nicht im Sinne des OEG auf die geltend gemachten schädigenden Ereignisse zurückgeführt werden. Der Beklagte hat daher zu Recht die Feststellung gesundheitlicher Schäden als Folge einer Vergewaltigung im Januar 1995 (dies im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) bzw. als Folge von Krankenhausbehandlungen in den Jahren 1999 und 2004/2005 abgelehnt.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Im Rahmen des § 1 OEG wird als schädigender Vorgang ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff verlangt. Grundsätzlich ist der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung in den §§ 113, 121 Strafgesetzbuch (StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 17). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 StGB (Nötigung) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein. Dies entspricht in etwa dem strafrechtlichen Begriffsverständnis der Gewalt im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18). Je gewalttätiger die Angriffshandlung gegen eine Person nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bzw. je größer der Einsatz körperlicher Gewalt oder physischer Mittel ist, desto geringere Anforderungen sind zur Bejahung eines tätlichen Angriffs in objektiver Hinsicht zu stellen. Je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstellt, desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand. Die Grenze zwischen einem sozial adäquaten Verhalten und einem tätlichen Angriff ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Abwehr eines solchen Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt wäre. Die Angriffshandlung muss für sich genommen nicht gravierend sein, um - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine hinreichende Gefährdung von Leib oder Leben des Opfers und damit einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG anzunehmen. Voraussetzung für einen tätlichen Angriff ist jedoch in jedem Fall eine unmittelbare Gewaltanwendung. An seiner extensiven Auslegung des Begriffs "tätlicher Angriff" und Einbeziehung auch solcher Fälle, in denen der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht hat, hält das BSG in seiner jüngsten Rechtsprechung nicht mehr fest (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil v. 16.12.2004, a. a. O.). Die objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person auch ohne physische Einwirkung (Schläge, Schüsse, Stiche, Berührung etc.) reicht danach nicht mehr für die Annahme eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus. Auch kann die psychische Wirkung einer Straftat das Erfordernis des tätlichen Angriffs nicht ersetzen. Der eingetretene Schaden muss gerade auf einem solchen tätlichen Angriff und nicht auf einer (bloßen) Drohung mit Gewalt beruhen. Entscheidend für einen Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist, ob die Folgen eines bestimmten Ereignisses (Primärschaden oder eventuelle Folgeschäden) gerade die zurechenbare Folge eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind. Die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung für einen tätlichen Angriff reicht nicht aus. Denn dieser Umstand allein stellt über die psychische Wirkung hinaus noch keinen tatsächlichen physischen "Angriff" dar.
Der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG setzt über den natürlichen Vorsatz des Täters bezogen auf die Angriffshandlung hinaus eine "feindselige Willensrichtung" voraus. Dieses - einem Angriff im Wortsinn immanente - Merkmal dient dem Opferentschädigungsrecht vor allem zur Abgrenzung sozialadäquaten bzw. gesellschaftlich noch tolerierten Verhaltens von einem auf Rechtsbruch gerichteten Handeln des Täters (BSG SozR 3800 § 1 Nr. 6). Lässt sich eine feindselige Willensrichtung im engeren Sinne nicht feststellen, kann alternativ darauf abgestellt werden, ob der Täter eine mit Gewaltanwendung verbundene strafbare Vorsatztat (zumindest einen strafbaren Versuch) begangen hat (st. Rspr. seit 1985 vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nrn. 6 und 7). Anstelle einer feindseligen Absicht ist dann die Rechtsfeindlichkeit des Täters entscheidend, dokumentiert durch einen willentlichen Bruch der Rechtsordnung. Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit manifestiert sich insoweit durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18).
Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung. Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt. Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang.
Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) mit Ausnahme der §§ 3 bis 5 KOVVfG anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (LSG, Urteil vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, Rn. 42, juris).
Diese besondere Beweiserleichterung sollte ursprünglich nur der Beweisnot Rechnung tragen, in der sich Antragsteller häufig befanden, weil sie durch die besonderen Kriegsverhältnisse (Luftangriffe, Vertreibung usw.) die über sie geführten Krankengeschichten, Befundberichte usw. nicht mehr erlangen konnten (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 - SozR 1500 § 128 Nr. 39 m. w. N.). Solche Unterlagen hat die Versorgungsverwaltung zum Nachweis der Schädigung im allgemeinen für ausreichend gehalten, ohne dass es noch der Anhörung von Zeugen bedurft hätte. Das bedeutet aber nicht, dass § 15 KOVVfG nur in solchen Fällen anzuwenden ist, in denen normalerweise Unterlagen vorhanden sind, die glaubhaften Angaben des Antragstellers also nur das Fehlen von Unterlagen, nicht aber das Fehlen von Zeugen ersetzen können. Für eine solche Einschränkung gibt es keine Rechtfertigung. Vielmehr kann die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG überhaupt erst zum Tragen kommen, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind (BSG a. a. O. unter Bezugnahme auf Nrn. 1 und 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 15 KOVVfG). Die Beweisnot kann also auch allein darin liegen, dass für den schädigenden Vorgang keine Zeugen und deshalb keine Unterlagen vorhanden sind.
Glaubhaftmachung i. S. des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, Rn. 42, juris; BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d. h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den Übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache genügt jedoch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt aber voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2006 - L 10 VG 17/02 - zit. nach Juris).
Dieser abgesenkte Beweismaßstab gilt auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein - bindender (§ 77 SGG) - Bescheid zurückzunehmen, wenn sich erweist, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist oder von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen worden ist. Diese Regelung ändert zwar unter Umständen die (materielle) Beweislast ab und belastet den Antragsteller damit. Sie ändert jedoch nicht das zu fordernde Beweismaß. Wenn im ursprünglichen Verfahren Glaubhaftmachung ausgereicht hatte, gilt dies auch im Überprüfungsverfahren (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, Schütze SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 12; vgl. ferner BSG, Urteil vom 2. November 1999 – B 2 U 47/98 R –, SozR 3-1300 § 48 Nr. 67, Rn. 12 f. zur gleich liegenden Situation bei §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 3 SGB X).
Der Senat hält es ebenso wie schon das SG nicht für gut möglich, dass die Klägerin im Januar 1995 Opfer der angeschuldigten Vergewaltigung geworden ist. Ihre Schilderungen zu jenem Vorfall waren von Anfang an nicht konsistent, haben sich im Laufe der Jahre geändert, sind aber durchgängig unkonkret und oberflächlich geblieben. Im Rahmen ihrer Angaben gegenüber der Polizei im Jahre 1997 hatte die Klägerin selbst ausgeführt, sie sei sich nicht sicher, ob der Vorfall stattgefunden habe. Ihr späteres Vorbringen, sie habe sich unmittelbar nach der behaupteten Tat nicht erinnern können und die Erinnerungen an die Vergewaltigung seien erst im Laufe der Jahre entstanden, überzeugen nicht. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, Rn. 52, juris) sind Erinnerungen, die erst Jahre nach einem Vorfall überhaupt entstehen - dort im Rahmen einer Traumatherapie, hier nach den Angaben der Klägerin auf Grund der schlechter werdenden psychischen Verfassung -, mit Vorsicht zu betrachten, weil spätere Gedächtnisinhalte auch erzeugt oder verändert werden können. Es erscheint auch nicht überzeugend, dass die Schilderungen der Klägerin immer detaillierter, aber auch ausufernder geworden sind. Hatte sie ab 1997 zunächst von "Bedrängungen" bzw. einer "Manipulation" gesprochen, bei denen ihr Bademantel geöffnet und der Slip hochgezogen worden seien, so berichtete sie im Antragsverfahren 2014 von einer Vergewaltigung; und bei ihrer Anhörung vor dem SG im September 2015 hat sie angegeben, die Männer seien an mehreren Tagen gekommen und hätten sie mehrfach vergewaltigt. Gerade die aktuellen Schilderungen wirken umso unglaubhafter, als damals niemand etwas von den Vorgängen bemerkt hatte, weder der im Haus wohnende Nachbar noch die Eltern. Dies entnimmt der Senat den Aussagen des Nachbarn und des Vaters der Klägerin gegenüber der Polizei im Jahre 1997. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat auch, dass einige Angaben der Klägerin wiederlegt werden konnten. So hatten die beiden Männer, die sie 1997 namentlich beschuldigt hatte, ein Alibi, sodass die Ermittlungsverfahren eingestellt worden sind. Und ihr Vater hatte damals bestritten, schon unmittelbar nach dem Vorfall von diesem erfahren zu haben; während die Klägerin später behauptet hat, sie habe ihren Eltern unmittelbar danach davon erzählt. Abschließend erscheinen die Angaben der Klägerin zu der Vergewaltigung auch deshalb unglaubhaft, weil sie in einen größeren Zusammenhang gestellt worden sind (Anrufe und Bedrohungen von Sommer 1994 bis Herbst 1995, auch in dem Studentenwohnheim in S.), welche die Klägerin damals niemandem mitgeteilt haben will und für die die Polizei bei den Ermittlungen 1997 ebenfalls keine Anhaltspunkte hat finden können.
Die Behandlungen im B.hospital 1999 und 2004/2005 können ebenfalls nicht als schädigende Ereignisse im Sinne des OEG betrachtet werden. In diesem Rahmen kommt es auf die Frage, ob der Klägerin Beweiserleichterungen nach § 15 KOVVfG zustehen, nicht an. Ihre Schilderungen sind nämlich bereits unschlüssig. Selbst ihre Wahrheit zu Grunde gelegt, ergeben sie keine Umstände, die einem vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff gleichzustellen wären. Es fehlt in jedem Fall an der notwendigen feindlichen Willensrichtung. Die Klägerin ist im B.hospital ärztlich behandelt worden. Die Behandlungen waren bereits keine rechtswidrigen Körperverletzungen. Die Behandlungen im Jahre 1999 beruhten auf der richterlichen Einweisung. Sie waren daher nach § 8 Abs. 2 Satz 2 des damals noch gültigen baden-württembergischen Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker (UBG BW) in der Fassung vom 2. Dezember 1991 (GBl. 1991, 794) auch ohne die wirksame Einwilligung der Klägerin bereits nicht strafbar (vgl. heute § 20 Abs. 3 des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten [PsychKHG] vom 25. November 2014 [GBl. 2014, 534]). In die Behandlungen im B.hospital 2004 bzw. 2005, zu denen nähere Angaben fehlen, hatte sich die Klägerin auf Anraten einer damals behandelnden Psychotherapeutin freiwillig begeben. Dies hatte sie in ihrem Antrag vom 27. Mai 2014 (S. 4 f.) selbst eingeräumt. Dann aber waren die Behandlungen in der Einrichtung kraft ihrer Einwilligung rechtmäßig (vgl. § 228 StGB in der Fassung vom 13. November 1998). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die ärztlichen Behandlungen dort die Grenzen der Rechtfertigung aus § 8 Abs. 2 Satz 2 UBG BW oder § 228 StGB überschritten hätten. Der Entlassungsbericht des B.hospitals vom 21. Mai 1999, den der Senat nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 418 Zivilprozessordnung (ZPO) seiner Beweiswürdigung zu Grunde legt, beschreibt eine Behandlung im Wesentlichen im (natürlichen) Einverständnis mit der Klägerin. So wurde Taxilan durch Haldol ersetzt, nachdem die Klägerin über Konzentrationsschwierigkeiten geklagt hatte. Die Behandlung wurde auch, obwohl sie ärztlicherseits für weiterhin dringend notwendig gehalten wurde, mit Ablauf der Unterbringung sofort beendet. Auch für ihren Aufenthalt im B.hospital 2004/2005 schildert die Klägerin keine konkreten Behandlungen, welche die genannten Grenzen überschritten hätten. Unabhängig hiervon fehlt für beide Behandlungen jeder Anhaltspunkt dafür, dass eine feindliche Willensrichtung vorlag. Die Annahme der Klägerin, die Ärzte hätten sie vorsätzlich falsch diagnostiziert und falsch behandelt, weil sie "ihre Meinung gesagt" habe, erscheint als Verschwörungstheorie ohne wahren Kern.
Für diesen Rechtsstreit ist nicht entscheidungserheblich, an welchen Krankheiten die Klägerin leidet. Deshalb weist der Senat nur am Rande darauf hin, dass die von ihr geltend gemachte PTBS bislang ärztlicherseits nicht als gesicherte Diagnose feststeht. Alle Behandler - das B.hospital 1999, Frau Andres in ihrer Zeugenaussage vom 14. September 2015, das Klinikum E. unter dem 7. August 2015 und Dr. R. von der Klinik in C. unter dem 25. August 2015 - haben zumindest differenzialdiagnostisch eine Persönlichkeitsstörung genannt. Auch eine depressive Erkrankung ist bislang nicht ausgeschlossen worden. Eine PTBS jedenfalls, sollte sie vorliegen, könnte nicht im Sinne hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die geltend gemachten Schädigungen zurückgeführt werden, nachdem diese nicht festgestellt worden sind.
Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Berufungen der Klägerin gegen die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2015 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt die Anerkennung mehrerer schädigender Ereignisse im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) und einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie weiterer Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge eines dieser oder der mehreren Ereignisse. Hinsichtlich einer behaupteten Vergewaltigung im Januar 1995 handelt es sich um ein Überprüfungsverfahren, hinsichtlich geltend gemachter Falschbehandlungen in einem Krankenhaus in den Jahren 1999 und 2004/2005 um einen Erst¬antrag.
Die Klägerin ist im April 1972 in N. in der ehemaligen Sowjetunion (heute Russische Föderation) geboren. Sie siedelte etwa mit 17 Jahren mit ihren Eltern und zwei Schwestern in die Bundesrepublik Deutschland über. Sie wiederholte die Abiturprüfung und nahm ein Studium der Betriebswirtschaft auf. Dieses brach sie nach Auslaufen der Ausbildungsförderung ohne Abschluss ab. Seit etwa dem Jahre 2000 lebt die Klägerin in einer Sozialwohnung und bezieht Sozialhilfe bzw. seit 2005 Arbeitslosengeld II. Den Tag verbringt sie mit Lesen, Handarbeiten und Spaziergängen. Eine Partnerschaft besteht nicht, die Kontakte zu den Verwandten sind stark eingeschränkt (Angabe der Klägerin nach dem Bericht des Klinikums E. vom 7. August 2015 und im Schriftsatz vom 5. Januar 2015).
Am 27. Mai 1997 erstattete die Klägerin bei der Polizei Strafanzeige, zunächst gegen Unbekannt. Sie sei im Januar 1995, vermutlich zwischen dem 3. und 5. Januar 1995, während eines Urlaubsaufenthalts in der Wohnung ihrer Eltern in einer Gemeinde im Schwarzwald von schätzungsweise 10 unbekannten Männern aufgesucht worden. Sie sei ins Schlafzimmer gedrängt und aufgefordert worden, sich auszuziehen. Gegen ihren Willen habe man ihren Bademantel hochgeschoben, den Slip ausgezogen und sie an der Scheide manipuliert. Im weiteren Verlauf seien weitere Männer durch die geöffnete Terrassentür gekommen, darunter der "Chef" der Gruppe. Möglicherweise seien auch Frauen dabei gewesen. Die Gruppe habe sich noch einige Zeit in der Wohnung aufgehalten und sich unterhalten, entweder auf Deutsch oder in einer Sprache, die sie nicht verstanden habe. Später habe sie den Männern gesagt, sie habe die Polizei gerufen. Im Zusammenhang mit dieser Aussage sei die Gruppe gegangen. Ihren Eltern oder anderen Personen habe sie von dem Vorfall nichts erzählt, weil man sie schon im Vorfeld des Vorfalls mit Telefonanrufen in ihrer Wohnung in S. unter Druck gesetzt worden sei. Im weiteren Verlauf teilte die Klägerin der Polizei mit, sie glaube mittlerweile, einige der Männer zu kennen. Sie habe zumindest einen der Männer in einer Vorlesung an der Universität wiedererkannt, einen anderen habe sie vor dem Vorfall in dem Studentenwohnheim gesehen, in dem sie gewohnt habe. Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin gegen zwei namentlich benannte Männer geführt.
Im Juni 1997 vernahm die Polizei diese beiden Männer informatorisch. Beide bestritten, die Klägerin zu kennen und jemals in dem fraglichen Ort im Schwarzwald gewesen zu sein. Beide Männer boten für den Jahreswechsel 1994/1995 Alibi auf, der eine den Besuch einer befreundeten Familie, der andere einen Aufenthalt in Russland. Beide Angaben wurden belegt (Aussage eines der Besucher, Ein- und Ausreisestempel im Pass).
Der Vater der Klägerin teilte bei seiner Vernehmung als Zeuge am 9. Juli 1997 mit, er und seine Frau hätten nichts von einem solchen Vorfall bemerkt. Die Klägerin habe ihnen vor wenigen Wochen davon erzählt. Sie glaubten ihr nicht. Sie hätten den Eindruck, die Klägerin fantasiere sich Sachen zusammen bzw. leide an Wahnvorstellungen. Sie sei in dem Studium überfordert und befinde sich augenscheinlich in ärztlicher Behandlung, wegen welcher Diagnose wisse er nicht. Ferner vernahm die Polizei den Eigentümer des Hauses in der Schwarzwaldgemeinde, in dem der Vorfall stattgefunden haben soll. Dieser teilte mit, seine Familie und er seien über den Jahreswechsel 1994/1995 ebenfalls in dem Haus gewesen und hätten nichts bemerkt. Abschließend überprüfte die Polizei die genannte Wohnung, konnte aber keine taterhärtenden Feststellungen treffen. Auch gestützt auf diese Angaben des Vaters äußerte der Ermittlungsführer im Abschlussbericht "erhebliche Zweifel" am Wahrheitsgehalt der Angaben der Klägerin und führte aus, nach seinem Eindruck aus den Vernehmungen beständen psychische Probleme. Daraufhin wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat und falscher Verdächtigung gegen die Klägerin eingeleitet.
Am 21. August 1997 stellte die Staatsanwaltschaft Konstanz die Ermittlungsverfahren (32 Js 339/97) gegen die beiden beschuldigten Männer sowie jenes gegen die Klägerin ein, weil jeweils kein hinreichender Tatverdacht bestehe. Die Angaben der Klägerin zu der sexuellen Nötigung seien absolut lebensfremd. Zwischenzeitlich habe diese auch angegeben, sie sei sich selbst nicht sicher, ob die Tat stattgefunden habe. Während der Ermittlungen habe sie von weiteren ähnlich lebensfremden und nicht nachvollziehbaren Geschehnissen in ihrem Stuttgarter Studentenwohnheim berichtet. Die Klägerin habe aber auch nicht vorsätzlich falsch verdächtigt. Vielmehr beständen Wahnvorstellungen, sodass der Vorsatz bzw. die Schuldfähigkeit auszuschließen seien.
Am 17. Juni 1997 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Versorgung nach dem OEG. Sie machte dort ähnliche Angaben wie gegenüber der Polizei. Der Beklagte versuchte erfolglos, Vorerkrankungsverzeichnisse von der Krankenkasse der Klägerin beizuziehen. Der Beklagte wies darauf hin, er wolle das laufende Ermittlungsverfahren abwarten. Die Klägerin erklärte zunächst am 28. Juli 1997 telefonisch und sodann am 2. November 1997 schriftlich, sie sei an dem Antrag nicht mehr interessiert. Daraufhin wurde das Verwaltungsverfahren eingestellt.
Vom 16. März 1999 bis zum 16. April 1999 befand sich die Klägerin auf Grund richterlicher Einweisung im B.hospital S. Nach dem dortigen Entlassungsbericht vom 21. Mai 1999 war die Klägerin bei Zustand nach Tablettenintoxikation und weiterhin bestehender Suizidalität aufgenommen worden. Als Grund für die Einnahme von ca. 120 Schlaftabletten habe sie angegeben, sie habe zu wenig Geld, spreche schlecht deutsch, die Eltern hätten nur die beiden Schwestern unterstützt, Kommilitonen beschimpften und schubsten sie, sie werde als Aussiedlerin diskriminiert, auch in ihrem Wohnheim werde sie gehänselt und schikaniert, die Polizei schenke ihr keinen Glauben. Als Diagnose nannte das B.hospital einen Verdacht auf eine blande Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und einen Zustand nach akuter Belastungssituation. Da die Klägerin anfangs nicht zu einer Therapie bereit gewesen sei, sei sie richterlich für vier Wochen untergebracht worden. Sie sei mit Taxilan und später mit Haldol behandelt worden, der Zustand habe sich gebessert und dies habe intensiv an der psychologischen Behandlung teilnehmen können. Sie habe aber keine tiefergehende Einsicht in die psychopathologische Dynamik gewinnen können. Sie sei daher nach Ablauf der Unterbringung trotz mehrerer Gespräche über die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung auf eigenen Wunsch entlassen worden.
Am 10. Januar 2000 beantragte die Klägerin erneut Beschädigtenversorgung. Sie sei von Oktober 1994 bis April 1995 durch Telefonanrufe unbekannter Personen belästigt worden. In der Zeit vom 2. bis zum 9. Januar 1995 sei sie mehrfach überfallen und vergewaltigt worden. Sexuelle Belästigungen und Schläge durch Studenten hätten bis August 1995 angedauert. Im Oktober 1995 hätten sie mehrere Täter beraubt. Seit 1996 werde sie im B.hospital S. wegen psychischer Beschwerden behandelt. Der Beklagte zog die Ermittlungsakte zu der Anzeige vom 27. Mai 1997 bei. Die Krankenkasse der Klägerin teilte kurze Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen "Neurosen, nicht näher bezeichnet" im August 1997 und für 1999 mit. Mit Bescheid vom 16. August 2000 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG sei nicht nachgewiesen.
Am 29. Dezember 2003 beantragte die Klägerin erstmals die Überprüfung des Ablehnungsbescheids und erneut Beschädigtenversorgung. Sie teilte mit, offenbar wolle niemand den Vorfall im Januar 1995 aufklären. Es gebe eine Schlamperei bei den Ermittlungen, unter anderem sei kein psychologisches Gutachten über sie eingeholt worden, ferner sei ihr Vater ohne Dolmetscher vernommen worden. Mit Bescheid vom 14. Januar 2004 lehnte der Beklagte eine Rücknahme des Bescheids vom 16. August 2000 ab. Den auch auf Nachfrage nicht begründeten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2005 zurück.
Nach den späteren Angaben der Klägerin fanden in den Jahren 2004 und 2005 weitere Behandlungen im B.hospital S. statt, in die sie sich freiwillig begab.
Einen weiteren Überprüfungs- und Versorgungsantrag der Klägerin vom 27. Juli 2007, der nicht weitergehend begründet wurde, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2007 ab.
Die in diesem Verfahren streitigen Anträge stellte die Klägerin am 28. Mai 2014. Sie hob zum einen erneut auf die Vorfälle der Jahre 1994 und 1995 ab. Sie trug vor, sie habe in Folge jener Schädigungen einen Gedächtnisverlust erlitten, der unmittelbar nach der Tat begonnen und über Jahre angedauert habe. Sie sei dann psychisch krank geworden und habe ihr Studium abbrechen müssen. Zum anderen führte die Klägerin aus, auch die Behandlungen im B.hospital in den Jahren 1999 und 2004/2005 seien als weitere, selbstständige Schädigungen anzusehen. Nach ihrer Einlieferung 1999 sei im B.hospital alles schiefgelaufen. Unter anderem hätten die Ärzte fälschlicherweise eine Schizophrenie diagnostiziert und sie gegen ihren Willen behandelt. 2004 sei sie auf den Rat ihrer damaligen Ärztin M. R. wiederum in das B.hospital gegangen. Diese Therapie sei nicht derart grauenerregend gewesen wie jene im Jahre 1999. Sie habe dort viele Medikamente schlucken müssen und viele seelische Kränkungen erlitten. Auf Grund aller Schädigungen leide sie an psychischen Erkrankungen, ferner habe sie seit 2007 Rückenschmerzen. Die Klägerin legte den genannten Entlassungsbericht des B.hospitals vom 21. Mai 1999 vor.
Mit Bescheid vom 20. August 2014 lehnte der Beklagte – erneut – die Rücknahme des Bescheids vom 16. August 2000 und eine Beschädigtenversorgung wegen einer sexuellen Nötigung Anfang 1995 ab. Neue Gesichtspunkte seien nicht vorgebracht worden.
Mit weiterem Bescheid vom 21. August 2014 lehnte der Beklagte eine Beschädigtenversorgung wegen der Behandlungen im B.hospital in den Jahren 1999 und 2004/2005 ab. Ein rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG setze eine feindliche Willensrichtung voraus, die hier fehle.
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug vor, sie sei auf Grund des schweren psychischen Traumas nicht in der Lage gewesen, sich an die Vergewaltigung zu erinnern. Sie leide an den typischen Symptomen einer PTBS, weshalb ihr grundlos Leistungen verweigert würden.
Der Beklagte erließ die zurückweisenden Widerspruchsbescheide vom 6. Februar 2015 (wegen der sexuellen Nötigung 1995) und vom 9. Februar 2015 (wegen der Krankenhausaufenthalte). Er hielt an den Begründungen der Ablehnungsbescheide fest.
In beiden Komplexen hat die Klägerin am 6. März 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat die Verfahren getrennt geführt (S 26 VG 1463/15 und S 26 VG 1464/15). Die Klägerin hat ihre Ausführungen zu der angeschuldigten sexuellen Nötigung im Jahre 1995 vertieft. Zu den Krankenhausbehandlungen hat sie ausgeführt, es liege eine Falschbehandlung darin, dass keine PTBS behandelt worden sei. Vorsätzlich sei eine Schizophrenie unterstellt worden, die schon deswegen nicht habe diagnostiziert werden können, weil ihre Wahrscheinlichkeit verschwindend gering sei. Selbst wenn die Behandlung im Krankenhaus nicht selbst eine Schädigung darstelle, so sei sie doch Folge des Traumas aus dem Jahre 1995 und müsse daher bei der Bestimmung des daraus folgenden Grades der Schädigungsfolgen (GdS) berücksichtigt werden.
Nachdem die Klägerin am 10. September 2015 mitgeteilt hat, sie werde psychiatrisch behandelt, hat das SG die Behandlerin, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie A., schriftlich als sachverständige Zeugin vernommen. Diese hat am 14. September 2015 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe eine PTBS, differenzialdiagnostisch ("DD") eine Persönlichkeitsstörung. Die Symptomatik sei anamnestisch 20 Jahre zurückzuverfolgen. Eine stationäre Behandlung sei geplant, dazu hätten bereits Vorgespräche in mehreren Kliniken stattgefunden. Frau A. hat hierzu die Berichte über diese Gespräche aus dem Klinikum E. vom 7. August 2015 und aus der Akutklinik für Psychosomatik Dr. R. in C. vom 25. August 2015 vorgelegt.
Das SG hat die Klägerin in mündlicher Verhandlung zu allen angeschuldigten Vorfällen persönlich angehört. Sie hat dort unter anderem angegeben, die Männer seien im Januar 1995 an mehreren Tagen in die Wohnung gekommen. Sie habe damals auch ihren Eltern davon berichtet. Es sei zu einer Vergewaltigung gekommen, die sie sofort vergessen habe. Erst Jahre später seien Erinnerungen bruchstückhaft wiedergekommen. Bei der Strafanzeige 1997 sei sie sich noch nicht sicher gewesen, dass es diese Vergewaltigung gegeben habe, die sichere Erinnerung sei erst später entstanden. Wegen der weiteren Angaben der Klägerin wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des SG vom 22. September 2015 verwiesen.
Mit Urteilen vom selben Tage hat das SG beide Klagen abgewiesen.
In dem Verfahren S 26 VG 1463/15 hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 16. August 2000 und auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung bestehe nicht. Hinsichtlich der angeschuldigten Vergewaltigung reiche zwar nach § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) eine bloße Glaubhaftmachung aus. Hierzu müsse nur die gute Möglichkeit bestehen, dass die Schädigung stattgefunden habe. Auch von einer solchen guten Möglichkeit sei hier jedoch nicht auszugehen. Die Angaben der Klägerin seien nicht glaubhaft. Anfangs habe sie eine Bedrängung angegeben und sei sich nicht sicher gewesen, ob der Vorfall stattgefunden habe. Bereits ihre damaligen Aussagen seien vage und wirr gewesen, so zu der heiteren Stimmung der Männer. Die damals angeschuldigten Männer hätten nicht mit einer Tat in Verbindung gebracht werden können. Die spätere Erinnerung an eine Vergewaltigung sei ebenfalls nicht glaubhaft. Die Klägerin könne keine konkreten Umstände angeben. Nach wie vor seien die Angaben vage und wirr. So meine die Klägerin jetzt, die Männer seien mehrfach gekommen, obwohl sie beim ersten Male aus Furcht vor der Polizei gegangen seien.
In dem Urteil in dem Verfahren S 26 VG 1464/15 hat das SG ausgeführt, zwar könne in einer ärztlichen Behandlung grundsätzlich ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff im Sinne des OEG liegen. Dies setzte jedoch voraus, dass die Behandlung als Körperverletzung strafbar sei und außerdem eine feindliche Willensrichtung und nicht der Wunsch zu behandeln und zu helfen vorliege. Eine solche Behandlung habe die Klägerin nicht angegeben. Ihre Aussagen, es sei falsch diagnostiziert und behandelt worden, blieben vage und oberflächlich; konkrete Vorfälle benenne sie nicht. Nach den vorliegenden Unterlagen gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die behandelnden Ärzte nicht von ihrem Heilauftrag hätten leiten lassen. Die Aussage, es seien Medikamente in Überdosis verabreicht worden, werde durch die Angaben über die Schlussmedikation in dem Entlassungsbericht des B.hospitals nicht bestätigt. Vor diesem Hintergrund gebe es auch hier nicht die gute Möglichkeit, dass in der Krankenhausbehandlung ein schädigendes Ereignis liege.
Gegen diese Urteile, die ihr am 2. Oktober 2015 zugestellt worden sind, hat die Klägerin am 28. Oktober 2015 Berufungen beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2015 und den Bescheid vom 20. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 16. August 2000 zurückzunehmen und festzustellen, dass sie infolge eines schädigenden Ereignisses im Sinne einer Vergewaltigung im Januar 1995 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, Schlafstörungen sowie Bandscheibenschäden leidet (L 6 VG 4513/15) und
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. September 2015 und den Bescheid vom 21. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen festzustellen, dass sie infolge schädigender Ereignisse im Sinne fehlerhafter Behandlungen im B.hospital Stuttgart in den Jahren 1999 und 2004 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, Schlafstörungen sowie Bandscheibenschäden leidet (L 6 VG 4522/15).
Der Beklagte beantragt,
beide Berufungen zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffenen Urteile und seine Entscheidungen.
Der Berichterstatter des Senats hat unter dem 13. April 2016 Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben und angekündigt, der Senat erwäge, ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss über die Berufungen zu entscheiden. Beiden Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14. Mai 2016 gegeben. Die Klägerin hat hiervon Gebrauch gemacht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat verbindet beide Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Nach § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der nach § 153 Abs. 1 SGG für das Berufungsverfahren entsprechend gilt, kann das Gericht durch Beschluss mehrere bei ihm anhängige Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten oder verschiedener Beteiligter zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten bilden, in Zusammenhang stehen oder von vornherein in einer Klage hätten geltend gemacht werden können. Die beiden Berufungen der Klägerin betreffen Verfahren gegen den selben Beklagten. Die geltend gemachten Ansprüche fußen auf der selben Rechtsgrundlage, außerdem stellt die Klägerin selbst einen Zusammenhang her, indem sie die Behandlungen im B.hospital – im Sinne einer Hilfserwägung – auch als Folge der vorgetragenen Vergewaltigung 1995, also als mittelbare Folge der selben Schädigung einstuft.
Der Senat entscheidet über die Berufungen nach § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Er hält die Berufungen einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Die Berufungen sind nach § 143 SGG statthaft, insbesondere waren sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig, weil die Klägerin keine Geld-, Sach- oder Dienstleistungen, sondern behördliche Feststellungen begehrt.
Auch im Übrigen waren die Berufungen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, § 151 Abs. 1 SGG.
Jedoch sind sie, wie ausgeführt, nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen der Klägerin (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen.
Die Klagen sind zwar zulässig. Insbesondere konnte die Klägerin zulässigerweise die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung, dass bestimmte Gesundheitsstörungen Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG sind, begehren (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Sie war nicht gehalten, die Gewährung konkreter Versorgungsleistungen (z. B. Heilbehandlung, Beschädigtenrente) zu begehren. Denn der Beklagte hatte mit beiden hier streitigen Bescheiden (Bescheid vom 16. August 2000 wegen der Vergewaltigung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens, Bescheid vom 21. August 2014 wegen der Krankenhausbehandlungen) die Anträge der Klägerin deswegen abgelehnt, weil die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. des § 1 OEG nicht nachgewiesen seien. Über etwaige Versorgungsansprüche, die die Klägerin zu keinem Zeitpunkt konkret beantragt hatte, hat der Beklagte nicht entschieden, sodass für eine klagweise Geltendmachung kein Rechtsschutzbedürfnis bestände (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2015 - L 6 VG 1832/12 -, Juris Rn. 33). Ferner hat die Klägerin zu Recht ihre Verpflichtungsklagen auch auf die Feststellung von Gesundheitsschäden erstreckt. Eine isoliertes Feststellungsbegehren darauf, dass bestimmte schädigende Ereignisse stattgefunden hätten oder Opfer einer solchen Schädigung geworden zu sein, wäre unzulässig gewesen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, BSGE 118, 63-73, SozR 4-3800 § 1 Nr. 21, Juris Rn. 9). Ein solches isoliertes Feststellungsbegehren könnte - im Rahmen einer Klage auf gerichtliche Feststellung - weder auf § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 noch auf § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG gestützt werden; es wäre eine unzulässige Elementenfeststellung (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12 ff.). Gleiches gilt für den Antrag auf Verurteilung zu einer solchen behördlichen Feststellung.
Die Klagen sind jedoch nicht begründet. Die geltend gemachten Feststellungsansprüche bestehen nicht. Die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsschädigungen können nicht im Sinne des OEG auf die geltend gemachten schädigenden Ereignisse zurückgeführt werden. Der Beklagte hat daher zu Recht die Feststellung gesundheitlicher Schäden als Folge einer Vergewaltigung im Januar 1995 (dies im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) bzw. als Folge von Krankenhausbehandlungen in den Jahren 1999 und 2004/2005 abgelehnt.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält, wer im Geltungsbereich des OEG in Folge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Im Rahmen des § 1 OEG wird als schädigender Vorgang ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff verlangt. Grundsätzlich ist der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG unter Bezugnahme auf seine im Strafrecht gewonnene Bedeutung in den §§ 113, 121 Strafgesetzbuch (StGB) auszulegen. Danach liegt ein tätlicher Angriff bei einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung vor (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 17). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 StGB (Nötigung) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG grundsätzlich durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein. Dies entspricht in etwa dem strafrechtlichen Begriffsverständnis der Gewalt im Sinne des § 113 Abs. 1 StGB (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18). Je gewalttätiger die Angriffshandlung gegen eine Person nach ihrem äußeren Erscheinungsbild bzw. je größer der Einsatz körperlicher Gewalt oder physischer Mittel ist, desto geringere Anforderungen sind zur Bejahung eines tätlichen Angriffs in objektiver Hinsicht zu stellen. Je geringer sich die Kraftanwendung durch den Täter bei der Begehung des Angriffs darstellt, desto genauer muss geprüft werden, inwiefern durch die Handlung eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers bestand. Die Grenze zwischen einem sozial adäquaten Verhalten und einem tätlichen Angriff ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Abwehr eines solchen Angriffs unter dem Gesichtspunkt der Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt wäre. Die Angriffshandlung muss für sich genommen nicht gravierend sein, um - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine hinreichende Gefährdung von Leib oder Leben des Opfers und damit einen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG anzunehmen. Voraussetzung für einen tätlichen Angriff ist jedoch in jedem Fall eine unmittelbare Gewaltanwendung. An seiner extensiven Auslegung des Begriffs "tätlicher Angriff" und Einbeziehung auch solcher Fälle, in denen der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht hat, hält das BSG in seiner jüngsten Rechtsprechung nicht mehr fest (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil v. 16.12.2004, a. a. O.). Die objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person auch ohne physische Einwirkung (Schläge, Schüsse, Stiche, Berührung etc.) reicht danach nicht mehr für die Annahme eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs i. S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus. Auch kann die psychische Wirkung einer Straftat das Erfordernis des tätlichen Angriffs nicht ersetzen. Der eingetretene Schaden muss gerade auf einem solchen tätlichen Angriff und nicht auf einer (bloßen) Drohung mit Gewalt beruhen. Entscheidend für einen Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG ist, ob die Folgen eines bestimmten Ereignisses (Primärschaden oder eventuelle Folgeschäden) gerade die zurechenbare Folge eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind. Die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung für einen tätlichen Angriff reicht nicht aus. Denn dieser Umstand allein stellt über die psychische Wirkung hinaus noch keinen tatsächlichen physischen "Angriff" dar.
Der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG setzt über den natürlichen Vorsatz des Täters bezogen auf die Angriffshandlung hinaus eine "feindselige Willensrichtung" voraus. Dieses - einem Angriff im Wortsinn immanente - Merkmal dient dem Opferentschädigungsrecht vor allem zur Abgrenzung sozialadäquaten bzw. gesellschaftlich noch tolerierten Verhaltens von einem auf Rechtsbruch gerichteten Handeln des Täters (BSG SozR 3800 § 1 Nr. 6). Lässt sich eine feindselige Willensrichtung im engeren Sinne nicht feststellen, kann alternativ darauf abgestellt werden, ob der Täter eine mit Gewaltanwendung verbundene strafbare Vorsatztat (zumindest einen strafbaren Versuch) begangen hat (st. Rspr. seit 1985 vgl. BSG SozR 3-3800 § 1 Nrn. 6 und 7). Anstelle einer feindseligen Absicht ist dann die Rechtsfeindlichkeit des Täters entscheidend, dokumentiert durch einen willentlichen Bruch der Rechtsordnung. Die einem Angriff innewohnende Feindseligkeit manifestiert sich insoweit durch die vorsätzliche Verwirklichung der Straftat (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 18).
Grundsätzlich müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt ("voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung. Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt. Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang.
Nach § 6 Abs. 3 OEG ist allerdings auch im Anwendungsbereich des OEG das Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) mit Ausnahme der §§ 3 bis 5 KOVVfG anzuwenden, insbesondere auch die für Kriegsopfer geschaffene spezielle Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Danach sind die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind, der Entscheidung zugrunde zu legen, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (LSG, Urteil vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, Rn. 42, juris).
Diese besondere Beweiserleichterung sollte ursprünglich nur der Beweisnot Rechnung tragen, in der sich Antragsteller häufig befanden, weil sie durch die besonderen Kriegsverhältnisse (Luftangriffe, Vertreibung usw.) die über sie geführten Krankengeschichten, Befundberichte usw. nicht mehr erlangen konnten (BSG, Urteil vom 31. Mai 1989 - 9 RVg 3/89 - SozR 1500 § 128 Nr. 39 m. w. N.). Solche Unterlagen hat die Versorgungsverwaltung zum Nachweis der Schädigung im allgemeinen für ausreichend gehalten, ohne dass es noch der Anhörung von Zeugen bedurft hätte. Das bedeutet aber nicht, dass § 15 KOVVfG nur in solchen Fällen anzuwenden ist, in denen normalerweise Unterlagen vorhanden sind, die glaubhaften Angaben des Antragstellers also nur das Fehlen von Unterlagen, nicht aber das Fehlen von Zeugen ersetzen können. Für eine solche Einschränkung gibt es keine Rechtfertigung. Vielmehr kann die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG überhaupt erst zum Tragen kommen, wenn weder Unterlagen noch sonstige Beweismittel zu beschaffen sind (BSG a. a. O. unter Bezugnahme auf Nrn. 1 und 2 der Verwaltungsvorschriften zu § 15 KOVVfG). Die Beweisnot kann also auch allein darin liegen, dass für den schädigenden Vorgang keine Zeugen und deshalb keine Unterlagen vorhanden sind.
Glaubhaftmachung i. S. des § 15 KOVVfG bedeutet das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d. h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, Rn. 42, juris; BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d. h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den Übrigen gegenüber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache genügt jedoch nicht, die Beweisanforderungen zu erfüllen. Ob das Gericht die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht, obliegt nach § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG seiner freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Anwendung dieses Maßstabes setzt aber voraus, dass der Antragsteller Angaben zu den entscheidungserheblichen Fragen aus eigenem Wissen machen kann und widerspruchsfrei vorträgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Dezember 2006 - L 10 VG 17/02 - zit. nach Juris).
Dieser abgesenkte Beweismaßstab gilt auch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist ein - bindender (§ 77 SGG) - Bescheid zurückzunehmen, wenn sich erweist, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist oder von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen worden ist. Diese Regelung ändert zwar unter Umständen die (materielle) Beweislast ab und belastet den Antragsteller damit. Sie ändert jedoch nicht das zu fordernde Beweismaß. Wenn im ursprünglichen Verfahren Glaubhaftmachung ausgereicht hatte, gilt dies auch im Überprüfungsverfahren (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, Schütze SGB X, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 12; vgl. ferner BSG, Urteil vom 2. November 1999 – B 2 U 47/98 R –, SozR 3-1300 § 48 Nr. 67, Rn. 12 f. zur gleich liegenden Situation bei §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 3 SGB X).
Der Senat hält es ebenso wie schon das SG nicht für gut möglich, dass die Klägerin im Januar 1995 Opfer der angeschuldigten Vergewaltigung geworden ist. Ihre Schilderungen zu jenem Vorfall waren von Anfang an nicht konsistent, haben sich im Laufe der Jahre geändert, sind aber durchgängig unkonkret und oberflächlich geblieben. Im Rahmen ihrer Angaben gegenüber der Polizei im Jahre 1997 hatte die Klägerin selbst ausgeführt, sie sei sich nicht sicher, ob der Vorfall stattgefunden habe. Ihr späteres Vorbringen, sie habe sich unmittelbar nach der behaupteten Tat nicht erinnern können und die Erinnerungen an die Vergewaltigung seien erst im Laufe der Jahre entstanden, überzeugen nicht. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 26. Februar 2015 – L 6 VG 1832/12 –, Rn. 52, juris) sind Erinnerungen, die erst Jahre nach einem Vorfall überhaupt entstehen - dort im Rahmen einer Traumatherapie, hier nach den Angaben der Klägerin auf Grund der schlechter werdenden psychischen Verfassung -, mit Vorsicht zu betrachten, weil spätere Gedächtnisinhalte auch erzeugt oder verändert werden können. Es erscheint auch nicht überzeugend, dass die Schilderungen der Klägerin immer detaillierter, aber auch ausufernder geworden sind. Hatte sie ab 1997 zunächst von "Bedrängungen" bzw. einer "Manipulation" gesprochen, bei denen ihr Bademantel geöffnet und der Slip hochgezogen worden seien, so berichtete sie im Antragsverfahren 2014 von einer Vergewaltigung; und bei ihrer Anhörung vor dem SG im September 2015 hat sie angegeben, die Männer seien an mehreren Tagen gekommen und hätten sie mehrfach vergewaltigt. Gerade die aktuellen Schilderungen wirken umso unglaubhafter, als damals niemand etwas von den Vorgängen bemerkt hatte, weder der im Haus wohnende Nachbar noch die Eltern. Dies entnimmt der Senat den Aussagen des Nachbarn und des Vaters der Klägerin gegenüber der Polizei im Jahre 1997. In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat auch, dass einige Angaben der Klägerin wiederlegt werden konnten. So hatten die beiden Männer, die sie 1997 namentlich beschuldigt hatte, ein Alibi, sodass die Ermittlungsverfahren eingestellt worden sind. Und ihr Vater hatte damals bestritten, schon unmittelbar nach dem Vorfall von diesem erfahren zu haben; während die Klägerin später behauptet hat, sie habe ihren Eltern unmittelbar danach davon erzählt. Abschließend erscheinen die Angaben der Klägerin zu der Vergewaltigung auch deshalb unglaubhaft, weil sie in einen größeren Zusammenhang gestellt worden sind (Anrufe und Bedrohungen von Sommer 1994 bis Herbst 1995, auch in dem Studentenwohnheim in S.), welche die Klägerin damals niemandem mitgeteilt haben will und für die die Polizei bei den Ermittlungen 1997 ebenfalls keine Anhaltspunkte hat finden können.
Die Behandlungen im B.hospital 1999 und 2004/2005 können ebenfalls nicht als schädigende Ereignisse im Sinne des OEG betrachtet werden. In diesem Rahmen kommt es auf die Frage, ob der Klägerin Beweiserleichterungen nach § 15 KOVVfG zustehen, nicht an. Ihre Schilderungen sind nämlich bereits unschlüssig. Selbst ihre Wahrheit zu Grunde gelegt, ergeben sie keine Umstände, die einem vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff gleichzustellen wären. Es fehlt in jedem Fall an der notwendigen feindlichen Willensrichtung. Die Klägerin ist im B.hospital ärztlich behandelt worden. Die Behandlungen waren bereits keine rechtswidrigen Körperverletzungen. Die Behandlungen im Jahre 1999 beruhten auf der richterlichen Einweisung. Sie waren daher nach § 8 Abs. 2 Satz 2 des damals noch gültigen baden-württembergischen Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker (UBG BW) in der Fassung vom 2. Dezember 1991 (GBl. 1991, 794) auch ohne die wirksame Einwilligung der Klägerin bereits nicht strafbar (vgl. heute § 20 Abs. 3 des baden-württembergischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten [PsychKHG] vom 25. November 2014 [GBl. 2014, 534]). In die Behandlungen im B.hospital 2004 bzw. 2005, zu denen nähere Angaben fehlen, hatte sich die Klägerin auf Anraten einer damals behandelnden Psychotherapeutin freiwillig begeben. Dies hatte sie in ihrem Antrag vom 27. Mai 2014 (S. 4 f.) selbst eingeräumt. Dann aber waren die Behandlungen in der Einrichtung kraft ihrer Einwilligung rechtmäßig (vgl. § 228 StGB in der Fassung vom 13. November 1998). Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die ärztlichen Behandlungen dort die Grenzen der Rechtfertigung aus § 8 Abs. 2 Satz 2 UBG BW oder § 228 StGB überschritten hätten. Der Entlassungsbericht des B.hospitals vom 21. Mai 1999, den der Senat nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 418 Zivilprozessordnung (ZPO) seiner Beweiswürdigung zu Grunde legt, beschreibt eine Behandlung im Wesentlichen im (natürlichen) Einverständnis mit der Klägerin. So wurde Taxilan durch Haldol ersetzt, nachdem die Klägerin über Konzentrationsschwierigkeiten geklagt hatte. Die Behandlung wurde auch, obwohl sie ärztlicherseits für weiterhin dringend notwendig gehalten wurde, mit Ablauf der Unterbringung sofort beendet. Auch für ihren Aufenthalt im B.hospital 2004/2005 schildert die Klägerin keine konkreten Behandlungen, welche die genannten Grenzen überschritten hätten. Unabhängig hiervon fehlt für beide Behandlungen jeder Anhaltspunkt dafür, dass eine feindliche Willensrichtung vorlag. Die Annahme der Klägerin, die Ärzte hätten sie vorsätzlich falsch diagnostiziert und falsch behandelt, weil sie "ihre Meinung gesagt" habe, erscheint als Verschwörungstheorie ohne wahren Kern.
Für diesen Rechtsstreit ist nicht entscheidungserheblich, an welchen Krankheiten die Klägerin leidet. Deshalb weist der Senat nur am Rande darauf hin, dass die von ihr geltend gemachte PTBS bislang ärztlicherseits nicht als gesicherte Diagnose feststeht. Alle Behandler - das B.hospital 1999, Frau Andres in ihrer Zeugenaussage vom 14. September 2015, das Klinikum E. unter dem 7. August 2015 und Dr. R. von der Klinik in C. unter dem 25. August 2015 - haben zumindest differenzialdiagnostisch eine Persönlichkeitsstörung genannt. Auch eine depressive Erkrankung ist bislang nicht ausgeschlossen worden. Eine PTBS jedenfalls, sollte sie vorliegen, könnte nicht im Sinne hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die geltend gemachten Schädigungen zurückgeführt werden, nachdem diese nicht festgestellt worden sind.
Die Entscheidung über die Kosten der Berufungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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