L 6 KR 175/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 19 KR 3220/08
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 175/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. Dezember 2012 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung für die Selbstbeschaffung des Myofeed-backgerätes MfT Z² streitig.

Hierbei handelt es sich um ein netzunabhängiges, medizintechnisches Gerät, ausgestattet mit einer separaten Oberflächen-Elektromyographie (EMG), einem EMG-Verstärker und zwei voneinander unabhängig arbeitenden Stimulationsgeneratoren. Laut Herstellerprospekt ist Indikation für eine IMF® - Therapie mit dem Myofeedbackgerätes MfT Z² (im Folgenden: MfT Z²) ein Schlaganfall.

Die 1988 geborene Klägerin litt nach einer Zahnoperation am 1. Februar 2007 im rechten Un-terkieferbereich und in der rechten Zungenhälfte an Taubheitsgefühlen. Am 20. März 2008 beantragte sie bei der Beklagten die Beteiligung an den Kosten für die Anmietung eines MfT Z² ab dem 11. März 2008 zur Durchführung einer IMF® - Therapie im häuslichen Bereich. Seit dem 11. Februar 2008 nutze sie das MfT Z² als Therapiemöglichkeit. Dieses sei ihr einen Monat kostenlos zur Verfügung gestellt worden sei, jetzt müsse sie einen monatlichen Betrag in Höhe von 240,25 EUR als Miete zahlen. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 2. April 2008 ein, wonach die Nutzung einer EMG-gesteuerten Elektrostimulation zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zurzeit nur zur Behandlung von Muskellähmungen nach Schlaganfall unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Für andere Krankheitsbilder gebe es bisher keine entsprechenden Studien, die den medizinischen Nutzen belegten. Die Klägerin überreichte eine vertragsärztliche Verordnung der Dr. C. vom 2. April 2004 für die Miete eines MfT Z² wegen "peripherer Lähmung rechts nach Operation rechter Unterkiefer im Februar 2007" sowie einen Kostenvoranschlag der IMF - R. GmbH vom 7. April 2008 für die Anmietung des MfT Z² für die Dauer von sechs Monaten über 956,58 EUR. Der MDK nahm am 14. April 2008 erneut Stellung und verneinte eine medizinische Notwendigkeit der Nutzung des Gerätes.

Mit Bescheid vom 28. April 2008 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, das MfT Z² werde nicht nur zur Behandlung von Schädigungen des zentralen Nervensystems, sondern auch zur Behandlung von Nervenschädigungen infolge von Operationen genutzt. Des Weiteren habe ihr bisher kein Arzt eine andere Alternative zur Verbesserung ihres Gesundheitszustandes nennen können. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 30. Mai 2008 ein, wonach grundsätzlich bei einer Irritation von Gesichtsnerven, also peripherer Nerven, keine Indikation für die Nutzung des Gerätes vorliege. Bei einer seit mehr als einem Jahr zurückliegenden Schädigung seien die Ziele der Therapie nicht real. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2008 wies sie den Widerspruch der Klägerin zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin die Ansicht vertreten, aus den Stellungnahmen des MDK lasse sich nicht entnehmen, dass bei ihr ein Therapieerfolg durch die Anwendung des MfT Z² ausgeschlossen sei. Vielmehr wären entsprechende Vorbehalte durch den zwischenzeitlich eingetretenen Therapieerfolg widerlegbar. Bisher seien ihr mit Rechnung vom 17. März 2008 (Miete vom 11. März bis 10. April 2008), Kosten in Höhe von 240,25 EUR, mit Rechnung vom 2. April 2008 (Miete vom 11. April bis 10. Juni 2008), Kosten in Höhe von 480,50 EUR, mit Rechnung vom 18. Juni 2008 (Miete vom 11. Juni bis 10. September 2008), Kosten in Höhe von 720,75 EUR, mit Rechnung vom 1. September 2008 (Miete vom 11. September bis 10. Dezember 2008), Kosten in Höhe von 481,50 EUR, mit Rechnung vom 8. Dezember 2008 (Miete vom 11. Dezember 2008 bis 10. März 2009), Kosten in Höhe von 481,50 EUR sowie mit Rechnung vom 11. März 2009 (Miete vom 11. März bis 10. Juni 2009), Kosten in Höhe von 481,50 EUR in Rechnung gestellt worden. Sie begehre die Erstattung dieser bereits entstandenen Kosten sowie die Übernahme der künftig entstehenden Kosten. Des Weiteren hat sie einen Arztbrief des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie Psychotherapie Dipl.-Med. H. vom 11. Dezember 2008 überreicht. Danach handele es sich diagnostisch um Störungen im Bereich des Nervus trigeminus und Nervus facialis, die offenbar im rechten Unterkieferbereich bei der Weisheitszahnextraktion geschädigt worden seien und deshalb die entsprechende Symptomatik verursacht hätten. Die Beklagte hat u.a. eine Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 23. September 2008 überreicht. Danach habe die IMF - R. GmbH keinen Antrag auf Aufnahme des MfT Z² in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) beantragt. Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte des Dipl.-Med. H. vom 6. Oktober 2009 (einmalige Vorstellung der Klägerin am 5. Dezember 2008) sowie der Dr. C. vom 9. Oktober 2009 beigezogen. Dr. C. hat erklärt, sie habe das MfT Z² erstmalig am 14. September 2009 verordnet, bezüglich der Auswirkungen des Einsatzes des Gerätes könne sie mangels Rückmeldung keine Angaben machen. Sie könne nicht beurteilen, ob es Behandlungsalternativen gegeben habe.

Auf Antrag der Klägerin hat das SG nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein neuro-logisches Fachgutachten des Prof. Dr. M. vom 30. November 2012 eingeholt. Danach liegt bei der Klägerin eine Läsion des Nervus alveolaris inferior rechts, einem Ast des Nervus trigeminus, vor. An der Zunge befinde sich objektiv eine mittelgradig stark ausgeprägte Gefühlsstörung (Hypästhesie und Hypalgesie als Beeinträchtigung von Gefühl und Schmerzempfindung) der rechten Kinnhälfte. An objektiven neurophysiologischen Befunden sei bei elektrischer Trigeminusreizung rechts eine deutliche Minderung der Reizantwortstärke zu verzeichnen (sensible Testung). Bei motorischer Testung des Nervus facialis finde sich rechts eine mäßige Verlangsamung der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit mit ebenfalls Minderung der Reizantwortstärke. Je nach Intensität und Dauer der Druckauswirkung, die die Läsion verursachet habe, könne sich diese spontan zurückbilden, entweder vollständig oder mit verbleibenden mehr oder weniger ausgeprägten Schäden. Sofern der Druck persistierend sei, sei therapeutisch dementsprechend im Akutstadium eine Entlastung vorzunehmen. Weitere Maßnahmen würden von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nicht empfohlen. Zur Langzeitbehandlung stünde als physikalische Maßnahme prinzipiell eine elektrische Reizung im Sinne einer Elektrotherapie zur Verfügung. Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) handele es sich um eine etablierte Methode der physikalischen Therapie, insbesondere zur Schmerzbekämpfung. Die im vorliegenden Fall nachrangige Symptomatik sei eine leichte motorische Störung, bedingt durch die Läsion des Nervus facialis gewesen. In der Literatur würde die hier durchgeführte EMG-gesteuerte Elektrotherapie überwiegend als effektiv und positiv beurteilt, allerdings nicht primär bei sensiblen, sondern bei motorischen Läsionen. Ausführliche Untersuchungen speziell zur Gesichtslähmung stünden noch aus. Für die angegebene diskrete Lähmung der Muskulatur um das rechte Auge herum sowie am rechten Mundwinkel sei wahrscheinlichste Ursache das Vorliegen einer ideopathischen Facialisparese. Für die Elektrotherapie einer Facialisparese sei die Literaturlage kontrovers. Von der elektrischen Stimulation im Sinn einer Elektrotherapie könne trotz zum Teil kontroverser Ansichten in der Literatur eine positive Wirkung erwartet werden. Bezüglich der sensiblen Störungen sei dementsprechend die Elektrotherapie aus medizinischen Gründen notwendig gewesen; diese hätte jedoch auch mit einfachen zyklischen Impulsen, z.B. einem einfachen TENS-Gerät durchgeführt werden können. Bezüglich der motorischen Störungen könne zur Notwendigkeit keine definitive Stellungnahme abgegeben werden, weil der diesbezügliche klinische Verlauf aufgrund der deutlich schwächeren Symptomatik keine eindeutige Korrelation zum Einsatz der Elektrotherapie erlaube.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Dezember 2012 hat das SG die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren überreicht die Klägerin die vertragsärztlichen Verordnungen der Dr. C. vom 3. November 2008 und 5. Mai 2009. Eine Therapie mit einem TENS-Gerät sei ihr weder von den behandelnden Ärzten noch von der Beklagten empfohlen worden. Im März 2010 habe sie das MfT Z² Gerät unter Anrechnung der bis dahin erfolgten Mietzahlungen erworben. Unter Annahme der durch den Sachverständigen angenommenen zumindest noch notwendigen Behandlungsdauer bis zum 30. Juni 2013, hätten sich die monatlichen Kosten auf 62,70 EUR belaufen. Die Kosten der Verwendung eines TENS-Gerätes überstiegen sicherlich diese Kosten, weshalb vorliegend dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Genüge getan sei. Prof. Dr. M. habe die elektrische Stimulation zu ihrer Behandlung als medizinisch indiziert angesehen; ein therapeutischer Nutzen sei nachweislich eingetreten. Mit Schriftsatz vom 25. April 2016 beziffert sie die ihr entstandenen Kosten auf 5.987,50 EUR und legt entsprechende Nachweise vor.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 17. Dezember 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Selbstbeschaffung des Myofeedbackgerätes MfT Z² in Höhe von 5.987,50 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Entscheidungsgründe des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008, ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Selbstbeschaffung des MfT Z² entstandenen Kosten.

Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattung ist § 13 Abs. 3 SGB V (hier in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl 2007 I Seite 378). Danach ist eine Krankenkasse zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn sie entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen sind (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 2006 - Az.: B 1 KR 7/05 R, m.w.N., nach juris). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - Az.: B 3 KR 20/08 R, m.w.N., nach juris). Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs bedeutet einmal, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war - was hier mangels medizinische Dringlichkeit nicht in Betracht kommt -, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (vgl. BSG, Urteile vom 15. April 1997 - Az.: 1 BK 31/96 und vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 8/06, nach juris).

Bezüglich der der Klägerin in dem Zeitraum vom 11. März bis 10. Juni 2008 entstandenen Kosten in Höhe von 720,75 EUR fehlt es bereits an einem notwendigen Ursachenzusammenhang zwischen den ihr entstandenen Kosten und der Ablehnung der Leistung durch die Beklagte. Zum Zeitpunkt der Anmietung des MfT Z² am 11. März 2008 (Rechnung vom 17. März 2008) hatte sich die Klägerin noch nicht mit einem entsprechenden Begehren an die Beklagte gewandt, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zum Zeitpunkt der Anmietung des MfT Z² für den Zeitraum vom 11. April 2008 bis 10. Juni 2008 (Rechnung vom 2. April 2008) fehlte es an einer Entscheidung der Beklagten über das Begehren der Klägerin. Erst mit Bescheid vom 28. April 2008 hat die Beklagte es abgelehnt, der Klägerin das Gerät als Sachleistung zu gewähren bzw. die bisher entstandenen Kosten zu erstatten.

Im Übrigen scheitert ein Anspruch auf Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten daran, dass die Beklagte die Erstattung der Kosten für die Miete des MfT Z² (ab Rechnung vom 18. Juni 2008) nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Die Frage, ob die begehrte Leistung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 SGB V zu Unrecht abgelehnt wurde, ist nach dem für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsrecht zu beurteilen - für Leistungen der GKV somit nach den Bestimmungen des SGB V - (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015 - Az.: B 3 KR 5/14 R, m.w.N., nach juris).

Bei dem von der Klägerin letztlich erworbenen MfT Z² handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Zu den Hilfsmitteln zählen alle sächlichen medizinischen Leistungen (etwa Körperersatzstücke), während in Abgrenzung hierzu dem Begriff der Heilmittel (§ 32 SGB V) alle von entsprechend ausgebildeten Personen persönlich erbrachten medizinischen Dienstleistungen unterfallen, wie etwa Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, a.a.O., Rn. 19, m.w.N.).

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung im Hinblick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse nach § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen (§ 33 Abs. 1 Satz 5 SGB V). Hingegen ist weder die vertragsärztliche Verordnung (§ 73 Abs. 2 S 1 Nr. 7 SGB V) des begehrten Hilfsmittels noch dessen Listung im HMV der GKV (§ 139 SGB V) verbindlich für die Leistungspflicht der Krankenkasse (vgl. BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 12/10 R, Rn. 8, m.w.N., nach juris).

Hier kommt ein Anspruch der Klägerin nach § 33 SGB V nur aufgrund der ersten Alternative "Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung" in Betracht. Das MfT Z² diente nicht zur Vorbeugung einer drohenden Behinderung oder zum Ausgleich einer Behinderung (zweite Alternative). Gegenstand eines Behinderungsausgleichs sind Hilfsmittel, die auf den Aus-gleich der Behinderung selbst gerichtet sind. Hierbei ist maßgeblich, ob eine Leistung des unmittelbaren oder mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist der Leistungsanspruch des Versicherten grundsätzlich auf den vollständigen funktionalen Ausgleich der Behinderung gerichtet. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktionen selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert (vgl. Nolte, in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: Juni 2015, § 33 Rn. 11). Teil der auszugleichenden Behinderung sind im Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs die direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung, soweit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder zumindest gemildert werden und somit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist. Die IMF® - Therapie mittels des MfT Z² ist ihrem Anspruch nach nicht in diesem Sinne auf einen Ausgleich der Behinderung gerichtet, sondern soll beeinträchtigte Körperfunktionen wieder herstellen oder verbessern.

Der Sicherung des Erfolges einer Krankenbehandlung i.S.d. § 33 SGB V dient ein sächliches Mittel, soweit es spezifisch im Rahmen der ärztlich verantworteten Krankenbehandlung eingesetzt wird, um zu ihrem Erfolg beizutragen. Der spezifische Bezug zur ärztlich verantworteten Krankenbehandlung setzt voraus, dass die Verwendung des begehrten Hilfsmittels in einem engen Zusammenhang zu einer andauernden, auf einem ärztlichen Therapieplan beruhenden Behandlung durch ärztliche und ärztlich angeleitete Leistungserbringer steht und für die gezielte Versorgung im Sinne der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 S 1 SGB V als erforderlich anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 2012 - Az.: B 3 KR 2/11 R, Rn. 17, nach juris). Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheiten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Die Klägerin litt nach einer Zahnoperation im Februar 2007 nach eigenen Angaben unter Sen-sibilitätsstörungen (Taubheitsgefühlen) im rechten Unterkieferbereich und in der rechten Zungenhälfte. Deshalb schloss sie am 11. März 2008 erstmals einen Mietvertrag mit der IMF - R. GmbH bezüglich des MfT Z² ab. Erstmals am 2. April 2008 verordnete ihr die Internistin Dr. C. die Miete des MfT Z² Gerätes. Durch die vertragsärztliche Verordnung vom 2. April 2008 und der nachfolgenden Verordnungen hat Dr. C. den Einsatz des MfT Z² Gerätes zur Behandlung der bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen befürwortet. Hieraus dürfte sich ergeben, dass der Einsatz des MfT Z² Gerätes im Rahmen der ärztlichen Behandlung erfolgen sollte, folglich ein enger Zusammenhang zu dieser besteht (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, a.a.O., Rn. 23, 24).

Sofern ein Hilfsmittel den Erfolg einer Krankenbehandlung i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGB V sichern soll und dabei in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode i.S.v. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V eingesetzt wird, ist Voraussetzung für einen Anspruch des Versicherten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGB V weiter, dass die neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) anerkannt worden ist. Dies war hier nicht der Fall.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist dann, wenn ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbe-handlung deren Erfolg sichern soll, seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zu Grunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden Anforderungen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 12 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V zu trennen. Insoweit umfasst die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewandten "Methode" (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, a.a.O.,m.w.N.). Danach obliegt die für Versicherte und Leistungserbringer verbindliche Entscheidung über den Versorgungsumfang nach § 92 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 SGB V auch im Bereich der Hilfsmittel dem GBA, soweit er sich am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zum diagnostischen und therapeutischen Nutzen, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit orientiert.

Bei der IMF® - Strategie handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V, die in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem MfT Z² steht.

Neu ist die Behandlungsmethode in diesem Sinne, wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführt ist. Dabei kommt dem in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V und § 135 Abs. 1 SGB V verwendeten Begriff der "Behandlungsmethode" jedoch eine umfassendere Bedeutung zu als dem Begriff der "ärztlichen Leistung" im EBM-Ä nach § 87 SGB V, da einzelne vertragsärztliche Leistungen oftmals nur Bestandteil eines methodischen Konzepts sind. Setzt sich eine Behandlungsmethode aus einer Kombination verschiedener Maßnahmen zusammen, kann es sich um eine neue Behandlungsmethode handeln, wenn das zu Grunde liegende theoretisch-wissenschaftliche Konzept gerade in der neuartigen Kombination verschiedener Einzelleistungen liegt. Es kommt dann darauf an, ob die im EBM-Ä bereits enthaltenen ärztlichen Einzelleistungen oder bereits zugelassene Behandlungsmethoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren. Die Beurteilung, welche Änderungen oder Erweiterungen wesentlich sind, bedürfen einer Orientierung am Schutzzweck des § 135 Abs. 1 SGB V. Nach § 39 Abs. 1 SGB V hat der GBA "Empfehlungen abzugeben über 1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zulasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Richtung, 2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und 3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung." Eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren bereits im EBM-enthaltene ärztliche Leistungen oder zulasten der GKV abrechnungsfähige Methoden mithin insbesondere dann, wenn sich der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen aus einer bisher nicht erprobten Wir-kungsweise der Methoden ergeben soll oder wenn mit der Methode gesundheitliche Risiken verbunden sein könnten, denen bisher nicht nachgegangen wurde. Eine neue Wirkungsweise und bisher nicht erforschte Risiken können sich auch aus der Komplexität der Methode oder ihres technischen Ablaufs ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, a.a.O.). Die IMF® - Therapie wurde zu den maßgeblichen Zeitpunkten des Entstehens der jeweiligen Kosten (von März 2008 bis März 2010) in der Anlage 1 Richtlinie des Gemeinsamen Bun-desausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versor-gung (Method-RL) nicht genannt. Im EBM-Ä wird unter der Gebührenposition 02512 die gezielte Elektrostimulation bei spastischen und/oder schlaffen Lähmungen genannt. Obligater Leistungsinhalt ist die Elektrostimulation sowie die Festlegung der Reizparameter, je Sitzung 55 Punkte (Stand: 1. Januar 2008 und 1. Januar 2009). Voraussetzung für eine Berechnung dieser Leistung ist nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä (Punkt 4.3.1) ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt. Bei der IMF® - Therapie ist ein solcher bei dem Einsatz des MfT Z² aber gerade nicht vorgesehen. Vielmehr bestimmt der Versicherte selbst die Anwendung des Gerätes und die entsprechenden Parameter. Als Elektrotherapie bezeichnet man die medizinische Anwendung des elektrischen Stroms. Ausgehend von der Erkrankung behandelt der Arzt bzw. der Physiotherapeut einen oder mehrere Körperteile mit unterschiedlichen Stromformen. Es kommen galvanische, nieder-, mittel- und hochfrequente Ströme zum Einsatz. Niederfrequente (1 bis 1000 Hz) erregen Nerven- und Muskelfasern und veranlassen die Muskulatur, sich zusammenzuziehen. Vor allem bei geschwächter und teilgelähmter Muskulatur kann so die Funktion erhalten und eine Schwächung vermindert werden (vgl. https:// www.tk.de/tk/behandeln-a-z/e/elektrotherapie/25247). Laut Produktbeschreibung des MfT Z² handelt es sich bei der IMF® - Therapie um eine komplexe (bewusste) Lernmethode. Der Hersteller sieht in der internen Aktivierung von erlernten Bewegungseffekten aus der Zeit vor der Erkrankung (Ziel-Antizipation) durch die mentale Vorstellung die geeigneten Trigger-Mechanismen für die Prozesse der Plastizität und der Strukturveränderungen im Nervensystem. Man spreche in solchen Fällen von einem bewussten Wiedererlernen durch eine mentale Visualisierung. Ehemals erlernte Bewegungseffekte würden vor dem inneren Auge abgespielt, d.h. aktiv vom Betroffenen mental vorgestellt. Dieses setze die Erinnerung der positiven Bewegungserfahrung voraus. Mit Hilfe der IMF® - Therapie suche und finde der Übende wieder den Schlüssel zum Langzeitgedächtnis. Das wiederholte bewusste Suchen nach vergangenen Ereignissen und die bewusste Auswahl geeigneter Bewegungseffekte stabilisiere die Bewegungsvorstellung und ermögliche das mentale Training. Die Funktionswiederholung mache sich den Mechanismus der Voraktivierung von Bewegungen zu Nutze, indem das gesamte Netzwerk der Nerven, auch der verletzten, aktiviert werde. Auf diese Weise sollen sich durch mehrmaliges tägliches Training neue Nervenverbindungen bilden. Zuerst verbessere sich die Sensorik und anschließend die Motorik. Der Trainierende stehe im Mittelpunkt dieser Therapie und bestimme mit seinem Übungstempo und seiner Disziplin den Rehabilitations-prozess. Damit basiert diese Therapie auf einem eigenständigen Konzept, das vom in der me-dizinischen Wissenschaft anerkannten Elektrotherapieverfahren abweicht, sodass die IMF® - Therapie nicht der im Sinne der Gebührenposition 02512 EBM-Ä abrechnungsfähig ist. Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, ist vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin litt nicht an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer damit zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stand (§ 2 SGB V).

Die Klägerin hätte ohne positive Entscheidung des GBA auch keinen Anspruch auf Ausstattung mit dem MfT Z² nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 und 3 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 8. Juli 2015, a.a.O., m.w.N.).

Darüber hinaus würde es auch an der Notwendigkeit des Einsatzes des MfT Z² bei der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung fehlen (vgl. BSG, Urteil vom 15. März 2012 - Az.: B 3 KR 2/11 R, nach juris). Laut Produktbeschreibung von Oktober 2007 ist Indikation für die Anwendung des MfT Z² zur IMF® - Therapie, ein Schlaganfall, nach der aktuellen Produktbeschreibung (vgl. http://imf-reha.com/imf-strategie) sind Indikationen, Schlaganfall, Rückenmarksverletzung, Multiple Sklerose, Schädel-Hirn-Trauma und Plexusverletzung. Keine dieser Erkrankungen lag bei der Klägerin vor. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. M. stand bei der Klägerin eine sensible Störung im Vordergrund. In der Literatur wird die hier durchgeführte EMG-gesteuerte Elektrotherapie bei motorischen Läsionen überwiegend als effektiv und positiv beurteilt, dagegen nicht - wie hier - bei primär sensiblen Störungen. Untersuchungen speziell zur Gesichtslähmung liegen nicht vor. Von der elektrischen Stimulation im Sinn einer Elektrotherapie könne trotz zum Teil kontroverser Ansichten in der Literatur eine positive Wirkung erwartet werden. Bezüglich der sensiblen Störungen sei dementsprechend die Elektrotherapie aus medizinischen Gründen notwendig gewesen; diese hätte jedoch auch mit einfachen zyklischen Impulsen, zum Beispiel einem einfachen TENS-Gerät durchgeführt werden können. Bezüglich der motorischen Störungen konnte der Sachverständige zur Notwendigkeit keine definitive Stellungnahme abgegeben, weil der diesbezügliche klinische Verlauf aufgrund der deutlich schwächeren Symptomatik keine eindeutige Korrelation zum Einsatz der Elektrotherapie erlaube.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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