L 10 U 82/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 18 (36) U 419/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 U 82/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 05.01.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Übernahme der durch die Einholung des Gutachtens von dem Sachverständigen X entstandenen Kosten auf die Staatskasse abgelehnt.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) ist der Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten auf die Staatskasse aber nicht verfristet. Dieser Antrag ist an keine Frist gebunden und kann in den Grenzen einer Verwirkung geltend gemacht werden (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 09.03.2015 - L 15 VJ 2/15 B; LSG Hessen, Beschluss vom 29.09.2005 - L 5 B 148/05 R). Dabei genügt allein eine zeitlich verzögerte Antragsstellung ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht, um eine Verwirkung zu begründen (aaO). Der Kläger hat hier lediglich mehr als fünf Jahre nach Abschluss des Verfahrens den Kostenübernahmeantrag gestellt. Dieser Zeitablauf begründet aber für sich keine Verwirkung, besondere Umstände, die eine andere Beurteilung nahelegen würden, sind nicht ersichtlich.

Soweit das SG Verjährung angenommen hat, hat es übersehen, dass die Verjährung nur den durch den (positiven) Beschluss des Gerichts entstandenen Anspruch auf Erstattung der Kosten und nicht den Antrag auf Übernahme der Kosten betrifft (vgl. insbesondere Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 109 Rn. 16, der darauf hinweist, dass die Verjährungsfrist erst nach einer Entscheidung des Gerichts laufe, so dass notwendigerweise für den Antrag auf Entscheidung die Verjährungsfrist nicht gelten kann).

In der Sache ist aber die Übernahme der Kosten des Gutachtens auf die Staatskasse nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung darüber, ob die Kosten eines gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen sind, ist zunächst eine Ermessensentscheidung des Gerichts, das das Gutachten angefordert hat (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 109 Rn. 16). Ob diese Ermessensentscheidung im Beschwerdeverfahren voll überprüfbar ist oder ob nur die Einhaltung der Grenzen des Ermessens geprüft werden darf (zum Streitstand s. Bayerisches LSG, Beschl. v. 19.12.2012 - L 15 SB 123/12 B), kann dahinstehen, da das SG aufgrund seiner Annahme, dass der Antrag verfristet sei, sein Ermessen nicht ausgeübt hat. Der Senat ist daher nicht gehindert, im Rahmen der zu treffenden Sachentscheidung nach seinem Ermessen zu entscheiden.

Die Kostenübernahme kommt in Betracht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass das Gutachten von Amts wegen hätte eingeholt werden müssen. Bei dieser Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat (vgl. Keller, a.a.O., § 109 Rn. 16a). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es durch Aufzeigen bis dahin nicht berücksichtigter medizinischer Gesichtspunkte zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich beigetragen oder die Erledigung des Rechtsstreits in sonstiger Weise wesentlich gefördert hat. Dabei kann nur eine wesentliche Förderung der Sachaufklärung zu einer Kostenübernahme führen (Keller, a.a.O., § 109 Rn. 16a).

Von einer "wesentlichen" Förderung der Sachverhaltsaufklärung kann unter Anlegung eines objektiven Maßstabes nur dann ausgegangen werden, wenn zusätzliche neue Erkenntnisse gewonnen werden, die zu einer Entscheidung führen können, die auf Grundlage des bis dahin gewonnenen Ermittlungsergebnisses - insbesondere des Ergebnisses des Verwaltungsverfahrens und der im Gerichtsverfahren eingeholten Vorgutachten - nicht möglich gewesen wäre.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Gutachten war für den Ausgang des Verfahrens nicht von Bedeutung. Der Kläger hatte mit der Klage die Entschädigung wegen einer angeblich bei dem Arbeitsunfall erlittenen Entschädigung der LWS verlangt. Insoweit hat der Sachverständige X in Übereinstimmung mit den Vorgutachtern die Beschwerden von Seiten des LWS als unfallunabhängig beurteilt. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom 04.05.2010 Verletztenrente wegen der Folge der erlittenen Schulterverletzung gewährt und der Kläger daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt hat, beruht diese Erledigung nicht auf dem Gutachten des Sachverständigen X. Dieser hat zwar ebenfalls die Beschwerden von Seiten der Schulter als durch den erlittenen Unfall verursacht beurteilt, die Beklagte hatte aber unabhängig davon eigenen Ermittlungen durchgeführt. In dem schon vor dem Gutachten X vorliegenden Rentengutachten der Dres. L/N vom 12.11.2009 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. F vom 01.02.2010 war deswegen bereits eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. befürwortet worden. Das Gutachten X hat damit lediglich diese Einschätzung bestätigt und war nicht ausschlaggebend für die Entscheidung der Beklagte, dem Kläger wegen der Folgen des erlittenen Arbeitsunfalles Verletztenrente zu gewähren. Bei dieser Sachlage kommt die Übernahme der Kosten dieses letztlich "überflüssigen" Gutachtens auf die Staatskasse nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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