Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 160/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 41/16
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Nach der Ausgleichsregelung nach § 5 Abs. 4 HVV KV Hessen (hier: Quartal III/07) ist der Fallwert des aktuellen Quartals mit dem Fallwert des Referenzquartals im Vorjahr zu vergleichen und hat bei einer Fallwertminderung von mehr als 15% eine einzelfallbezogene Prüfung zu erfolgen. Soweit Leistungen im aktuellen Quartal nicht mehr oder weniger erbracht werden, ist der Fallwert im Referenzquartal entsprechend zu bereinigen. Es kann nicht auf den Leistungsrückgang einer einzelnen Leistung mit der Folge, dass bei deren Rückgang über 15% kein weitergehender Ausgleich erfolgt, abgestellt werden. Die KV hat vielmehr nachzuweisen, dass der Leistungsrückgang den gesamten Berichtigungsbetrag begründet. Hierfür ist im Einzelnen der Leistungsrückgang im Hinblick auf den Fallwert des Referenzquartals zu quantifizieren (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 26).
2. Die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV KV Hessen, wonach ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% ausschließlich ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssen, ist rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 27 f.).
3. Ein Leistungsrückgang im Bereich der Ziff. 18220 EBM 2005 ist zu berücksichtigen, auch wenn die KV empfohlen haben sollte, die Leistung weniger abzurechnen.
2. Die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV KV Hessen, wonach ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% ausschließlich ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssen, ist rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 27 f.).
3. Ein Leistungsrückgang im Bereich der Ziff. 18220 EBM 2005 ist zu berücksichtigen, auch wenn die KV empfohlen haben sollte, die Leistung weniger abzurechnen.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 28.12.2011, abgeändert durch den Bescheid vom 17.11.2014 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Berichtigung des Honorarbescheids für das Quartal III/07 und hierbei ausschließlich um eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von 10.525,63 EUR abzüglich Verwaltungskosten aufgrund der Regelung nach § 5 Abs. 4 des Honorarverteilungsvertrags.
Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte setzte im Quartal III/05 das Honorar des Klägers, wobei sie wiederholt eine Neubescheidung vornahm, wie folgt fest:
Quartal III/05 III/05 III/05
Honorarbescheid v. 12.08.2006 31.07.2012 16.04.2013
Nettohonorar gesamt in EUR 36.100,49
Gesamthonorar
Bruttohonorar Primär- u. Ersatzkassen in EUR 36.712,13 35.025,91 36.376,30
Fallzahl Primär- u. Ersatzkassen 922 922 922
Honoraranforderung in EUR 42.878,85
Honoraranforderung nach HVV in EUR 42.878,85
Regelleistungsvolumen in Punkten
Abgerechnet in Punkten 813.210.0 675.725,0 675.725,0
Überschreitung 282,6 0,0 0,0
Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV
Fallzahl im Aufsatzquartal 1.011 1.011 1.011
Referenz-Fallwert 44,0079 44,0079 44,0079
Fallwert im aktuellen Quartal 27,2659 21,6000 21,6000
Auffüllbetrag pro Fall in EUR 11,3360 15,1730 15,1730
Auffüllbetrag gesamt in EUR 10.451,82 13.989,54 15.339,93
Fallzahl 922 922 1.011
Die Beklagte setzte in dem Quartal III/07 das Honorar des Klägers, wobei sie wiederholt eine Neubescheidung vornahm, wie folgt fest:
Quartal III/07 III/07 III/07
Honorarbescheid v. 17.01.2008 19.12.2011 05.11.2014
Nettohonorar gesamt in EUR 34.485,05
Gesamthonorar
Bruttohonorar Primär- u. Ersatzkassen in EUR 35.276,13 32.633,86 32.786,63
Fallzahl Primär- u. Ersatzkassen 863 863 863
Honoraranforderung in EUR 40.181,63 40.181,63 40.181,63
Honoraranforderung nach HVV in EUR 40.181,63 40.181,63 40.181,63
Regelleistungsvolumen in Punkten
Abgerechnet in Punkten 708.777,6 619.685,0 619.685,0
Überschreitung 0,0 0,0 0,0
Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV
Fallzahl im Aufsatzquartal 922 922 922
Referenz-Fallwert 38,6019 38,6019 38,2377
Fallwert im aktuellen Quartal 23,0878 17,1985 18,2494
Auffüllbetrag pro Fall in EUR 12,1966 15,0261 14,1502
Auffüllbetrag gesamt in EUR 10.525,63 12.967,55 12.211,64
Honorarrückforderung 10.525,63
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 28.12.2011 eine Überprüfung der Regelung nach § 5 Abs. 4 Buchst. c und d Honorarverteilungsvertrag für das streitbefangene Quartal III/07 vor. Sie setzte einen Honorarrückforderungsbetrag in Höhe von 10.205,65 EUR abzüglich Verwaltungskosten fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei der Überprüfung habe sie zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass diese nur dann zu erfolgen habe, wenn die Fallwertminderung sowohl nach den Ergebnissen im Honorarbescheid III/07 als auch nach den Ergebnissen der fiktiven Neuberechnung des Honorars im Quartal III/07 mehr als 15 % betrage. Die Ergebnisse im Honorarbescheid III/07 unter fiktiven Neuberechnungen des Honorars für dieses Quartal habe gezeigt, dass der Vergleich des relevanten Fallwerts III/07 zum Referenzfallwert III/05 jeweils eine Fallwertminderung von mehr als 15 % ergebe:
Fallwert III/07 Honorarbescheid: 23,0878 EUR
Fallwert III/05 Honorarbescheid: 38,6019 EUR
Fallwertminderung Honorarbescheid: - 40,19 %
Fallwert III/07 fiktive Neuberechnung: 17,1965 EUR
Fallwert III/05 fiktive Neuberechnung: 38,6019 EUR
Fallwertminderung Honorarbescheid: - 55,45 %
Ein Vergleich der Abrechnung mit dem Aufsatzquartal III/05 habe ergeben, dass sich das Leistungsspektrum der Praxis verändert habe. In folgenden Leistungsbereichen sei ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang zu verzeichnen:
Leistungsbereich Anforderung III/05 Anforderung III/07 Rückgang
Beratung/Betreuung 75.905,0 470,0 - 99,38 %
Operationen 60.100,0 0,0 - 100,0 %
Orth.-chir. Konserv. Leist. 18.750,0 0,0 - 100,0 %
Postop. Behandlungskomplexe 6.400,0 0,0 - 100,0 %
Radiologie 38.875,0 14.010,0 - 63,96 %
Verwaltungskomplex 30,0 0,0 - 100,0 %
Der Kläger habe daher die Voraussetzungen zur Teilnahme an der sog. Ausgleichsregelung nicht erfüllt. Die Auffüllung sei daher vollständig zurückzufordern. Zur Ermittlung des Rückforderungsbetrags habe sie ebf. zu Gunsten des Klägers nur den niedrigeren Auffüllungsbetrag entweder auf Basis des Honorarbescheides für das Quartal III/07 oder auf Basis der fiktiven Neuberechnung des Honorars im Quartal III/07 herangezogen:
Auffüllungsbetrag III/07 Honorarbescheid: 10.525,63 EUR
Auffüllungsbetrag III/07 fiktive Neuberechnung: 12.967,55 EUR
Rückforderungsbetrag III/07: 10.525,63 EUR (brutto) 10.205,65 EUR (netto)
Hiergegen hat der Kläger am 10.01.2012 Widerspruch erhoben. Er trug vor, er habe im Quartal III/07 sieben Patienten operiert, im Quartal III/05 seien es 12 gewesen. Es treffe daher nicht zu, dass er im Quartal III/07 null Patienten operiert habe. Die angeführte Verringerung der Leistungen sei ihm schleierhaft.
Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 17.11.2014 den Bescheid vom 28.12.2011 ab, ohne aber den Rückforderungsbetrag zu verändern. Zur Begründung führte sie aus, sie habe zwischenzeitlich auf Basis der neuberechneten RLV-Fallpunktzahlen die fiktive BSG-Neuberechnung des Quartals III/07 wiederholt. Es ergebe sich weiterhin ein Fallwertverlust von mehr als 15 %:
Fallwert III/07 2. fiktive BSG-Neuberechnung: 18,2494 EUR
Fallwert III/05 fiktive BSG-Neuberechnung: 38,2377 EUR Fallwertminderung BSG-Neuberechnung: - 52,27 %
Es ergebe sich folgender Rückforderungsbetrag:
Rückforderungsbetrag III/07 vom 28.12.2011: 10.525,63 EUR
Auffüllungsbetrag nach 2. fiktiver BSG-Neuberechnung: 12.211,64 EUR
Neuer Rückforderungsbetrag III/07: 10.525,63 EUR (brutto) 10.205,65 EUR (netto)
Der Kläger legte unter Datum vom 10.12.2014 erneut Widerspruch ein und trug weiter vor, die Ziffer 18220 sei im Quartal III/05 etwa 320-mal zur Abrechnung gekommen, im Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten sei ihm empfohlen worden, diese Ziffer nicht mehr abzurechnen. Dies erkläre den eklatanten Rückgang auf ein paar Leistungen nach Nr. 18220 EBM 2005. Er akzeptiere den selbstgestrickten Regress nicht, weil er zum wiederholten Male intrabudgetäre Leistungen mit extrabudgetären Leistungen vergleiche.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend zu den angefochtenen Bescheiden aus, es treffe zu, dass bei den Operationen eine Verschiebung in den extrabudgetären Bereich vorliege. Der Kläger habe damit zusätzlich zur extrabudgetären Vergütung dieser Leistungen eine Auffüllung der hierdurch entstandenen Fallwertminderung im intrabudgetären Bereich erhalte. Die Auffüllung habe deshalb zurückgefordert werden müssen. Im Bereich Beratung/Betreuung und Radiologie sei ein Leistungsrückgang zu verzeichnen gewesen. Im Quartal III/05 sei der EBM 2005 bereits eingeführt worden, weshalb der Leistungsrückgang nicht auf der Einführung des EBM beruhen könne. Wenn der Kläger die Leistung nach Nr. 18220 EBM weniger erbracht habe, so liege gerade kein Leistungsrückgang auch unter Einführung des EBM 2005 vor. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden der Rückforderung nicht entgegen. Eine Überprüfung der vorbehaltlosen Bestätigung nach Erlass der Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis IV/06 sei bisher nicht erfolgt.
Hiergegen hat der Kläger am 24.04.2015 die Klage erhoben. Er verweist auf sein Vorbringen im Parallelverfahren zu den Vorquartalen S 12 KA 171/15 und trägt ergänzend vor, die Beklage habe bisher nicht überprüft, ob sich die Fallwertreduzierung aus einer Veränderung des Leistungsspektrums ergebe oder aber nicht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2011, abgeändert durch den Bescheid vom 17.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Fallwertminderung habe sich auf Grund des Leistungsrückgangs oder aus der Verschiebung von Leistungen vom ehemals intrabudgetären in den nunmehr extrabudgetären Bereich ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.12.2011, abgeändert durch den Bescheid vom 17.11.2014 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Die Beklagte war grundsätzlich im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung zuständig und berechtigt, eine Überprüfung der Ausgleichszahlung nach § 5 Abs. 4 HVV vorzunehmen (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 -, Umdruck S. 10 f.; Urt. v. 14.05.2014 - L 4 KA 63/12 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 33 f.; Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 26 ff.).
§ 5 Abs. 4 HVV "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus" bestimmt Folgendes:
a) Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß § 4 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2005 ausschließlich beschränkt auf Leistungen der Honorargruppe 2 mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen.
b) Zeigt der Fallwertvergleich einen Fallwertverlust von mehr als 5%, so erfolgt eine Stützung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honoraruntergruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Punktwerte zu generieren. Sollte durch eine solche Quotierung der Fallwertverlust wieder auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.
c) Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2005 abgerechnet worden ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Basisquartal erkennbar ausgewählte Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung, verändert hat. Er ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis im Vergleich zum entsprechenden Basisquartal geändert hat.
d) Beträgt der Fallwertverlust mehr als 15%, wird geprüft, ob dieser Verlust ausschließlich auf die Einführung des EBM 2000plus zurückzuführen ist. Sofern die Prüfung ergibt, dass dies nicht der Fall ist, wird ggf. eine Honorarberichtigung durchgeführt. Diese Regelung steht unter dem Vorbehalt, dass auf Basis der Zahlungen der Verbände der Krankenkassen eine dem Basisquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütung zur Verfügung steht.
e) Diese Regelung gilt nicht für ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen.
Diese Regelung knüpft abgesehen von sprachlichen Umformulierungen weitgehend unverändert an die ab dem Quartal II/05 bis I/07 geltende Regelung nach Ziff. 7.5 HVV an. In den Quartalen II/05 bis I/06 galten jedoch als Referenzquartale die Vorjahresquartale II/04 bis I/06, in den Quartalen II/06 bis IV/08 galten als Referenzquartale die Quartale II bis IV/05 bzw. I/06.
§ 5 Abs. 4 HVV ist, wie bereits zu Ziffer 7.5 HVV entschieden, grundsätzlich rechtmäßig, soweit er im Sinne einer Härtefallregelung zur Begünstigung eines Vertragsarztes führt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 04.11.2009 - L 4 KA 99/08 -; LSG Hessen, Urt. v. 11.02.2009 L 4 KA 82/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; s. a. BSG, Urt. v. 08.12.2010 B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 61 = USK 2010-174, 17 juris Rdnr. 17). Lediglich soweit die sog. Ausgleichsregelung bei Überschreiten des Fallwerts des Vorjahresquartals von mehr als 5 % u. U. zu einer Honorarkürzung führt, ist die Regelung zu beanstanden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 29.04.2009 - L 4 KA 80/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 16/09 R - juris; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 - L 4 KA 110/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 18.08.2010 durch BSG - B 6 KA 26/09 R -; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 - L 4 KA 85 u. 86/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 58 = USK 2010-95 = GesR 2011, 304 = Breith 2011, 415 bzw. B 6 KA 28/09 R).
Danach war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, § 5 Abs. 4 HVV im Sinne einer begünstigenden Regelung anzuwenden. Die Beklagte hat aber, was gerichtsbekannt ist, nicht nur im Falle des Klägers bei Erlass des Honorarbescheids § 5 Abs. 4 HVV lediglich schematisch angewandt, ohne in die von § 5 Abs. 4 HVV gebotene Einzelfallprüfung bei Überschreiten der 15 %-Grenze einzutreten. Nach § 5 Abs. 4 Buchst. d Satz 1 und 2 HVV ist, wenn die Fallwertminderung mehr als 15%, beträgt, eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Dabei müssen ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% ausschließlich ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben. Als maßgebliche Kriterien nennt § 5 Abs. 4 Buchst. c HVV vergleichbare Praxisstrukturen; ausgeschlossen ist ein Ausgleich bei Nichterbringung (ausgewählter) Leistungsbereiche oder Veränderung des Leistungsspektrums der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis sowie der Kooperationsform der Praxis.
Die Kammer hält diese Regelung, soweit bisher die Regelung nach Ziff. 7.5 HVV als zulässig angesehen wurde, ebf. für zulässig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen tragen dafür Sorge, dass nur EBM-bedingte, nicht aber solche Honorarverluste, für die der Vertragsarzt die Verantwortung selbst zu tragen hat, ausgeglichen werden. Der aktuelle Fallwert und der Fallwert des Vorjahresquartals müssen miteinander vergleichbar sein. Bei verändertem Leistungsspektrum der Praxis ist dies nicht mehr der Fall. Ebenso können veränderte Kooperationsformen eine Vergleichbarkeit ausschließen. Gleiches gilt für eine veränderte Berechnung des Honorars durch Einschließung oder Ausschließung von Vergütungsanteilen, insbesondere sog. extrabudgetären Leistungen, im Vergleich zum Vorjahresquartal. Im Gegensatz zu der von den Sozialgerichten beanstandeten Honorarkürzungen nach Ziff. 7.5.1 Satz 3 HVV wird nicht das regulär nach dem HVV zustehende Honorar gekürzt, sondern erfolgt lediglich eine genauere Ursachenforschung und Berechnung der den Vertragsarzt begünstigenden Ausgleichsregelung. Die Regelung zur Beschränkung der Ausgleichsregelung ist damit selbst unmittelbarer Teil der Ausgleichsregelung im Sinne einer Härteregelung. Ihr Inhalt ist aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden und ist vom Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien des HVV gedeckt.
Soweit die Kammer die Auffassung vertreten hat, bei Referenzquartalen unter Geltung des EBM 2005 könne eine Honorarminderung nicht EBM-bedingt sein (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 24.10.2013 - S 12 KA 131/12 -), hält sie an dieser Auffassung nicht mehr fest. Die Ausgleichsregelung wäre bei Zugrundelegung dieser Auffassung widersprüchlich, da dann ab dem Quartal II/06 keinerlei Ausgleich mehr im Hinblick auf die EBM-Neuregelung zu gewähren wäre. Ziel der Ausgleichsregelung war es aber, durch den Auffüllbetrag EBM-bedingte Honorarverluste abzufedern. Bei gleichbleibender Leistungserbringung in allen Quartalen würde eine Auffüllung auf 95 % - was allerdings nur im Quartal II/05, in den übrigen Quartalen jedenfalls nicht für alle Fachgruppen durchgehend geschah - im darauffolgenden Jahresquartal (z. B. Quartal II/06) zu einer geringeren Honorierung, nämlich nur zu 90,25 % des Honorars vor Einführung des EBM 2005 führen, im nächsten Jahr (z. B. Quartal II/07) nur noch zu 85,74 %, darauf (z. B. Quartal II/08) nur noch zu 81,45 %. Indem der Auffüllbetrag im Referenzquartal in dessen Vergleichsfallwert einfließt, ist eine evtl. EBM-bedingte Honorarminderung auch für die Folgequartale II/06 bis IV/08 von Bedeutung.
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer Berichtigung nicht entgegen. Die Beklagte hat die Vertragsärzte ab Geltung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV ausdrücklich auf die nachträgliche Überprüfung hingewiesen. In den Quartalen II/05 bis II/06 hat sie in Begleitschreiben zu den Honorarbescheiden jeweils darauf hingewiesen, dass sie die Überprüfung aufgrund der 15 %*Regelung erst nachträglich vornehmen werde. Ab dem Quartal III/06 hat sie an den mit "Nachweis zur Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages" überschriebenen Teil des Honorarbescheids einen entsprechenden Hinweis angefügt: "Honorarzahlungen aus der sog. ‘Ausgleichsregelung’ stehen ausschließlich bei den Praxen bzw. MVZ unter einem Vorbehalt, bei denen (vor Durchführung der sog. ‘Ausgleichsregelung’) die Fallwertminderung mehr als 15 % beträgt." (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 - Umdruck S. 11; LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 - juris Rdnr. 28). Soweit der Kläger im Parallelverfahren zu den Vorquartalen, worauf er Bezug nimmt, auf eine mehrfache Korrektur der Honorarbescheide hinweist, hat der Kläger dies nicht substantiiert. Soweit er damit allgemeine Neubescheidungen aufgrund der Beanstandung von Honorarverteilungsregelungen durch die Rechtsprechung meinen sollten, stehen diese in keinem Zusammenhang mit einer Überprüfung der Ausgleichsregelung.
Die Beklagte geht aber von einer unzureichenden und fehlerhaften Sachverhaltsermittlung aus, wenn sie allein von prozentualen Leistungsrückgängen einzelner Leistungen oder Leistungsbereiche ausgeht. Der Leistungsrückgang muss nicht nur dem Grunde nach festgestellt werden, sondern ist im Einzelnen zu quantifizieren. Dies hat die Kammer bereits entschieden. Soweit Leistungen im aktuellen Quartal nicht mehr erbracht werden, ist der Fallwert im Referenzquartal entsprechend zu bereinigen. Es kann nicht auf den Leistungsrückgang einer einzelnen Leistung mit der Folge, dass bei deren Rückgang über 15 % kein weitergehender Ausgleich erfolgt, abgestellt werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 - S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 26, die Berufung wurde nach vergleichsweiser Einigung zurückgenommen). So geht auch das LSG Hessen davon aus, dass eine Verlagerung der Vergütung in den extrabudgetären Bereich anteilig zurückzufordern ist, wovon auch offensichtlich die Beklagte seinerzeit ausging (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 - Umdruck S. 13). Die Kammer hat ferner entschieden, dass die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV KV Hessen, wonach ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssen, rechtswidrig ist, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt. Im Einzelnen hat die Kammer, woran sie nach neuerlicher Prüfung festhält und was auch für § 5 Abs. 4 Buchst. d HVV gilt, ausgeführt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 - S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 27 f.):
"Im Übrigen ist die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist - im Sinne einer unzulässigen Gleichbehandlung - verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten oder Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2011 - B 6 KA 6/10 R - juris Rdnr. 25 m.w.N.). Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Kausalitätsklausel zu willkürlichen Ergebnissen führen würde im Sinne eines entweder/oder. Ein Fallwertrückgang bis 15 % führt immer zur vorbehaltslosen Anwendung der Ziff. 7.5 HVV. Ein Fallwertrückgang von 15 und mehr, der auf einer Leistungsverringerung beruht, führt demgegenüber immer zum völligen Absehen von der Ausgleichsregelung, unabhängig davon, ob nicht der Fallwertrückgang zum größten Teil EBM-bedingt ist.
Mit der Kausalitätsklausel, wie sie von der Beklagten praktiziert wird, wird auch der Regelungszweck der Ausgleichsregelung verfehlt. Eine Kassenärztliche Vereinigung ist aufgrund des ihr nach § 75 Abs. 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt, zwar nicht anstelle, jedoch ergänzend zu den Regelleistungsvolumina mit den Krankenkassenverbänden im HVV Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 58 = USK 2010-95 = GesR 2011, 304 = Breith 2011, 415, juris Rdnr. 46). Mit der 5-% Grenze hat die Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen. Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5. HVV glichen offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen Regelleistungsvolumina bzw. des neuen EBM, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - a.a.O., Rdnr. 48). Von daher ist es noch weniger zu rechtfertigen, wenn EBM-bedingte Honorarrückgänge in größerem Umfang nicht zum Ausgleich berechtigen würden."
Nach diesen Grundsätzen sind deutliche Abweichungen im Leistungsspektrum bzw. Leistungsrückgänge bei Prüfung der Auffüllbeträge zu berücksichtigen, soweit die Leistungslegende weitgehend unverändert bleibt.
So geht die Beklagte zutreffend von einem Leistungsrückgang in verschiedenen Bereichen aus. Hinsichtlich der Ziff. 18220 EBM 2005 räumt er selbst ein, die Leistung weniger erbracht zu haben. Dabei ist es unerheblich, ob ihm eine Mitarbeiterin der Beklagten empfohlen hat, diese Ziffer nicht mehr abzurechnen. Der Kläger ist zur ordnungsgemäßen Abrechnung verpflichtet. Grundsätzlich ist von der Richtigkeit der Abrechnung eines Vertragsarztes auszugehen. Soweit Leistungen nicht mehr abgerechnet werden, ist davon auszugehen, dass diese Leistungen nicht mehr erbracht worden sind. Auch für die übrigen Leistungen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Leistungsrückgang nicht in der Sphäre des Klägers liegen sollte.
Nach den dargelegten Grundsätzen reicht es aber nicht aus, allgemein oder auf einen prozentualen Leistungsrückgang hinzuweisen. Die Beklagte hat vielmehr nachzuweisen, dass der Leistungsrückgang den gesamten Berichtigungsbetrag begründet. Hierfür ist im Einzelnen der Leistungsrückgang im Hinblick auf den Fallwert des Referenzquartals zu quantifizieren.
Die Beklagte weist im Bescheid vom 28.12.2011 auf eine Veränderung des Leistungsspektrums bzw. auf einen nicht unerheblichen Leistungsrückgang hin:
Leistungsbereich Anforderung III/05 Anforderung III/07
Beratung/Betreuung 75.905,0 470,0
Operationen 60.100,0 0,0
Orth.-chir. Konserv. Leist. 18.750,0 0,0
Postop. Behandlungskomplexe 6.400,0 0,0
Radiologie 38.875,0 14.010,0
Verwaltungskomplex 30,0 0,0
Summe 200.060 14.480
Die Fallwertminderung beträgt aufgrund der fiktiven Neuberechnung 19,9883 EUR (38,2377 EUR - 18,2494 EUR). Der angeführte Leistungsrückgang beträgt 200.060 Punkte. Rechnet man den Leistungsrückgang in den Fallwert des Quartals III/05 ein, so vermindert dieser sich, bei einem Gesamtwert von ca. 4.277,28 EUR (200.060 x 2,138 Ct.), um ca. 4,6391 EUR pro Fall (4.277,28 EUR./. 922). Der bereinigte Fallwert im Aufsatzquartal beträgt demnach ca. 33,5986 EUR. Demgegenüber betrug der ursprüngliche Auffüllbetrag pro Fall 12,1966 EUR bzw. beträgt der Fallwert III/07 nach fiktiver Neuberechnung nur noch 18,2494 EUR. Von daher ist nicht ersichtlich, inwieweit der genannte Leistungsrückgang ursächlich für die Fallwertminderung im Umfang des Auffüllbetrags bzw. der Honorarberichtigung in Höhe von 11,42 EUR (10.525,63 EUR./. 922) sein sollte. Im Ergebnis ist die Honorarberichtigungen für das Quartal III/07 daher fehlerhaft.
Der Bescheide war vollständig aufzuheben, da die Beklagte eine genaue Berechnung entsprechend den Vorgaben der Kammer nicht vorlegt und der Kammer schon aufgrund der verschiedenen Kassenbereiche eine genaue Berechnung nicht möglich ist. Von daher fehlt es an einem Nachweis, in welcher Höhe die Berichtigung berechtigt ist, was zu Lasten der Beklagten geht, da sie die Berichtigung vornimmt. Im Übrigen kommt angesichts der genannten Größenordnungen offensichtlich eine Berichtigung nicht in Betracht.
Im Übrigen bleibt es der Beklagten aber im Rahmen der Ausschlussfrist unbenommen, auf der Grundlage der Vorgaben der Kammer neu zu bescheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Berichtigung des Honorarbescheids für das Quartal III/07 und hierbei ausschließlich um eine Rückforderung des Auffüllbetrages in Höhe von 10.525,63 EUR abzüglich Verwaltungskosten aufgrund der Regelung nach § 5 Abs. 4 des Honorarverteilungsvertrags.
Der Kläger ist als Facharzt für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte setzte im Quartal III/05 das Honorar des Klägers, wobei sie wiederholt eine Neubescheidung vornahm, wie folgt fest:
Quartal III/05 III/05 III/05
Honorarbescheid v. 12.08.2006 31.07.2012 16.04.2013
Nettohonorar gesamt in EUR 36.100,49
Gesamthonorar
Bruttohonorar Primär- u. Ersatzkassen in EUR 36.712,13 35.025,91 36.376,30
Fallzahl Primär- u. Ersatzkassen 922 922 922
Honoraranforderung in EUR 42.878,85
Honoraranforderung nach HVV in EUR 42.878,85
Regelleistungsvolumen in Punkten
Abgerechnet in Punkten 813.210.0 675.725,0 675.725,0
Überschreitung 282,6 0,0 0,0
Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV
Fallzahl im Aufsatzquartal 1.011 1.011 1.011
Referenz-Fallwert 44,0079 44,0079 44,0079
Fallwert im aktuellen Quartal 27,2659 21,6000 21,6000
Auffüllbetrag pro Fall in EUR 11,3360 15,1730 15,1730
Auffüllbetrag gesamt in EUR 10.451,82 13.989,54 15.339,93
Fallzahl 922 922 1.011
Die Beklagte setzte in dem Quartal III/07 das Honorar des Klägers, wobei sie wiederholt eine Neubescheidung vornahm, wie folgt fest:
Quartal III/07 III/07 III/07
Honorarbescheid v. 17.01.2008 19.12.2011 05.11.2014
Nettohonorar gesamt in EUR 34.485,05
Gesamthonorar
Bruttohonorar Primär- u. Ersatzkassen in EUR 35.276,13 32.633,86 32.786,63
Fallzahl Primär- u. Ersatzkassen 863 863 863
Honoraranforderung in EUR 40.181,63 40.181,63 40.181,63
Honoraranforderung nach HVV in EUR 40.181,63 40.181,63 40.181,63
Regelleistungsvolumen in Punkten
Abgerechnet in Punkten 708.777,6 619.685,0 619.685,0
Überschreitung 0,0 0,0 0,0
Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV
Fallzahl im Aufsatzquartal 922 922 922
Referenz-Fallwert 38,6019 38,6019 38,2377
Fallwert im aktuellen Quartal 23,0878 17,1985 18,2494
Auffüllbetrag pro Fall in EUR 12,1966 15,0261 14,1502
Auffüllbetrag gesamt in EUR 10.525,63 12.967,55 12.211,64
Honorarrückforderung 10.525,63
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 28.12.2011 eine Überprüfung der Regelung nach § 5 Abs. 4 Buchst. c und d Honorarverteilungsvertrag für das streitbefangene Quartal III/07 vor. Sie setzte einen Honorarrückforderungsbetrag in Höhe von 10.205,65 EUR abzüglich Verwaltungskosten fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, bei der Überprüfung habe sie zu Gunsten des Klägers berücksichtigt, dass diese nur dann zu erfolgen habe, wenn die Fallwertminderung sowohl nach den Ergebnissen im Honorarbescheid III/07 als auch nach den Ergebnissen der fiktiven Neuberechnung des Honorars im Quartal III/07 mehr als 15 % betrage. Die Ergebnisse im Honorarbescheid III/07 unter fiktiven Neuberechnungen des Honorars für dieses Quartal habe gezeigt, dass der Vergleich des relevanten Fallwerts III/07 zum Referenzfallwert III/05 jeweils eine Fallwertminderung von mehr als 15 % ergebe:
Fallwert III/07 Honorarbescheid: 23,0878 EUR
Fallwert III/05 Honorarbescheid: 38,6019 EUR
Fallwertminderung Honorarbescheid: - 40,19 %
Fallwert III/07 fiktive Neuberechnung: 17,1965 EUR
Fallwert III/05 fiktive Neuberechnung: 38,6019 EUR
Fallwertminderung Honorarbescheid: - 55,45 %
Ein Vergleich der Abrechnung mit dem Aufsatzquartal III/05 habe ergeben, dass sich das Leistungsspektrum der Praxis verändert habe. In folgenden Leistungsbereichen sei ein nicht unerheblicher Leistungsrückgang zu verzeichnen:
Leistungsbereich Anforderung III/05 Anforderung III/07 Rückgang
Beratung/Betreuung 75.905,0 470,0 - 99,38 %
Operationen 60.100,0 0,0 - 100,0 %
Orth.-chir. Konserv. Leist. 18.750,0 0,0 - 100,0 %
Postop. Behandlungskomplexe 6.400,0 0,0 - 100,0 %
Radiologie 38.875,0 14.010,0 - 63,96 %
Verwaltungskomplex 30,0 0,0 - 100,0 %
Der Kläger habe daher die Voraussetzungen zur Teilnahme an der sog. Ausgleichsregelung nicht erfüllt. Die Auffüllung sei daher vollständig zurückzufordern. Zur Ermittlung des Rückforderungsbetrags habe sie ebf. zu Gunsten des Klägers nur den niedrigeren Auffüllungsbetrag entweder auf Basis des Honorarbescheides für das Quartal III/07 oder auf Basis der fiktiven Neuberechnung des Honorars im Quartal III/07 herangezogen:
Auffüllungsbetrag III/07 Honorarbescheid: 10.525,63 EUR
Auffüllungsbetrag III/07 fiktive Neuberechnung: 12.967,55 EUR
Rückforderungsbetrag III/07: 10.525,63 EUR (brutto) 10.205,65 EUR (netto)
Hiergegen hat der Kläger am 10.01.2012 Widerspruch erhoben. Er trug vor, er habe im Quartal III/07 sieben Patienten operiert, im Quartal III/05 seien es 12 gewesen. Es treffe daher nicht zu, dass er im Quartal III/07 null Patienten operiert habe. Die angeführte Verringerung der Leistungen sei ihm schleierhaft.
Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 17.11.2014 den Bescheid vom 28.12.2011 ab, ohne aber den Rückforderungsbetrag zu verändern. Zur Begründung führte sie aus, sie habe zwischenzeitlich auf Basis der neuberechneten RLV-Fallpunktzahlen die fiktive BSG-Neuberechnung des Quartals III/07 wiederholt. Es ergebe sich weiterhin ein Fallwertverlust von mehr als 15 %:
Fallwert III/07 2. fiktive BSG-Neuberechnung: 18,2494 EUR
Fallwert III/05 fiktive BSG-Neuberechnung: 38,2377 EUR Fallwertminderung BSG-Neuberechnung: - 52,27 %
Es ergebe sich folgender Rückforderungsbetrag:
Rückforderungsbetrag III/07 vom 28.12.2011: 10.525,63 EUR
Auffüllungsbetrag nach 2. fiktiver BSG-Neuberechnung: 12.211,64 EUR
Neuer Rückforderungsbetrag III/07: 10.525,63 EUR (brutto) 10.205,65 EUR (netto)
Der Kläger legte unter Datum vom 10.12.2014 erneut Widerspruch ein und trug weiter vor, die Ziffer 18220 sei im Quartal III/05 etwa 320-mal zur Abrechnung gekommen, im Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten sei ihm empfohlen worden, diese Ziffer nicht mehr abzurechnen. Dies erkläre den eklatanten Rückgang auf ein paar Leistungen nach Nr. 18220 EBM 2005. Er akzeptiere den selbstgestrickten Regress nicht, weil er zum wiederholten Male intrabudgetäre Leistungen mit extrabudgetären Leistungen vergleiche.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend zu den angefochtenen Bescheiden aus, es treffe zu, dass bei den Operationen eine Verschiebung in den extrabudgetären Bereich vorliege. Der Kläger habe damit zusätzlich zur extrabudgetären Vergütung dieser Leistungen eine Auffüllung der hierdurch entstandenen Fallwertminderung im intrabudgetären Bereich erhalte. Die Auffüllung habe deshalb zurückgefordert werden müssen. Im Bereich Beratung/Betreuung und Radiologie sei ein Leistungsrückgang zu verzeichnen gewesen. Im Quartal III/05 sei der EBM 2005 bereits eingeführt worden, weshalb der Leistungsrückgang nicht auf der Einführung des EBM beruhen könne. Wenn der Kläger die Leistung nach Nr. 18220 EBM weniger erbracht habe, so liege gerade kein Leistungsrückgang auch unter Einführung des EBM 2005 vor. Vertrauensschutzgesichtspunkte stünden der Rückforderung nicht entgegen. Eine Überprüfung der vorbehaltlosen Bestätigung nach Erlass der Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis IV/06 sei bisher nicht erfolgt.
Hiergegen hat der Kläger am 24.04.2015 die Klage erhoben. Er verweist auf sein Vorbringen im Parallelverfahren zu den Vorquartalen S 12 KA 171/15 und trägt ergänzend vor, die Beklage habe bisher nicht überprüft, ob sich die Fallwertreduzierung aus einer Veränderung des Leistungsspektrums ergebe oder aber nicht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2011, abgeändert durch den Bescheid vom 17.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, die Fallwertminderung habe sich auf Grund des Leistungsrückgangs oder aus der Verschiebung von Leistungen vom ehemals intrabudgetären in den nunmehr extrabudgetären Bereich ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 28.12.2011, abgeändert durch den Bescheid vom 17.11.2014 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2015 ist rechtswidrig und war daher aufzuheben.
Die Beklagte war grundsätzlich im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung zuständig und berechtigt, eine Überprüfung der Ausgleichszahlung nach § 5 Abs. 4 HVV vorzunehmen (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 -, Umdruck S. 10 f.; Urt. v. 14.05.2014 - L 4 KA 63/12 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 33 f.; Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 26 ff.).
§ 5 Abs. 4 HVV "Regelung zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus" bestimmt Folgendes:
a) Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus erfolgt nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß § 4 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2005 ausschließlich beschränkt auf Leistungen der Honorargruppe 2 mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen.
b) Zeigt der Fallwertvergleich einen Fallwertverlust von mehr als 5%, so erfolgt eine Stützung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honoraruntergruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Punktwerte zu generieren. Sollte durch eine solche Quotierung der Fallwertverlust wieder auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem weitergehenden Ausgleich.
c) Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zur Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2005 abgerechnet worden ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Basisquartal erkennbar ausgewählte Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung, verändert hat. Er ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis im Vergleich zum entsprechenden Basisquartal geändert hat.
d) Beträgt der Fallwertverlust mehr als 15%, wird geprüft, ob dieser Verlust ausschließlich auf die Einführung des EBM 2000plus zurückzuführen ist. Sofern die Prüfung ergibt, dass dies nicht der Fall ist, wird ggf. eine Honorarberichtigung durchgeführt. Diese Regelung steht unter dem Vorbehalt, dass auf Basis der Zahlungen der Verbände der Krankenkassen eine dem Basisquartal vergleichbare budgetierte Gesamtvergütung zur Verfügung steht.
e) Diese Regelung gilt nicht für ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen.
Diese Regelung knüpft abgesehen von sprachlichen Umformulierungen weitgehend unverändert an die ab dem Quartal II/05 bis I/07 geltende Regelung nach Ziff. 7.5 HVV an. In den Quartalen II/05 bis I/06 galten jedoch als Referenzquartale die Vorjahresquartale II/04 bis I/06, in den Quartalen II/06 bis IV/08 galten als Referenzquartale die Quartale II bis IV/05 bzw. I/06.
§ 5 Abs. 4 HVV ist, wie bereits zu Ziffer 7.5 HVV entschieden, grundsätzlich rechtmäßig, soweit er im Sinne einer Härtefallregelung zur Begünstigung eines Vertragsarztes führt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 04.11.2009 - L 4 KA 99/08 -; LSG Hessen, Urt. v. 11.02.2009 L 4 KA 82/07 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris; s. a. BSG, Urt. v. 08.12.2010 B 6 KA 42/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 61 = USK 2010-174, 17 juris Rdnr. 17). Lediglich soweit die sog. Ausgleichsregelung bei Überschreiten des Fallwerts des Vorjahresquartals von mehr als 5 % u. U. zu einer Honorarkürzung führt, ist die Regelung zu beanstanden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 29.04.2009 - L 4 KA 80/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 16/09 R - juris; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 - L 4 KA 110/08 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 18.08.2010 durch BSG - B 6 KA 26/09 R -; LSG Hessen, Urt. v. 24.06.2009 - L 4 KA 85 u. 86/08 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Revision zurückgewiesen durch BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 58 = USK 2010-95 = GesR 2011, 304 = Breith 2011, 415 bzw. B 6 KA 28/09 R).
Danach war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, § 5 Abs. 4 HVV im Sinne einer begünstigenden Regelung anzuwenden. Die Beklagte hat aber, was gerichtsbekannt ist, nicht nur im Falle des Klägers bei Erlass des Honorarbescheids § 5 Abs. 4 HVV lediglich schematisch angewandt, ohne in die von § 5 Abs. 4 HVV gebotene Einzelfallprüfung bei Überschreiten der 15 %-Grenze einzutreten. Nach § 5 Abs. 4 Buchst. d Satz 1 und 2 HVV ist, wenn die Fallwertminderung mehr als 15%, beträgt, eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Dabei müssen ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% ausschließlich ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben. Als maßgebliche Kriterien nennt § 5 Abs. 4 Buchst. c HVV vergleichbare Praxisstrukturen; ausgeschlossen ist ein Ausgleich bei Nichterbringung (ausgewählter) Leistungsbereiche oder Veränderung des Leistungsspektrums der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis sowie der Kooperationsform der Praxis.
Die Kammer hält diese Regelung, soweit bisher die Regelung nach Ziff. 7.5 HVV als zulässig angesehen wurde, ebf. für zulässig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen tragen dafür Sorge, dass nur EBM-bedingte, nicht aber solche Honorarverluste, für die der Vertragsarzt die Verantwortung selbst zu tragen hat, ausgeglichen werden. Der aktuelle Fallwert und der Fallwert des Vorjahresquartals müssen miteinander vergleichbar sein. Bei verändertem Leistungsspektrum der Praxis ist dies nicht mehr der Fall. Ebenso können veränderte Kooperationsformen eine Vergleichbarkeit ausschließen. Gleiches gilt für eine veränderte Berechnung des Honorars durch Einschließung oder Ausschließung von Vergütungsanteilen, insbesondere sog. extrabudgetären Leistungen, im Vergleich zum Vorjahresquartal. Im Gegensatz zu der von den Sozialgerichten beanstandeten Honorarkürzungen nach Ziff. 7.5.1 Satz 3 HVV wird nicht das regulär nach dem HVV zustehende Honorar gekürzt, sondern erfolgt lediglich eine genauere Ursachenforschung und Berechnung der den Vertragsarzt begünstigenden Ausgleichsregelung. Die Regelung zur Beschränkung der Ausgleichsregelung ist damit selbst unmittelbarer Teil der Ausgleichsregelung im Sinne einer Härteregelung. Ihr Inhalt ist aus den genannten Gründen nicht zu beanstanden und ist vom Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien des HVV gedeckt.
Soweit die Kammer die Auffassung vertreten hat, bei Referenzquartalen unter Geltung des EBM 2005 könne eine Honorarminderung nicht EBM-bedingt sein (vgl. SG Marburg, Gerichtsb. v. 24.10.2013 - S 12 KA 131/12 -), hält sie an dieser Auffassung nicht mehr fest. Die Ausgleichsregelung wäre bei Zugrundelegung dieser Auffassung widersprüchlich, da dann ab dem Quartal II/06 keinerlei Ausgleich mehr im Hinblick auf die EBM-Neuregelung zu gewähren wäre. Ziel der Ausgleichsregelung war es aber, durch den Auffüllbetrag EBM-bedingte Honorarverluste abzufedern. Bei gleichbleibender Leistungserbringung in allen Quartalen würde eine Auffüllung auf 95 % - was allerdings nur im Quartal II/05, in den übrigen Quartalen jedenfalls nicht für alle Fachgruppen durchgehend geschah - im darauffolgenden Jahresquartal (z. B. Quartal II/06) zu einer geringeren Honorierung, nämlich nur zu 90,25 % des Honorars vor Einführung des EBM 2005 führen, im nächsten Jahr (z. B. Quartal II/07) nur noch zu 85,74 %, darauf (z. B. Quartal II/08) nur noch zu 81,45 %. Indem der Auffüllbetrag im Referenzquartal in dessen Vergleichsfallwert einfließt, ist eine evtl. EBM-bedingte Honorarminderung auch für die Folgequartale II/06 bis IV/08 von Bedeutung.
Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen einer Berichtigung nicht entgegen. Die Beklagte hat die Vertragsärzte ab Geltung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV ausdrücklich auf die nachträgliche Überprüfung hingewiesen. In den Quartalen II/05 bis II/06 hat sie in Begleitschreiben zu den Honorarbescheiden jeweils darauf hingewiesen, dass sie die Überprüfung aufgrund der 15 %*Regelung erst nachträglich vornehmen werde. Ab dem Quartal III/06 hat sie an den mit "Nachweis zur Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages" überschriebenen Teil des Honorarbescheids einen entsprechenden Hinweis angefügt: "Honorarzahlungen aus der sog. ‘Ausgleichsregelung’ stehen ausschließlich bei den Praxen bzw. MVZ unter einem Vorbehalt, bei denen (vor Durchführung der sog. ‘Ausgleichsregelung’) die Fallwertminderung mehr als 15 % beträgt." (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 - Umdruck S. 11; LSG Hessen, Urt. v. 13.07.2011 - L 4 KA 14/10 - juris Rdnr. 28). Soweit der Kläger im Parallelverfahren zu den Vorquartalen, worauf er Bezug nimmt, auf eine mehrfache Korrektur der Honorarbescheide hinweist, hat der Kläger dies nicht substantiiert. Soweit er damit allgemeine Neubescheidungen aufgrund der Beanstandung von Honorarverteilungsregelungen durch die Rechtsprechung meinen sollten, stehen diese in keinem Zusammenhang mit einer Überprüfung der Ausgleichsregelung.
Die Beklagte geht aber von einer unzureichenden und fehlerhaften Sachverhaltsermittlung aus, wenn sie allein von prozentualen Leistungsrückgängen einzelner Leistungen oder Leistungsbereiche ausgeht. Der Leistungsrückgang muss nicht nur dem Grunde nach festgestellt werden, sondern ist im Einzelnen zu quantifizieren. Dies hat die Kammer bereits entschieden. Soweit Leistungen im aktuellen Quartal nicht mehr erbracht werden, ist der Fallwert im Referenzquartal entsprechend zu bereinigen. Es kann nicht auf den Leistungsrückgang einer einzelnen Leistung mit der Folge, dass bei deren Rückgang über 15 % kein weitergehender Ausgleich erfolgt, abgestellt werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 - S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 26, die Berufung wurde nach vergleichsweiser Einigung zurückgenommen). So geht auch das LSG Hessen davon aus, dass eine Verlagerung der Vergütung in den extrabudgetären Bereich anteilig zurückzufordern ist, wovon auch offensichtlich die Beklagte seinerzeit ausging (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 15.02.2016 - L 4 KA 53/12 - Umdruck S. 13). Die Kammer hat ferner entschieden, dass die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV KV Hessen, wonach ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15% vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2005 haben müssen, rechtswidrig ist, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt. Im Einzelnen hat die Kammer, woran sie nach neuerlicher Prüfung festhält und was auch für § 5 Abs. 4 Buchst. d HVV gilt, ausgeführt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 - S 12 KA 258/10 - juris Rdnr. 27 f.):
"Im Übrigen ist die Kausalitätsklausel nach Ziff. 7.5.2 Satz 5 HVV rechtswidrig, da sie gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstößt. Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist - im Sinne einer unzulässigen Gleichbehandlung - verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten oder Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urt. v. 23.03.2011 - B 6 KA 6/10 R - juris Rdnr. 25 m.w.N.). Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Kausalitätsklausel zu willkürlichen Ergebnissen führen würde im Sinne eines entweder/oder. Ein Fallwertrückgang bis 15 % führt immer zur vorbehaltslosen Anwendung der Ziff. 7.5 HVV. Ein Fallwertrückgang von 15 und mehr, der auf einer Leistungsverringerung beruht, führt demgegenüber immer zum völligen Absehen von der Ausgleichsregelung, unabhängig davon, ob nicht der Fallwertrückgang zum größten Teil EBM-bedingt ist.
Mit der Kausalitätsklausel, wie sie von der Beklagten praktiziert wird, wird auch der Regelungszweck der Ausgleichsregelung verfehlt. Eine Kassenärztliche Vereinigung ist aufgrund des ihr nach § 75 Abs. 1 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrags berechtigt, zwar nicht anstelle, jedoch ergänzend zu den Regelleistungsvolumina mit den Krankenkassenverbänden im HVV Maßnahmen zu vereinbaren, die eine Stützung gefährdeter Praxen beinhalten (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 58 = USK 2010-95 = GesR 2011, 304 = Breith 2011, 415, juris Rdnr. 46). Mit der 5-% Grenze hat die Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV eher den Charakter einer Bestandsschutzmaßnahme zugunsten etablierter Praxen denn einer Stützungsmaßnahme zugunsten gefährdeter Praxen. Die Auffüllbeträge und Honorarkürzungen nach Ziffer 7.5. HVV glichen offenbar nicht nur extreme, ausreißerähnliche Verluste aus und begrenzten extreme Gewinne als Folge der neuen Regelleistungsvolumina bzw. des neuen EBM, sondern schrieben faktisch gewachsene Vergütungsstrukturen fort (vgl. BSG, Urt. v. 18.08.2010 - B 6 KA 27/09 R - a.a.O., Rdnr. 48). Von daher ist es noch weniger zu rechtfertigen, wenn EBM-bedingte Honorarrückgänge in größerem Umfang nicht zum Ausgleich berechtigen würden."
Nach diesen Grundsätzen sind deutliche Abweichungen im Leistungsspektrum bzw. Leistungsrückgänge bei Prüfung der Auffüllbeträge zu berücksichtigen, soweit die Leistungslegende weitgehend unverändert bleibt.
So geht die Beklagte zutreffend von einem Leistungsrückgang in verschiedenen Bereichen aus. Hinsichtlich der Ziff. 18220 EBM 2005 räumt er selbst ein, die Leistung weniger erbracht zu haben. Dabei ist es unerheblich, ob ihm eine Mitarbeiterin der Beklagten empfohlen hat, diese Ziffer nicht mehr abzurechnen. Der Kläger ist zur ordnungsgemäßen Abrechnung verpflichtet. Grundsätzlich ist von der Richtigkeit der Abrechnung eines Vertragsarztes auszugehen. Soweit Leistungen nicht mehr abgerechnet werden, ist davon auszugehen, dass diese Leistungen nicht mehr erbracht worden sind. Auch für die übrigen Leistungen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Leistungsrückgang nicht in der Sphäre des Klägers liegen sollte.
Nach den dargelegten Grundsätzen reicht es aber nicht aus, allgemein oder auf einen prozentualen Leistungsrückgang hinzuweisen. Die Beklagte hat vielmehr nachzuweisen, dass der Leistungsrückgang den gesamten Berichtigungsbetrag begründet. Hierfür ist im Einzelnen der Leistungsrückgang im Hinblick auf den Fallwert des Referenzquartals zu quantifizieren.
Die Beklagte weist im Bescheid vom 28.12.2011 auf eine Veränderung des Leistungsspektrums bzw. auf einen nicht unerheblichen Leistungsrückgang hin:
Leistungsbereich Anforderung III/05 Anforderung III/07
Beratung/Betreuung 75.905,0 470,0
Operationen 60.100,0 0,0
Orth.-chir. Konserv. Leist. 18.750,0 0,0
Postop. Behandlungskomplexe 6.400,0 0,0
Radiologie 38.875,0 14.010,0
Verwaltungskomplex 30,0 0,0
Summe 200.060 14.480
Die Fallwertminderung beträgt aufgrund der fiktiven Neuberechnung 19,9883 EUR (38,2377 EUR - 18,2494 EUR). Der angeführte Leistungsrückgang beträgt 200.060 Punkte. Rechnet man den Leistungsrückgang in den Fallwert des Quartals III/05 ein, so vermindert dieser sich, bei einem Gesamtwert von ca. 4.277,28 EUR (200.060 x 2,138 Ct.), um ca. 4,6391 EUR pro Fall (4.277,28 EUR./. 922). Der bereinigte Fallwert im Aufsatzquartal beträgt demnach ca. 33,5986 EUR. Demgegenüber betrug der ursprüngliche Auffüllbetrag pro Fall 12,1966 EUR bzw. beträgt der Fallwert III/07 nach fiktiver Neuberechnung nur noch 18,2494 EUR. Von daher ist nicht ersichtlich, inwieweit der genannte Leistungsrückgang ursächlich für die Fallwertminderung im Umfang des Auffüllbetrags bzw. der Honorarberichtigung in Höhe von 11,42 EUR (10.525,63 EUR./. 922) sein sollte. Im Ergebnis ist die Honorarberichtigungen für das Quartal III/07 daher fehlerhaft.
Der Bescheide war vollständig aufzuheben, da die Beklagte eine genaue Berechnung entsprechend den Vorgaben der Kammer nicht vorlegt und der Kammer schon aufgrund der verschiedenen Kassenbereiche eine genaue Berechnung nicht möglich ist. Von daher fehlt es an einem Nachweis, in welcher Höhe die Berichtigung berechtigt ist, was zu Lasten der Beklagten geht, da sie die Berichtigung vornimmt. Im Übrigen kommt angesichts der genannten Größenordnungen offensichtlich eine Berichtigung nicht in Betracht.
Im Übrigen bleibt es der Beklagten aber im Rahmen der Ausschlussfrist unbenommen, auf der Grundlage der Vorgaben der Kammer neu zu bescheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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