L 4 P 1415/16 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 3772/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1415/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Februar 2016 werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens gesamtschuldnerisch.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird endgültig auf EUR 80,00 festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde betrifft die Zahlung von EUR 80,00.

Der Kläger zu 1 ist der Ehemann, die Kläger zu 2 und 3 die Kinder der früheren und am 2015 verstorbenen Klägerin, die bei der Beklagten pflegeversichert war (im Folgenden: Versicherte). Die Versicherte hatte bei der Beklagten im November 2006 die Bezuschussung eines Treppenlifts und des Einbaus einer Badewanne beantragt. Mit Bescheid vom 30. März 2007 bewilligte die Beklagte für den Treppenlifteinbau und einen behindertengerechten Badumbau als einheitliche wohnumfeldverbessernde Maßnahme den (damals) gesetzlich vorgesehenen Höchstzuschuss von EUR 2.557,00.

In der Folgezeit beantragte die Versicherte wiederholt erfolglos weitere Zuschüsse für weitere Umbaumaßnahmen im Badezimmer. Am 10. März 2014 stellte die Versicherte zuletzt einen neuerlichen Antrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 7. Mai 2014 ablehnte. Hiergegen erhob die Versicherte Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2014 zurückwies.

Am 12. August 2014 erhob die Versicherte Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), die nach ihrem Tod von den Klägern fortgeführt wurde, zuletzt mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 80,00. Der Kläger zu 1 habe für Mauervorarbeiten und für das Entfernen der Dusche vier Arbeitsstunden investiert. Der Zeitaufwand sei mit EUR 20,00 pro Stunde zu berücksichtigen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2016 ab. Die Klage sei zulässig. Die Versicherte habe mit der Klage einen Anspruch auf Bezuschussung wohnumfeldverbessernder Maßnahmen im Sinne des § 40 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) verfolgt. Nach dieser Vorschrift könnten die Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfe im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt werde. Zuschüsse hätten nach früherer Rechtslage einen Betrag in Höhe von EUR 2.557,00 je Maßnahme nicht übersteigen dürfen. Inzwischen sei dieser Betrag auf EUR 4.000,00 erhöht worden. Bei dem geltend gemachten Zuschuss handele sich nicht um einen Anspruch auf laufende Geldleistung im Sinne des § 56 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), weshalb im vorliegenden Fall keine Sonderrechtsnachfolge in Betracht komme, sondern nach § 58 SGB I die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die gesetzliche Erbfolge eingriffen. Zu Recht werde der Anspruch auf einen Zuschuss zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen deshalb von den Klägern als den gesetzlichen Erben der Versicherten verfolgt. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der gesetzlichen Regelung zufolge müssten für die vorgesehene wohnumfeldverbessernden Maßnahme in jedem Fall entsprechende Kosten für den Versicherten entstanden sein oder entstehen, auf die dann ein Zuschuss der Pflegekasse bis zu dem oben genannten Höchstbetrag gewährt werden könne. Im vorliegenden Fall seien der Versicherten derartige Kosten für vorbereitende Umbaumaßnahmen im Badezimmer nicht entstanden. Die Versicherte habe mit dem heutigen Kläger zu 1 keinen Arbeitslohn von EUR 20,00 pro Stunde vereinbart, so dass der Kläger zu 1 einen derartigen Arbeitslohn der Versicherten auch nicht hätte in Rechnung stellen können. Dass ihm, wie etwa im Fall der Nachbarschaftshilfe, ein Verdienstausfall oder besondere Fahrtkosten entstanden wären, sei ebenfalls nicht belegt.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihnen am 14. März 2016 zugestellten Urteil haben die Kläger am 11. April 2016 beim SG Beschwerde eingelegt, die das SG an das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg weitergeleitet hat und dort am 14. April 2016 eingegangen ist. Sie rügen eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Unstreitig habe der Kläger zu 1 für vorbereitende Umbaumaßnahmen vier Stunden aufwenden müssen. Unter Zugrundelegung eines Arbeitslohnes von EUR 20,00 pro Arbeitsstunde ergebe dies die Klageforderung von EUR 80,00. Entgegen den Ausführungen des SG habe es nicht der Vereinbarung eines Arbeitslohnes der Versicherten mit dem Kläger zu 1 bedurft, um das Tatbestandsmerkmal der nach § 40 Abs. 4 SGB XI erstattungsfähigen Kosten zu begründen. Denn der Kläger zu 1 habe diese vorbereitenden Maßnahmen zum Wanneneinbau nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend dem mutmaßlichen Willen der Versicherten durchgeführt. Nach diesem Rechtsinstitut habe er gegen die Versicherte einen Anspruch auf Aufwendungsersatz für die eigene Arbeitsleistung nach § 683 BGB gehabt (Hinweis auf Landgericht Aachen, Urteil vom 3. Mai 2011 – 7 S 38/10 – juris, Rn. 16). Der Anspruch des Klägers zu 1 gegen die Versicherte nach § 683 BGB sei mit dem Anspruch aus der Vereinbarung eines Arbeitsvertrages gleichzustellen mit der Frage, dass die Beklagte verpflichtet sei, den begehrten Zuschuss zu zahlen. Hierbei handele es sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Kläger beantragen,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Februar 2016 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Beklagte hat sich in der Sache nicht geäußert.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 24. Februar 2016 sind statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden, nachdem das SG die dort eingelegte Beschwerden an das LSG Baden-Württemberg weitergeleitet hatte, wo sie innerhalb der Monatsfrist eingingen.

Die Beschwerden sind auch im Übrigen zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, EUR 750,00 nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Der Beschwerdewert beträgt EUR 80,00; in Höhe dieses Betrages begehren die Kläger noch die Verurteilung der Beklagten.

2. Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Diese Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit dem Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – juris, Rn. 18, zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 28; vgl. dort auch § 160 Rn. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung).

Der Rechtsstreit wirft keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die für das Urteil des SG entscheidungserhebliche Frage, ob der Kläger zu 1 gegen die Versicherte einen Anspruch auf Entlohnung seiner Tätigkeit im Badezimmer hatte, und die Versicherte daher solche Kosten gegenüber der Beklagten geltend machen konnte – was das SG verneint hat –, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles. Die Kläger machen im Beschwerdeverfahren im Grunde nur geltend, dass das SG § 683 BGB als Anspruchsgrundlage im Verhältnis zwischen dem Kläger zu 1 und der Versicherten übersehen habe. Damit machen die Kläger aber allenfalls geltend, dass das SG eine materiell falsche Entscheidung getroffen habe, nicht aber, dass seine Entscheidung auf einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung beruht. Damit kommt es auch auf die Frage, ob Aufwendungen im Sinne des § 683 BGB auch aufgewendete Zeit und Arbeitskraft sein können (verneinend die wohl herrschende Meinung, siehe Sprau, in: Palandt [Hrsg.], BGB, 75. Aufl. 2016, § 683 Rn. 8; bejahend das von den Klägerin angeführte Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Mai 2011 – 7 S 38/10 – juris, Rn. 16), nicht an. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, den die Kläger behaupten, ist nicht ersichtlich. Die Kläger haben hierzu auch keine weiteren Ausführungen gemacht. Unklar ist bereits, gegenüber wem sie bzw. die Versicherte ungleich behandelt worden seien.

b) Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.

Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rn. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 24. Februar 2016 nicht aufgestellt. Etwas anderes haben auch die Kläger nicht behauptet.

c) Auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes liegt nicht vor. Auch die Kläger haben das Vorliegen eines Verfahrensmangels nicht behauptet.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Kostenprivilegierung des § 183 Satz 1 und Satz 2 SGG gilt für die Kläger in Beschwerdeverfahren nicht mehr, da sie nicht Sonderrechtsnachfolger der früheren Klägerin sind, sondern das Verfahren als deren Erben betreiben. Sie sind nicht Sonderrechtsnachfolger im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB I, weil keine laufenden Leistungen, sondern eine einmalige Leistung streitgegenständlich ist.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Abs. 2 Nr. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) sowie § 31 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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