L 4 KR 1743/15 ZVW

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 4804/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1743/15 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beigeladenen zu 2 gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Der klagende Rentenversicherungsträger wendet sich gegen die Entscheidung der beklagten Einzugsstelle, wonach der Beigeladene zu 1 seit dem 1. März 2010 im Unternehmen der Beigeladenen zu 2 nicht sozialversicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigt sei.

Die Beigeladene zu 2 wurde durch notariellen Vertrag vom 21. Juni 1988 unter Übernahme des zunächst einzelkaufmännisch geführten Unternehmens als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von DM 200.000,00 durch die Eltern des Beigeladenen zu 1 gegründet. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 18. Juli 1988. Im Jahr 2007 übertrugen die Eltern dem Beigeladenen zu 1 und dessen Schwester (im Folgenden HM) Geschäftsanteile jeweils in Höhe von 12 % des Stammkapitals. Alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft war der Vater des Beigeladenen zu 1. Diesem, seiner Mutter (im Folgenden AH) sowie der HM war jeweils Einzelprokura erteilt. Durch notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss vom 3. Februar 2010 wurde das Stammkapital zum festgelegten Umrechnungskurs auf Euro umgestellt und auf EUR 103.000,00 erhöht. Der bisherige Geschäftsführer wurde zum 1. März 2010 abberufen. Mit Wirkung zum selben Zeitpunkt wurden – unter Widerruf ihrer Einzelprokuren – zu neuen, jeweils einzelvertretungsberechtigten, von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht befreiten Geschäftsführern der Beigeladene zu 1 sowie HM bestellt. Der Gesellschaftsvertrag (GV) wurde vollständig neu gefasst und traf unter anderem folgende Regelungen:

§ 2 Gegenstand des Unternehmens 1. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Backöfen sowie anderer hauswirtschaftlicher und gewerblicher Geräte zur Herstellung von Mehl, Brot und Teigwaren, sowie alle sonstigen damit zusammenhängenden Geschäfte, soweit diese zur Erreichung des Gesellschaftszwecks als dienlich erscheinen oder die Unternehmungen der Gesellschaft zu fördern geeignet sind. [ ] [ ]

§ 11 Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft 1. Die Gesellschaft hat entweder einen Geschäftsführer, welcher die Gesellschaft alleine vertritt, oder mehrere Geschäftsführer. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder von einem Geschäftsführer und einem Prokuristen vertreten. Auch bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer kann einem Geschäftsführer durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss die Alleinvertretungsbefugnis und Befreiung von der Vorschrift nach § 181 BGB erteilt werden. 2. Die Geschäftsführer werden durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung bestellt und abberufen. Bei Abschluss, Änderung oder Beendigung von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern oder Prokuristen wird die Gesellschaft durch die Gesellschafterversammlung vertreten. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung hierzu haben einstimmig zu erfolgen. 3. Zu folgenden Geschäften bedürfen die Geschäftsführer der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einer hundertprozentigen Mehrheit: a. Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder teilweise; Liquidation des Unternehmens; b. Gründung, Erwerb oder Veräußerung anderer Unternehmen oder von Beteiligungen an solchen; c. die Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen und Betriebsstätten; d. die Errichtung oder Auflösung von Unterstützung- oder Pensionskassen sowie die Erteilung von verbindlichen Pensionszusagen; e. die Gewährung von Darlehen an Gesellschafter oder deren Familienangehörige; f. Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, Erteilung und Entzug von Prokuren; g. Änderung des Gesellschaftsvertrages; h. Zustimmung/Ablehnung nach § 5 dieses Vertrages [Veräußerung, Abtretung, Belastung von Geschäftsanteilen und Unterbeteiligungen] i. Kündigung, Änderung oder Aufhebung des Miet- und Pachtvertrages mit der Firma [ ]. 4. Zu folgenden Geschäften bedürfen die Geschäftsführer der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit: a. Feststellung des Jahresabschlusses, b. Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten c. Investitionen, die im Jahresinvestitionsplan nicht enthalten sind und deren Ausgaben im Einzelfall EUR 50.000,00 übersteigen. Abschluss, Änderung und Aufhebung von Miet-, Pacht- und Leasingverträgen mit einer Vertragsdauer von mehr als 36 Monaten oder einer monatlichen Verpflichtung von mehr als EUR 2.000,00 (ausgenommen Abs. 3 Buchstabe i dieses Vertrages) d. Kreditaufnahmen und Bürgschaften mit mehr als EUR 100.000,00; e. sämtliche Rechtsgeschäfte, welche im Sinne des § 164 HGB [Handelsgesetzbuch] über den gewöhnlichen Geschäftsumfang hinausgehen, soweit in diesem Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist; f. auf § 12 Abs. 8 wird verwiesen.

§ 12 Gesellschafterversammlungen 1. Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Organ der Gesellschaft. An ihre ordnungsgemäß gefassten Beschlüsse ist die Geschäftsführung gebunden. Die Gesellschafterversammlung kann über alle Angelegenheiten der Gesellschaft beschließen, soweit sich nicht aus diesem Vertrag etwas anderes ergibt. 2. [ ] 3. [ ] 4. Die Gesellschafterversammlung ist nur beschlussfähig, wenn einhundert Prozent des Gesellschaftskapitals nach den Stammanteilen vertreten ist. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, dann sind die Geschäftsführer gesamtschuldnerisch verpflichtet, binnen 3 Wochen eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Ladungsfrist einzuberufen [ ]. Die zweite Gesellschafterversammlung ist dann ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Kapitals beschlussfähig. [ ] 5. [ ] 6. Je ein Euro eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme. Die Mehrheit eines Gesellschafterbeschlusses bestimmt sich nach den abgegebenen Stimmen. 7. [ ] 8. Sämtliche Beschlüsse der Gesellschaft kommen mit einfacher Mehrheit zustande, soweit nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag oder in zwingenden gesetzlichen Bestimmungen etwas anderes vorgeschrieben ist. Die Gesellschafter stimmen in eigenen Angelegenheiten mit ab, soweit nicht § 47 Abs. 4 GmbHG [GmbH-Gesetz] oder dieser Vertrag ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen einer Mehrheit von einhundert Prozent der abgegebenen Stimmen. 9. Gesellschafterbeschlüsse können auch schriftlich, z.B. durch Briefwechsel, telegrafisch, durch E-Mail oder Telefax gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter damit einverstanden sind und in dem Schreiben, welches ihre Stimmabgabe enthält, ausdrücklich ihr Einverständnis mit der schriftlichen Stimmabgabe erklären. 10. [ ] [ ]

Durch Schenkungsvertrag vom 25. Februar 2010 übertrugen der Vater des Beigeladenen zu 1 seinen gesamten Geschäftsanteil jeweils hälftig an diesen und HM (jeweils 22,5 %) sowie AH an HM Geschäftsanteile Höhe von 14,5 % und an den Beigeladenen zu 1 in Höhe von 10,5 %. Dieser verfügt seither über 45 % der Geschäftsanteile, HM über 49 % und AH über 6 %.

Der am 11. November 1971 geborene Beigeladene zu 1 ist ausgebildeter Industriemechaniker und legte am 19. Juli 1999 erfolgreich die Meisterprüfung im Feinwerkmechaniker-Handwerk ab. Ab dem 1. Januar 1995 war der Beigeladene zu 1 bei der Beigeladenen zu 2 beschäftigt und wurde ab diesem Datum als sozialversicherungspflichtig bei der Beklagten angemeldet. Die Rentenversicherungsbeiträge wurden an die Klägerin weitergeleitet. Am 8. Februar 2010 schloss er mit der Beigeladenen zu 2 einen GmbH-Geschäftsführervertrag (GFV), der unter anderem folgende Bestimmungen enthielt:

§ 1 Aufgabenbereich (1) [Der Beigeladene zu 1] vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Der Geschäftsführer wird sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns führen und die ihm durch Gesetz und Vertrag übertragenen Obliegenheiten erfüllen. (2) Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der Arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr. (3) Der Geschäftsführer kann von der Gesellschaft auch mit Aufgaben betraut werden, die heute noch nicht zum Gegenstand der Gesellschaft zählen, aber möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt mit aufgenommen werden. (4) Einschränkungen in der Geschäftsführung durch Gesetze, Gesellschaftsvertrag oder durch diesen Vertrag sind vom Geschäftsführer zu beachten. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die von der Gesellschafterversammlung erteilten allgemeinen und besonderen Anweisungen auszuführen, soweit diese nicht gegen die Gesetze oder seine Berufspflichten verstoßen.

§ 2 Vertragsbeginn/Dauer (1) Dieser Vertrag beginnt am 1. März 2010. Der Vertrag wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Eine Kündigung kann von beiden Parteien schriftlich mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende erfolgen; erstmals jedoch auf den 31. Dezember 2015. [ ]. (2) Die Bestellung des Geschäftsführers kann durch einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf gilt als Kündigung des Dienstvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt. (3) Eine Kündigung aus wichtigem Grund bleibt beiden Teilen jederzeit vorbehalten.

§ 3 Vertretungsbefugnis und Geschäftsführung (1) [Der Beigeladene zu 1] ist zur Vertretung der Gesellschaft einzelnen berechtigt. Befreiung von allen Beschränkungen des § 181 BGB wurde nicht erteilt. (2) Die Befugnis zur Geschäftsführung umfasst die Durchführung aller Maßnahmen im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der Gesellschaft. (3) Zu den Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Dies gilt insbesondere für folgende Rechtsgeschäfte: a) bis j) [Die Aufzählung entspricht § 11 Abs. 3 Buchstaben a bis f, i sowie Abs. 4 Buchstanden b bis d]

§ 4 Bezüge Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von 6.275,00 EUR brutto, das jeweils am Letzten des Monats zu zahlen ist. Daneben erhält er einen hälftigen Arbeitgeberanteil zur Kranken-, Sozial-Pflegeversicherung, höchstens jedoch in Höhe der Hälfte des Betrages, welchen der Geschäftsführer tatsächlich aufwendet.

§ 5 Tantieme (1) Die Gewinntantieme beträgt 10 %, höchstens 4 Monatsgehälter, des handelsrechtlichen Jahresüberschusses nach Kürzung von Jahresfehlbeträgen aus Vorjahren [ ] (2) [ ] [ ]

§ 8 Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall Im Falle der Krankheit oder bei sonstiger unverschuldeter Arbeitsverhinderung bleibt der Gehaltsanspruch des Geschäftsführers für die Dauer von drei Monaten bestehen. Dauert die Verhinderung länger als 3 Monate, so wird der Tantiemenanspruch ab dem 3. Monat zeitanteilig gekürzt. Ein Anspruch auf Gehaltsfortzahlung entfällt ab dem 3. Monat. [ ]

§ 10 Altersversorgung Die Gesellschaft übernimmt zum Zweck der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung auf das Leben des Geschäftsführers eine Direktversicherung. Die Beitragsleistung beläuft sich auf EUR 1.742,00. Dieser Betrag wird von der Gesellschaft übernommen. Die Versicherungsprämien zählen zur steuerpflichtigen Vergütung und werden in der gesetzlich zulässigen Höhe pauschal versteuert. [ ]

§ 11 Urlaub Der Geschäftsführer erhält jährlich einen bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen. [ ]

§ 12 Nebentätigkeit (1) Der Geschäftsführer wird seine ganze Arbeitskraft, Erfahrung und Kenntnisse der Gesellschaft zur Verfügung stellen. An eine bestimmte Arbeitszeit ist er nicht gebunden. Er ist jedoch gehalten, jederzeit, wenn und soweit das Wohl der Gesellschaft es erfordert, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen. (2) [ ]

§ 16 Allgemeine Bestimmungen Mündliche Abreden wurden nicht getroffen. Sämtliche dieses Vertragsverhältnis betreffenden Änderungen und Zusätze bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. [ ]

Unter dem 22. Juni 2010 beantragte der Beigeladene zu 1 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) als Einzugsstelle die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status. Im Feststellungsbogen gab er hierzu unter anderem an, sein Stimmrecht nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung (Treuhandvertrag) zu Gunsten eines Dritten auszuüben, durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse nicht herbeiführen oder verhindern zu können, der Gesellschaft oder Gesellschaftern der GmbH keine Darlehen gewährt oder Bürgschaften übernommen zu haben. Er verfüge nicht als einziger Geschäftsführer/Gesellschafter/Betriebsangehöriger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Seine Tätigkeit sei – aufgrund familienhafter Rücksichtnahmen – durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 40-60 Stunden. Er unterliege nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort oder Art der Beschäftigung. Abgesehen von bestimmten wichtigen Geschäften könne er seine Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Mit Ausnahme der Bestellung/Abberufung von Geschäftsführern oder Prokuristen könne er Personal selbständig einstellen entlassen. Die Beigeladene 2 bestätigte die Richtigkeit dieser Angaben.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2010 teilte die Beklagte der Deutschen Rentenversicherung Bund Clearingstelle – unter Übersendung der vorgelegten Unterlagen und eines Bescheidentwurfs ihre Absicht mit, festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen 1 bei der Beigeladenen zu 2 keine Sozialversicherungspflicht als Arbeitnehmer bewirke. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitete die Unterlagen unter Mitteilung an die Beklagte an die Klägerin als den zuständigen Rentenversicherungsträger weiter. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 teilte diese der Beklagten unter Darlegung der Gründe mit, dass sie deren Beurteilung nicht teile.

Mit dem an den Beigeladenen zu 1 – auch als Vertreter der Beigeladenen zu 2 – adressierten Bescheid vom 14. Oktober 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 ab dem 1. März 2010 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Er sei in seiner Tätigkeit weitgehend weisungsfrei, zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt und könne selbständig Personal einstellen und entlassen. An einer Gewinnausschüttung nehme er entsprechend den Verträgen teil. Nur ausnahmsweise könne bei einem Geschäftsführer ohne Kapitalbeteiligung bzw. Minderbeteiligung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis verneint werden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne es die enge familiäre Verbundenheit, selbst bei einem nicht am Kapital einer Familiengesellschaft beteiligten Geschäftsführer, an der für eine versicherungspflichtige Beschäftigung unabdingbaren Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit fehlen lassen. Der Beigeladene zu 1 übe zusammen mit AH und HM gemeinsam Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 2 aus. Diese Tätigkeit sei überwiegend durch familiäre Rücksichtnahme und ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu den Gesellschaftern gekennzeichnet, so dass er die Geschicke faktisch nach eigenem Gutdünken führen könne und nicht für ein fremdes, sondern im eigenen Unternehmen weisungsfrei und somit selbständig tätig sei. Darüber hinaus sei die Eingliederung in die Arbeitsorganisation nicht gegeben. Weisungen, die Zeit, Dauer, Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise von deren Durchführung beträfen, würden von den Gesellschaftern/Geschäftsführern nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts eines Arbeitgebers erteilt. Der Bescheid wurde der Klägerin von der Beklagten am 14. Oktober 2010 per Fax übersandt.

Am 11. November 2010 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage, mit der sie die Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2010, soweit er die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung feststellte, die Feststellung, dass der Beigeladene zu 1 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2 ab dem 1. März 2010 in der Rentenversicherung versicherungspflichtig sei, und die Verurteilung der Beklagten begehrte, den hieraus resultierenden Rentenversicherungsbeitrag einzuziehen, soweit dies noch nicht geschehen sei. Zur Begründung führte sie – wie überwiegend bereits im Schreiben vom 6. Oktober 2010 – aus, die Sozialversicherungspflicht werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine in einer GmbH beschäftigte Person zugleich deren Gesellschafter sei. Nach Rechtsprechung des BSG liege bei mitarbeitenden Gesellschaftern – und dies gelte auch für Gesellschafter-Geschäftsführer – ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH vor, wenn die Gesellschafter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess der GmbH teilhätten, für ihre Beschäftigung ein entsprechendes Arbeitsentgelt erhielten und keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kraft eines etwaigen Anteils am Stammkapital geltend machen könnten. Kennzeichnend für die selbständige Tätigkeit eines GmbH-Gesellschafters bzw. -Geschäftsführers sei, dass er entweder aufgrund einer mehrheitlichen Kapitalbeteiligung bzw. einer so genannten Sperrminorität oder – im Falle einer Minderbeteiligung – infolge seiner besonderen Stellung im Betrieb bzw. seiner besonderen Fachkenntnisse einen wesentlichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH ausüben und damit Beschlüsse, die ihm nicht genehm seien, verhindern könne. Der Beigeladene zu 1 verfüge über eine Kapitalbeteiligung von 45 %. Da Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst würden, könne er somit Beschlüsse, die ihm nicht genehm seien, nicht verhindern. Entgegen der Ausführungen im Bescheidentwurf seien nur die Beschlüsse über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer einstimmig zu fassen. Nur insoweit habe der Beigeladene zu 1 eine Möglichkeit der Einflussnahme auf das eigene Anstellungsverhältnis. Die Kündigung des Geschäftsführervertrages werde mangels anderer Regelungen in der Satzung mit der einfachen Mehrheit beschlossen und könne daher vom Beigeladenen zu 1 nicht verhindert werden. Dieser sei weder von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit noch besitze er die alleinigen Fachkenntnisse zur Führung des Betriebes. Die weitgehende Weisungsfreiheit in einem bestimmten Tätigkeitsbereich sei typisch für die Tätigkeit eines leitenden Angestellten, der Dienste höherer Art ausübe. Von solchen werde regelmäßig auch erwartet, dass sie mehr als die tariflich vereinbarten Arbeitszeiten ab leisteten. Der Beigeladene zu 1 erhalte ein festes monatliches Gehalt, von dem Lohnsteuer entrichtet und das als Lohn/Gehalt verbucht werde. Dieses stelle einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit dar; daneben erhalte der Beigeladene zu 1 einen hälftigen Arbeitgeberanteil zur Kranken-, Sozial- und Pflegeversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Beiträge zu einer Direktversicherung sowie bezahlten Urlaub von 30 Arbeitstagen. Er habe für die Gesellschaft seine Arbeitskraft, nicht aber eigenes Kapital einzusetzen. Dieser Arbeitseinsatz könne dem Wagniskapital eines Unternehmens nicht gleichgestellt werden. Auch die ihm bei positivem Geschäftsergebnis zustehende Tantieme sei angesichts der ihm daneben zustehenden festen Vergütungsbestandteile dem Wagniskapital nicht gleichzusetzen, sondern Ausdruck auch bei Arbeitnehmern verbreiteter leistungsorientierter Vergütungsbestandteile. Die Gefahr, die Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen, bestehe für ihn nicht. Damit überwögen die Merkmale, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Beigeladene zu 1 verfüge weder über die Mehrheit der Geschäftsanteile noch eine Sperrminorität. Damit lägen zwar die beiden von der Rechtsprechung des BSG zur Annahme der Versicherungsfreiheit führenden Voraussetzungen nicht vor. Es müsse daher eine individuelle Prüfung der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers durchgeführt werden anhand der in der Rechtsprechung des BSG genannten drei Voraussetzungen für die Annahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung: Der Beigeladene zu 1 sei weisungsfrei in seinem Tätigkeitsbereich eingesetzt und unterliege lediglich den Beschlüssen der Gesellschafter. Er verfüge als einziger über die notwendigen Branchenkenntnisse und sei als "Kopf und Seele" der Familiengesellschaft anzusehen. Er erhalte zwar ein festes Monatsgehalt, sei darüber hinaus an der Gewinnausschüttung beteiligt und erhalte Urlaubsgeld. Allerdings entspreche die Regelung des § 8 GFV über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nicht der gesetzlichen Regelung für eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit. Die Ausgestaltung der Regelung über die Zahlung der Kranken-, Sozial- und Pflegeversicherung spreche eindeutig für eine selbständige Tätigkeit. Die Beigeladene zu 2 übernehme diese maximal in Höhe des hälftigen Arbeitgeberanteils, die Auszahlung erfolge direkt an den Geschäftsführer, der die Abführung der Beiträge an die entsprechenden Träger selbst organisiere. Der Beigeladene zu 2 verfüge über 45 % der Geschäftsanteile. Danach könne er großen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft nehmen und im Rahmen des § 3 GFV Rechtsgeschäfte verhindern. Dass er nicht sämtliche ihm unangenehmen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern könne, stehe der Annahme eines maßgeblichen Einflusses auf die Gesellschaft nicht eindeutig entgegen. Ebenso wenig, dass eine Kündigungsmöglichkeit des Geschäftsführers vorgesehen sei. Dies seien lediglich Indizien, die im Rahmen der Gesamtbetrachtung berücksichtigt würden.

Die durch Beschluss vom 17. Februar 2011 notwendig Beigeladenen zu 1 und 2 beantragten jeweils, die Klage abzuweisen, und führten zur Begründung aus, der Beigeladene zu 1 und HM hätten identische Geschäftsführerverträge geschlossen. Während Letztere für das Marketing (Werbung und Finanzen) zuständig sei, leite der Beigeladene zu 1 völlig unabhängig und weisungsungebunden den Vertrieb. Es handele sich um die typische vollständige Übergabe eines Familienbetriebes an die nächste Generation, ohne dass der ursprüngliche Geschäftsinhaber sich ein Mitbestimmungsrecht vorbehalten habe. Das Unternehmen sei ohne Bevorzugung eines von ihnen – den beiden Kindern des ursprünglichen Geschäftsführers, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Gesellschaft angestellt gewesen seien, übertragen worden. Während der Bescheid für HM, der das Ende der Sozialversicherungspflicht festgestellt habe, bestandskräftig geworden sei, habe sich die Klägerin lediglich gegen den Bescheid bezüglich des Beigeladenen zu 1 gewehrt. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Geschwister bestehe nicht. Mit ihren Geschäftsanteilen könnten jeweils entweder HM oder der Beigeladene zu 1 allein die Geschicke der Gesellschaft bestimmen. Jedenfalls sei Letzterer in der Lage, zusammen mit AH die Mitgeschäftsführerin HM "auszuschalten". Die Regelung über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für drei Monate sowie des § 9 GFV über die Weiterzahlung des Entgelts im Falle des Versterbens des Geschäftsführers an seine Witwe oder unterhaltsberechtigten Kinder entsprächen nicht den bei Arbeitnehmern üblichen Regelungen. Dass der Beigeladene zu 1 ein festes Geschäftsführergehalt erhalte, sei steuerrechtlich geboten, um verdeckte Gewinnausschüttungen zu vermeiden. Neben der erfolgsabhängigen Tantieme sei er jedoch auch durch die Kapitalbeteiligung am unternehmerischen Erfolg beteiligt. Weitere Entscheidungsträger in der Gesellschaft gebe es außer ihm und der HM nicht. Beide bestimmten die Führung des Betriebes in eigener, alleiniger Verantwortung und weisungsfrei über alle im Geschäftsbetrieb anfallenden Entscheidungen über Personal, Investitionen und ähnlichem. Beide Geschäftsführer seien alleinvertretungsberechtigt und nicht in der Lage, den anderen zu entlassen. AH habe nur eine ganz geringfügige Beteiligung von 6 % und könne daher mit jeweils einem von beiden lediglich eine einfache Mehrheit bilden. Beide Geschwister seien gleichermaßen selbständig tätig. Es gebe in der Gesellschaft niemanden, der ihre Entscheidungen verhindern könnte. Im Unternehmen sei der Beigeladene zu 1 überwiegend für den Verkauf und Vertrieb zuständig. Darüber hinaus mache er gemeinsam mit HM auch Backvorführungen für Großbäckereien. Des Weiteren gehöre zu seinem Aufgabengebiet die Überwachung und Beaufsichtigung der Produktion; die Beigeladene zu 2 beschäftige einen angestellten Produktionsleiter.

Mit Urteil vom 13. Juni 2012 hob das SG den Bescheid vom 14. Oktober 2010 auf, soweit er die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bestimme, stellte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 bei der Beigeladenen zu 2 ab dem 1. März 2010 weiterhin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege, und verurteilte die Beklagte, ab 1. März 2010 bisher noch nicht eingezogene Rentenversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1 einzuziehen. Die Klage sei als kombinierte Anfechtung- und Feststellungsklage trotz fehlender Bekanntgabe des Bescheides vom 14. Oktober 2010 gegenüber der Klägerin zulässig; ein Vorverfahren sei entbehrlich. Die Klagebefugnis sei gegeben, da die Einzugsstelle mit der Entscheidung über die Versicherung- oder Beitragspflicht in der Rentenversicherung in das Recht des Rentenversicherungsträgers auf die Beitragsforderung eingreife. Die Klage sei auch begründet, da der Beigeladene zu 1 nach einer Gesamtbetrachtung anhand aller Umstände des Einzelfalles bei der Beigeladenen 2 in der Zeit ab dem 1. März 2010 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung beschäftigt gewesen sei. Der Beigeladene zu 1 sei nicht zu 50 % oder mehr an der Familiengesellschaft beteiligt. Eine Sperrminorität bestehe nicht, da nach § 12 Ziff. 8 GV Beschlüsse mit einfacher Mehrheit zustande kämen. Eine nur partielle Sperrminorität (etwa bezüglich der Unternehmenspolitik oder der Auflösung der Gesellschaft) stehe einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. Wesentliche Indizien für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sei die Ausübung typischer Aufgaben eines abhängig beschäftigten Betriebsleiters, der Bezug eines gleichbleibenden Grundgehalts und der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit gehe der Beigeladene zu 1 kein Risiko ein, seine Arbeitskraft ohne Gegenleistung einzusetzen. Das Entgelt gehe über bloße Unterhaltsleistungen hinaus und stelle noch ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit dar. Es sei als lohnsteuerpflichtig geführt und als Betriebsausgabe verbucht worden. Bei der Tätigkeit handle es sich um so genannte Dienste höherer Art, die im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet würden, wenn sie fremdbestimmt blieben, also in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgingen. Daher komme dem Umstand, dass der Beigeladene zu 1 seine Arbeit als Geschäftsführer selbst einteilen könne und im Rahmen der praktischen Arbeitsausführung, dem Umgang mit Arbeitnehmern und ähnlichem keinen Weisungen unterliege, keine entscheidende, gegen eine abhängige Beschäftigung sprechende Bedeutung zu. Eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB sei nicht erfolgt. Auf Gesellschafterebene habe nicht die Möglichkeit bestanden, auf dem Beschlusswege Einfluss auf die Handlungen des Geschäftsführers zu nehmen. Wie er selbst eingeräumt habe, sei er nur zusammen mit anderen Gesellschaftern in der Lage, die Geschicke der Familiengesellschaft zu bestimmen. Die Eingliederung in eine von anderer Seite vorgegebene Ordnung ergebe sich auch aus den tatsächlichen Abläufen im Unternehmen. So sei er für den Bereich des Vertriebs und Verkaufs sowie die Beaufsichtigung der Mitarbeiter zuständig gewesen, HM hingegen für den Bereich der Werbung. Jeder der beiden Geschwister sei mithin gewissermaßen als Bereichsleiter des jeweiligen Unternehmensteils anzusehen. Gewichtige unternehmerische Entscheidungen könnten demgegenüber über die Einflussnahme der übrigen Gesellschafter gegen den Willen des Beigeladenen zu 1 durchgesetzt werden. Dies bestätigten auch die Angaben der Beigeladenen, wonach die vorliegende Konstellation der klassische Fall einer Unternehmensnachfolge sei; keiner solle mehr zu sagen haben als der andere. Eine vollständige Betriebsübergabe, insbesondere eine Übertragung der Unternehmensverantwortung an den Beigeladenen zu 1 habe jedoch bisher noch nicht stattgefunden. Dies werde daran deutlich, dass AH noch immer am Unternehmen beteiligt sei. Eine selbständige Tätigkeit könne erst angenommen werden, wenn alle Gesellschaftsanteile auf den Unternehmensnachfolge mit der Maßgabe übertragen würden, dass er entweder einen Anteil von 50 % erhalte oder ihm bei einer Beteiligung von unter 50 % eine Sperrminorität eingeräumt werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Unternehmensnachfolger – wie vorliegend – nicht wie ein Alleingesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führe. Eine rechtliche Bindung durch die Zustimmung der Deutschen Rentenversicherung Bund zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der HM bestehe für die Beurteilung des Beigeladenen zu 1 nicht. Die Vertrauensschutzregelungen nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gölten nach § 49 SGB X vorliegend nicht, da ein die Beigeladenen begünstigender Verwaltungsakt, der von der Klägerin als Dritte angefochten worden sei, während des sozialgerichtlichen Verfahrens aufgehoben und hierdurch der Klage stattgegeben werde. Das Urteil wurde den Beigeladenen am 6. Juli 2012 zugestellt.

Am 31. August 2012 ging beim SG ein nicht unterschriebener Berufungsschriftsatz der Beigeladenen zu 2 ein. Auf richterlichen Hinweis beantragte diese Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und legte nochmals Berufung mit dem Antrag ein, das Urteil des SG abzuändern und die Klage abzuweisen. Diese wurde durch Senatsbeschluss vom 25. September 2013 (L 4 R 3825/12) als unzulässig verworfen. Auf die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen zu 2 hob das BSG (B 12 KR 84/13 B) diesen Beschluss auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurück. Das LSG hätte die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sondern hätte – ausgehend von seiner Rechtsauffassung, die Berufungseinlegung sei mangels Einhaltung des Schriftformerfordernisses innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht wirksam nachgeholt worden – Wiedereinsetzung in diese Frist gewähren müssen.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat der Senat durch Beschluss vom 11. Mai 2015 der Beigeladenen zu 2 wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beigeladene zu 2 auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen.

Die Beigeladene zu 2 beantragt (sinngemäß gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen hat sie ausgeführt, es sei nicht objektivierbar, dass der Beigeladene zu 1 von keinerlei Weisungen abhänge. Er sei nur zu 45 % an der Familiengesellschaft beteiligt und verfüge auch über keine Sperrminorität. Nach dem Urteil des BSG vom 25. April 2012 (B 12 KR 24/10 R – juris) setze eine Weisungsbefugnis eine entsprechende rechtliche Verankerung, gegebenenfalls durch vertragliche Verankerung, voraus; geänderte Verhältnisse seien nur dann relevant, wenn eine Änderung rechtlich zulässig sei. Analog dazu gehe sie – die Klägerin – davon aus, dass auch eine Weisungsfreiheit nur dann angenommen werden könne, wenn sie schriftlich irgendwo niedergelegt sei.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Der Beigeladene zu 1 hat im Berufungsverfahren weder einen Antrag gestellt noch vorgetragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beigeladenen zu 2 ist zulässig. Durch Senatsbeschluss vom 11. Mai 2015 ist dieser Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt worden. Die Voraussetzungen des § 151 SGG sind damit erfüllt. Die Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Die berufungsführende Gesellschaft ist als Beigeladene befugt, Rechtsmittel einzulegen, und durch das angefochtene Urteil in eigenen Rechten betroffen. Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung allein in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. März 2010 und die hieraus resultierende Verpflichtung der Einzugsstelle, Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung einzuziehen. Streitbefangen ist damit der dies verneinende Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2010 nur, soweit er Regelungen zur Rentenversicherung tritt. Denn nur in diesem Umfange ist er von der Klägerin angefochten worden. Da das SG der Klage des Rentenversicherungsträgers in vollem Umfange stattgegeben hat und die allein berufungsführende Beigeladene zu 2 deren vollständige Abweisung begehrt, ist ihr Antrag im Berufungsverfahren nicht auf die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils gerichtet, wie im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai 2013 im Verfahren L 4 KR 3825/12 formuliert, sondern auf dessen Aufhebung.

3. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beigeladene zu 2 wird nicht in ihren Rechten verletzt.

a) Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Die Beklagte hat der Klägerin den Bescheid vom 14. Oktober 2010 am selben per Fax übersandt und damit bekanntgegeben. Anhaltspunkte, dass diese Übersendung ohne Bekanntgabewillen erfolgt wäre, bestehen nicht. Angesichts des vorangegangenen Abstimmungsverfahrens kann dies nicht angenommen werden. Die Beteiligten haben Abweichendes nicht vorgetragen. Die am 11. November 2010 beim SG eingegangene Klage hat damit die Klagefrist gewahrt. Eines Vorverfahrens bedurfte die von einem Versicherungsträger erhobene Klage gem. § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht. Die Klägerin ist zur Anfechtung des Bescheides gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGG befugt, soweit er Feststellungen zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung trifft. Sie ist durch die von der Beklagten als Einzugsstelle getroffene Entscheidung beschwert, dass keine Rentenversicherungspflicht bestehe (BSG, Urteile vom 28. September 2011 – B 12 KR 15/10 R – juris, Rn. 19 und vom 1. Juli 1999 – B 12 KR 2/99 R – juris, Rn. 19 ff.). Die Klägerin hat die Anfechtung des Bescheides von vornherein auf die Feststellungen zu Rentenversicherung beschränkt. Zu Recht hat das SG auch ein Feststellungsinteresse der Klägerin angenommen, da diese Einfluss auf Entscheidungen der Einzugsstelle über die Versicherungs- und Beitragspflicht – in der gesetzlichen Rentenversicherung – haben muss (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 1999, a.a.O., Rn. 31).

b) Die Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2010 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig. Entgegen der dort geäußerten Ansicht der Beklagten unterliegt der Beigeladene zu 1 aufgrund abhängiger Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2 ab dem 1. März 2010 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung

aa) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - juris, Rn. 23, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 R - juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, juris Rn. 17). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - juris Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - juris, Rn. 17, jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt auch BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 16).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 17). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 17). Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16).

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingeschäftsführer ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R juris, Rn. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 12 RA 1/04 R – juris, Rn. 13), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG, Urteil vom 25. Mai 1965 – 2 RU 176/59 – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 30. April 1976 – 8 RU 78/75 – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R – juris, Rn. 15; weitere Nachweise bei BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 18) und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 18. April 1991 – 7 RAr 32/90 – juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 16, m.w.N.).

Dagegen liegt kein maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss – und damit in der Regel eine Stellung als Beschäftigter – vor, wenn der Geschäftsführergesellschafter so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft, die operative Neuausrichtung oder seine eigene Abberufung bzw. Entlassung nicht verhindern kann (Urteil des Senats vom 20. November 2009 – L 4 R 1540/08 – juris, Rn. 31; Urteil des Senats vom 21. Oktober 2011 – L 4 R 5166/08 – juris, Rn. 37; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. September 2014 – L 11 R 2662/13 – juris, Rn. 53; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2012 – L 9 AL 291/11 – juris, Rn. 55).

Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon sei insbesondere bei demjenigen auszugehen, der – obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt – aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 25/86 – juris, Rn. 31). Diese Rechtsprechung hat das BSG inzwischen zugunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – juris, Rn. 26, 30 sowie Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - juris, Rn. 31; in diese Richtung bereits BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 32; Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 - L 4 R 2959/14 - nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund kann die von den für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht herangezogen werden. Soweit auch der für das Statusrecht zuständige Senat des BSG in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat, hat er dies inzwischen ausdrücklich aufgegeben (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – juris, Rn. 29).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beigeladene zu 1 bei der Beigeladenen zu 2 ab dem 1. März 2010 abhängig beschäftigt.

(1) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind zunächst die Regelungen des GFV vom 8. Februar 2010. Danach ist der Beigeladene zu 1 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer weisungsgebunden. Zwar ist er an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden (§ 12 Abs. 1 GFV). Dies steht aber gerade bei Diensten höherer Art wie vorliegend der Geschäftsführertätigkeit einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen; maßgeblich ist insoweit die Eingliederung in einen fremden Betrieb. Der Beigeladene zu 1 ist in eine vorgegebene und - durch die Gesellschafterversammlung - fremdbestimmte Ordnung eingliedert. Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 GFV ist der Geschäftsführer aber verpflichtet, die von der Gesellschafterversammlung erteilten allgemeinen und besonderen Anweisungen auszuführen, soweit diese nicht gegen die Gesetze oder seine Berufspflichten verstoßen. Die Gesellschafterversammlung war damit rechtlich in der Lage, dem Kläger allgemein oder im Einzelfall verbindliche Vorgaben zu machen, insbesondere auch zur Art der Ausführung der Tätigkeit. Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgingen (Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder teilweise; Liquidation des Unternehmens; Gründung, Erwerb oder Veräußerung anderer Unternehmen oder von Beteiligungen an solchen; die Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen und Betriebsstätten; die Errichtung oder Auflösung von Unterstützungs- oder Pensionskassen sowie die Erteilung von verbindlichen Pensionszusagen; die Gewährung von Darlehen an Gesellschafter oder deren Familienangehörige; Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern, Erteilung und Entzug von Prokuren; Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten; Investitionen, die im Jahresinvestitionsplan nicht enthalten sind und deren Ausgaben im Einzelfall EUR 50.000,00 übersteigen; Abschluss, Änderung und Aufhebung von Miet-, Pacht- und Leasingverträgen mit einer Vertragsdauer von mehr als 36 Monaten oder einer monatlichen Verpflichtung von mehr als EUR 2.000,00; Kreditaufnahmen und Bürgschaften mit mehr als EUR 100.000,00), bedurfte der Kläger der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung (§ 3 Abs. 3 GFV).

Auch satzungsrechtlich lag eine weisungsfreie Tätigkeit nicht vor. Die Geschäftsführung ist an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden. Diese kann über alle Angelegenheiten der Gesellschaft beschließen, soweit sich nicht aus dem GV etwas anderes ergibt (§ 12 Ziff. 1 Satz 2 und 3 GV). Danach kann die Gesellschafterversammlung dem Beigeladenen zu 1 als Geschäftsführer durch Beschlüsse allgemeine Regeln vorgeben oder im Einzelfall Weisungen erteilen. Grundsätzlich bedürfen sämtliche Rechtsgeschäfte, die im Sinne des § 164 HGB über den gewöhnlichen Geschäftsumfang hinausgehen, einer vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit (§ 11 Ziff. 4 Buchstabe e GV). Gleiches gilt für die weiteren in Ziff. 4 genannten Rechtsgeschäfte, z.B. oben näher beschriebenen Investitionen, Miet-, Pacht- oder Leasingverträge, Kreditaufnahmen und Bürgschaften sowie grundstücksbezogenen Geschäfte. Für die o.g. weitergehenden Rechtsgeschäfte ist eine vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung mit hundertprozentiger Mehrheit notwendig (§ 11 Ziff. 3 GV).

Dem Beigeladenen zu 1 kommt keine Rechtsmacht zu, Weisungen der Gesellschaft zu verhindern oder Zustimmungserfordernisse aufzuheben. Beschlüsse der Gesellschaft werden grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst, wenn nicht gesetzlich oder nach den Bestimmungen dieses Vertrages eine höhere Mehrheit vorgeschrieben war (§ 12 Ziff. 8 Satz 1 GV). Je ein Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme (§ 12 Ziff. 6 GV). Da der Beigeladene zu 1 lediglich 45% der Geschäftsanteile hält, verfügt er nicht über die einfache Mehrheit der Stimmen. Da Sperrminoritäten im GV nicht vorgesehen sind, kann er entscheidenden Einfluss daher nur auf die Entscheidungen nehmen, für die ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss notwendig ist. Dies gilt zunächst für Änderungen des GV selbst (§ 12 Ziff. 8 Satz 3 GV), insbesondere aber für die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie für Abschluss, Änderung oder Beendigung von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern (§ 11 Ziff. 2 GV). Da nach § 12 Ziff. 8 Satz 2 GV die Gesellschafter – vorbehaltlich § 47 Abs. 4 GmbHG – in eigenen Angelegenheiten mit abstimmen, kann der Beigeladene zu 1 aufgrund seiner Gesellschafterstellung allenfalls seine – einfache – Abberufung als Geschäftsführer und die Kündigung oder Änderung seines Geschäftsführervertrages verhindern. Dies gilt allerdings nicht für seine Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund oder die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer. In diesen Fällen hat er nach § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 47 Rn.50 m.w.N.). Eine solche Abberufung oder Kündigung durch eine gemeinsame Entscheidung vom HM und AH kann er mithin nicht verhindern. Umgekehrt ist er nicht in der Lage, Beschlüsse, die der Einstimmigkeit bedürfen, alleine herbeizuführen. Sonstige Beschlüsse, durch die allgemeine Regeln vorgegeben oder im Einzelfall Weisungen erteilt werden können, sowie die Zustimmung der in § 11 Ziff. 4 GV genannten Geschäfte oder deren Verweigerung ergehen mit einfacher Mehrheit. Der Beigeladene zu 1 ist somit nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen durch Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern. Er kann aufgrund seines Stimmenanteils lediglich die Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung verzögern. Da diese zunächst voraussetzt, dass 100% des Gesellschaftskapitals nach den Stammanteilen vertreten ist (§ 12 Ziff. 4 Satz 1 GV). Die daraufhin einzuberufende weitere Gesellschafterversammlung ist jedoch ohne Rücksicht auf die Höhe des vertretenen Kapitals beschlussfähig (Ziff. 4 Satz 3), so dass eine Mehrheitsentscheidung durch die übrigen Gesellschafter wieder möglich war.

(2) Diese rechtlich zulässigen Regelungen sind verbindlich. Hinweise auf ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) liegen nicht vor. Insbesondere war die der gesellschaftsrechtlichen Stimmverteilung zugrunde liegende Verteilung der Geschäftsanteile im Verhältnis 45:49:6 zwischen dem Beigeladenen zu 1, HM und AH nach Bekunden der Beigeladenen im Termin vor dem SG aus steuerlichen Erwägungen gewählt und gewünscht worden. Die vertraglichen Regelungen sind auch nicht (wirksam) abbedungen worden. Hierzu hätte es nach § 16 GFV und § 12 Ziff. 9 GV jeweils mindestens der Schriftform bedurft. Schriftliche Vertragsänderungen liegen nicht vor.

In der von beiden Beigeladenen übereinstimmend behaupteten Nichtausübung eines Weisungsrechts durch die Gesellschafterversammlung kann schon mangels Einhaltung des Formerfordernisses keine wirksame Abbedingung der genannten anstellungs- und gesellschaftsvertraglichen Regelungen liegen. Allein auf die aus dem Stimmenverhältnis resultierende Rechtsmacht und nicht auf eine rein tatsächliche Nichtausübung des Weisungs- und Zustimmungsrechts kommt es wegen des Postulats der Vorhersehbarkeit bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung an. Gleiches gilt für familiäre Rücksichtnahmen bei der Ausübung des Weisungsrechts. Insbesondere im Konfliktfall können HM und AH die aus ihrer Stellung als (gemeinsame) Mehrheitsgesellschafter resultierenden Rechte nutzen, so dass eine Weisungsunterworfenheit des Beigeladenen zu 1 gegenüber der Gesellschafterversammlung besteht. Das BSG misst einer nur auf Zeiten eines harmonischen Zusammenwirkens beschränkten "Schönwetter-Selbständigkeit" aber sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 32, BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R - juris Rn. 30, BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 R 1/15 R - juris Rn. 25, BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - juris, Rn. 31)

(3) Mangels einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigen weitere Umstände nicht die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Klägers. Solche liegen schon tatsächlich nicht vor. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 2 vom Beigeladenen zu 1 besteht nicht. Darlehen oder Bürgschaften zugunsten der Gesellschaft hat er nicht gestellt. Ebenso wenig verfügt er als einziger Gesellschafter über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Dies hat er im Feststellungsbogen der Beklagten ausdrücklich bestätigt. Im Hinblick auf die Bestellung der HM, die wie der Beigeladene zu 1 zuvor mit Einzelprokura für die Gesellschaft tätig geworden ist, zur ebenfalls einzelvertretungsbefugten Geschäftsführerin, ist dies ohne Weiteres nachvollziehbar.

(4) Die weiteren Regelungen des GFV sprechen ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Der Beigeladene zu 1 ist verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen (§ 12 Abs. 1 GFV). Sie enthalten arbeitnehmertypische Ansprüche wie bezahlten Urlaub (§ 11 GFV), Entgeltfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit (§ 8 GFV), der Abschluss einer Direktversicherung (§ 10 GFV) sowie die Zahlung einer festen monatlichen Vergütung (§ 4 GFV). Gleiches gilt jedenfalls bei Arbeitnehmern in Leitungspositionen für die Zahlung einer gewinnabhängigen Tantieme neben der festen Vergütung. Diese vertraglichen Regelungen werden tatsächlich umgesetzt. Anhaltspunkte, die Zweifel hieran wecken könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beteiligten haben Abweichendes auch nicht behauptet. Angesichts der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht und der Höhe der festen Vergütung von monatlich EUR 6.275,00 brutto, die durchgängig die jeweilige Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung überschreitet, kommt dem Kapitaleinsatz des Beigeladenen zu 1 auch unter dem Gesichtspunkt eines unternehmerischen Risikos, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 - B 12 KR 100/09 B - juris Rn. 10, m.w.N.; ferner z.B. Urteil des Senats vom 24. April 2015 - L 4 R 1787/14 - nicht veröffentlicht), keine entscheidende Bedeutung zu. Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung der Tätigkeit der HM entfaltet keine Bindungswirkung für die vorliegend streitige Beurteilung des Beigeladenen zu 1.

dd) Eine die abhängige Beschäftigung ausschließende lediglich familienhafte Mithilfe liegt ebenfalls nicht vor. Der Beigeladene zu 1 verrichtet seine Tätigkeit aufgrund der vertraglichen Vereinbarung des GFV und bezieht hieraus ein regelmäßiges Entgelt über der Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung zzgl. gewinnabhängiger Tantieme. Somit ist auch unter Beachtung der von ihm angegebenen wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 40 und 60 Stunden von einem leistungsentsprechenden Entgelt auszugehen. Erst recht handelt es sich nicht um bloße Unterhaltsleistungen (Taschengeld, freie Kost und Logis).

ee) Die die Rücknahme eines begünstigenden Bescheides beschränkenden Regelungen des § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X stehen einer Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2010 nicht entgegen. Das Vertrauen auf den Bestand des angefochtenen Bescheides gemäß § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X ist im Hinblick auf § 49 SGB X nicht geschützt, wenn der Rentenversicherungsträger einen die Rentenversicherungspflicht betreffenden Bescheid der Einzugsstelle anficht (BSG, Urteile vom 28. September 2011 – B 12 KR 15/10 R – juris, Rn. 20 und vom 1. Juli 1999 – B 12 KR 2/99 R – juris, Rn. 34).

ee) Damit hat das SG auch zu Recht die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1 in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund einer abhängigen Beschäftigung ab dem 1. März 2010 festgestellt. Die Verurteilung der Beklagten zur Einziehung der Rentenversicherungsbeiträge verletzt die Beigeladene zu 2 nicht in ihren Rechten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Beigeladene zu 1 hat im Berufungsverfahren keine Anträge gestellt; es entspricht daher der Billigkeit, seine Kosten nicht der Beigeladenen zu 2 aufzulegen.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.

6. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Höhe des Streitwerts entspricht dem Auffangstreitwert in Höhe von EUR 5.000,00. Bei einer Statusfeststellung geht der Antrag auf reine Anfechtung der Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht oder Nichtversicherung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung (hier nur der Rentenversicherung) und der dort betroffenen Zeiträume. Umstände, die über den konkreten Antrag hinausgehen, bleiben außer Betracht (Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, § 52 GKG Rn. 8). Die mit der Statusentscheidung mittelbar verknüpften Beitragsforderungen sind Umstände, die über den Klageantrag bei der Statusfeststellung hinausgehen. Einer Festsetzung auch für das sozialgerichtliche Verfahren bedurfte es nicht, da das SG den Streitwert im angefochtenen Urteil in zutreffender Höhe festgesetzt hat.
Rechtskraft
Aus
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