L 8 U 2058/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 699/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2058/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.03.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger wegen des am 05.10.2010 erlittenen Verkehrsunfalls höhere Verletztenrente als nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. zusteht.

Der 1960 geborene Kläger war am 05.10.2010 mit einem Kleinbus seines damaligen Arbeitgebers, der Firma G.-Entsorgung und Transport GmbH S., in der Schweiz unterwegs. Dabei wurde sein Fahrzeug durch den Auflieger eines entgegenkommenden Fahrzeugs gerammt. Der Kläger zog sich hierbei eine laterale Tibiakopffraktur links, eine großflächige tiefe Riss-Quetsch-Wunde mit Substanzdefekt des linken Oberarmes bis zum Ellenbogen, ein stumpfes Thorax-/Abdomen-Trauma mit gedeckter Milzruptur und leichter Einblutung in die Milzkapsel, einen traumatischen Pneumothorax links, eine Herzprellung ohne Hinweis auf einen Pericarderguss, ein Schädeltrauma mit Gehirnerschütterung und zwei Riss-Quetsch-Wunden an der Stirn sowie eine retrocardiale Begleitpneumonie zu. Der Kläger wurde zunächst intensivmedizinisch in der Schweiz und ab 12.10.2010 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. (BG-Klinik T.), ab 19.11.2010 in der Reha Klinik Bad S. (Befundbericht der BG-Klinik T. vom 16.11.2010, Bl. 47/49 der Beklagtenakte, Bericht der Rehaklinik Bad S. vom 13.01.2011, Bl. 100/101 der Beklagtenakte) und ab 10.01.2011 wieder in der BG-Klinik stationär behandelt (Bericht der BG-Klinik vom 11.02.2011, Bl. 159/162 der Beklagtenakte). Vom 25.07.2011 bis 29.07.2011 fand in der BG-Klinik eine stationäre Evaluation der Unfallfolgen statt, u.a. mit dem Ergebnis dass die physiotherapeutische Behandlung mit höherer Frequenz fortzusetzen sei (Befund- und Entlassbericht von Prof. Dr. S.und PD Dr. B. vom 02.08.2011, Bl. 332ff der Beklagtenakte). Dem Kläger wurde von der Beklagten bis 15.04.2012 Verletztengeld gewährt (Abhilfebescheid der Beklagten vom 30.11.2012, Bl. 701 der Beklagtenakte). Arbeitsunfähigkeit bestand bis 15.04.2012 infolge einer unfallbedingten Dr. M. vom 25.08.2012, Bl. 687/688 der Beklagtenakte).

Im Rahmen eines Arbeitsgerichtsprozesses gegen seinen früheren Arbeitgeber, die Firma R. B. GmbH, wurde mit Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 09.12.2010 festgestellt, dass die Kündigung vom 01.03.2010 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hatte (Bl. 261 der Beklagtenakte). Wegen der Kündigung war der Kläger bereits bei Diplom-Psychologe F. in Behandlung (Aktenvermerk vom 08.04.2011, Bl. 198 der Beklagtenakte), bei dem die Beklagte eine Behandlung des Klägers auf psychiatrischem/psychosomatischem Fachgebiet wegen unfallbedingter Anpassungsprobleme genehmigte (Auftragsschreiben vom 18.04.2011, Bl. 205 der Beklagtenakte, Bericht von Diplom-Psychologe F. vom 05.10.2010, Bl. 290/293 der Beklagtenakte).

Auf der Grundlage der von der Beklagten veranlassten Ermittlungen, nämlich • des neurologischen Befundberichts von Prof. Dr. S. vom 29.07.2011 (kein funktionsmindernder neurologischer Befund, keine psychiatrische Diagnose, insbesondere keine posttraumatische Belastungsstörung und keine Anpassungsstörung), • des psychologischen Befundberichs von Diplom-Psychologin T. vom 09.08.2011 (diskrete motorische Verlangsamung der dominanten Hand, keine auffälligen Befunde), • der Berichte des Diplom-Psychologen F. vom 09.09.2011 und 26.01.2012 (posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen, differenzialdiagnostisch: mittelgradige depressive Episode, reaktive Form), • des unfallchirurgischen Gutachten von Dr. H. vom 25.01.2012 (deutliche Funktionseinschränkungen im linken Schulter- und linken Ellbogengelenk, konsolidierte Tibiakopffraktur mit beginnender posttraumatische Gonarthrose, unfallbedingte MdE 40 v.H. von 23.12.11 bis 23.11.12, danach 30 v.H. • des HNO-Gutachtens von Dr. B.-Z. vom 23.12.2011 (unfallbedingter rezidivierender, teilweise lagerungsabhängiger Schwindel, der keine unfallbedingte MdE bedingt) und • des neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. M. vom 16.03.2012 mit Ergänzung vom 25.08.2012 (unfallbedingter Anpassungsstörung in Form einer Autofahrphobie und Vermeidung des Zurschaustellung von Verletzungsfolgen, MdE 10 v.H. für die Anpassungsstörung) gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 20.12.2012 Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 40 v.H. ab 16.04.2012.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, der nicht näher begründet wurde.

Zur Entscheidung über die Rente auf unbestimmte Zeit holte die Beklagte das Gutachten von Dr. M. vom 15.06.2013 und das unfallchirurgische Gutachten von Dr. V. vom 12.07.2013 ein. Dr. V. schätzte die unfallbedingte MdE zusammenfassend auf 40 v.H. ein. In der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. G. wurde diese Bewertung bestätigt.

Mit Bescheid vom 27.09.2013 gewährte die Beklagte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 40 v.H. anstelle der bisherigen vorläufigen Entschädigung. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass er Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens sei und als mitangefochten gelte. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger erhob am 19.03.2014 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) und machte geltend, ihm stehe Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu. Er leide seit Mai 2014 an Schlafstörungen und an starken Schmerzen im linken Arm und Bein. Infolge der Schlafstörungen könne er auch derzeit nicht in der um 5:30 Uhr beginnenden Frühschicht arbeiten.

Das SG hörte Diplom-Psychologe F. schriftlich als sachverständigen Zeugen. In seiner Aussage vom 18.08.2015 teilte er mit, seit 20.02.2013 habe eine weitere bis heute anhaltende Behandlungsphase stattgefunden, die mit Behandlungsabständen zwischen vier und acht Wochen durchgeführt werde. Bereits vom 25.02.2010 bis 04.03.2010 sei der Kläger bei Verdacht auf eine schwere depressive Episode und einer akuten Belastungsreaktionen aufgrund der Vorkommnisse um die Mitnahme von Gegenständen die zur Kündigung des damaligen Arbeitgebers geführt habe, behandelt worden. Auf den Unfall zurückzuführen seien Schmerzen beim längerem Gehen, Schlafstörungen aufgrund Schmerzen, fehlende Integration der Gestaltsänderung im linken Arm, verfahrensbedingte Stimmungstiefs wegen Verschleppung des Verfahrens und bei körperlicher Überforderung auftretende Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen.

Mit Urteil vom 05.03.2015 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 13.04.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2015 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, wegen der Unfallfolgen habe er sich einer Schmerztherapie unterziehen müssen. Er sei vom 07.07.2015 bis 11.08.2015 stationär in der psychosomatischen Fachklinik Gengenbach behandelt worden unter der Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Anpassungsstörung, längere depressive Reaktionen und Zustand nach Polytrauma bei Verkehrsunfall und posttraumatische Gonarthrose links. Vorgelegt wurde der Bericht der Radiologiepraxis T. vom 05.11.2015 über eine Kernspintomographie des rechten Kniegelenks am 05.11.2015 sowie der Bericht der Kreiskliniken E. vom 13.01.2016 über eine Untersuchung des Klägers an diesem Tag wegen linksthorakaler Schmerzen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 05.03.2015 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 20.12.2012 und 27.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2014 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, ab 16.04.2012 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil. Die Befunde der psychosomatischen Fachklinik G. und der Bericht von Dr. S. vom 05.11.2015 gäben keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung der unfallbedingten MdE. Gesundheitsstörungen am rechten, nicht durch den Unfall verletzten Kniegelenk, die mit der Kernspintomographie vom 05.11.2015 beschrieben würden, seien nach medizinischen Erkenntnissen nicht wesentlich ursächlich auf den Unfall zurückzuführen.

Mit richterlicher Verfügung vom 02.06.2016 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und auch die nach Erlass des Widerspruchsbescheids angefallene Verwaltungsakte bei der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Akte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält. Das Einverständnis der Beteiligten ist nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 02.06.2016 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthaft und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässig, jedoch nicht begründet. Die streitgegenständliche Bescheide der Beklagten vom 20.12.2012 und 27.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene klagabweisende Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 20.12.2012 über die Gewährung einer Rente als vorläufige Entschädigung zugrunde gelegte MdE um 40 v.H. ist auch zur Überzeugung des Senats rechtsfehlerfrei festgesetzt.

Dem unfallchirurgischen Gutachten von Dr. H. vom 25.01.2012 ist keine funktionelle Einschränkung hinsichtlich des erlittenen Thorax-/Abdomentraumas mit Milzruptur und Herzprellung zu entnehmen. Diesbezüglich sind seitens des Klägers bei der Untersuchung im Dezember 2011 auch keine Beschwerden mehr vorgetragen worden. Dies stimmt auch mit dem Bericht der BG-Klinik vom 02.08.2011 über das stationäre Evaluationsverfahren im Juli 2011 überein, wonach diese Folgen erfolgreich stationär und nachfolgend ambulant behandelt worden sind. Bei der dortigen stationären Untersuchung machte der Kläger ebenfalls keine hierauf beziehbar Beschwerden mehr geltend, eine entsprechende Diagnose wurde auch dort nicht gestellt.

Hinsichtlich der unfallbedingten Verletzungen am Schultergelenk und am Ellenbogengelenk beschrieb Dr. H. aufgrund seiner am 23.12.2011 durchgeführten Untersuchung des Klägers eine Bewegungseinschränkung am linken Schultergelenk von 0°/0°/80° bei der Seitwärts-/Körperwärtshebung und von 30°/0°/80° bei der Rückwärts- und Vorwärtshebung und eine Bewegungseinschränkung am linken Ellenbogengelenk von 0°/0°/85°. Diese Bewegungsmaße decken sich teilweise mit den von Prof. Dr. S. und PD Dr. B. im Juli 2011 in der BG-Klinik erhobenen Bewegungseinschränkungen an der linken Schulter und am linken Ellenbogen, wobei dort die Schultergelenksbeweglichkeit besser war (seitwärts/körperwärts: 90°/0°/40°, rückwärts/vorwärts: 45°/0°/120°) und die Ellenbogenbeweglichkeit links sogar deutlich besser ausfiel (0°/0°/110°). Im Hinblick darauf, dass trotz fortschreitender Arthrose Dr. V. bei seiner Untersuchung des Klägers am 12.07.2013 eine Schultergelenksbeweglichkeit links (seitwärts/körperwärts: 90°/0°/20°, rückwärts/vorwärts: 20°/0°/140°) beschreiben konnte, die weitgehend dem im Juli 2011 in der BG-Klinik festgestellten Bewegungsausmaß entsprach, kann der Senat nicht zuverlässig davon ausgehen, dass die von Dr. H. beschriebene Einschränkung der Schulterbeweglichkeit dem für die MdE-Bewertung maßgebenden Dauerzustand entsprach. Unter Berücksichtigung der Bewertungskriterien nach der unfallmedizinischen Literatur, die das SG in Urteil zutreffend dargestellt hat und auf die der Senat Bezug nimmt, ist die für die Schulterbeweglichkeit maßgebende Schultervorhebung der Bewertungsstufe für eine Schultervorhebung bis 120° zuzuordnen, was eine MdE um 10 v.H. für die Schulterbewegungseinschränkung ergibt. Die Einschränkung der Ellenbogengelenksbeweglichkeit ist nach den im Juli 2011 und Dezember 2011 erhobenen Bewegungsmaßen gerade noch der Bewertungsstufe von 0°/30°/90° mit einer MdE um 20 v.H. zuzuordnen.

Hinsichtlich des linken Kniegelenks beschreibt Dr. H. eine Bewegungseinschränkung von 0°/0°/110° im Meßblatt (dagegen von 0°/0°/100° im Gutachtenstext), was weitgehend mit den im Juli 2011 in der BG-Klinik gemessenen Bewegungsmaßen (5°/0°/120°) übereinstimmt (vgl. Bericht der BG Klinik vom 02.08.2011). Dies würde anhand der Bewegungsmaße nach der unfallmedizinischen Literatur allenfalls die Zuordnung zu der Bewertungsstufe einer MdE um 10 v.H. bei Restbeweglichkeit mit 0°/0°/120° rechtfertigen, jedoch, worauf auch das SG hingewiesen hat, unter Berücksichtigung der beschriebenen erst- bis zweitgradigen Knieinstabilität - in der BG-Klinik ging man im Juli 2011 noch von einer erstgradigen Instabilität aus – ist eine MdE von 20 v.H. gerechtfertigt, vergleichbar dem in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur mit einer MdE um 20 v.H. bewerteten Verletzungsmuster eines leichten, muskulär nicht kompensierten Wackelknies.

Auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet besteht die von Dr. M. in seinem Gutachten vom 16.03.2012 dargelegte unfallbedingte Anpassungsstörung, die sich in der vom Kläger geschilderten Autofahrphobie und der Körperschemastörung, der krankhaften Vermeidung des Offenlegens der Verletzungsfolge am linken Arm, äußert. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung hat Dr. M. in Übereinstimmung mit der Beurteilung von Prof. Dr. S. verneint. Eine depressive Reaktion/akute Belastungsreaktion ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. M. auf unfallunabhängige Ursachen zurückzuführen, wie den Arbeitsplatzkonflikt, Störung der Migration und die gestörte emotionale Entwicklung in der Kindheit. Soweit Dr. M. die auf seinem Fachgebiet diagnostizierte Unfallfolge mit einer MdE um 10 v.H. bewertete, ist dies für den Senat nicht überzeugend, weil diese keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit in diesem Umfang nach sich gezogen hat.

Nach den von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Angaben des Klägers beschränkt sich das phobische Vermeidensverhalten des Klägers auf das Führen eines Kraftfahrzeuges. Das Fahren in einem Kraftfahrzeug als Mitfahrer ist dem Kläger möglich und wird von ihm auch praktiziert. So ist der Kläger im März 2012 zur Begutachtung durch Dr. M. in Begleitung seiner Schwiegertochter mit dem PKW angereist (vgl. Seite 16 des Gutachtens vom 16.03.2012). Seinen Angaben bei Dr. M. ist auch zu entnehmen, dass er nicht gänzlich vermeidet, ein Auto selbst zu fahren. Er hat ausdrücklich angegeben, dass beim Autofahren die Schmerzen im linken Bein durchs Kuppeln zunehmen und auch das Lenken schwieriger sei. Der Senat erachtet es deswegen nicht für gerechtfertigt, den MdE-Einschätzungsspielraum, der für eine soziale phobische Störungen nach der unfallmedizinischen Literatur für Phobien mit leichtgradiger körperlich-funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung mit einer MdE bis 10 v.H. bewertet wird (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., Seite 157), nach oben auszuschöpfen (vgl. zu einem vergleichbaren Fall Senatsurteil vom 24.04.2015 – L 8 U 395/12 –, unveröffentlicht). Die Körperschemastörung ist eine sich auf dem Arbeitsmarkt nur geringfügig auswirkende Funktionseinschränkung, die die Narben am Arm betrifft und die durch entsprechende Bekleidung, anders wie etwa Entstellungen im Gesicht, auch einfach zu kompensieren ist. Unter diesem Gesichtspunkt hält der Senat daher die von Dr. M. beschriebenen Auswirkungen der von ihm diagnostizierten unfallbedingten Anpassungsstörung rechtlich nicht mit einer MdE von 10 v.H. für vereinbar. Sie begründen keine relevante Erwerbsminderung.

Die danach zu bemessende MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Unter der danach gebotenen Gesamtwürdigung der beim Kläger im Zeitraum der gewährten Rente als vorläufige Entschädigung bestehenden funktionellen Einschränkungen an der linken Schulter (Teil-MdE von 10 v.H.), des linken Ellenbogens (Teil-MdE von 20 v.H.) und des linken Kniegelenks (Teil-MdE von 20 v.H.) war die Gesamt-MdE mit 40 v.H. rechtlich zutreffend bemessen, wobei der Senat für die integrierende Berücksichtigung der Teil-MdE-Werte dem Umstand Rechnung getragen hat, dass die Werte um 20 v.H. gerade als erfüllt angesehen wurden.

Auch der Bescheid vom 27.09.2013 mit Bewilligung der Rente auf unbestimmte Zeit ab 01.11.2013 lässt keine Rechtsfehler erkennen, denn eine höhere unfallbedingte MdE als 40 v.H. liegt in dem Leistungszeitraum der Rente auf unbestimmte Zeit nicht vor.

In dem von Dr. V. erstatteten Gutachten vom 12.07.2013 zur Entscheidung über Rente auf unbestimmte Zeit werden keine über das Gutachten von Dr. H. hinausgehende Unfallfolgen beschrieben. Die Schultergelenksbeweglichkeit links entspricht annähernd den bereits im Juli 2011 erhobenen Bewegungsmaßen in der BG-Klinik, wie oben dargelegt. Soweit nunmehr dem Kläger eine Armhebung links bis 140° bzw. 90° möglich ist, rechtfertigt dies nach den am verbliebenen Bewegungsmaß ausgerichteten Bewertungskriterien der unfallmedizinischen Literatur allenfalls noch eine MdE um 10 v.H., wie vom Beratungsarzt Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 12.08.2013 überzeugend dargelegt. Die Beeinträchtigung des Ellenbogengelenks mit 0°/0°/85° weist keine Änderung zu den von Dr. H. erhobenen Bewegungsmaße auf, weshalb nach wie vor eine Teil-MdE von 20 v.H. gerechtfertigt ist. Das unfallbetroffene linke Kniegelenk zeigt sich auch bei Dr. V. unverändert zu dem von Dr. H. erhobenen Befund mit der Bewegungseinschränkung von 0°/0°/110°. Auch Dr. V. beschreibt nach wie vor eine laterale Bandinstabilität, weshalb auch hier eine Teil-MdE von 20 v.H. nach wie vor gegeben ist. Diese Einschätzung teilt auch der Beratungsarzt der Beklagte Dr. G ...

Hinsichtlich der Befunde am Schulter- und Ellenbogengelenk links sowie des Kniegelenks links ergibt sich aus der am 20.02.2015 in der BG-Klinik durchgeführten Untersuchung des Klägers nichts anderes, wie dem Bericht der BG-Klinik vom 25.02.2015 zu entnehmen ist (Bl. 891ff der Beklagtenakte).

Im Gutachten von Dr. M. vom 15.06.2013 ist ausgeführt, dass die vordiagnostizierte Anpassungsstörung weitgehend abgeklungen sei. Eine relevante ängstliche oder eine depressive Symptomatik sei aktuell nicht mehr zu sichern. Dass der Kläger wieder selbst Auto fährt, ergibt sich auch aus dem Bericht der BG-Klinik vom 25.02.2015, wonach er bei der dortigen Untersuchung auf Belastungen wie beim Stehen, Gehen und Autofahren verwies. Unverändert zeigte sich bei Dr. M. noch die Teilsymptomatik der Körperschemastörung mit Vermeiden des Zur-Schaustellens der Narben am linken Arm. Soweit darüber hinaus Gefühlsstörung am Oberarm und Unterarm links nach Hauttransplantation sowie am Oberschenkel rechts und am medialen Knie links angegeben werden, kommt diesen nach Dr. M. keine MdE-Relevanz zu. Aus Sicht des Senats ist daher keine relevante MdE aufgrund der beschriebenen Unfallfolgen auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet anzunehmen.

Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Befunde zum rechten Kniegelenk mit der Diagnose eines ausgeprägten retropatellaren Knorpeldefekts mit Chondromalazie Grad IV lässt keinen Bezug zum Unfall erkennen. Das rechte Kniegelenk war beim Unfall nicht verletzt worden. Ein Überlastungssyndrom des unverletzt gebliebenen Organs paariger Organe ist zum einen – mit Ausnahme bei Amputationen – empirisch nicht gesichert und zum anderen wird vorliegend durchgehend ein flüssiges und regelrechtes Gangbild geschildert mit geringfügigen, nicht relevanten Abweichungen wie Zehen- und Fersengang möglich (Bericht der BG Klinik vom 02.08.2011), Zehengang war möglich, der Fersengang etwas unsicher und schmerzhaft (Gutachten von Dr. H. vom 25.01.2012), Gangbild ohne Schonhinken, Zehenspitzenstand und -gang sowie Hackenstand und -gang beidseits sicher (Gutachten von Dr. V. vom 12.07.2013). Lediglich die Hocke war durchgehend bei allen Untersuchungen teilweise nur bis zur Hälfte durchführbar. Eine unfallbedingte übermäßige Beanspruchung des unverletzt geblieben rechten Kniegelenks ist hieraus nicht ableitbar.

Der in der nach Erlass des Widerspruchsbescheids angefallenen Verwaltungsakte befindliche Bericht der C. Klinik K., G., vom 24.08.2015 enthält keine Hinweise darauf, dass die MdE zulasten des Klägers zu niedrig eingeschätzt ist. Dort ist eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren diagnostiziert, wobei aus dem Bericht nicht erkennbar wird, dass dies zu einer höheren MdE-Einstufung seitens der psychiatrischen Unfallfolgen zwingt. An Beschwerdevorbringen ist dokumentiert, dass der Kläger Schmerzen in der linken Schulter, im Nacken, im linken Bein zudem im linken Arm insbesondere im linken Knie geklagt hatte. Die Schmerzen würden durch körperliche Bewegung wie Gehen und Stehen sowie Spaziergängen von einer Dauer über 45 Minuten verstärkt. Jedoch empfinde der Kläger diese Schmerzen als erträglich und nehme keine Schmerzmittel. Es bestünden Einschlaf- und Durchschlafstörungen. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass dieser psychosomatische Befund über die bereits in der MdE-Bewertung für die somatische Gesundheitsstörungen des Schulter-, Ellenbogen- und Kniegelenks erfassten Schmerzen hinausgeht. Soweit erneut von einer Phobie, jetzt gegen Spritzen und Nadeln, weshalb der Kläger bestimmte Behandlungsmöglichkeiten nicht in Anspruch nehmen könne, im Bericht vom 24.08.2015 die Rede ist, widerspricht dies dem insoweit unauffälligen Befund von Dr. M ... Darüber hinaus wird ein Zusammenhang dieser Phobie mit dem Unfall im Bericht vom 24.08.2015 nicht diskutiert und ist für den Senat auch nicht ersichtlich. Es wird ausgeführt, es bestehe beim Kläger eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren bei konsekutiver depressiver Entwicklung im Sinne einer Anpassungsstörung sowie einer spezifischen Phobie gegen Spritzen und Nadeln. Die konsekutive depressive Entwicklung im Sinne einer Anpassungsstörung ist aber nach Dr. M. auf die unfallunabhängigen Faktoren zurückzuführen, depressive Tendenzen mit psychosomatischen Anteilen bestanden bereits vor dem Unfall und hatten bereits zur Behandlung bei Diplom-Psychologe F. geführt. Inwiefern eine Nadel- und Spritzenphobie Folge der unfallbedingten Behandlung sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Eine solche Phobie hat der Kläger während der stationären Behandlung seiner akuten Verletzungen nicht entwickelt, eine solche hat auch Dr. M. in seinem Gutachten vom 15.06.2013 nicht beschrieben. Bei den Untersuchungen durch die Gutachter hat der Kläger allenfalls die Einnahme von Medikamenten angegeben, zuletzt bei Dr. M. hat er angegeben, manchmal Schmerztabletten, meist Aspirin einzunehmen.

Soweit der Kläger über seinen Bevollmächtigten das Attest des Kreiskrankenhauses N. vom 13.01.2016 mit der Diagnose: Linksthorakale Schmerzen, hat vorlegen lassen, ergibt sich keine andere Beurteilung. Ein Zusammenhang mit der ausgeheilten Thoraxprellung ist nicht ersichtlich. Zu der im Attest empfohlenen Vorstellung beim Kardiologen hat der Kläger nichts weiter vorgetragen, insbesondere ist seit der im Januar 2016 ausgesprochenen Empfehlung kein kardiologischer Befundbericht zu den Akten gereicht worden. Der Senat hat daher keine Veranlassung gesehen weitere Ermittlungen anzustrengen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved