L 4 R 2838/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2983/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2838/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger aufgrund einer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 in der Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. März 2012 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig beschäftigt war.

Der am 1968 geborene Kläger war nach einer Weiterbildung zum Elektrotechniker Fachrichtung Energietechnik zunächst als technischer Angestellter, Abteilung Prüfstandtechnik, beschäftigt.

Die Beigeladene zu 1 wurde durch notariellen Vertrag vom 13. September 2000, eingetragen ins Handelsregister am 8. November 2000, als H. Gesellschaft für innovative Soft- und Hardwareplanung mbH von U. H., Datentechniker, (im Folgenden H) und seiner Ehefrau (im Folgenden C) mit Sitz in R. gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die Planung und Entwicklung von Automatisierungsabläufen und Prüfstandtechnik sowie die Entwicklung der dafür benötigten Software. Als alleiniger Geschäftsführer war H bestellt. Vom Stammkapital in Höhe von EUR 25.000,00 hielten H EUR 22.500,00 und C EUR 2.500,00. Die Regelungen des § 8 (Gesellschafterversammlung) und § 19 (Geschäftsführung) des Gesellschaftsvertrages (dazu unten) wurden durch Gesellschafterbeschluss vom 24. November 2000 geändert; die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 31. Januar 2001.

Ab Januar 2001 war der Kläger als Geschäftsführer für diese Gesellschaft tätig. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 17. Januar 2001 (GAV) traf hierzu insbesondere folgende Regelungen:

§ 1 Aufgabenbereich

Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Die Gesellschaft kann jederzeit neben ihm andere Geschäftsführer oder Prokuristen bestellen und die Vertretungsmacht und Geschäftsführung neu regeln. Der Geschäftsführer führt die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft, der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung sowie diesem Anstellungsvertrag.

§ 2 Zustimmungsbedürftige Geschäfte

Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen, bedarf der Geschäftsführer der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung. Hierzu zählen insbesondere: a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten; b) die Veräußerung des Unternehmens im Ganzen, die Errichtung, Veräußerung und Aufgabe von Betrieben oder Betriebsteilen; c) Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall Verpflichtungen von mehr als DM 20.000,00 für die Gesellschaft mit sich bringen oder welche die Gesellschaft ohne Rücksicht auf den Wert länger als ein Jahr verpflichten.

§ 3 Vertragsdauer

Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Der Vertrag kann von beiden Vertragsparteien unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten zum Quartalsende gekündigt werden. [ ] Das Dienstverhältnis kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden. Ein wichtiger Grund ist z.B. die Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung. Wichtige Gründe sind die Liquidation der Gesellschaft sowie schwere Verstöße des Geschäftsführers gegen die Weisungen der Gesellschafterversammlung.

§ 4 Vergütung

Der Geschäftsführer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein festes Jahresgehalt von 180.000,00 DM [ ], zahlbar in zwölf gleichen Raten am Ende eines jeden Monats. Er erhält weiter eine Weihnachtsgratifikation sowie ein Urlaubsgeld, jeweils in Höhe eines Monatsgehaltes, [ ] Der Geschäftsführer erhält weiter eine Tantieme in Höhe 20 % des Jahresüberschusses vor ertragsabhängigen Steuern und vor Abzug der Tantieme. [ ]

§ 6 Urlaub

Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. [ ]

§ 7 Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall

Ist der Geschäftsführer infolge Erkrankung vorübergehend daran gehindert, seine Tätigkeit als Geschäftsführer auszuüben, wird ihm die vertragliche Vergütung für die Dauer von vier Wochen weitergezahlt. Das Gleiche gilt für andere unverschuldete Verhinderungen. [ ]

§ 9 Nebenabreden

Nebenabreden und Änderungen des Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform. Dieses Formerfordernis kann weder mündlich noch stillschweigend aufgehoben noch außer Kraft gesetzt werden. [ ]

Durch schriftliche Vertragsänderungen ("Anlage zum Arbeitsvertrag vom 17.01.2001") wurde die monatliche Bruttovergütung nach § 4 GAV zum 1. Oktober 2004 auf EUR 6.400,00, zum 1. Dezember 2006 auf EUR 7.000,00 sowie zum 1. April 2008 auf EUR 8.000,00 festgelegt.

Durch notariellen Vertrag vom 30. Januar 2001 übertrugen C ihren gesamten Geschäftsanteil und H einen Teilgeschäftsanteil in Höhe EUR 9.750,00 (verbleibend EUR 12.750,00) auf den Kläger (insgesamt EUR 12.250,00). Durch gleiche Urkunde wurde dieser mit sofortiger Wirkung zum weiteren einzelvertretungsberechtigten und kraft Satzung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführer bestellt. Daneben blieb H ebenfalls einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer. Die Firma der Gesellschaft wurde in H. & B. Gesellschaft für innovative Soft- und Hardwareplanung mbH mit Sitz in L. geändert. Im Übrigen blieb die Satzung unverändert.

Durch notariellen Vertrag vom 12. Dezember 2006 wurde der Gesellschaftsvertrag neu gefasst (GV); die Änderung wurde am 18. Januar 2007 ins Handelsregister eingetragen. Die Gesellschaft firmierte unter H. & B. Gesellschaft für Prüfstand und Automatisierungstechnik mbH mit Sitz in K ... Gegenstand des Unternehmens war die Entwicklung und Lieferung von Prüfstands- und Automatisierungsanlagen (§ 2 GV). § 3 GV bestimmte als Organe der Gesellschaft die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsführung. Im Weiteren wurden folgende Bestimmungen getroffen:

§ 6 Jahresabschluss

(1) [ ...] (2) Über die Verwendung des in der Bilanz ausgewiesenen Gewinnes nach Abzug der aus dem Gewinn zu zahlenden Steuern beschließt die Gesellschafterversammlung. Gewinnausschüttungen erfolgen nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile. (3) Soweit eine einfache Mehrheit bezüglich der Gewinnverwendung nicht zustande kommt, gelangt der Reingewinn vollständig zur Ausschüttung. (4) Im Übrigen gilt § 29 GmbHG. [ ]

§ 8 Gesellschafterversammlung

(1) Die Gesellschafter üben ihre Rechte grundsätzlich in der Gesellschafterversammlung aus. (2) [ ] (3) [ ] (4) Die Gesellschafterversammlung ist auch dann von der Geschäftsführung einzuberufen, wenn 10 % des Stammkapitals dies verlangen. (5) [ ]

§ 9 Aufgaben der Gesellschafterversammlung

Außer den in § 46 GmbHG genannten Aufgaben beschließt die Gesellschafterversammlung über: 1. Errichtung von Zweigniederlassungen, 2. Errichtung anderer Unternehmen, 3. Beteiligungen an anderen Unternehmen, 4. Eingehung von Wechsel- und/oder Bürgschaftsverbindlichkeiten über 25.000,00 EUR hinaus, 5. Aufnahme von Krediten über 25.000,00 EUR hinaus, 6. Gewährung von Krediten über 25.000,00 EUR hinaus, 7. Satzungsänderungen.

§ 10 Beschlussfassung

(1) Beschlüsse der Gesellschaft werden mit einfacher Mehrheit gefasst, wenn nicht gesetzlich oder nach den Bestimmungen dieses Vertrages eine höhere Mehrheit vorgeschrieben ist. (2) Je 100,00 EUR eines Stammanteils ergeben eine Stimme. Bei Stimmengleichheit gilt ein Antrag als abgelehnt. (3) [ ] (4) Bei drohender Beeinträchtigung existenzieller Interessen der Gesellschaft oder einzelner Gesellschafter ist zu deren Abwehr ausnahmsweise auch ein Umlaufbeschluss mittels einer Mehrheit von 60 % des gezeichneten Stammkapitals zulässig. (5) Satzungsänderungen bedürfen einer Mehrheit von 90 % des gezeichneten – nicht des in der Versammlung vertretenen – Stammkapitals. (6) [ ]

§ 11 Verfügung über Geschäftsanteile

(1) Die – auch teilweise – Verfügung über ein Geschäftsanteil, insbesondere Abtretung und Verpfändung ist nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung zulässig. Bei der Beschlussfassung ist der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt. [ ] [ ]

§ 19 Geschäftsführung

(1) Die Gesellschaft hat einen oder mehreren Geschäftsführer. Die Bestellung erfolgt durch die Gesellschafterversammlung; sie ist jederzeit widerruflich. (2) Ein Geschäftsführer, der zugleich Gesellschafter ist, kann nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Die Entscheidung trifft die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. (3) Die Geschäftsführer sind verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten, insbesondere eine von den Gesellschaftern aufgestellte Geschäftsordnung zu beachten und von den Gesellschaftern als zustimmungspflichtig bezeichnete Geschäfte auch nur mit deren Zustimmung vorzunehmen. (4) Grundsätzlich bedürfen alle Rechtshandlungen der Geschäftsführung, die über den gewöhnlichen Rahmen des Handelsgewerbes, wie es die Gesellschaft betreibt, hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. (5) Das Weitere wird in einem gesonderten Geschäftsführervertrag und/oder einer "Geschäftsordnung und Geschäftsanweisung" geregelt.

§ 20 Vertretung

(1) Die Gesellschaft wird durch einen Geschäftsführer allein vertreten, wenn er alleiniger Geschäftsführer ist oder wenn die Gesellschafter ihn zur Alleinvertretung ermächtigt haben. Im Übrigen wird die Gesellschaft gemeinschaftlich durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinschaftlich mit einem Prokuristen vertreten. (2) Der/die Geschäftsführer sind von den Beschränkungen des §§ 181 BGB befreit.

§ 21 Schriftformerfordernis

(1) Alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern untereinander oder mit der Gesellschaft bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht zusätzliche Formerfordernisse bestehen. (2) Dies gilt auch für die Vereinbarung eines Verzichts auf das Erfordernis der Schriftform.

Mit Darlehensvertrag vom 1. Juni 2008 gewährte der Kläger der Beigeladenen zu 1 ein verzinsliches, tilgungsfreies Darlehen mit unbegrenzter Laufzeit in Höhe von EUR 44.846,76 (Netto-Ausschüttungsbetrag aus 2007). Die Kündigung durch den Darlehensgeber war nur mit Zustimmung beider Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 möglich. Mit Änderungsvertrag vom 14. September 2009 wurde eine Auszahlung des Darlehensbetrages in Teilbeträgen "je nach Gesellschafterbeschluss" vereinbart. Die Tilgungsregelung wurde wie folgt ergänzt: "Gemäß der Gesellschafterversammlung vom 14.09.2009 wird eine einmalige Tilgung zum 01.10.2009 in Höhe von 3.000,00 EUR je Gesellschafter festgesetzt. Des Weiteren werden ab November 2009 bis auf Widerruf jeweils zum Monatsletzten je Gesellschafter 500,00 EUR ausbezahlt".

Neben einer Bürgschaft allein des Klägers gegenüber der A. Bank vom 27. Juni 2001 für ein Darlehen zum Kauf eines Kraftfahrzeuges in Höhe von EUR 65.732,69 übernahm der Kläger für Verbindlichkeiten der Beigeladenen zu 1 jeweils neben und in gleicher Höhe wie H folgende selbstschuldnerische Bürgschaften gegenüber der Volksbank R. eG: • EUR 15.000,00 für den Avalkreditvertrag vom 22. August 2002, • EUR 90.000,00 für den Avalkredit (Anzahlungs-/Mängelgewährleistungsbürgschaft) vom 19. Januar 2006, der sich nach Rückgabe der Anzahlungsbürgschaft auf den EUR 15.000,00 gemäß dem Kreditvertrag vom 22. August 2002 reduzierte (erledigt am 27. Februar 2006), • EUR 157.000,00 für den Avalkredit (Anzahlungsbürgschaft) vom 7. Oktober 2009 für einen bezeichneten Auftrag, • EUR 10.000,00 für den Betriebsmittel-Kontokorrentkredit in Höhe von EUR 20.000,00 vom 4. Juni 2004, • EUR 50.000,00 unbefristet sowie weitere EUR 50.000,00 befristet bis zum 30. Januar 2011 für den den Vertrag vom 4. Juni 2004 ersetzenden Betriebsmittelkredit vom 5. Oktober 2010 über EUR 100.000,00, • EUR 50.000,00 unbefristet und EUR 100.000,00 befristet bis zum 31. Dezember 2011 für die gleichermaßen befristete Erhöhung des Betriebsmittelkredites auf EUR 150.000,00 vom 4. Oktober 2011.

Zum 31. März 2012 schied der Kläger als Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1 unter Übertragungen seiner Geschäftsanteile auf H aus.

Am 5. Januar 2011 beantragte der Kläger die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status aufgrund der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. Der Kläger und die Beigeladene zu 1 begehrten dabei, festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege.

Im Rahmen der durchgeführten Anhörung machte der Kläger geltend, entgegen der Annahme der Beklagten sei trotz fehlender Anteilsmehrheit oder einer Sperrminorität nicht von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Aufgrund der Umstände des Einzelfalles liege eine selbständige Tätigkeit vor. So sei der alleinvertretungsberechtigte Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit. Er sei Mit-Namensgeber der Firma und habe der Gesellschaft Darlehen im Umfang von insgesamt EUR 44.846,76 zur Verfügung gestellt. Der äußere Rahmen seiner Tätigkeit, insbesondere hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung, werde nicht durch einseitige Weisungen seitens der Gesellschafter geregelt. Der Kläger treffe seine Entscheidungen grundsätzlich eigenständig und unabhängig von dem Einfluss weiterer Geschäftsführer und auch außerhalb des allgemeinen Geschäftsbetriebes bzw. der gewöhnlichen Arbeitszeiten. Selbst wesentliche betriebliche und unternehmerische Sachentscheidungen träfen die Gesellschafter lediglich ausnahmsweise in außerordentlich stattfindenden Gesellschafterversammlungen. Insgesamt betrachtet sei damit eine tatsächliche Ausübung von Einfluss im Sinne einer regelmäßigen Kontrolle der Tätigkeit des Klägers durch die Gesellschaft nicht gegeben. In der Vergangenheit seien Gesellschafterversammlungen nur für die jährliche Feststellung des Jahresabschlusses abgehalten worden. Die vertragliche Regelung, wonach Geschäfte mit einem Auftragsvolumen über EUR 20.000,00 oder einer Laufzeit von über einem Jahr nicht ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung getätigt werden dürften, werde in tatsächlicher Hinsicht nicht praktiziert. So habe der Kläger ein Geschäft mit einem Auftragsvolumen von EUR 397.200,00 selbständig in die Wege geleitet, verhandelt und abgeschlossen (Verhandlungsprotokoll vom 10. September 2009), ohne dass eine vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorgelegen habe.

Mit identischen Bescheiden vom 12. April 2011 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1 seit dem 30. Januar 2010 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werde und seit diesem Zeitpunkt Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Nach Gesamtabwägung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund des Kapitaleinsatzes von 49 % des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es dem Kläger nicht möglich, die Geschicke der Beigeladenen zu 1 maßgeblich zu beeinflussen. Aufgrund fehlender Vetorechte bzw. Sperrminoritäten könne er keine Entscheidungen verhindern. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage er kein eine selbständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko. Zwar sei er aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Tantiemenzahlung indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage müsse er jedoch nicht befürchten. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit sei dem Kläger weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine der Gesellschafterversammlung vorgegebenen Ordnung des Betriebes eingliedere. Die Weisungsgebundenheit verfeinere sich, wie bei Diensten höherer Art üblich, zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Der Kläger sei in eine nicht von ihm vorgegebene Ordnung des Betriebes eingegliedert und dürfe nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschafterbeschlüsse handeln, so dass er – selbst bei Belassung großer Freiheiten – der Überwachung durch die Gesellschafterversammlung unterliege. Dies gelte auch dann, wenn diese Gesellschafter von ihrer Überwachungsbefugnis regelmäßig keinen Gebrauch machten. Die Gewährung einer Bürgschaft könne unter Umständen ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit sein. Etwaige daraus resultierende Sonderrechte müssten sich jedoch in den vertraglichen Unterlagen niederschlagen, was hier nicht gegeben sei. Da der Antrag auf Statusfeststellung für die am 30. Januar 2001 aufgenommene Beschäftigung erst am 5. Januar 2011 gestellt worden sei, beginne die Versicherungspflicht mit dem Tag der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses.

Zur Begründung des hiergegen am 10. Mai 2011 eingelegten Widerspruches führte der Kläger aus, die Beklagte habe die bereits im Anhörungsverfahren aufgezeigte, von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende tatsächliche Durchführung der Tätigkeit nicht ausreichend berücksichtigt.

Mit identischen Bescheiden vom 4. Januar 2012 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenzen sei die beurteilte Beschäftigung versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung, so dass auch keine Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung vorliege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 4. Januar 2012 abgeholfen worden sei, aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück. Maßgebend sei die Rechtsbeziehung, wie sie praktiziert werde, und die praktizierte Beziehung, wie sie rechtlich zulässig sei. Die Regelungen in der Satzung zur Beschlussfassung sowie in Satzung und Geschäftsführervertrag zur Ausgestaltung der Tätigkeit und zum Umfang der Geschäftsführungsbefugnis seien vorliegend wirksam. Der Kläger halte mit 49 % der Geschäftsanteile weniger als die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft. Ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der GmbH könne aus diesem Anteil und der beruflichen Qualifikation des Klägers nicht abgeleitet werden. Nach dem Geschäftsführervertrag vom 17. Januar 2001 habe der Kläger die Gesetze, die Regelungen in der Satzung und die Bestimmungen der Gesellschafter zu beachten. Die Gesellschafterversammlung bestimme über die Geschäftsverteilung und die Angelegenheiten, die über das gewöhnliche Alltagsgeschäft hinausgingen. Das Einbringen von Branchenkenntnissen, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Eigenverantwortlichkeit seien grundsätzliche Anforderungen an einen leitenden Angestellten. Unerheblich sei, ob die Gesellschafter im Geschäftsalltag im Wesentlichen Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Geschäftsführung erteilten. Denn zu den tatsächlichen Verhältnissen gehöre auch die Rechtsmacht, dieses Weisungsrecht wahrzunehmen. Die entsprechende rechtliche Möglichkeit bestehe – unabhängig von ihrer Ausübung – vorliegend tatsächlich, da anderslautende satzungsgemäße Regelungen nicht existierten. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag enthalte für abhängig Beschäftigte typische Regelungen wie den Anspruch auf eine erfolgsunabhängige Jahresvergütung, eine zusätzliche Gewinntantieme, die Lohnfortzahlung im Fall der Arbeitsunfähigkeit und einen bezahlten Jahresurlaub. Aus den Gewinnanteilen des Klägers in Höhe von derzeit EUR 12.250,00 und seiner entsprechenden Beteiligung an Gewinn und Verlust des Unternehmens resultierten für ihn – auch unter Berücksichtigung der festen Jahresvergütung in Höhe von EUR 76.800,00 – weder größere Chancen und Risiken noch Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der eigenen Tätigkeit und die Geschicke der Gesellschaft.

Hiergegen erhob der Kläger am 23. Mai 2012 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) und führte unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags aus, entgegen der Annahme der Beklagten habe er maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 1 gehabt. Denn nach § 10 Abs. 5 GV hätten Satzungsänderungen einer Mehrheit von 90 % des Stammkapitals bedurft. Bestätigt werde dies durch § 11 GV, wonach im Falle eines Verkaufs der Gesellschaftsanteile durch den Mitgesellschafter die Zustimmung des Klägers erforderlich gewesen sei. Hinzu komme das in § 12 GV eingeräumte Vorkaufsrecht hinsichtlich der Gesellschaftsanteile. Während der gesamten Zeit der Beteiligung des Klägers an der GmbH habe es keinerlei Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gegeben, die in irgendeiner Weise konkrete Anweisungen gegenüber dem Kläger enthalten hätten. Dieser habe regelmäßig Verträge mit Verpflichtungen von mehr als DM 20.000,00 oder für länger als ein Jahr ohne entsprechende Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung abgeschlossen, ohne dass dies seitens des Mitgesellschafters/Mitgeschäftsführers H jemals gerügt worden wäre. Darüber hinaus lasse die Beklagte außer Acht, dass das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung (z.B. Urteile vom 6. März 2003 – B 11 AL 25/02 R – und vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – beide juris) festgestellt habe, dass trotz fehlender Stimmenmehrheit oder Sperrminorität eine abhängige Beschäftigung nicht bestehe, wenn besondere Umstände des Einzelfalles – wie vorliegend – den Schluss zuließen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Bei den Vertragsverhandlungen anlässlich des Eintritts des Klägers in die bestehende Firma seien alle Beteiligten davon ausgegangen, dass nicht nur H, sondern auch er selbst selbständig tätig sei. Beide Gesellschafter hätten sich als gleichberechtigte Partner gesehen – unabhängig von der geringfügigen Differenz am Anteil des Stammkapitals. Beide Geschäftsführer hätten ihre Arbeitszeit frei eingeteilt und in gegenseitiger Absprache Urlaub genommen. Weder hinsichtlich der Arbeitszeit noch der Arbeitsausführung habe es irgendwelche Anweisungen gegeben. Beide Geschäftsführer seien völlig frei in den Verhandlungen mit Vertragspartnern und für die Mitarbeiter die "Chefs" gewesen. So habe der Kläger auch eigenständig und ohne Absprache mit H Einstellungen vorgenommen und Arbeitszeugnis ausgestellt. Die Aufteilung der Geschäftsanteile im Verhältnis 51:49% sei auf Anraten des Steuerberaters vorgenommen worden. Beide Gesellschafter hätten persönliche Sicherheiten für Geschäfte der Gesellschaft bewusst jeweils in gleicher Höhe übernommen. Durch die Übernahme der Bürgschaften sowohl für den laufenden Betriebsmittelkredit als auch für einzelne Projekte habe der Kläger ein ganz erhebliches unternehmerisches Risiko getragen, das weit über seine Kapitaleinlage hinausgehe. Der von der Beklagten angeführte § 32a Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sei aufgehoben; das Gesellschafterdarlehen sei der Einlage zwar nicht gleichgestellt, die Rückzahlung jedoch im Einzelfall nicht realisierbar. Der Kläger habe den kompletten Unternehmensbereich der "Planung", der auch in die Namensgebung eingeflossen sei, aufgrund seiner speziellen Fachkenntnis allein abgedeckt. Im Bereich elektrotechnischer Anlagen, Heizung, Technik und Sanitär habe er Planungsleistungen erbracht und die Bauleitung übernommen. Bei Beginn der Tätigkeit habe er einen großen reinen Planungsauftrag mit in die Firma eingebracht. Im Rahmen der seit 2001 durchgeführten Betriebsprüfungen sei die angenommene Selbstständigkeit nie beanstandet worden. Der Kläger habe durch Kapitallebensversicherung, Fondanteile und ein Eigenheim ausreichend Altersvorsorge selbst betrieben.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. In Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens führte sie aus, durch das Entgegenkommen des weiteren Gesellschafters und die eventuell abweichend gelebte Praxis in Bezug auf die Mitbestimmungsrechte seien die formellen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag nicht überlagert oder gar aufgehoben worden. Aus der Sperrminorität des Klägers in Bezug auf die Beschlüsse zu Satzungsänderungen und zur Existenzsicherung könne kein wesentlicher Einfluss auf die Unternehmensgeschicke abgeleitet werden. Zu allen über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Maßnahmen habe der Kläger einen Gesellschafterbeschluss benötigt (§ 2 GAV, §§ 19 Abs. 4 GV). Als Geschäftsführer habe er nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschafterbeschlüsse handeln dürfen, so dass er – selbst bei Belassung großer Freiheiten – der Überwachung durch die Gesellschafterversammlung unterlegen habe. Dem stehe nicht entgegen, dass er allein gegebenenfalls in einem oder mehreren Geschäftsbereichen über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt habe. Unerheblich sei nämlich, ob die Gesellschafter im Geschäftsalltag der GmbH im Wesentlichen Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Geschäftsführung erteilten. Aus den Freiräumen im Geschäftsalltag, die vom Wohlwollen der Mehrheit der Gesellschafter abhingen, lasse sich ein maßgeblicher Einfluss auf Seiten des Klägers nicht ableiten. Aus den Kapitalanteilen und seiner entsprechenden Beteiligung an Gewinn und Verlust des Unternehmens resultierten auf seiner Seite weder größere Chancen und Risiken noch Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der eigenen Tätigkeit und die Geschicke der Gesellschaft. Aus der Zahlung des Kaufpreises und der Darlehensgabe folgten die üblichen Risiken und Chancen für Käufer und Darlehensgeber. Aus den Betriebsprüfungen lasse sich der seitens des Klägers beanspruchte Vertrauensschutz nicht herleiten, da in deren Ergebnis offensichtlich nicht verbindliche Feststellungen konkret zur streitgegenständlichen Tätigkeit getroffen worden seien. Die Gewährung eines Darlehens oder die Übernahme einer Bürgschaft könne unter Umständen ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit sein, wenn sich daraus resultierende Sonderrechte in den vertraglichen Unterlagen niederschlügen, was vorliegend nicht gegeben sei. Die vom Kläger gewährten Darlehen seien auf das gesteigerte beiderseitige Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zurückzuführen und nicht von der Mitarbeit im Unternehmen abhängig. Dadurch werde der Kläger weder am Unternehmensgewinn noch -verlust beteiligt noch stehe das Risiko des Verlusts im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft. Das private Risiko der Nichtrückzahlung des Darlehens sei strikt von dem Unternehmerrisiko zu trennen, das z.B. darin bestünde, weitere Einlagen oder freiwillige Nachschüsse mit der Gefahr des Verlustes zu erbringen. Die nachrangige Gläubigerstellung im Insolvenzverfahren gemäß § 32a GmbHG zeige, dass das Darlehen selbst in einer Krise der Gesellschaft einer Einlage nicht gleichgestellt sei. Die Gesellschafter-Darlehensgeber würden als nachrangige Gläubiger vor den Gesellschaftern befriedigt, soweit diese noch auf einen Liquidationserlös hofften (§ 199 Satz 2 Insolvenzordnung [InsO]). Das Gesellschafter-Darlehen sei somit kein Eigenkapital, das dem Unternehmerrisiko unterliege.

Mit Beschluss vom 21. Juni 2012 lud das SG die Beigeladene zu 1 und die Bundesagentur für Arbeit als Beigeladene zu 2 bei. Die Beigeladene zu 2 schloss sich der Auffassung der Beklagten an.

Die Beigeladene zu 1 schloss sich Antrag, Ausführungen und Auffassung des Klägers an und führte ergänzend aus, dieser sei weder in ihren Betrieb noch in ihre Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen und habe keinem nach Zeit, Dauer, Ort oder Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterlegen. Vielmehr habe er mit dem gesamten Unternehmensbereich "Planung" seinen eigenen Tätigkeitsbereich gehabt, in dem er über besondere Fachkenntnisse verfügt, stets weisungsfrei gehandelt und eigenverantwortlich entschieden habe. H habe ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger in der Praxis überhaupt keine Anweisungen erhalten habe. Im Bereich der Planung sei es H gar nicht möglich gewesen, Anweisungen zu erteilen oder einen Vertragsschluss abzulehnen, da ihm die fachliche Kompetenz gefehlt habe. In der Rechtsprechung der Sozialgerichte sei anerkannt, dass derjenige, der aufgrund seiner besonderen Kenntnisse die Geschicke des Unternehmens maßgebend beeinflussen könne, selbständig tätig sei. Insbesondere sei von erheblicher Bedeutung, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände, wozu auch die besondere Fachkenntnis zähle, unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich sei, dass er die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen, also frei schalten und walten könne. Eine nicht unerhebliche Bedeutung komme auch dem Parteiwillen zu. Vorliegend seien beide Parteien von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen, was sich in der Höhe der Geschäftsführervergütung niedergeschlagen habe, die dem Kläger den Aufbau einer angemessenen Altersvorsorge ermöglichen sollte. Die durchgeführten Betriebsprüfungen entfalteten zwar keine Bindungswirkung; gleichwohl gehe von ihnen jedoch ein gewisser Vertrauensschutz aus. Denn die einschlägigen Vertragsgestaltungen seien der Beklagten seit geraumer Zeit bekannt. Der Kläger habe durch die Stellung der verschiedenen Sicherheiten in nicht unerheblichem Umfang die Durchführung mehrerer Projekte abgesichert bzw. überhaupt erst ermöglicht. Ein unternehmerisches Risiko sei daher zu bejahen. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellten die übernommenen privaten Verpflichtungen des Klägers nicht lediglich ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar, sondern sprächen voll und ganz für das Vorliegen einer solchen. Ebenso wenig müssten sich aus der Übernahme dieser privaten Verpflichtungen Sonderrechte in vertraglichen Unterlagen niederschlagen. Die den Bürgschaften zugrunde liegenden Projekte und Aufträge wären ohne die fraglichen Bürgschaften nicht erteilt worden, woraus sich ergebe, dass der Kläger die Geschicke der Gesellschaft insoweit gelenkt habe, als er den wirtschaftlichen Erfolg der GmbH durch die Stellung der Sicherheiten maßgeblich beeinflusst habe. Daraus ergebe sich unter anderem nicht zuletzt eine höhere Gewinnausschüttung.

Mit Urteil vom 13. Mai 2015 änderte das SG den Bescheid vom 12. April 2011 in der Fassung des Bescheides vom 4. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 ab und stellte fest, dass "für die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1 vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2012 keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung" bestehe. Dabei ging es von einem streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2012 aus. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter seien, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügten, sei im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung komme in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zuließen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris). Die Kammer sei davon überzeugt, dass eine Weisungsgebundenheit des Klägers bei seiner Tätigkeit nicht bestanden habe und die Führung der Gesellschaft gleichberechtigt durch die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer erfolgt sei. Der Kläger habe über besondere Fachkenntnisse verfügt, da er den Bereich Planung, der zuvor in der Gesellschaft nicht vertreten gewesen sei, in die Gesellschaft eingebracht und in diesem Bereich eigenverantwortlich und ohne Weisungsgebundenheit gegenüber dem zweiten Geschäftsführer/Gesellschafter agiert habe. Letzter habe nicht über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügt. Dies werde auch darin deutlich, dass die Gesellschaft nach Ausscheiden des Klägers den Planungsbereich nicht fortgeführt und erneut umfirmiert habe. Bei eigentlich nach dem Vertrag zustimmungsbedürftigen Geschäften habe der Kläger tatsächlich keine Zustimmung des anderen Geschäftsführers/Gesellschafters eingeholt und einholen müssen. Die H zustehende Rechtsmacht, dem Kläger Weisungen zu erteilen, sei mangels eigener Fachkenntnis für den Planungsbereich als lediglich theoretische Möglichkeit zu werten. Der Kläger habe ein Unternehmerrisiko getragen, indem er über das übliche Maß hinaus der Beigeladenen zu 1 Darlehen gewährt und insbesondere Bürgschaften übernommen habe, ohne die einzelne Projekte nicht hätten realisiert werden können. Der Darlehensvertrag vom 1. Juni 2008 entspreche nicht den Konditionen eines üblichen Darlehensvertrages und zeige, dass der Kläger insoweit als Geschäftsführer und Gesellschafter der Beigeladenen zu 1 unternehmerisch gehandelt habe.

Gegen dieses ihr am 25. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. Juli 2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ergänzend zum bisherigen Vorbringen ausgeführt, die Feststellung des SG, eine Weisungsgebundenheit des Klägers bei seiner Tätigkeit habe nicht bestanden und die Führung der Gesellschaft sei gleichberechtigt durch die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer erfolgt, überzeuge nicht. Ein ganz atypischer Fall, bei dem die Rechtsmacht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die tatsächlichen Verhältnisse noch überlagert sein könne, liege nicht vor. Auch besonders qualifizierte und erfahrene, deshalb wichtige oder gar unersetzliche Arbeitnehmer seien grundsätzlich abhängig Beschäftigte. Dass der Kläger den Planungsbereich eigenverantwortlich geleitet habe und durch seine Fachkenntnis für die Beigeladene zu 1 von Bedeutung gewesen sei, lasse nicht den Schluss zu, dass er die Gesellschaft aufgrund seines besonderen Spezialwissens faktisch beherrscht habe. Beide geschäftsführenden Gesellschafter verfügten über entsprechende Branchenkenntnisse in den jeweils von ihnen geführten Bereichen. Bereits der Umstand, dass die Gesellschaft schon vor Aufnahme des Klägers im Bereich Softwareentwicklung am Markt tätig gewesen und die Beigeladene zu 1 nach dessen Ausscheiden weiterhin – wenn auch nur wieder im Bereich Softwareentwicklung – tätig sei, zeige, dass Wohl und Wehe der Beigeladenen zu 1 gerade nicht von diesem abhängig gewesen sei. Er habe den Mehrheitsgesellschafter nicht in solchem Maße dominiert, dass dessen Rechtsmacht in der Gesellschafterversammlung wegen der tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen verdrängt worden wäre. Dass Geschäftsführer die notwendige Branchenkenntnisse in das Unternehmen einbrächten, sei geradezu typisch. In solchen Fällen sei ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisteten, geradezu charakteristisch. Der Kläger habe zwar aufgrund des Darlehens und der Bürgschaften ein erhebliches Interesse am Fortbestehen und dem wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft gehabt. Ein solches Interesse bestehe grundsätzlich aber auch bei einem typischen Arbeitnehmer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, weil davon der Fortbestand des Arbeitsplatzes abhängig sei. Das BSG habe seinen Entscheidungen vom 29. Juli 2015 (B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – beide juris) und vom 19. August 2015 (B 12 KR 9/14 R – juris) nochmals die Bedeutung der gesellschaftsvertraglichen Rechtsmacht betont, die sogenannte "Kopf und Seele-Rechtsprechung" aufgegeben und bestätigt, dass aus einer Darlehensgewährung kein unternehmerisches Risiko hergeleitet werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. Mai 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend zum bisherigen Vorbringen hat er ausgeführt, bereits die Tatsache, dass sein Name Bestandteil des Firmennamens gewesen sei, spreche gegen ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Er sei entgegen der Annahme der Beklagten in der Lage gewesen, die Gesellschaft zu beherrschen. Bei ihm nicht genehmen Entscheidungen des Mitgesellschafters und Mitgeschäftsführers H hätte er die Möglichkeit gehabt, Einfluss durch die Androhung der Kündigung der Gesellschaft auszuüben. Dass die Gesellschaft mit seiner Aufnahme um den Planungsbereich erweitert worden sei und allein er über die mit diesem Bereich notwendigen Fach- und Branchenkenntnisse verfügt habe, zeige, dass er das Unternehmen maßgeblich geprägt habe und damit selbständig tätig gewesen sei. Die Übernahme der Bürgschaften und Darlehensverträge bestätige, dass er auch ein Unternehmerrisiko eingegangen sei.

Die Beigeladene zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung ergänzend ausgeführt, die Beklagte beschränke sich auf das Zitieren der "Rechtsmacht-Rechtsprechung", ohne die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. In dem von der Beklagten selbst angeführten Urteil des BSG vom 20. September 1992 (7 RAr 12/92 – juris) habe dieses klargestellt, dass auch dort, wo die Kapitalbeteiligungen des Geschäftsführers für eine Sperrminorität nicht ausreiche, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein könne, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei sei und, wirtschaftlich gesehen, seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübe. Gerade dies sei beim Kläger der Fall gewesen. Mit dessen Aufnahme sei die Gesellschaft um einen Planungsbereich erweitert worden, den ausschließlich er geleitet und betreut habe. Er habe über seine einschlägigen Branchenkenntnisse maßgeblich bei der Führung des Unternehmens mitwirken können; umgekehrt habe ihm der weitere Gesellschafter-Geschäftsführer in diesem Bereich mangels fundierten Wissens nicht "hineinreden" können. Dass er maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt habe, zeige sich auch darin, dass die Beigeladene zu 1 nach seinem Ausscheiden erneut umfirmiert habe und nur noch im Bereich Softwareentwicklung tätig gewesen sei. Die Führung der Gesellschaft sei gleichberechtigt durch beide Gesellschafter erfolgt. Für den Fall der Veräußerung eines Geschäftsanteiles sei dem Kläger ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden. Er sei stets in gleichem Umfange wie sein Mitgesellschafter für die Verbindlichkeiten der GmbH eingestanden, habe demnach dasselbe Unternehmerrisiko getragen. Durch Stellung nicht unerheblicher Sicherheiten habe er die Durchführung mehrerer Projekte abgesichert bzw. überhaupt erst ermöglicht. Aufträge für die den Bürgschaften zugrundeliegenden Projekte wären ohne diese Bürgschaften nicht erteilt worden, woraus sich ergebe, dass der Kläger die Geschicke der Gesellschaft insoweit gelenkt habe, als er den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft durch die Stellung der Sicherheiten maßgeblich beeinflusst habe. Insbesondere habe er durch die Stellung der genannten Sicherheiten die Möglichkeit gehabt, maßgeblich die Richtung des Unternehmens vorzugeben – ansonsten hätte er die gestellten Sicherheiten "zurücknehmen" können.

Die Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG; denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die von der Beklagten angefochtene Feststellung des SG, für die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1 vom 1. Januar 2001 bis 31. März 2012 bestehe keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Feststellung einer Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung hatte die Beklagte bereits durch den Teilabhilfebescheid vom 4. Januar 2012 aufgehoben. Das Ende des streitigen Zeitraums ergibt sich aus dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft und der Beendigung der Tätigkeit als Geschäftsführer für diese zum 31. März 2012. Streitbefangen ist damit der Bescheid vom 12. April 2011 in der Fassung des Bescheides vom 4. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012, den das SG im angefochtenen Urteil "abgeändert" hat. Für die Zeit nach dem 31. März 2012 hat sich dessen Regelung durch das Ausscheiden des Klägers auf andere Weise erledigt (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch). Da nach dem Feststellungstenor und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keine Teilregelung der angefochtenen Bescheide aufrechterhalten bleibt und auch eine Klageabweisung im Übrigen nicht erfolgte, hat das SG diese tatsächlich vollständig aufgehoben.

3. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die genannte Feststellung getroffen und den Bescheid vom 12. April 2011 in der Fassung des Bescheides vom 4. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 aufgehoben.

a) Für die Zeit vom 1. bis 29. Januar 2001 fehlt es bereits an einem entsprechenden Klagebegehren, so dass eine gerichtliche Entscheidung hierzu nicht ergehen durfte. Weder in der Klageschrift noch in späteren Schriftsätzen noch in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger die Feststellung der fehlenden Versicherungspflicht bereits ab dem 1. Januar 2001 begehrt. Ein konkretes Datum, ab dem die Feststellung begehrt werde, wurde im schriftlich formulierten und dem später zu Protokoll erklärten Antrag jeweils nicht genannt. Beantragt wurde die Feststellung, dass der Kläger als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1 nicht versicherungspflichtig in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sei. Als Beginn der Geschäftsführertätigkeit hatte der Kläger im Statusfeststellungsantrag den 30. Januar 2001 angegeben. Erst zu diesem Zeitpunkt ist er auch durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom selben Tag zum Geschäftsführer bestellt worden. Der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 12. April 2011 in der Fassung des Bescheides vom 4. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 traf eine - die Versicherungspflicht feststellende - Regelung ausdrücklich (erst) für die Zeit ab dem 30. Januar 2001. Die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG am 13. Mai 2015 festgehaltene Angabe, der "Beginn der Tätigkeit erfolgte am 01.01.2001 als Geschäftsführer", kann nach dessen Inhalt nicht zweifelsfrei dem Kläger zugeordnet werden. Jedenfalls ist eine Klarstellung, dass die Feststellung ab dem 1. Januar 2001 begehrt wird, durch den nachfolgend protokollierten Antrag nicht vorgenommen worden. Im Hinblick auf den Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide ist eine Klageerweiterung auf die Zeit bereits ab dem 1. Januar 2001 auch nicht naheliegend. Ausgehend vom erkennbaren Begehren (§ 123 SGG) bezog sich die Klage daher auf den Zeitraum ab dem 30. Januar 2001. Im Übrigen wäre eine um den Zeitraum vom 1. bis 29. Januar 2001 erweitere Klage in diesem Umfange mangels einer den Kläger belastenden Verwaltungsentscheidung insoweit unzulässig.

b) Auch im Übrigen ist die Berufung begründet. Der Bescheid vom 12. April 2011 in der Fassung des Bescheides vom 4. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 ist rechtmäßig. Entgegen der Ansicht des SG unterlag der Kläger aufgrund abhängiger Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1 im Zeitraum vom 30. Januar 2001 bis zum 31. März 2012 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

aa) Die Beklagte war zur Entscheidung über den Antrag des Klägers berufen. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten – in der Regel der Dienstgeber und der Dienstnehmer – schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Mit dem rückwirkend zum 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. 2000 I, S. 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit der Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (Bundestags-Drucksache 14/1855, S. 6).

Einen solchen Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger bei der Beklagten am 5. Januar 2011 gestellt. Ein vorheriges, noch anhängiges oder in der Sache abgeschlossenes Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle hat nicht stattgefunden. Betriebsprüfungen sind bei der Beigeladenen zu 1 am 4. September 2006 und 1. September 2010 erfolgt. Dass hierbei der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers geprüft oder festgestellt worden wäre, ist aus den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Dies wird auch von keinem der Beteiligten behauptet.

bb) Versicherungspflichtig sind in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. April 2013 - B 12 KR 19/11 R - juris, Rn. 13; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R - juris, Rn. 23, Urteil vom 31. März 2015 - B 12 KR 17/13 R - juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Nichtannahmebeschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, juris Rn. 17). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (zum Ganzen z.B. zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 17/11 R – juris, Rn. 23 ff.; BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, juris Rn. 19, jeweils m.w.N.).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - juris Rn. 20). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 1. Dezember 1977 - 12/3/12 RK 39/74 - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 4. Juni 1998 - B 12 KR 5/97 R - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 10. August 2000 - B 12 KR 21/98 R - juris, Rn. 17, jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt auch BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 29. August 2012 B 12 KR 25/10 R - juris, Rn. 16).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – juris, Rn. 23; BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 17). Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 17). Bei am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (BSG, Urteil vom 4. Juli 2007 – B 11a AL 5/06 R – juris, Rn. 16).

Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingeschäftsführer ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R juris, Rn. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 24. November 2005 – B 12 RA 1/04 R – juris, Rn. 13), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG, Urteil vom 25. Mai 1965 – 2 RU 176/59 – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 30. April 1976 – 8 RU 78/75 – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 – B 12 KR 34/00 R – juris, Rn. 15; weitere Nachweise bei BSG, Urteil vom 24. September 1992 – 7 RAr 12/92 – juris, Rn. 18) und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, Urteil vom 27. Juli 1989 – 11/7 RAr 71/87 – juris, Rn. 21; BSG, Urteil vom 18. April 1991 – 7 RAr 32/90 – juris, Rn. 25; BSG, Urteil vom 30. April 2013 – B 12 KR 19/11 R – juris, Rn. 16, m.w.N.).

Dagegen liegt kein maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss – und damit in der Regel eine Stellung als Beschäftigter – vor, wenn der Geschäftsführergesellschafter so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft, die operative Neuausrichtung oder seine eigene Abberufung bzw. Entlassung nicht verhindern kann (Urteil des Senats vom 20. November 2009 – L 4 R 1540/08 – juris, Rn. 31; Urteil des Senats vom 21. Oktober 2011 – L 4 R 5166/08 – juris, Rn. 37; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 30. September 2014 – L 11 R 2662/13 – juris, Rn. 53; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Juli 2012 – L 9 AL 291/11 – juris, Rn. 55).

Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon sei insbesondere bei demjenigen auszugehen, der – obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt – aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 – 7 RAr 25/86 – juris, Rn. 31). Diese Rechtsprechung hat das BSG inzwischen zugunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – juris, Rn. 26, 30 sowie Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - juris, Rn. 31; in diese Richtung bereits BSG, Urteil vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R – juris, Rn. 32; Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 - L 4 R 2959/14 - nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund kann die von den für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senaten des BSG entwickelte sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht herangezogen werden. Soweit auch der für das Statusrecht zuständige Senat des BSG in der Vergangenheit vereinzelt hierauf zurückgegriffen hat, hat er dies inzwischen ausdrücklich aufgegeben (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R – juris, Rn. 29).

cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Kläger bei der Beigeladenen zu 1 vom 30. Januar 2001 bis zum 31. März 2012 abhängig beschäftigt.

(1) Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung sind zunächst die Regelungen des GAV vom 17. Januar 2001. Danach war der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer weisungsgebunden. Nach § 1 Satz 3 GAV führt der Geschäftsführer die Geschäfte nach Maßgabe u.a. der Satzung und - insbesondere - der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafterversammlung war damit rechtlich in der Lage, dem Kläger verbindliche Vorgaben zu Zeit, Dauer, Ort oder Art der Ausführung der Tätigkeit zu machen. Zur Vornahme von Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgingen (Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten; die Veräußerung des Unternehmens im Ganzen, die Errichtung, Veräußerung und Aufgabe von Betrieben oder Betriebsteilen; Abschluss von Verträgen und Geschäften jeder Art, die im Einzelfall Verpflichtungen von mehr als DM 20.000,00 für die Gesellschaft mit sich bringen oder welche die Gesellschaft ohne Rücksicht auf den Wert länger als ein Jahr verpflichten), bedurfte der Kläger der ausdrücklichen Einwilligung der Gesellschafterversammlung (§ 2 GAV).

Auch satzungsrechtlich lag eine weisungsfreie Tätigkeit nicht vor. Der Senat legt hierbei die Regelungen des GV (gemäß der notariellen Urkunde vom 12. Dezember 2006) zugrunde. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass mit Ausnahme der §§ 1 und 2 des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages weitere Regelungen geändert worden wären. Die Änderungen der §§ 8 und 19 des Gesellschaftsvertrages erfolgten bereits durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 24. November 2000 (Eintrag ins Handelsregister am 31. Januar 2001). Eine spätere Änderung ist den vorliegenden Vertrags- und Handelsregisterunterlagen nicht zu entnehmen. Abweichendes haben auch die Beteiligten nicht vorgetragen; vielmehr bestätigen Kläger und Beigeladene zu 1 das Fehlen insbesondere einer Sperrminorität des Klägers (dazu unten). Im Übrigen ergäbe sich bei Fehlen entsprechender Regelungen im Gesellschaftsvertrag eine Bindung des Geschäftsführers an Beschlüsse der Gesellschafter jedenfalls hinsichtlich der Beschränkung der Vertretungsbefugnisse schon aus § 37 Abs. 1 GmbHG. Nach § 19 Abs. 3 GV war der Kläger als Geschäftsführer verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten, insbesondere eine von den Gesellschaftern aufgestellte Geschäftsordnung zu beachten und von den Gesellschaftern als zustimmungspflichtig bezeichnete Geschäfte auch nur mit deren Zustimmung vorzunehmen. Grundsätzlich bedurften alle Rechtshandlungen der Geschäftsführung, die über den gewöhnlichen Rahmen des Handelsgewerbes wie es die Gesellschaft betreibt, hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung (§ 19 Abs. 4 GV). Die Entscheidung über bestimmte Geschäfte (z.B. Eingehung von Wechsel- und/oder Bürgschaftsverbindlichkeiten über EUR 25.000,00 hinaus, Aufnahme oder Gewährung von Krediten über EUR 25.000,00 hinaus) waren nach § 9 GV Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vorbehalten. Nach § 19 Abs. 2 GV konnte der Kläger zumindest aus wichtigem Grund als Geschäftsführer abberufen werden.

Dem Kläger kam keine Rechtsmacht zu, Weisungen der Gesellschaft zu verhindern oder Zustimmungserfordernisse aufzuheben. Beschlüsse der Gesellschaft wurden mit einfacher Mehrheit gefasst, wenn nicht gesetzlich oder nach den Bestimmungen dieses Vertrages eine höhere Mehrheit vorgeschrieben war (§ 10 Abs. 1 GV). Je EUR 100,00 eines Stammanteils ergaben eine Stimme. Bei Stimmengleichheit galt ein Antrag als abgelehnt (§ 10 Abs. 2 GV). Da der Kläger mit EUR 12.250,00 und damit mit lediglich 49% an der Stammeinlage beteiligt war, verfügte nicht er, sondern H über die einfache Mehrheit der Stimmen. Der Kläger war somit nicht in der Lage, ihm nicht genehme Weisungen durch Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern. Lediglich Satzungsänderungen konnten nicht gegen seinen Willen erfolgen, da hierfür eine Mehrheit von 90% des gezeichneten Stammkapitals notwendig waren (§ 10 Abs. 5 GV). Hingegen war seine Abberufung als Geschäftsführer gegen seinen Willen - zumindest aus wichtigem Grund - möglich, da hierfür nach § 19 Abs. 2 GV die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend war.

(2) Diese rechtlich zulässigen Regelungen sind verbindlich. Hinweise auf ein Scheingeschäft (§ 117 BGB) liegen nicht vor. Insbesondere war die der gesellschaftsrechtlichen Stimmverteilung zugrunde liegende Verteilung des Stammkapitals im Verhältnis 51:49 zwischen dem Kläger und H nach deren Bekunden aus steuerlichen Erwägungen bewusst gewählt und gewünscht worden. Die vertraglichen Regelungen sind auch nicht (wirksam) abbedungen worden. Hierzu hätte es nach § 9 GAV und § 21 GV jeweils mindestens der Schriftform bedurft, was ausdrücklich auch auf Vereinbarungen eines Verzichts auf die Schriftform galt. Schriftliche Vertragsänderungen liegen jedoch - mit Ausnahme der Regelungen über die Vergütungshöhe im GAV - nicht vor. In der von Kläger und Beigeladener zu 1 übereinstimmend behaupteten regelmäßigen zustimmungslosen Vornahme an sich zustimmungsbedürftiger Rechtsgeschäfte durch den Kläger kann schon mangels Einhaltung des Formerfordernisses keine wirksame Abbedingung der genannten anstellungs- und gesellschaftsvertraglichen Regelungen liegen. Bei einem Konfliktfall zwischen den Gesellschaftern wäre allein die H aufgrund seiner Stimmenmehrheit zukommende Rechtsmacht zum Tragen gekommen, so dass eine Weisungsunterworfenheit des Klägers bestand. Allein hierauf und nicht auf eine rein tatsächliche Nichtausübung des Weisungs- und Zustimmungsrechts kommt es wegen des Postulats der Vorhersehbarkeit bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung an (z. B. BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 1014 R - juris, Rn. 31 zum schuldrechtlichen Vetorecht des Minderheitsgesellschafters).

(3) Mangels einer im Gesellschaftsrecht wurzelnden Rechtsmacht rechtfertigen weder eine vermeintliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1 vom Kläger wegen gestellter Sicherheiten noch aufgrund dessen besonderer Fachkenntnisse die Annahme einer selbständigen Tätigkeit des Klägers. Bei der Bewertung wirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten ist zu beachten, dass die Übernahme einer Bürgschaft nicht mit der Gewährung eines Darlehens vergleichbar ist. Denn bei letzterem hat es der Darlehensgeber durch die Kündigung des Darlehens (grundsätzlich) in der Hand, unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation des Darlehensnehmers Einfluss zu nehmen. Daran fehlt es bei der Übernahme einer Bürgschaft, da diese in der Regel nur zur Absicherung weiterer Verbindlichkeiten dient und selbst im Fall ihrer Kündigung oder Rücknahme allenfalls mittelbare Auswirkungen haben kann (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R - juris, Rn. 27). Dies gilt trotz der erheblichen Höhe auch für Kündigungen oder Rücknahmen vom Kläger - neben solchen des H - eingegangener Bürgschaften sowohl für die Betriebsmittel- als auch die Avalkredite, erst recht für die Kfz-Finanzierung. Vorliegend rechtfertigt auch die Darlehensgewährung kein anderes Ergebnis. Das von ihm gewährte Darlehen in Höhe von EUR 44.846,76 konnte der Kläger allein nicht "zurücknehmen", wie er und Beigeladene zu 1 meinen. Vielmehr war bereits im Darlehensvertrag vom 1. Juni 2008 geregelt, dass eine Kündigung des Darlehens nur mit Zustimmung beider Geschäftsführer möglich sei. Der Kläger konnte der Gesellschaft mithin ohne Mitwirkung des H diese Mittel nicht entziehen. Die mit Änderungsvertrag vom 14. September 2009 aufgenommene Vereinbarung einer Auszahlung des Darlehensbetrages in Teilbeträgen "je nach Gesellschafterbeschluss" vergrößerte nicht die Möglichkeit des Klägers, über die Auszahlung des Darlehens Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens zu nehmen. Vielmehr konnte H aufgrund seiner Stimmenmehrheit über die Auszahlung bestimmen.

Die besonderen Fachkenntnisse im Bereich der Planung, über die nach seinem mit dem der Beigeladenen zu 1 übereinstimmenden Vortrag in der Gesellschaft allein der Kläger verfügte, begründeten schon nach den tatsächlichen Verhältnissen keine "Machtposition", die es ihm erlaubt hätte, als "Kopf und Seele" des Unternehmens dieses nach eigenem Gutdünken zu leiten. Vielmehr beschränkten sich diese speziellen Kenntnisse nur auf einen Teilbereich der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft (Planung), so dass er schon aus diesem Grund nicht die Gesellschaft als Ganzes leiten konnte. Vielmehr war die Gesellschaft vor seinem Eintritt und nach seinem Austritt am Markt im Bereich der Softwaregestaltung tätig. Dass die Beigeladene zu 1 bei Austritt des Klägers den Bereich der Planung aufgegeben hat, ist allein Ausdruck der unternehmerischen Entscheidung des (bisherigen) Mehrheitsgesellschafters, keinen anderen Arbeitnehmer als Ersatz einzustellen. Ein beherrschender Einfluss des Klägers auf die Gesellschaft kann daraus nicht abgeleitet werden.

Insgesamt verhält es sich daher so, dass H - insbesondere im Konfliktfall - die aus seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter resultierenden Rechte hätte nutzen und den Kläger seiner Position entheben können. Das BSG misst einer nur auf Zeiten eines harmonischen Zusammenwirkens beschränkten "Schönwetter-Selbständigkeit" aber sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R - juris Rn. 32, BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R - juris Rn. 30, BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 R 1/15 R - juris Rn. 25, BSG, Urteil vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - juris, Rn. 31).

(4) Die weiteren Regelungen des GAV sprechen ebenfalls für eine abhängige Beschäftigung. Sie enthalten arbeitnehmertypische Ansprüche wie bezahlten Urlaub, Entgeltfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit sowie die Zahlung einer festen monatlichen Vergütung zuzüglich Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld. Gleiches gilt jedenfalls bei Arbeitnehmern in Leitungspositionen für die Zahlung einer gewinnabhängigen Tantieme neben der festen Vergütung. Diese vertraglichen Regelungen sind tatsächlich umgesetzt worden. Anhaltspunkte, die Zweifel hieran wecken könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beteiligten haben Abweichendes auch nicht behauptet. Angesichts der fehlenden gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht und der Höhe der festen Vergütung, die durchgängig die jeweilige Jahresarbeitsentgeltgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung überschritt, kommt dem Kapitaleinsatz des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt eines unternehmerischen Risikos, das im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes zu beachten ist (BSG, Beschluss vom 16. August 2010 - B 12 KR 100/09 B - juris Rn. 10, m.w.N.; ferner z.B. Urteil des Senats vom 24. April 2015 - L 4 R 1787/14 - nicht veröffentlicht), keine entscheidende Bedeutung zu. Dass die Mitarbeiter des Unternehmens auch den Kläger als "Chef" ansahen, rechtfertigt ebenso wenig eine andere Beurteilung wie die Aufnahme auch seines Namens in die Firma der Gesellschaft.

dd) Die Beklagte hat den Beginn der Versicherungspflicht auch zu Recht mit dem 30. Januar 2001, dem Tag der Aufnahme der Tätigkeit, festgestellt. Einem späteren Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 Satz 1 SGB IV steht entgegen, dass der Kläger den Antrag auf Statusfeststellung erst am 5. Januar 2011 gestellt hat und damit nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit.

ee) Der in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Regelung steht auch der Gesichtspunkt eines "Vertrauensschutzes" aufgrund früherer Betriebsprüfungen nicht entgegen. Die Prüfbehörden sind bei Arbeitgeberprüfungen nach § 28p SGB IV selbst in kleinen Betrieben zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse aller Versicherten nicht verpflichtet. Betriebsprüfungen haben unmittelbar im Interesse der Versicherungsträger und mittelbar im Interesse der Versicherten den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt den Betriebsprüfungen nicht zu. Sie bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm "Entlastung" zu erteilen. Auch Prüfberichten kommt keine andere Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 14. Juli 2004 – B 12 KR 10/02 R – juris, Rn. 43). Betriebsprüfungen, die die versicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Klägers zum Gegenstand hatten, sind vor den angefochtenen Bescheiden nicht erfolgt. Abweichendes wurde auch von den Beteiligten nicht vorgetragen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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