Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 R 1702/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Anspruch auf Anschlussübergangsgeld nach § 51 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) setzt keine erfolgreich abgeschlossene Maßnahme voraus (entgegen BSG, Urteil vom 23.02.2000, Az.: B 5 RJ 38/98 R in juris)
2.Der Ausschluss des Anschlussübergangsgeldes beschränkt sich auf Fälle vorwerfbaren maßnahmewidrigen Verhaltens oder Fälle vorsätzlicher Vereitelung des Maßnahmeerfolgs.
2.Der Ausschluss des Anschlussübergangsgeldes beschränkt sich auf Fälle vorwerfbaren maßnahmewidrigen Verhaltens oder Fälle vorsätzlicher Vereitelung des Maßnahmeerfolgs.
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 Anschlussübergangsgeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. II. Die Beklagte erstattet die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Übergangsgeld im Anschluss an eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.
Die 1961 geborene Klägerin hat einen Abschluss als Wirtschaftskaufmann/Industrie und war bis April 1991 als Sachbearbeiterin und im Anschluss, bis November 1992 als Mitarbeiterin am Empfang einer Krankenkasse versicherungspflichtig beschäftigt. Es folgte von März 1993 bis Januar 1999 eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin und Verkaufsfahrerin bei einer Getränkefirma. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos. In einem ersten Klageverfahren (Az.: S 35 R 209/11) hat die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung wurde nach Einholung der Befundberichte der behandelnden Ärzte und Therapeuten ein psychosomatisches/psychotherapeutisches Fachgutachten durch Dr. A. erstellt. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 13.03.2012 aufgrund Untersuchung der Klägerin zu folgenden Diagnosen: Paranoide Persönlichkeitsstörung mit unsicher- vermeidenden, depressiven Zügen, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig, posttraumatische Belastungsstörung (S. 35 des Gutachtens). Zentraler Auslöser für die persönlichkeitsstrukturelle Entwicklung war ein 16 Jahre anhaltender Missbrauch durch den Vater und Reaktivierungen traumatischer Erfahrungen im Rahmen der Ehe. Der Gutachter teilt in der Epikrise die Einschätzung der behandelnden Diplompsychologin zum Wiedereingliederungsversuch, sah aber zurzeit nicht die Voraussetzungen bei der Klägerin, diese im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation zu absolvieren. Vorgeschaltet müsse eine Rehabilitation für psychisch kranke und behinderte Menschen (RPK-Maßnahme) durchgeführt werden. Eine lediglich berufliche Rehabilitation würde aktuell die Klägerin überfordern und zu einem Scheitern der beruflichen Rehabilitation führen (S. 41 des Gutachtens). Neben einer ambulanten Psychotherapie müsse darüber hinaus eine stationäre psychotraumatologische Therapie vorgeschaltet werden (S. 42 des Gutachtens).
Die Beklagte hat sich mit Anerkenntnis vom 24.04.2012 bereit erklärt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen. Eine Indikation für eine RPK-Maßnahme bestehe nach Meinung des Sozialmedizinischen Dienstes nicht. Empfohlen wird Bewerbungstraining, gegebenenfalls Anpassungslehrgänge zum Ausbildungsberuf und Integrationshilfe. Für diese Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestehe eine positive Rehabilitationsprognose. Die Klägerin hat das Anerkenntnis mit Schreiben vom 22.05.2012 angenommen und ferner mitgeteilt, dass sie ab 31.05.2012 eine stationäre Traumatherapie absolvieren werde.
Im Anschluss an das durch Anerkenntnis beendete Klageverfahren fanden verschiedene Gespräche zwischen der Klägerin und dem Rehabilitationsteam der Beklagten statt. Im Ergebnis wurde eine Maßnahme mit der Zielrichtung "kaufmännische Anpassung" favorisiert (Gespräch am 25.10.2012). Es fand nachfolgend vom 04.02.2013 bis 15.02.2013 eine Arbeitserprobung bei dem Maßnahmeträger S. + S. GmbH statt. Nach Durchführung der Arbeitserprobung empfahl der psychologische Dienst (Dipl. Psych. B. ) die Teilnahme an einer 12monatigen integrativen Sondermaßnahme mit begleitenden arbeitstherapeutischen, psychologischen und sozialpädagogischen Hilfen. Nach erfolgter Beratung hat die Klägerin den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integration (BIPP) beim Bildungsträger S. + S. im Zeitraum 02.05.2013 bis 01.02.2014 zugestimmt (Erklärung vom 08.04.2013). Während der Maßnahmen erhielt die Klägerin Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 31,23 Euro (Bescheid vom 21.05.2013).
Die Klägerin war während der Maßnahme vom 27.05. bis 30.05.2013, am 03.06.2013, vom 19.08. bis 21.08.2013, vom 26.08. bis 28.08.2013 und vom 16.09. bis 25.09.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Am 19.08.2013 bat die Klägerin um Reduzierung der täglichen Anwesenheitszeit in der Integrationsmaßnahme um zwei Stunden täglich und ferner um Verlängerung der Maßnahme von neun Monaten auf 12 Monate. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 25.10.2013 ab. Es handele sich bei der bewilligten Maßnahme um eine Vollzeitmaßnahme. Für eine Reduzierung der Anwesenheitszeit sei kein sachlicher Grund gegeben. In dem Widerspruch der Klägerin hiergegen verwies sie auf ein Schreiben des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 11.11.2013. Darin bat der behandelnde Arzt aufgrund des derzeitigen Gesundheitszustandes, dem Antrag auf Verkürzung der Reha-Maßnahme täglich um zwei Stunden für einen Monat ab sofort und ab dem zweiten Monat um eine Stunde stattzugeben. Wegen der erheblichen Differenzen, die sich zwischen der Klägerin und den Mitarbeitern in letzter Zeit zunehmend entwickelt hätten, sollte aus nervenärztlicher Sicht ein Wechsel der Einrichtung erfolgen, um den Erfolg der Maßnahme zu gewährleisten. Mit Schreiben vom 25.11.2013 wurde durch den Maßnahmeträger eine Einschätzung des Maßnahmeverlaufes gefertigt. Danach zeigte sich die Klägerin bereits während der arbeitsbezogenen Trainings- und Stabilisierungsphase immer weniger bereit, den Arbeitsanweisungen der Dozenten im Lernbüro zu folgen. Es kam zu verstärkten Anschuldigungen, den Dozenten gegenüber. Die Klägerin habe mit ihrem Verhalten massiv den Unterricht gestört. Auf ihr Krankheitsbild sei von allen Dozenten Rücksicht genommen worden. Im weiteren Maßnahmeverlauf sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, ihre Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen, um sich für ein Praktikum zu bewerben. Es zeigten sich schnell Grenzen ihrer Mitwirkungspflicht und der Annahme von Empfehlungen. Als Resultat sei zum jetzigen Zeitpunkt ein erfolgreicher Maßnahmeverlauf nicht mehr zu erwarten. Es sollte ein vorzeitiger Maßnahmeabbruch in Erwägung gezogen werden. Die Beklagte hat zunächst den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 25.10.2013 bestandskräftig zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 22.01.2014) und mit Schreiben vom 03.12.2013 zu einem beabsichtigten Maßnahmeabbruch ab 01.01.2014 angehört. Die Klägerin war vom 18.11. bis 29.11.2013 sowie ab 13.12.2013 erneut arbeitsunfähig krank und wurde vom 04.12.2013 bis 06.12.2013 stationär behandelt. Sie hat sich mit Schreiben vom 18.12.2013 wieder arbeitsfähig gemeldet, nachdem ihr klar war, dass es sich bei dem Schreiben vom 03.12.2013 zunächst nur um eine Anhörung handele. Sie hat ferner bekräftigt, dass sie die Maßnahme fortführen möchte und nochmals auf das Schreiben des behandelnden Arztes Dr. P. verwiesen. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2014 mit, dass sie die Maßnahme regulär zum 01.02.2014 beenden könne
Gemäß Beendigungsmitteilung des Maßnahmeträgers S. + S. GmbH hat die Klägerin am 01.02.2014 die berufliche Integration "ohne Erfolg" beendet. Ihr wurde ein Zertifikat über die im Zeitraum vom 02.05.2013 bis 01.02.2014 durchgeführte theoretische und fachpraktische Ausbildung im kaufmännisch-verwaltenden Kompetenzcenter ausgestellt. Mit Gesamteinschätzung des Maßnahmeträgers vom 12.02.2014 wurde festgestellt, dass die Klägerin trotz einer Maßnahme für psychosozial beeinträchtigte Personen mit engmaschiger sozialpädagogischer und psychologischer Unterstützung nicht in der Lage war, sich den Arbeitsanforderungen zu stellen, den Arbeitsbedingungen anzupassen oder sich praktisch in einem reellen Arbeitsumfeld zu erproben. Ihre Erkrankung habe jegliche Mit- und Zusammenarbeit bis hin zur Ablehnung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten verhindert. Eine berufliche Integration sei zu diesem Zeitpunkt mit den bestehenden krankheitsbedingten Einschränkungen auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht umsetzbar. Die Klägerin habe die Maßnahme dementsprechend nicht erfolgreich abgeschlossen.
Die Klägerin hat sich am 30.01.2014 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht nach Mitteilung der Arbeitsagentur vom 30.01.2014 nicht.
Mit Bescheid vom 12.02.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie für die Zeit nach der am 01.02.2014 abgeschlossenen Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben keinen Anspruch auf Übergangsgeld habe. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 4 SGB IX lägen nicht vor, weil die Klägerin die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich abgeschlossen habe. In dem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde für die Klägerin vorgetragen, dass das Scheitern der Maßnahme auf eine nicht persönlichkeitsadäquate Betreuung zurückzuführen sei. Die Klägerin sei unangemessen und unsensibel behandelt worden. Es sei widerholt zu einem gegenüber der Klägerin untragbaren Verhalten einzelner Mitarbeiter gekommen. Entgegen der Empfehlung des psychologischen Dienstes erfolgte keine schrittweise und langsame Steigerung der Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Den Empfehlungen des behandelnden Arztes Dr. P. bezüglich einer Reduzierung der Maßnahme bzw. einem Wechsel der Einrichtung sei nicht Folge geleistet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und verwies zur Begründung auf § 51 Abs. 4 SGB IX. Eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gelte dann als abgeschlossen, wenn diese mit Erfolg beendet wurde. Von der Bildungseinrichtung sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin die Maßnahme ohne Erfolg beendet habe. Das Ausbildungsziel konnte nicht erreicht werden. Somit sei die Maßnahme ohne Erfolg beendet worden.
Die Klägerin hat nachfolgend erneut bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Verhaltensmedizin in K. Dr. H. ein Gutachten (vom 18.07.2014). Danach sollte eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme möglichst einer medizinisch beruflichen Rehabilitation vorgeschaltet werden. Eine ca. dreimonatige medizinisch berufliche Rehabilitation (z. B. mbR-Phase II) wäre sinnvoll, um zu prüfen, ob durch eine berufliche Rehabilitation oder Wiedereingliederungsunterstützung das Restleistungsvermögen aktiviert werden könnte. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 24.09.2014 weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da durch die Leistungen zur Teilhabe die Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden könne. Auf den Widerspruch hiergegen wurde (nach Erhebung einer Untätigkeitsklage, S 35 R 1573/15) mit Bescheid vom 28.10.2015 eine medizinische Rehabilitationsleistung von der Beklagten bewilligt.
Am 22.10.2014 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 Klage mit dem Ziel der Gewährung von Anschlussübergangsgeld für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 erhoben. Sie verweist darauf, dass sie sich am 30.01.2014 ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld arbeitslos gemeldet hat. Die Klägerin meint, alles Erforderliche getan zu haben, um die Maßnahme wahrzunehmen und erfolgreich abzuschließen. Ihrem Anliegen auf Verkürzung der Arbeitszeit sei ohne nachvollziehbaren Grund nicht nachgegangen worden. Die Klägerin widerspricht auch der Einschätzung, dass die Maßnahme ohne Erfolg beendet wurde. Für sie war es bereits erfolgreich, dass sie an der Maßnahme teilgenommen hat. Die Beklagte habe entgegen der Empfehlung des Dr. A in seinem Gutachten keine RPK-Maßnahme vorgeschaltet und sich auch im weiteren Verlauf den Hilfegesuchen der Klägerin verwehrt. Auch habe die Beklagte den dringend von Dr. Pfau empfohlenen Wechsel der Einrichtung abgelehnt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, dass sie während des streitigen Zeitraumes 01.02.2014 bis 30.04.2014 Arbeitslosengeld II erhalten habe.
Die Klägerin beantragt: Der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Anschlussübergangsgeld gemäß § 51 Abs. 4 SGB IX für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Integrationsmaßnahme ohne Erfolg abgeschlossen wurde und bezieht sich auf die Darlegungen der Reha-Sachbearbeiterin sowie die Einschätzung des Bildungsträgers. Somit sei nicht die Beklagte, sondern andere Sozialleistungsträger für die Sozialleistung ab 01.02.2014 zuständig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogenen Gerichtsakten S 35 R 209/11, S 35 R 1573/15, ein Band Verwaltungsakten der Beklagten, die Klägerin betreffend, sowie die Gerichtsakte zum streitigen Verfahren S 35 R 1702/14, auf die wegen der weiteren Einzelheiten jeweils verwiesen werden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2014 verletzt die Klägerin rechtswidrig in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Anschlussübergangsgeld für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis 30.04.2014.
Der Anspruch ergibt sich aus § 51 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX). Sind die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Dauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch aus Arbeitslosengeld geltend machen können (§ 51 Abs. 4 Satz 1 SGB IX).
Die Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer gegeben. Die Klägerin hat sich am 30.01.2014 arbeitslos gemeldet und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie hat auch eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben "abgeschlossen" im Sinne von § 51 Abs. 4 SGB IX.
Zwar hat das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 23.02.2000 (Az.: B 5 RJ 38/98 R in juris) ausgeführt, dass ein Abschluss in diesem Sinne nur vorliege, wenn die vom Rehabilitationsträger geförderte Maßnahme mit Erfolg beendet worden ist. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Weitergewährung von Übergangsgeld (Übg) im Falle einer sich an die berufsfördernde Maßnahme anschließenden Arbeitslosigkeit. Ein solches Übg wurde für notwendig erachtet, weil Rehabilitanden nach dem Abschluß einer Maßnahme nicht stets sogleich einen Arbeitsplatz fanden, sondern ihnen bei rechtzeitiger Einleitung der Vermittlungsbemühungen spätestens innerhalb von sechs Wochen (nunmehr: innerhalb von drei Monaten) ein geeigneter Arbeitsplatz vermittelt werden konnte. In dieser Situation sollte der Rehabilitand nicht sofort einem Arbeitslosen gleichgestellt werden (BSG a.a.O.; vgl. BT-Drucks 7/1237, S 60 f zum wortgleichen § 17 Abs 3 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974). Wird dagegen eine berufsfördernde Maßnahme erfolglos beendet, sei es nicht Aufgabe des für die Rehabilitation zuständigen Versicherungsträgers, den arbeitslosen Versicherten über die Beendigung der Maßnahme hinaus zu unterstützen, da die Arbeitslosigkeit in einem solchen Fall in keinem Zusammenhang mit der Maßnahme steht. Das Risiko der Arbeitslosigkeit falle dann in den Verantwortungsbereich der Arbeitsverwaltung, sofern nicht die Voraussetzungen des (mittlerweile außer Kraft getretenen) § 25 Abs. 3 Nr. 4 SGB VI vorliegen und vor Beginn einer erforderlichen weiteren berufsfördernden Leistung die Gewährung von Zwischenübergangsgeld in Betracht kommt. Dem folgt auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg (in der Entscheidung vom 01.07.2011, L 3 AL 5887/10, in juris).
Dieser Rechtsprechung wird in der Literatur zu Recht widersprochen (vgl. Stein¬meyer, in Gagel, AFG, § 59d Rz. 5; Lau¬ter¬bach, in Gagel, SGB III, § 160 Rz 33; Gro߬mann, in Hauck/Hai¬nes, K § 160 SGB III, Rz. 47; ihr fol¬gend dage¬gen Nie¬sel, in Kas¬se¬ler Kom¬men-tar, § 16 SGB VI Rz. 59; ders., in Nie¬sel, SGB III, § 160 Rz 36).
Der erhobenen Kritik an der genannten Rechtsprechung schließt sich die Kammer an. Zunächst verlangt der Gesetzeswortlaut keinen "erfolgreichen" Abschluss. Wenn der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Regelungen zum Übergangsgeld (vormalig in § 25 SGB VI, nunmehr § 51 SGB IX) den Maßnahmeerfolg für erforderlich gehalten hätte, hätte er statt einer bloßen "abgeschlossenen" eine "erfolgreich abgeschlossene" Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben als Tatbestandsmerkmal formulieren können (so Schlette in jurisPK-SGB IX, § 51 SGB IX, Rn. 30). Aus Sicht der Kammer beschränkt sich der Ausschluss des Anschlussübergangsgeldes auf Fälle vorwerfbaren maßnahmewidrigen Verhaltens oder Fälle vorsätzlicher Vereitelung des Maßnahmeerfolgs. In diesen Fällen mag der Ausschluss aus der weiteren Zahlung gerechtfertigt sein. Dies ist hier indes nicht der Fall.
Die von der Beklagten bewilligte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der durchgeführten Integrationsmaßnahme war aus Sicht der Kammer bereits von vorn herein zum Scheitern verurteilt.
Der Klägerin war es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, die gewährte Maßnahme erfolgreich zu beenden. Ursächlich für das Scheitern des Maßnahmeerfolgs war bereits die für die Klägerin nicht geeignete Maßnahme. Die Klägerin war ausweislich des Gutachtens des Dr. A nicht in der Lage, die Maßnahme mit Aussicht auf Erfolg zu absolvieren. Bei der Klägerin bestand zum Maßnahmebeginn eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit unsicher- vermeidenden, depressiven Zügen, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig, und eine posttraumatische Belastungsstörung (S. 35 des Gutachtens). Der Gutachter schätzte in der Epikrise ein, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen erfülle, die beruflichen Rehabilitation zu absolvieren. Vorgeschaltet müsse eine Rehabilitation für psychisch kranke und behinderte Menschen (RPK-Maßnahme) erfolgen. Eine lediglich berufliche Rehabilitation würde die Klägerin überfordern und zu einem Scheitern der beruflichen Rehabilitation führen (S. 41 des Gutachtens).
Das von dem Gutachter prognostizierte Ergebnis (Scheitern der beruflichen Rehabilitation ohne vorgeschaltete RPK-Maßnahme) ist eingetreten. Eine RPK-Maßnahme (oder eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme) wurde entgegen den gutachterlichen Empfehlungen nicht vorgeschaltet. Die Klägerin hat zwar mitgeteilt, dass sie ab 31.05.2012 eine stationäre Traumatherapie absolvieren werde. Einzelheiten zu der angekündigten stationären Maßnahme (Dauer/Umfang/Erfolg der stationären Traumatherapie) wurden von der Beklagten, wie sich aus den Akten ergibt, nicht ermittelt. Die Klägerin war mithin bei Beginn der Teilhabeleistung gesundheitlich nicht in der Lage, diese erfolgreich abzuschließen.
Danach war das Scheitern der Maßnahme von vornherein vorprogrammiert. Dies wird auch bestätigt durch das jüngere Gutachten des Dr. H. vom 18.07.2014, wonach ebenfalls zunächst eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme vorgeschaltet werden muss. Danach sollte eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme möglichst einer medizinisch beruflichen Rehabilitation vorgeschaltet werden. Eine ca. dreimonatige medizinisch berufliche Rehabilitation (z. B. mbR-Phase II) wäre sinnvoll, um zu prüfen, ob durch eine berufliche Rehabilitation oder Wiedereingliederungsunterstützung das Restleistungsvermögen aktiviert werden könnte. Dr. H. hat mithin die Einschätzung und Prognose des Dr. A bestätigt, wonach ein erfolgreicher Abschluss von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erwartet werden kann, wenn eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme vorgeschaltet wird.
Schließlich hat auch der Maßnahmeträger S. + S. GmbH in seiner Gesamteinschätzung vom 12.02.2014 darauf verwiesen, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, sich den Arbeitsanforderungen zu stellen, den Arbeitsbedingungen anzupassen oder sich praktisch in einem reellen Arbeitsumfeld zu erproben. Wörtlich wird ausgeführt, "ihre Erkrankung" habe jegliche Mit- und Zusammenarbeit bis hin zur Ablehnung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten verhindert. Eine berufliche Integration sei "mit den bestehenden krankheitsbedingten Einschränkungen" auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht umsetzbar.
Danach war es der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, die von der Beklagten bewilligte ungeeignete Maßnahme erfolgreich abzuschließen. Es liegen insgesamt keine Ausnahmefälle eines vorwerfbaren maßnahmewidrigen oder vorsätzlichen Verhaltens vor, wonach es gerechtfertigt wäre, der Klägerin das Anschlussübergangsgeld zu versagen.
Mithin steht der Klägerin Anschlussübergangsgeld für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 in gesetzlicher Höhe (nach Verrechnung mit der bewilligten Grundsicherung für Arbeitsuchende) zu.
Mit der aufgrund des Bescheides vom 28.10.2015 bewilligten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme hat die Beklagte nunmehr erstmals die für die Klägerin geeigneten Leistungen bewilligt und die seit 2012 bekannten Empfehlungen umgesetzt.
Die Kostenfolge beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den vollen Erfolg der Klage.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Übergangsgeld im Anschluss an eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben streitig.
Die 1961 geborene Klägerin hat einen Abschluss als Wirtschaftskaufmann/Industrie und war bis April 1991 als Sachbearbeiterin und im Anschluss, bis November 1992 als Mitarbeiterin am Empfang einer Krankenkasse versicherungspflichtig beschäftigt. Es folgte von März 1993 bis Januar 1999 eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin und Verkaufsfahrerin bei einer Getränkefirma. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos. In einem ersten Klageverfahren (Az.: S 35 R 209/11) hat die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlung wurde nach Einholung der Befundberichte der behandelnden Ärzte und Therapeuten ein psychosomatisches/psychotherapeutisches Fachgutachten durch Dr. A. erstellt. Dr. A. kam in seinem Gutachten vom 13.03.2012 aufgrund Untersuchung der Klägerin zu folgenden Diagnosen: Paranoide Persönlichkeitsstörung mit unsicher- vermeidenden, depressiven Zügen, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig, posttraumatische Belastungsstörung (S. 35 des Gutachtens). Zentraler Auslöser für die persönlichkeitsstrukturelle Entwicklung war ein 16 Jahre anhaltender Missbrauch durch den Vater und Reaktivierungen traumatischer Erfahrungen im Rahmen der Ehe. Der Gutachter teilt in der Epikrise die Einschätzung der behandelnden Diplompsychologin zum Wiedereingliederungsversuch, sah aber zurzeit nicht die Voraussetzungen bei der Klägerin, diese im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation zu absolvieren. Vorgeschaltet müsse eine Rehabilitation für psychisch kranke und behinderte Menschen (RPK-Maßnahme) durchgeführt werden. Eine lediglich berufliche Rehabilitation würde aktuell die Klägerin überfordern und zu einem Scheitern der beruflichen Rehabilitation führen (S. 41 des Gutachtens). Neben einer ambulanten Psychotherapie müsse darüber hinaus eine stationäre psychotraumatologische Therapie vorgeschaltet werden (S. 42 des Gutachtens).
Die Beklagte hat sich mit Anerkenntnis vom 24.04.2012 bereit erklärt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen. Eine Indikation für eine RPK-Maßnahme bestehe nach Meinung des Sozialmedizinischen Dienstes nicht. Empfohlen wird Bewerbungstraining, gegebenenfalls Anpassungslehrgänge zum Ausbildungsberuf und Integrationshilfe. Für diese Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestehe eine positive Rehabilitationsprognose. Die Klägerin hat das Anerkenntnis mit Schreiben vom 22.05.2012 angenommen und ferner mitgeteilt, dass sie ab 31.05.2012 eine stationäre Traumatherapie absolvieren werde.
Im Anschluss an das durch Anerkenntnis beendete Klageverfahren fanden verschiedene Gespräche zwischen der Klägerin und dem Rehabilitationsteam der Beklagten statt. Im Ergebnis wurde eine Maßnahme mit der Zielrichtung "kaufmännische Anpassung" favorisiert (Gespräch am 25.10.2012). Es fand nachfolgend vom 04.02.2013 bis 15.02.2013 eine Arbeitserprobung bei dem Maßnahmeträger S. + S. GmbH statt. Nach Durchführung der Arbeitserprobung empfahl der psychologische Dienst (Dipl. Psych. B. ) die Teilnahme an einer 12monatigen integrativen Sondermaßnahme mit begleitenden arbeitstherapeutischen, psychologischen und sozialpädagogischen Hilfen. Nach erfolgter Beratung hat die Klägerin den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integration (BIPP) beim Bildungsträger S. + S. im Zeitraum 02.05.2013 bis 01.02.2014 zugestimmt (Erklärung vom 08.04.2013). Während der Maßnahmen erhielt die Klägerin Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 31,23 Euro (Bescheid vom 21.05.2013).
Die Klägerin war während der Maßnahme vom 27.05. bis 30.05.2013, am 03.06.2013, vom 19.08. bis 21.08.2013, vom 26.08. bis 28.08.2013 und vom 16.09. bis 25.09.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Am 19.08.2013 bat die Klägerin um Reduzierung der täglichen Anwesenheitszeit in der Integrationsmaßnahme um zwei Stunden täglich und ferner um Verlängerung der Maßnahme von neun Monaten auf 12 Monate. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 25.10.2013 ab. Es handele sich bei der bewilligten Maßnahme um eine Vollzeitmaßnahme. Für eine Reduzierung der Anwesenheitszeit sei kein sachlicher Grund gegeben. In dem Widerspruch der Klägerin hiergegen verwies sie auf ein Schreiben des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 11.11.2013. Darin bat der behandelnde Arzt aufgrund des derzeitigen Gesundheitszustandes, dem Antrag auf Verkürzung der Reha-Maßnahme täglich um zwei Stunden für einen Monat ab sofort und ab dem zweiten Monat um eine Stunde stattzugeben. Wegen der erheblichen Differenzen, die sich zwischen der Klägerin und den Mitarbeitern in letzter Zeit zunehmend entwickelt hätten, sollte aus nervenärztlicher Sicht ein Wechsel der Einrichtung erfolgen, um den Erfolg der Maßnahme zu gewährleisten. Mit Schreiben vom 25.11.2013 wurde durch den Maßnahmeträger eine Einschätzung des Maßnahmeverlaufes gefertigt. Danach zeigte sich die Klägerin bereits während der arbeitsbezogenen Trainings- und Stabilisierungsphase immer weniger bereit, den Arbeitsanweisungen der Dozenten im Lernbüro zu folgen. Es kam zu verstärkten Anschuldigungen, den Dozenten gegenüber. Die Klägerin habe mit ihrem Verhalten massiv den Unterricht gestört. Auf ihr Krankheitsbild sei von allen Dozenten Rücksicht genommen worden. Im weiteren Maßnahmeverlauf sei die Klägerin nicht in der Lage gewesen, ihre Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen, um sich für ein Praktikum zu bewerben. Es zeigten sich schnell Grenzen ihrer Mitwirkungspflicht und der Annahme von Empfehlungen. Als Resultat sei zum jetzigen Zeitpunkt ein erfolgreicher Maßnahmeverlauf nicht mehr zu erwarten. Es sollte ein vorzeitiger Maßnahmeabbruch in Erwägung gezogen werden. Die Beklagte hat zunächst den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 25.10.2013 bestandskräftig zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 22.01.2014) und mit Schreiben vom 03.12.2013 zu einem beabsichtigten Maßnahmeabbruch ab 01.01.2014 angehört. Die Klägerin war vom 18.11. bis 29.11.2013 sowie ab 13.12.2013 erneut arbeitsunfähig krank und wurde vom 04.12.2013 bis 06.12.2013 stationär behandelt. Sie hat sich mit Schreiben vom 18.12.2013 wieder arbeitsfähig gemeldet, nachdem ihr klar war, dass es sich bei dem Schreiben vom 03.12.2013 zunächst nur um eine Anhörung handele. Sie hat ferner bekräftigt, dass sie die Maßnahme fortführen möchte und nochmals auf das Schreiben des behandelnden Arztes Dr. P. verwiesen. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2014 mit, dass sie die Maßnahme regulär zum 01.02.2014 beenden könne
Gemäß Beendigungsmitteilung des Maßnahmeträgers S. + S. GmbH hat die Klägerin am 01.02.2014 die berufliche Integration "ohne Erfolg" beendet. Ihr wurde ein Zertifikat über die im Zeitraum vom 02.05.2013 bis 01.02.2014 durchgeführte theoretische und fachpraktische Ausbildung im kaufmännisch-verwaltenden Kompetenzcenter ausgestellt. Mit Gesamteinschätzung des Maßnahmeträgers vom 12.02.2014 wurde festgestellt, dass die Klägerin trotz einer Maßnahme für psychosozial beeinträchtigte Personen mit engmaschiger sozialpädagogischer und psychologischer Unterstützung nicht in der Lage war, sich den Arbeitsanforderungen zu stellen, den Arbeitsbedingungen anzupassen oder sich praktisch in einem reellen Arbeitsumfeld zu erproben. Ihre Erkrankung habe jegliche Mit- und Zusammenarbeit bis hin zur Ablehnung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten verhindert. Eine berufliche Integration sei zu diesem Zeitpunkt mit den bestehenden krankheitsbedingten Einschränkungen auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht umsetzbar. Die Klägerin habe die Maßnahme dementsprechend nicht erfolgreich abgeschlossen.
Die Klägerin hat sich am 30.01.2014 bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht nach Mitteilung der Arbeitsagentur vom 30.01.2014 nicht.
Mit Bescheid vom 12.02.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie für die Zeit nach der am 01.02.2014 abgeschlossenen Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben keinen Anspruch auf Übergangsgeld habe. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 4 SGB IX lägen nicht vor, weil die Klägerin die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich abgeschlossen habe. In dem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde für die Klägerin vorgetragen, dass das Scheitern der Maßnahme auf eine nicht persönlichkeitsadäquate Betreuung zurückzuführen sei. Die Klägerin sei unangemessen und unsensibel behandelt worden. Es sei widerholt zu einem gegenüber der Klägerin untragbaren Verhalten einzelner Mitarbeiter gekommen. Entgegen der Empfehlung des psychologischen Dienstes erfolgte keine schrittweise und langsame Steigerung der Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Den Empfehlungen des behandelnden Arztes Dr. P. bezüglich einer Reduzierung der Maßnahme bzw. einem Wechsel der Einrichtung sei nicht Folge geleistet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und verwies zur Begründung auf § 51 Abs. 4 SGB IX. Eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gelte dann als abgeschlossen, wenn diese mit Erfolg beendet wurde. Von der Bildungseinrichtung sei mitgeteilt worden, dass die Klägerin die Maßnahme ohne Erfolg beendet habe. Das Ausbildungsziel konnte nicht erreicht werden. Somit sei die Maßnahme ohne Erfolg beendet worden.
Die Klägerin hat nachfolgend erneut bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Verhaltensmedizin in K. Dr. H. ein Gutachten (vom 18.07.2014). Danach sollte eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme möglichst einer medizinisch beruflichen Rehabilitation vorgeschaltet werden. Eine ca. dreimonatige medizinisch berufliche Rehabilitation (z. B. mbR-Phase II) wäre sinnvoll, um zu prüfen, ob durch eine berufliche Rehabilitation oder Wiedereingliederungsunterstützung das Restleistungsvermögen aktiviert werden könnte. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 24.09.2014 weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da durch die Leistungen zur Teilhabe die Erwerbsfähigkeit nicht wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden könne. Auf den Widerspruch hiergegen wurde (nach Erhebung einer Untätigkeitsklage, S 35 R 1573/15) mit Bescheid vom 28.10.2015 eine medizinische Rehabilitationsleistung von der Beklagten bewilligt.
Am 22.10.2014 hat die Klägerin gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 Klage mit dem Ziel der Gewährung von Anschlussübergangsgeld für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 erhoben. Sie verweist darauf, dass sie sich am 30.01.2014 ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld arbeitslos gemeldet hat. Die Klägerin meint, alles Erforderliche getan zu haben, um die Maßnahme wahrzunehmen und erfolgreich abzuschließen. Ihrem Anliegen auf Verkürzung der Arbeitszeit sei ohne nachvollziehbaren Grund nicht nachgegangen worden. Die Klägerin widerspricht auch der Einschätzung, dass die Maßnahme ohne Erfolg beendet wurde. Für sie war es bereits erfolgreich, dass sie an der Maßnahme teilgenommen hat. Die Beklagte habe entgegen der Empfehlung des Dr. A in seinem Gutachten keine RPK-Maßnahme vorgeschaltet und sich auch im weiteren Verlauf den Hilfegesuchen der Klägerin verwehrt. Auch habe die Beklagte den dringend von Dr. Pfau empfohlenen Wechsel der Einrichtung abgelehnt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, dass sie während des streitigen Zeitraumes 01.02.2014 bis 30.04.2014 Arbeitslosengeld II erhalten habe.
Die Klägerin beantragt: Der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Anschlussübergangsgeld gemäß § 51 Abs. 4 SGB IX für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass die Integrationsmaßnahme ohne Erfolg abgeschlossen wurde und bezieht sich auf die Darlegungen der Reha-Sachbearbeiterin sowie die Einschätzung des Bildungsträgers. Somit sei nicht die Beklagte, sondern andere Sozialleistungsträger für die Sozialleistung ab 01.02.2014 zuständig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogenen Gerichtsakten S 35 R 209/11, S 35 R 1573/15, ein Band Verwaltungsakten der Beklagten, die Klägerin betreffend, sowie die Gerichtsakte zum streitigen Verfahren S 35 R 1702/14, auf die wegen der weiteren Einzelheiten jeweils verwiesen werden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.09.2014 verletzt die Klägerin rechtswidrig in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Anschlussübergangsgeld für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis 30.04.2014.
Der Anspruch ergibt sich aus § 51 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX). Sind die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben arbeitslos, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe während der Arbeitslosigkeit bis zu drei Monate weitergezahlt, wenn sie sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens drei Monaten nicht geltend machen können; die Dauer von drei Monaten vermindert sich um die Anzahl von Tagen, für die Leistungsempfänger im Anschluss an eine abgeschlossene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch aus Arbeitslosengeld geltend machen können (§ 51 Abs. 4 Satz 1 SGB IX).
Die Voraussetzungen sind nach Auffassung der Kammer gegeben. Die Klägerin hat sich am 30.01.2014 arbeitslos gemeldet und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie hat auch eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben "abgeschlossen" im Sinne von § 51 Abs. 4 SGB IX.
Zwar hat das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 23.02.2000 (Az.: B 5 RJ 38/98 R in juris) ausgeführt, dass ein Abschluss in diesem Sinne nur vorliege, wenn die vom Rehabilitationsträger geförderte Maßnahme mit Erfolg beendet worden ist. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Weitergewährung von Übergangsgeld (Übg) im Falle einer sich an die berufsfördernde Maßnahme anschließenden Arbeitslosigkeit. Ein solches Übg wurde für notwendig erachtet, weil Rehabilitanden nach dem Abschluß einer Maßnahme nicht stets sogleich einen Arbeitsplatz fanden, sondern ihnen bei rechtzeitiger Einleitung der Vermittlungsbemühungen spätestens innerhalb von sechs Wochen (nunmehr: innerhalb von drei Monaten) ein geeigneter Arbeitsplatz vermittelt werden konnte. In dieser Situation sollte der Rehabilitand nicht sofort einem Arbeitslosen gleichgestellt werden (BSG a.a.O.; vgl. BT-Drucks 7/1237, S 60 f zum wortgleichen § 17 Abs 3 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974). Wird dagegen eine berufsfördernde Maßnahme erfolglos beendet, sei es nicht Aufgabe des für die Rehabilitation zuständigen Versicherungsträgers, den arbeitslosen Versicherten über die Beendigung der Maßnahme hinaus zu unterstützen, da die Arbeitslosigkeit in einem solchen Fall in keinem Zusammenhang mit der Maßnahme steht. Das Risiko der Arbeitslosigkeit falle dann in den Verantwortungsbereich der Arbeitsverwaltung, sofern nicht die Voraussetzungen des (mittlerweile außer Kraft getretenen) § 25 Abs. 3 Nr. 4 SGB VI vorliegen und vor Beginn einer erforderlichen weiteren berufsfördernden Leistung die Gewährung von Zwischenübergangsgeld in Betracht kommt. Dem folgt auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg (in der Entscheidung vom 01.07.2011, L 3 AL 5887/10, in juris).
Dieser Rechtsprechung wird in der Literatur zu Recht widersprochen (vgl. Stein¬meyer, in Gagel, AFG, § 59d Rz. 5; Lau¬ter¬bach, in Gagel, SGB III, § 160 Rz 33; Gro߬mann, in Hauck/Hai¬nes, K § 160 SGB III, Rz. 47; ihr fol¬gend dage¬gen Nie¬sel, in Kas¬se¬ler Kom¬men-tar, § 16 SGB VI Rz. 59; ders., in Nie¬sel, SGB III, § 160 Rz 36).
Der erhobenen Kritik an der genannten Rechtsprechung schließt sich die Kammer an. Zunächst verlangt der Gesetzeswortlaut keinen "erfolgreichen" Abschluss. Wenn der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Regelungen zum Übergangsgeld (vormalig in § 25 SGB VI, nunmehr § 51 SGB IX) den Maßnahmeerfolg für erforderlich gehalten hätte, hätte er statt einer bloßen "abgeschlossenen" eine "erfolgreich abgeschlossene" Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben als Tatbestandsmerkmal formulieren können (so Schlette in jurisPK-SGB IX, § 51 SGB IX, Rn. 30). Aus Sicht der Kammer beschränkt sich der Ausschluss des Anschlussübergangsgeldes auf Fälle vorwerfbaren maßnahmewidrigen Verhaltens oder Fälle vorsätzlicher Vereitelung des Maßnahmeerfolgs. In diesen Fällen mag der Ausschluss aus der weiteren Zahlung gerechtfertigt sein. Dies ist hier indes nicht der Fall.
Die von der Beklagten bewilligte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der durchgeführten Integrationsmaßnahme war aus Sicht der Kammer bereits von vorn herein zum Scheitern verurteilt.
Der Klägerin war es aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, die gewährte Maßnahme erfolgreich zu beenden. Ursächlich für das Scheitern des Maßnahmeerfolgs war bereits die für die Klägerin nicht geeignete Maßnahme. Die Klägerin war ausweislich des Gutachtens des Dr. A nicht in der Lage, die Maßnahme mit Aussicht auf Erfolg zu absolvieren. Bei der Klägerin bestand zum Maßnahmebeginn eine paranoide Persönlichkeitsstörung mit unsicher- vermeidenden, depressiven Zügen, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradig, und eine posttraumatische Belastungsstörung (S. 35 des Gutachtens). Der Gutachter schätzte in der Epikrise ein, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen erfülle, die beruflichen Rehabilitation zu absolvieren. Vorgeschaltet müsse eine Rehabilitation für psychisch kranke und behinderte Menschen (RPK-Maßnahme) erfolgen. Eine lediglich berufliche Rehabilitation würde die Klägerin überfordern und zu einem Scheitern der beruflichen Rehabilitation führen (S. 41 des Gutachtens).
Das von dem Gutachter prognostizierte Ergebnis (Scheitern der beruflichen Rehabilitation ohne vorgeschaltete RPK-Maßnahme) ist eingetreten. Eine RPK-Maßnahme (oder eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme) wurde entgegen den gutachterlichen Empfehlungen nicht vorgeschaltet. Die Klägerin hat zwar mitgeteilt, dass sie ab 31.05.2012 eine stationäre Traumatherapie absolvieren werde. Einzelheiten zu der angekündigten stationären Maßnahme (Dauer/Umfang/Erfolg der stationären Traumatherapie) wurden von der Beklagten, wie sich aus den Akten ergibt, nicht ermittelt. Die Klägerin war mithin bei Beginn der Teilhabeleistung gesundheitlich nicht in der Lage, diese erfolgreich abzuschließen.
Danach war das Scheitern der Maßnahme von vornherein vorprogrammiert. Dies wird auch bestätigt durch das jüngere Gutachten des Dr. H. vom 18.07.2014, wonach ebenfalls zunächst eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme vorgeschaltet werden muss. Danach sollte eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme möglichst einer medizinisch beruflichen Rehabilitation vorgeschaltet werden. Eine ca. dreimonatige medizinisch berufliche Rehabilitation (z. B. mbR-Phase II) wäre sinnvoll, um zu prüfen, ob durch eine berufliche Rehabilitation oder Wiedereingliederungsunterstützung das Restleistungsvermögen aktiviert werden könnte. Dr. H. hat mithin die Einschätzung und Prognose des Dr. A bestätigt, wonach ein erfolgreicher Abschluss von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erwartet werden kann, wenn eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme vorgeschaltet wird.
Schließlich hat auch der Maßnahmeträger S. + S. GmbH in seiner Gesamteinschätzung vom 12.02.2014 darauf verwiesen, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, sich den Arbeitsanforderungen zu stellen, den Arbeitsbedingungen anzupassen oder sich praktisch in einem reellen Arbeitsumfeld zu erproben. Wörtlich wird ausgeführt, "ihre Erkrankung" habe jegliche Mit- und Zusammenarbeit bis hin zur Ablehnung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten verhindert. Eine berufliche Integration sei "mit den bestehenden krankheitsbedingten Einschränkungen" auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht umsetzbar.
Danach war es der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, die von der Beklagten bewilligte ungeeignete Maßnahme erfolgreich abzuschließen. Es liegen insgesamt keine Ausnahmefälle eines vorwerfbaren maßnahmewidrigen oder vorsätzlichen Verhaltens vor, wonach es gerechtfertigt wäre, der Klägerin das Anschlussübergangsgeld zu versagen.
Mithin steht der Klägerin Anschlussübergangsgeld für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.04.2014 in gesetzlicher Höhe (nach Verrechnung mit der bewilligten Grundsicherung für Arbeitsuchende) zu.
Mit der aufgrund des Bescheides vom 28.10.2015 bewilligten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme hat die Beklagte nunmehr erstmals die für die Klägerin geeigneten Leistungen bewilligt und die seit 2012 bekannten Empfehlungen umgesetzt.
Die Kostenfolge beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt den vollen Erfolg der Klage.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
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