L 9 R 279/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4574/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 279/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente streitig.

Der 1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und lebte bis zu seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) im April 1990 in seinem Heimatland. Er erlernte keinen Beruf und war in der BRD von Februar 1991 bis Dezember 2008 als Gartenbauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. In der Folge bezog er zunächst Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld I.

Am 02.01.2009 erfolgte bei ihm aufgrund eines Nierenzellkarzinoms eine Teilresektion der linken Niere in der Urologischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM). Im Anschluss an die Operation bewilligte ihm die Beklagten eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die der Kläger im Zeitraum vom 22.01.2009 bis 12.02.2009 in der Rosentrittklinik in B., Abteilung Hämatologie und internistische Onkologie, durchführte. Im Entlassungsbericht vom 12.02.2009 wird nach einem postoperativen Zeitraum von drei Monaten ein Leistungsvermögen für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit einer Limitierung des Hebens und Tragens von Lasten auf 15 kg angegeben. Im Mai 2009 begab sich der Kläger in Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J., der bei ihm eine Anpassungsstörung mit ängstlich-depressiver Symptomatik diagnostizierte (Befundbericht vom 12.05.2009). Der Kläger habe seit der Krebserkrankung Angst vor einem Rezidiv, fühle sich leicht erschöpft und schlafe nachts meist schlecht. Die Wahrnehmung und das Denken seien eingeengt, die Stimmung themenbezogen bedrückt. Laut Befundbericht des Dr. J. vom 26.04.2010 liege bei dem Kläger außerdem ein Wurzelkompressionssyndrom C6 links vor.

Mit Bescheid vom 16.03.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach.

Am 05.05.2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, den er mit degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einem Schulter-Arm-Syndrom, einer Angststörung, einem chronischen Schmerzsyndrom, Migräne, einem Knorpelschaden beider Kniegelenke und Polyneuropathie begründete. Nachdem die Beklagte Befundberichte der behandelnden Ärzte und ein im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erstelltes Gutachten des Dr. F. vom 16.10.2009 mit den Diagnosen Anpassungsstörung und psychische Überlagerung bei Zustand nach Teilresektion der linken Niere beigezogen hatte, veranlasste sie eine ambulante Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Arzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S ... In seinem Gutachten vom 14.06.2010 kam dieser zu dem Ergebnis, dass der Kläger unter Zugrundelegung der festgestellten Gesundheitsstörungen (bewegungs- und belastungsabhängige Beschwerden der Halswirbelsäule [HWS] mit neurologisch sensiblen Störungen im Segment C6 links, schmerzhafte belastungsabhängige Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei Schultergelenksentzündung sowie Zustand nach Teilnephrektomie links) zwar nicht mehr in der Lage sei, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gartenbauarbeiter in einem Umfang von mindestens drei Stunden täglich auszuüben, aber ihm noch maximal mittelschwere körperliche Arbeiten ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten über 20 kg, ohne längere Wirbelsäulenzwangshaltungen und ohne häufige Überkopfarbeiten mindestens sechs Stunden täglich gesundheitlich zumutbar seien.

Mit Bescheid vom 18.06.2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers ab. Am 01.07.2010 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, er leide außerdem an einer schweren Arthrose in beiden Kniegelenken, einer psychogenen Schlafstörung im Rahmen einer Depression, häufigen Schwindelanfällen und einem chronischen Schmerzsyndrom. Hierzu legte er einen Arztbericht der Universitäts-HNO-Klinik der UMM vom 18.06.2010 sowie einen Befundbericht des Radiologen Dr. N. vom 02.07.2010 vor, welchen die Beklagte Dr. S. vorlegte, der daraufhin in seiner Stellungnahme vom 05.10.2010 ausführte, in der Tat sei die Arthrose in beiden Kniegelenken in der Aufstellung der Diagnosen vergessen worden und somit nachzutragen. Diese Gesundheitsstörung sei jedoch im Gutachten beschrieben sowie im Untersuchungsgang und in der Epikrise gewürdigt worden. Ein Vestibularisausfall mit Schwindelattacken sei im Normalfall unter adäquater Therapie nach wenigen Wochen ausheilbar. Eine Änderung des qualitativen oder quantitativen Leistungsvermögens ergebe sich dadurch nicht. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2010 den Widerspruch des Klägers zurück.

Dieser hat hiergegen am 23.12.2010 bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung unter anderem vorgetragen, er leide unter erheblichen Bandscheibenproblemen im Bereich der HWS und der Lendenwirbelsäule (LWS). Es liege eine völlige Verhärtung im Schulterbereich vor. Er verspüre im linken Arm häufig ein Taubheitsgefühl bis in die Finger, an denen auch eine Arthrose vorliege. Die Taubheitsgefühle seien manchmal über den gesamten linken Arm vorhanden. Er sei jedoch Rechtshänder. Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. hat unter dem 13.07.2011 angegeben, der Kläger sei mit seinen Erkrankungen und Beschwerden (Schmerzerkrankung, Angstzustände und Depressionen mit Schlafstörungen) noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J. hat mit Schreiben vom 18.07.2011 ausgeführt, bei dem Kläger liege eine gemischte Angststörung und depressive Störung im Sinne einer Dysthymia mit eingeschränkter Dauerbelastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit vor, wodurch die Leistungsfähigkeit auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschränkt sei. Der Facharzt für Innere Medizin Dr. S. hat ebenfalls unter dem 18.07.2011 angegeben, dem Kläger sei die Durchführung leichter körperlicher Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von bis sechs Stunden täglich gesundheitlich zumutbar. Der Arzt für Orthopädie und Sportmedizin Dr. S. hat am 18.07.2011 mitgeteilt, aufgrund der Chronizität und Intensität der Beschwerden (HWS-/LWS-Syndrom, beginnende Gonarthrose beidseits, Impingement-Syndrom der Schultergelenke, Verdacht auf Meniskusläsion des linken Knies) könne der Kläger seines Erachtens nur noch drei bis vier Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten ausführen.

Daraufhin hat das SG den Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung beauftragt, die am 30.11.2011 stattgefunden hat. In seinem Gutachten vom 05.12.2011 hat Dr. S. bei dem Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet depressive Verstimmungen im Sinne von Anpassungsstörungen bei Tumorerkrankung und sozialen Belastungen sowie ein kombiniertes Kopfschmerzenleiden diagnostiziert und ausgeführt, dass diese Gesundheitsstörungen auch unter Berücksichtigung der fachfremden Erkrankungen der Ausübung einer körperlich leichten oder mittelschweren Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von etwa acht Stunden täglich nicht im Weg stünden. Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG den Orthopäden und Unfallchirurgen Prof. Dr. S. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem auf eine ambulante Untersuchung vom 10.08.2012 gestützten Gutachten vom 05.11.2012 ist Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger unter Berücksichtigung der festgestellten Gesundheitsstörungen (polytope Gelenkbeschwerden insbesondere der Schulter- und Kniegelenke geringen Ausmaßes, Spondylopathie/Wirbelsäulensyndrom der HWS und der LWS, Zustand nach Teilentfernung der linken Niere nach Nierenzellkarzinom sowie Verdacht auf Anpassungsstörung und depressive Verstimmung bei Zustand nach Tumorerkrankung) noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im zeitlichen Umfang von acht Stunden täglich auszuüben.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und sich zur Begründung insbesondere auf die Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Dr. S. gestützt. Soweit die behandelnden Ärzte des Klägers zum Teil angegeben hätten, dieser sei auch zu leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur im Umfang von unter sechs Stunden täglich in der Lage, sei dem nicht zu folgen, weil es insoweit an der Mitteilung entsprechender objektiver Befunde mangele, welche eine solche Leistungsbeurteilung nachvollziehbar begründen lasse.

Gegen den am 20.12.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.01.2013 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und ausgeführt, dass der Schwerpunkt der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet liege. Hierzu hat er ein Attest des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. vom 14.02.2013 vorgelegt, das als Diagnosen unter anderem ein chronisches, fehlstatisches und degeneratives Syndrom der HWS und LWS, eine chronische Chondropathia patellae bei beginnender beidseitiger Gonarthrose und Verdacht auf Meniskusläsion des linken Knies sowie ein Impingementsyndrom der Schultergelenke, rechts stärker als links, nennt und eine Leistungsfähigkeit von drei bis vier Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Arbeiten annimmt.

Im Zeitraum vom 22.10.2013 bis 26.10.2013 hat sich der Kläger in stationärer Behandlung im Neurochirurgischen Wirbelsäulenzentrum in Viernheim aufgrund einer am Aufnahmetag erfolgten mikrochirurgischen Dekompression bei Wurzelkompressionssyndrom C6 links bei zervikaler Stenose des Halswirbelkörpers (HWK) 5/6 und linksbetontem Bandscheibenvorfall befunden. Im Entlassungsbericht des Facharztes für Neurochirurgie Dr. F. ist ausgeführt, in den durchgeführten MRT und CT der HWS habe sich als wesentlicher Befund eine hochgradige Spinalkanalstenose des HWK 5/6 gezeigt mit knöcherner Einengung der Neuroforamina beidseits, eine relative Stenose des HWK 6/7 und ein links medio-lateraler Bandscheibenvorfall HWK 5/6 mit Wurzelkompression. Bei unauffälligem intra- und postoperativem Verlauf seien die Schmerzen zurückgegangen. Eine Arbeitsfähigkeit sei in der Regel nach vier bis sechs Wochen wieder gegeben.

Der Senat hat daraufhin die behandelnden Ärzte des Klägers, den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. P., die Fachärztin für Anästhesiologie Dr. H. sowie Dr. F. und Dr. S. als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Dr. F. hat unter dem 27.02.2014 ausgeführt, der Kläger habe bei der letzten Vorstellung am 13.02.2014 über seit zwei Wochen akut aufgetretene Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm geklagt. Klinisch sei eine hochgradige Bewegungseinschränkung der HWS sowohl in Rotation als auch in In- und Reklination erkennbar gewesen. Eine postoperativ angefertigte Röntgenaufnahme der HWS habe einen regelrechten Befund gezeigt. Ein CT der HWS sei angeordnet worden. Dr. S. hat mit Schreiben vom 15.01.2014 dargelegt, bei dem Kläger liege ein Reizzustand des linken Hüft- und Kniegelenks sowie ein Syndrom der HWS und LWS vor. Dr. P. hat am 14.01.2014 ausgeführt, der Kläger sei in seiner Leistungsfähigkeit im Wesentlichen durch eine Schmerzstörung, eine Angststörung und eine depressive Störung beeinträchtigt.

Mit Schriftsatz vom 15.07.2014 hat der Kläger mitgeteilt, dass sich sein Gesundheitszustand inzwischen erheblich verschlechtert habe. Die Schmerzentwicklung habe sich so intensiviert, dass ein weiterer operativer Eingriff im Bereich der HWK 5/6 und 7/8 durchgeführt werden müsse. Am 26.01.2015 ist durch das Neurochirugische Wirbelsäulenzentrum in Weinheim eine weitere Dekompression des Spinalkanals C5/6 und C6/7 mit Spondylodese C5 - C7 erfolgt. Vom 11.02.2015 bis 14.03.2015 hat der Kläger eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in den Sankt Rochus Kliniken, Abteilung Neurologie, in Bad Schönborn durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 18.03.2015 ist angegeben, bei dem Kläger liege noch eine Schwäche beider Hände bei C8- und C6-Wurzelschädigung mit eingeschränkter Beweglichkeit der HWS nach Dekompression des Spinalkanals vor. Vier Stunden nach der Operation sei es zum Auftreten einer Paraparese gekommen. Aus dem am 26.01.2015 angefertigten MRT habe sich der hochgradige Verdacht auf ein epidurales Hämatom ergeben. Aufgrund einer noch am Operationstag durchgeführten Revision habe der Kläger die Beine wieder bewegen können. Im Bereich der HWS habe ein deutlicher Hartspann der Trapeziusmuskulatur bei generell ausgeprägtem hohen Muskeltonus bestanden. Des Weiteren habe sich eine Druckschmerzhaftigkeit im unteren LWS-Bereich gezeigt, die sich schon fast als Hyperalgesie darstellte. Während der doch recht ausgeprägten Schmerzsymptomatik sei eine angepasste Schmerztherapie mit Targin erfolgt, die zum Schluss ausgeschlichen werden konnte. Bei der Abschlussuntersuchung sei der Kläger über 200 Meter in flüssigem Gangbild ohne Hilfsmittel mobil gewesen. Es bestehe noch eine ganz diskrete Gangunsicherheit neben einer C8-Nervenwurzelschädigung. Der Kläger sei arbeitsunfähig für mindestens weitere drei Monate entlassen worden. Danach würde bei gutem Heilungsverlauf ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten, ständig im Sitzen, zeitweise im Gehen und Stehen vorliegen. Es bestünden allerdings erhebliche qualitative Einschränkungen. Zu vermeiden seien unter anderem Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Flexibilität und Stresstoleranz, an den Tastsinn, die Sensibilität oder die Grob- und Feinmotorik der Hände. Im Anschluss daran hat der Senat den Facharzt für Neurologie Dr. R. vom Neurochirurgischen Wirbelsäulenzentrum Weinheim, den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. sowie Dr. S. (erneut) schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. R. hat unter dem 26.06.2015 mitgeteilt, der Kläger habe sich am 09.10.2014 mit massiven Schmerzen im linken Arm vorgestellt. Der Arm sei auch taub gewesen, insbesondere Daumen und Zeigefinger, sodass feinmotorische Bewegungen nicht mehr durchgeführt werden konnten. Die bildgebenden Befunde hätten eine Einengung des Nerven- und Rückenmarkskanals an den HWK 5/6 und 6/7 gezeigt. Nach der Operation bestünde noch eine leichte Harnentleerungsstörung, ein Schulter-Arm-Schmerz links mit Vertaubung von Zeigefinger und Daumen sowie eine Schwäche der linken Handmuskulatur. Der Faustschluss sei deutlich reduziert im Vergleich zur rechten Gegenseite. Hier sei von einer Kraftminderung auszugehen, die das Tragen von kleineren Lasten erschwere. Auch die Geschicklichkeit und die Kraft der linken Hand seien deutlich eingeschränkt, so dass mit dieser auch einfache Tätigkeiten (z.B. das Öffnen einer Flasche) nicht mehr vollumfänglich ausgeführt werden könnten. Der Funktionsverlust im Bereich der linken Hand und das chronische Schmerzsyndrom machten eine vollschichtige berufliche Tätigkeit unmöglich. Der Kläger dürfte aufgrund seiner körperlichen, aber auch seiner seelischen Belastungen nicht in der Lage sein, die komplexen Anforderungen eines Arbeitsalltags zu bewältigen. Bezüglich der rein physischen Einschränkungen schließe er sich dem Leistungsbild im Reha-Entlassungsbericht an. Dr. S. hat mit Schreiben vom 25.06.2015 ausgeführt, nach der letzten Operation hätten sich die in den linken Arm ausstrahlenden Schmerzen gebessert. Weiterhin bestünde jedoch eine deutliche Bewegungseinschränkung der HWS und Schwäche beider Hände. Möglich erschienen ihm leichte Tätigkeiten über drei bis sechs Stunden in Wechselhaltung. Dr. P. hat unter dem 07.08.2015 angegeben, bei dem Kläger liege eine anhaltende mittel- bis schwergradige depressive Störung und ein chronisches Schmerzsyndrom vor.

Daraufhin hat der Senat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens nach einer ambulanten Untersuchung beauftragt, die am 21.02.2016 stattgefunden hat. In seinem Gutachten vom 02.02.2016 hat Dr. B. bei dem Kläger auf seinem Fachgebiet einen Zustand nach mehrfacher zervikaler Bandscheibenoperation, eine Sensibilitätsstörung im C6-Bereich links sowie eine dysthyme Entwicklung bei vorbestehend vielschichtigen und ausgeprägten Persönlichkeitsakzentuierungen festgestellt. Ferner hat er den Verdacht auf ein Carpaltunnelsyndrom rechts geäußert. Mit diesen Gesundheitsstörungen bestünden deutlich qualitative Leistungseinschränkungen. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten mit Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, mit fordernder sozialer Interaktion, mit Zeitdruck, mit besonderer nervöser Anspannung oder Arbeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen sowie in Nacht- oder Wechselschicht. Eine überdauernde quantitative Leistungseinschränkung lasse sich hierdurch jedoch nicht begründen. Schließlich hat der Senat zur Bewertung des gesundheitlichen Zustandes vor der am 26.01.2015 erfolgten Operation ein Gutachten nach Aktenlage bei dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. H., Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin, in Auftrag gegeben. Dr. H. ist in seinem Gutachten vom 19.04.2016 zu dem Ergebnis gekommen, bei dem Kläger habe im Zeitraum zwischen 2013 und Mitte 2015 eine schmerzhafte Funktionsstörung der HWS mit Schmerzen und Gefühlsstörungen in den linken oberen Gliedmaßen bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen in den mittleren und unteren HWS-Segmenten und Zeichen einer sensiblen Nervenwurzelirritation C6 links sowie funktionelle Beschwerden im Bereich der Schulter-, Knie- und Hüftgelenke sowie der LWS ohne Hinweis auf gravierende Strukturschäden bestanden. Im genannten Zeitraum sei der Kläger in der Lage gewesen, leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden gewesen seien Arbeiten, die mit einem längeren Verharren in Zwangspositionen der HWS einhergingen, wie beispielsweise Arbeiten unter Akkord- und Fließbandbedingungen.

Der Kläger trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, die gutachterlichen Ergebnisse stünden im krassen Widerspruch zu den effektiv vorhandenen Beschwerden, insbesondere den intensiven dauerhaften Schmerzbelastungen. Seit der letzten Operation komme ein Taubheitsgefühl im linken Arm hinzu, und die Hand sei an allen Fingern, insbesondere an Daumen und Zeigefinger, kraftlos. Der Verwertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. B. widerspreche er. Dr. B. habe ihn menschenunwürdig und mit vorgefassten negativen Vorurteilen behandelt. Nach der Untersuchung durch den Sachverständigen sei er über Tage hinweg traumatisiert und blockiert gewesen. Zur weiteren Begründung hat er einen Befundbericht des Dr. P. vom 03.06.2016 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Dezember 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, auch unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren neu eingetretenen Befunde könne der Kläger durch entsprechende qualitative Arbeitseinschränkungen körperliche Tätigkeiten leichter bis mittelschwerer Art quantitativ uneingeschränkt ausüben. Die Kraftminderung im Bereich beider Hände führe nicht zu Einschränkungen in den Alltagsverrichtungen.

Mit den Beteiligten ist am 28.05.2015 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 12.12.2012 und die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Zur Überzeugung des Senats ist der Kläger unter Berücksichtigung seiner Erkrankungen insbesondere auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Bei ihm liegt aktuell nach der am 26.01.2015 erfolgten Revision der HWK C5/6 und 6/7 auf orthopädisch-neurologischem Fachgebiet noch ein Syndrom der HWS bei ausgeprägten degenerativen Veränderungen ohne neurologisch-radikuläre Symptomatik mit Bewegungseinschränkungen und Sensibilitätsstörung im Bereich C6 vor. Die deutlich degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS ergeben sich übereinstimmend aus den orthopädischen Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. H. sowie den Angaben der den Kläger behandelnden Fachärzte. Bei der Abschlussuntersuchung zum stationären Aufenthalt in den Sankt Rochus Kliniken fand sich bei dem Kläger laut Entlassungsbericht vom 18.03.2015 noch eine ausgeprägte Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der Trapeziusmuskulatur sowie des rechten Musculus sternocleidomastoideus. Der behandelnde Orthopäde Dr. S. hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 25.06.2015 ausgeführt, dass sich nach der Operation der HWS die in den linken Arm ausstrahlenden Schmerzen gebessert haben, jedoch noch eine deutliche Bewegungseinschränkung der HWS vorliegt sowie eine Schwäche beider Hände. Dr. B. konnte bei seiner neurologischen Untersuchung zwar eine Sensibilitätsstörung der linken Hand nachweisen. So war bei dem Kläger eine Hypästhesie im radialen Unterbereich links bis in die radiale Handpartie, einschließlich Daumen, Zeigefinger und radialseitigem Mittelfinger reproduzierbar. Die Kalt-/Warmdiskrimination sowie das Vibrationsempfinden waren dagegen erhalten. Der weitere sensible Status war ebenfalls regelrecht. Der Kläger gab bei der Untersuchung gegenüber Dr. B. ausdrücklich eine sensible Störung nur für die linke Seite sowie eine Kraftminderung ausschließlich der rechten Seite an. Die sowohl vom Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 21.12.2015 beschriebene Dauerkraftlosigkeit sämtlicher Finger der linken Hand und die von Dr. R. angegebene Schwäche der Muskulatur ebenfalls der linken Hand stehen somit im Widerspruch zu den gegenüber Dr. B. geäußerten Angaben des Klägers. Aber auch die von dem Kläger beschriebene Kraftminderung der rechten Hand ließ sich in der klinischen Untersuchung nicht nachweisen. Insbesondere ergab die Ulnaris-Neurographie der rechten Hand einen noch im Normalbereich anzusiedelnden Befund, der sich nach überzeugender Auffassung des Dr. B. nicht mit einer Handmuskelschwäche vereinbaren lässt. Überdies gibt Dr. B. an, der Kläger sei bei der Exploration auf ihn zugestürzt und habe ihn blitzschnell und kräftigst mit der rechten Faust treffsicher ins Gesicht geschlagen, so dass auf das Fehlen richtungsweisender motorischer oder Koordinationsstörungen geschlossen werden kann. Die von Dr. B. beabsichtigte Elektroneurographie konnte der Sachverständige nicht zum Abschluss bringen (Blatt 216 f. Berufungsakte). Schließlich hat Dr. B. in seinem Gutachten ausgeführt, dass sowohl der Bewegungsablauf des Klägers im sonstigen Verlauf der Untersuchung ungestört war und sich außerdem bei der Untersuchung keine Atrophien nachweisen ließen. Zudem besteht bei dem Kläger keine schwerere Einschränkung der Funktionsfähigkeit der beiden Hände im Sinne einer Daumenopposition. Dr. B. hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Entlassungsbericht vom 18.03.2015 das Vorliegen einer solchen Opposition zunächst an der rechten Hand, später an der linken Hand angibt. Bei seiner eigenen ambulanten Untersuchung war der Kläger zwischendurch in der Lage, Daumen und Kleinfingerkuppe bis zum Abstand von drei Millimetern anzunähern. Zudem äußerte Dr. B. in seinem Gutachten den Verdacht auf das Vorliegen eines rechtsseitigen Karpaltunnelsyndroms.

Darüber hinaus besteht bei dem Kläger ein Syndrom der LWS, für das Dr. B. bei seiner klinischen und elektrophysiologischen Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine neurologisch-radikuläre Symptomatik fand. Der Senat konnte sich nicht vom Vorliegen einer relevanten Arthrose der Kniegelenke überzeugen. In seinem Attest vom 14.02.2013 geht Dr. S. zwar vom Vorliegen einer initialen Gonarthrose des linken Knies aufgrund einer am 08.02.2011 durchgeführten Röntgenuntersuchung aus. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S., der den Kläger im August 2012 untersucht hat, hat den anlässlich dieser Untersuchung angefertigten Röntgenaufnahmen einen altersentsprechenden Befund des linken Kniegelenks mit lediglich geringer Gelenkspaltverschmälerung medialseitig entnommen und kommt somit nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass zumindest keine gravierende Gonarthrose vorliegt. Hinweise für eine Verschlechterung der medizinischen Situation im Hinblick auf das linke Knie im Laufe des Berufungsverfahrens ergeben sich nicht. Ebenso wenig sind den von Dr. S. veranlassten Röntgenaufnahmen des linken Hüftgelenks Hinweise für einen nicht altersentsprechenden Befund zu entnehmen. Im Zeitraum vor dem 26.01.2015 lagen bei dem Kläger über die genannten Gesundheitsstörungen hinaus Funktionsstörungen der HWS mit Schmerzen und Gefühlsstörungen in den linken oberen Gliedmaßen mit einer endgradigen radikulären Schmerzsymptomatik in den linken Arm bei deutlich eingeengtem Nervenwurzelkanal vor, wie dies von Dr. H. in seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 19.04.2016 unter Bezugnahme auf die Röntgenaufnahmen der HWS vom 10.08.2012 sowie der Kernspintomographie vom 28.04.2010 wiedergegeben wird. Diese Erkrankungen sind bei dem Kläger etwa im Jahr 2013 aufgetreten - denn es ergibt sich beispielsweise aus dem von Dr. S. mit seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 15.01.2014 vorgelegten Befundbericht des Dr. J. vom 12.03.2012 eine freie Beweglichkeit der HWS ohne Paresen und Sensibilitätsstörungen - und sind durch die am 26.01.2015 vorgenommene operative Erweiterung des Wirbelkanals beseitigt worden. So führte auch Dr. S. unter dem 25.06.2015 eine Besserung der in den linken Arm ausstrahlenden Schmerzen durch die Operation am 26.01.2015 an.

Die vom Kläger vorgetragenen Einwände stehen einer Verwertung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. B. nicht entgegen. Zwar darf ein Gericht das Ergebnis eines Gutachtens nicht einfach übernehmen, sondern muss es kritisch nachvollziehen und überprüfen. Bei Widersprüchen im Gutachten ist eine besonders kritische Würdigung erforderlich (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 128 Rn. 7). Im vorliegenden Fall hat der Kläger keine konkreten Einwände erhoben, die sich auf die Befunderhebung oder -auswertung beziehen. Er hat lediglich vorgetragen, Dr. B. habe ihn menschenunwürdig und mit vorgefassten negativen Urteilen behandelt, ohne die entsprechenden Ereignisse oder Äußerungen zu konkretisieren bzw. zu benennen, aufgrund deren er zu dieser Wertung kommt. Die Einwände des anwaltlich vertretenen Klägers waren auch nicht als Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen Dr. B. auszulegen. Schließlich hat sich der Kläger auf ein entsprechendes Hinweisschreiben der Berichterstatterin vom 12.02.2016 nicht mehr geäußert.

Daneben leidet der Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet im Wesentlichen an einer Dysthymia bei vielschichtigen und ausgeprägten Persönlichkeitsakzentuierungen, wie der Senat unter Auswertung des Gutachtens des Dr. B. feststellt. Der gerichtliche Sachverständige beobachtete bei seiner ambulanten Untersuchung im Januar 2016 bei dem Kläger dependente, auch unreife Persönlichkeitszüge bei nur geringer Konfliktfähigkeit, begrenzter Frustrationstoleranz und hi-strionischen Zügen. Das Vorliegen einer schwerwiegenderen depressiven Erkrankung, wie von dem behandelnden Facharzt Dr. P. (Zeugenaussage vom 07.08.2015: anhaltende mittel- bis schwergradige depressive Störung sowie Befundbericht vom 03.06.2016: anhaltende schwergradige depressive Störung) angenommen, konnte der Kläger dagegen nicht nachweisen. Die von ihm angeführten normabweichenden Befunde in Form von Konzentrationsstörungen, eingeengtem Denken, deutlich gedrückter Grundstimmung mit nur geringer Modulierbarkeit und deutlich reduziertem Antrieb konnten durch den unabhängigen Sachverständigen Dr. B. nicht bestätigt werden. Dieser beschrieb vielmehr ein geordnetes Denken, unauffällige Leistungen in Auffassung, Konzentration und Gedächtnis und eine lebendige Begleitgestik. Ferner betonte er, dass sich im Längsschnitt der Untersuchung erhebliche Inkonsistenzen im Verhalten des Klägers gezeigt haben. So beschrieb Dr. B. an mehreren Stellen im Gutachten einen (teilweise abrupten) Wechsel zwischen gequält wirkendem Auftreten einerseits und heiterer Grundstimmung andererseits (vgl. z.B. Blatt 189, 193, 194, 196 und 197 der Berufungsakte). Zudem wird aus den Ausführungen des Dr. P. nicht hinreichend deutlich, inwieweit seine Feststellungen auf subjektiven Angaben des Klägers und seinen Angehörigen beruhen. Auch Dr. S., der den Kläger bereits im November 2011 untersucht hatte, umschrieb diesen in seinem Gutachten vom 05.12.2011 als zu Beginn etwas angespannt, später jedoch recht lebhaft, auskunftsbereit und kooperativ. Er gab überdies einen unauffälligen Befund hinsichtlich des Bewusstseins, der Auffassung und der Konzentrationsfähigkeit an und konnte außerdem keine signifikante Antriebsminderung feststellen. Unter Berücksichtigung der von ihm ebenfalls beobachteten Grübelneigung und themenbezogenen Niedergestimmtheit ist die von ihm angegebene depressive Verstimmung im Sinne einer Anpassungsstörung schlüssig dargelegt. Für das Vorliegen eines isolierten chronischen Schmerzsyndroms, welches über die orthopädischen Gesundheitsstörungen hinausgeht, ergaben sich aus den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen keine diese Diagnose unterstützenden Befunde.

Mit diesen Erkrankungen ist der Kläger in seiner Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. So sind ihm sowohl zum aktuellen Zeitpunkt als auch vor der Operation am 26.01.2015 nur noch leichte bis allenfalls zeitweise mittelschwere Arbeiten gesundheitlich zumutbar ohne besondere Anforderungen an die Konfliktfähigkeit, ohne fordernde soziale Interaktion, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne Einsatz an unmittelbar gefährdenden Maschinen und nur zu ebener Erde. Aufgrund der orthopädischen Beeinträchtigungen sind dem Kläger keine Arbeiten mehr möglich mit häufigen Überkopfarbeiten, in Wirbelsäulenzwangshaltungen, in gebückter Körperhaltung und mit regelmäßigem Heben und Tragen schwerer Lasten, wobei das gelegentliche Heben und Tragen von Gegenständen bis 10 oder 15 kg in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung oder von 5 bis 8 kg in Rumpfvor- oder Seitneigung noch zumutbar ist. Diese Feststellungen stützen sich auf die schlüssigen Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. und Prof. Dr. S. auf orthopädischem Fachgebiet sowie Dr. S. und Dr. B. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.

Diese Gesundheitsstörungen zugrunde gelegt, sind die Sachverständigen jedoch übereinstimmend von einem noch mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen des Klägers für leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit hat der Kläger somit nicht nachgewiesen. Insbesondere konnte sich der Senat weder vom Vorliegen einer relevanten Einschränkung der kognitiven Funktionen überzeugen, die möglicherweise eine zeitlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit begründet hätten, noch ergibt sich aus dem Ausmaß der bei dem Kläger auftretenden Schmerzen eine eingeschränkte Durchhaltefähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 19.04.2016 darauf hingewiesen, dass er die Art und den Umfang der vom Kläger subjektiv empfundenen Schmerzen nicht objektivieren kann. Eine ambulante Untersuchung durch den Sachverständigen war im vorliegenden Fall nicht angezeigt, da Dr. H. vorrangig damit beauftragt worden war, Feststellungen zu dem präoperativen Zustand zu treffen. Aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. B. ergeben sich auch hinreichend Hinweise für eine nicht derart ausgeprägte Schmerzsymptomatik des Klägers, unabhängig davon, ob die Schmerzen organisch oder seelisch bedingt sind, dass diese eine zeitliche reduzierte Leistungsfähigkeit begründete. So ist dem Gutachten eine noch gut erhaltene Tagesstrukturierung mit ausreichenden Aktivitäten in den Bereichen Haushalt (Blatt 192 Berufungsakte), Mobilität (Blatt 188) sowie Freizeit- und Urlaubsverhalten (Blatt 190 und 194) zu entnehmen. Auf die Frage des Sachverständigen Dr. B., was der Kläger mit "mehr Geld" anfangen würde, gab der Kläger nach "Schuldentilgung" an, er würde noch mehr in Urlaub fahren bzw. das Geld in Reisen, beispielsweise nach Hamburg oder Berlin, investieren. Dies sowie die von Dr. B. erwähnte lebendige Begleitgestik an vielen Stellen der Exploration spricht für eine nicht wesentlich ausgeprägte Schmerzsymptomatik. Dass der Kläger möglicherweise häufig und punktuell an starken Schmerzen leidet, führt nicht zugleich zu der Annahme eines andauernden Schmerzzustand dieses Ausmaßes.

Eine zeitlich begrenzte Erwerbsminderung lag bei dem Kläger auch nicht in der Zeit unmittelbar nach den am 22.10.2013 und 26.01.2015 erfolgten Operationen vor. Der Sachverständige H. hat hierzu ausgeführt, dass nach den genannten Eingriffen der Kläger über einen Zeitraum von etwa drei Monaten nicht in der Lage gewesen war, im Erwerbsleben tätig zu sein. Der Nachweis für eine über sechs Monate andauernde Einschränkung der Leistungsfähigkeit ist dadurch nicht erbracht.

Mit diesen Einschränkungen lässt sich darüber hinaus weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch das Vorliegen einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung begründen. Zudem ist der Kläger wegefähig im rentenrechtlichen Sinne, so dass der Arbeitsmarkt für ihn trotz seiner eingeschränkten Einsetzbarkeit nicht verschlossen ist. Bei der Prüfung einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung sowie einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und hierbei Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen zu würdigen. Je mehr diese geeignet sind, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter ist die Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung zu begründen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 78/09 R (juris)). Hierbei ist auf der vom BSG vorgeschlagenen ersten Prüfstufe festzustellen, ob das Restleistungsvermögen des Klägers noch Tätigkeiten erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen (BSG, a.a.O.). In diesem Fall genügt die Benennung von Arbeitsfeldern, von Tätigkeiten der Art nach oder von geeigneten Tätigkeitsfeldern, die der Versicherte ausfüllen könnte. Im Falle des Klägers ist insbesondere zu prüfen, ob die Funktionsstörung der HWS, die nach den Ausführungen des Dr. H. Tätigkeiten ausschließt, in denen der Kläger längere Zeit in Zwangshaltungen der HWS zu verharren hat, und somit nach seiner Auffassung auch viele monotone Montage- und Sortierarbeiten, dem Kläger den Zugang zu den typischen Arbeitsplätzen körperlich leichter Art auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt versperrt. Dem steht aber gegenüber, dass die Durchführung von Montage- und Sortierarbeiten nicht zwingend mit einer solchen Zwangshaltung einhergeht, sondern im Regelfall auch die Möglichkeit bietet, zumindest kurzfristig eine ausgleichende Entlastungshaltung einzunehmen. Ein Verharren in Zwangshaltungen ist bei Montage-, Klebe- oder Sortierarbeiten regelmäßig nur bei Fließbandtätigkeiten anzunehmen, welche Dr. H. auch als qualitativ nicht mehr zumutbare Arbeiten angegeben hat, da diese Arbeiten mit solch einem Arbeitstempo durchzuführen sind, dass kein Raum mehr selbst für kurzzeitige Entlastungspositionen bleibt. Somit steht für den Senat fest, dass der Kläger auch bei einer Zusammenschau aller qualitativen Leistungsdefizite eine Vielzahl der oben genannten exemplarischen leichten Tätigkeiten, wie z.B. Sortierarbeiten, Maschinenbedienen, Zusammensetzen von Teilen, leichte Reinigungsarbeiten oder Klebearbeiten, durchführen kann. Die vom Kläger angegebene Kraftminderung der rechten Hand ließ sich bei den gutachterlichen Untersuchungen nicht objektivieren, so dass sich hieraus keine weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen herleiten lassen. Aus den festgestellten Sensibilitätsstörungen der linken Hand ergibt sich keine wesentliche Einschränkung für den rechtshändigen Kläger bei der Ausübung der aufgeführten Tätigkeiten. Schließlich ergeben sich auch aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigung der GNK-Klinik vom 25.06.2016 über Verletzungen am linken Ellbogen bei einem Treppensturz keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine hieraus folgende rentenrelevante Leistungseinschränkung des Klägers. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit, d.h. der Fähigkeit, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können, besteht schon deshalb nicht, da der Kläger über einen Pkw verfügt und diesen nach eigenen Angaben auch führt.

Da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist, kommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht.

Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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