L 4 R 1631/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 3433/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1631/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. März 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Mai 2012.

Der am 1964 geborene Kläger war ab Dezember 1980, unterbrochen von kürzeren Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges und einer Berufsausbildung zum Industriemechaniker (Maschinen- und Systemtechnik) von Mai 1992 bis Juni 1994 versicherungspflichtig beschäftigt bis September 2009. Danach war er unterbrochen von einer zweimonatigen Beschäftigung im Februar und März 2010 arbeitslos mit Bezug von Arbeitslosengeld, ab 1. Januar 2011 von Arbeitslosengeld II. Nach einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Schlosser von Mai bis Juli 2011 bezog er ab 1. August 2011 erneut Arbeitslosengeld II.

In der Zeit vom 6. Februar bis 1. März 2012 befand sich der Kläger in stationärer Rehabilitation in der F.-klinik B. B ... Im dortigen Entlassungsbericht vom 24. April 2012 diagnostizierte Prof. Dr. H. eine Lumboischialgie beidseits bei Bandscheibenvorfall L1/2, Bandscheibenprotrusion in Höhe L2/3, Halswirbelsäulen-Syndrom bei Bandscheibenprotrusion C4/5, C5/6, Gonalgien links, Impingement-Syndrom der linken Schulter (postkontusionelle Veränderungen im Humeruskopf) sowie kognitive Einschränkungen. Die Tätigkeit eines Schlossers könne der Kläger nicht mehr verrichten, wohl aber leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Gehen mehr als sechs Stunden täglich. Schweres Heben und Tragen, häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie häufiges Bücken sollten vermieden werden.

Am 21. Mai 2012 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2012, gestützt auf die Leistungsbeurteilung im Reha-Bericht von Prof. Dr. H., ablehnte, da der Kläger bei mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erwerbsgemindert sei.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches verwies der Kläger auf schwere Einschränkungen im Bereich der linken Schulter, der Bandscheiben und der Halswirbelsäule, im linken Knie sowie der verbalen Merkfähigkeit, der Konzentration und der Aufmerksamkeit; hinzu komme die Finger-Polyarthrose beider Hände. In dem vorgelegten Brief des Dipl.-Psych. J. vom 11. Juli 2012 über zwei ambulante Vorstellungen in der Klinik C. wurden neben einer Lumboischialgie und einem zervikalen Bandscheibenschaden ohne nähere Bezeichnung auch sonstige und nicht näher bezeichnete Symptome, die das Erkennungsvermögen und das Bewusstsein betreffen (ICD-10 R41.8), diagnostiziert.

Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger in ihrem sozialmedizinischen Zentrum am 6. November 2012 begutachten. In seinem Gutachten vom 12. November 2012 diagnostizierte Dr. S., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, eine Normvariante der Persönlichkeit mit psychasthenischen, histrionischen und emotional instabilen Zügen, eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine anamnestisch bekannte Carotis-Stenose rechts ohne neurologische oder psychische Auffälligkeiten. Körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien dem Kläger vollschichtig möglich. Besondere Belastungen an den Bewegungsapparat seien nicht zumutbar. Die Tätigkeiten sollten zudem geistig anspruchslos sein und keinen besonderen psychomentalen Stress beinhalten.

In seinem integrierenden Gutachten vom 20. November 2012 beschrieb Chirurg Dr. R. aufgrund einer Untersuchung ebenfalls am 6. November 2012 als Hauptdiagnosen eine Normvariante der Persönlichkeit bei psychasthenischen, histrionischen und emotional instabilen Zügen, eine somatoforme Schmerzstörung, chronische Wirbelsäulenbeschwerden bei leichten degenerativen Veränderungen und Bandscheibenprotrusionen mit leichter Funktionseinschränkung ohne Wurzelreizzeichen sowie einen beginnenden Kniegelenksverschleiß links ohne Reizzeichen oder Funktionseinschränkung. Als Nebendiagnosen nannte er ein beginnendes Engpass-Syndrom der linken Schulter ohne wesentliche Funktionsminderung, einen wiederkehrenden Weichteilreiz im Bereich der Ellenbogen (Epicondylitis radialis humeri), vorbeschriebene beginnende degenerative Fingergelenksveränderungen ohne wesentliche Gebrauchsminderung der Hände, zeitweilige Hüftbeschwerden ohne wesentliche degenerative Veränderungen, Senk-Spreiz-Fuß, beginnender Hallux valgus, Achillodynie beidseits, Kopfschmerzen sowie Ausschluss einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung. Unter Zusammensicht sämtlicher Veränderungen auch auf nervenärztlichen Gebiet könne der Kläger leichte bis mittelschwere Wechseltätigkeiten ohne gehobenen geistigen Anspruch und ohne besonderen psychomentalen Stress sechs Stunden und mehr täglich ausüben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2013 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Gestützt auf das Ergebnis der Begutachtung bestehe weder volle noch teilweise Erwerbsminderung.

Hiergegen erhob der Kläger am 25. Oktober 2013 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) und führte zur Begründung aus, entgegen der Darstellung im Gutachten von Dr. S. würden die vorliegenden Schmerzen nicht nur subjektiv empfunden, sondern bestünden tatsächlich. Vorgelegt wurden Arztbriefe von Dr. Ro., Oberärztin der Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums U., vom 18. März 2014 (Depression, chronisches Schmerzsyndrom, beginnender Finger-Polyarthrose Typ Bouchard), des Facharztes für Orthopädie Dr. W.-V. vom 21. Juni, 14. August und 23. Oktober 2012 sowie ein Arztbrief von Prof. Dr. Ei., Ärztlicher Direktor der A.-Klinik, Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie B.-B., vom 27. Januar 2015 über einen stationären Aufenthalt vom 8. bis 24. Januar 2015 (Diagnosen u.a. chronisches Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ, vorbekannte anhaltend somatoforme Schmerzstörung, mittel- bis hochgradige Depression mit Angst gemischt, degeneratives Wirbelsäulensyndrom).

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf sozialmedizinische Stellungnahmen des Facharztes für Innere Medizin Dr. Bu. vom 4. März 2014 und 5. Februar 2015 entgegen. Die Ablehnung einer stationären Therapie und die fehlende Durchführung einer ambulanten Schmerztherapie sprächen insgesamt für einen eher geringen Leidensdruck. Die Einschätzung des Sachverständigen Orthopäde Dr. Sc. (dazu unten) gründe ausschließlich auf der Beurteilung von Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichen und für ihn daher fachfremden Gebiet. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass Dr. Sc. einerseits ausführe, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewinn durchzuführen, was einem aufgehobenen Leistungsvermögen entspreche, andererseits aber leichte Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden für möglich erachte. Bei Kenntnis der Aktenlage und der Vorgutachten erscheine die Aussage, fast sämtliche Therapiemöglichkeiten seien durchgeführt worden, unverständlich. Ein Abgleich zwischen subjektiven Angaben und objektiven Befunde fehle. Die Notwendigkeit vermehrter Arbeitspausen werde weder erläutert noch begründet. Ausführliche Angaben zum Tagesablauf und zum Freizeitverhalten fehlten.

Das SG holte zunächst schriftliche Stellungnahmen der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen ein. Allgemeinmediziner Dr. U. sah den Kläger aufgrund der degenerativen multisegmentalen Wirbelsäulenerkrankungen sowie mittelgradigen depressiven Episoden mit Angststörung bei chronischem Schmerzsyndrom nicht mehr in der Lage, auch leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten (Stellungnahme vom 23. Januar 2014). Beigelegt wurden u.a. Arztbriefe vom 3. Dezember 2012 (Dr. D., Arzt für Neurologie und Psychiatrie: bei rezidivierender Lumboischialgie klinisch kein Anhalt weder für eine proximale noch eine periphere Wurzelschädigung), vom 29. April 2013 (Dr. En., Internist und Kardiologe: kein Hinweis auf abklärungsbedürftige koronare Herzkrankheit; Belastungs-EKG bis 150 W ohne ischämietypische ST-Streckensenkungen oder Herzrhythmusstörungen) und vom 30. Oktober 2013 (Dr. Z., Internist und Rheumatologe: kein sicherer Hinweis für eine entzündliche rheumatische Erkrankung respektive Spondylarthritis). Dr. Hum., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, beschrieb eine kognitive Einschränkung, eine depressive Anpassungsstörung (mittelgradige depressive Episode), ca. 30-40%ige Arteria-carotis-Stenose rechts, ein chronisches Schmerzsyndrom (Differentialdiagnose somatoforme Schmerzstörung) sowie einen – von ihm nicht untersuchten – Tinnitus. Ein Antriebsdefizit, eine Schlafstörung, Grübelneigung und eine kognitive Einschränkung führten zu Einschränkungen bei allen Tätigkeiten (Stellungnahme vom 28. Januar 2014). Dr. Ma., Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie, gab eine Tendomylgia generalisata, ein Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Änderungen und Blockierungen, Epicondylitis beidseits, Tinnitus beidseits, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie Arthropathie bei Innenmeniskusläsion an. Es bestehe eine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit sowie einer Einschränkung der Gehfähigkeit (Stellungnahme vom 10. Februar 2014).

Das SG bestellte den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ku. zum gerichtlichen Sachverständigen. Aufgrund einer Untersuchung am 18. Juni 2014 stellte dieser in seinem Gutachten vom 1. Juli 2014 die Diagnosen Angst und depressive Störung gemischt sowie anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Beim Kläger bestehe ein generalisiertes Schmerzsyndrom mit vorwiegend psychischen Ursachen im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung und subjektive kognitive Einschränkungen, für die sich kein ausreichendes organisches Korrelat gefunden habe und die als überwiegend psychogenen-somatoformen einzustufen sein dürften. Tendenzen zu einer Aggravation erschienen aber nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen. Bei entsprechender Intensivierung der psychosomatisch-psychiatrischen Therapie (z.B. psychosomatische Rehabilitations- oder tagesklinische Behandlung) könne der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Kleben und Verpacken mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Für die subjektiv angegebenen Schmerzen beim Gehen bestehe kein objektives Korrelat. Der Kläger könne viermal täglich mehr als 500 m zu Fuß zurücklegen, öffentliche Verkehrsmittel und seinen PKW benutzen. Die Leistungsbeurteilung bestehe zunächst unabhängig von den genannten therapeutischen Optionen. Hinsichtlich der Leistungsbeurteilung sei dem Gutachten von Dr. S. weitgehend zuzustimmen.

Auf Antrag des Klägers beauftragte das SG Dr. Sc. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens, das dieser aufgrund einer Untersuchung am 19. November 2014 unter dem 1. Dezember 2014 erstattete. Dieser diagnostizierte Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10 F 41.2), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F 45.41), eine Tendinose der Achillessehne beidseits, beginnende Gonarthrose beidseits, ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom ohne sensomotorische Ausfälle, ein pseudoradikuläres Halswirbelsäulensyndrom ohne sensomotorische Ausfälle, eine beginnende Fingerpolyarthrose sowie eine Epicondylopathia humeri radialis beidseits im Rahmen eines Fibromyalgiesyndroms. Dem Kläger seien noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne höhere Hebe- und Tragebelastung, vornübergebeugtes Arbeiten und Über-Kopf-Arbeiten zumutbar. Tätigkeiten mit ausschließlichen Gehphasen sollten unterlassen, solche mit längerer Sitzphase ebenfalls zeitweilig unterbrochen werden. Tätigkeiten mit Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben und Sortieren sowie Verpacken und Zusammensetzen von Teilen könnten kurzfristig durchgeführt werden, jedoch lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich, wobei dies aktuell auf Kosten der Restgesundheit geschehe. Aktuell seien vermehrte Arbeitspausen notwendig wie fünfmal 20 Minuten. Der Arbeitsplatz erfordere eine ergonomische Anpassung. Die Gehfähigkeit sei aus rein orthopädischer Sicht in keiner Weise eingeschränkt. Es bestehe begründete Aussicht, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers durch Intensivierung der Behandlung in einem Zeitraum von zwei Jahren verbessern werde.

Mit Urteil vom 27. März 2015 wies das SG die Klage ab. Den Einschätzungen von Dr. Ku. sowie Prof. Dr. H., Dr. S. und Dr. R. folgend, verneinte es eine volle oder teilweise Erwerbsminderung. Der Kläger könne unter Beachtung qualitativer Ausschlüsse leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Angesichts deutlicher Aggravationstendenzen könne sich die Kammer auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger tatsächlich in erheblicher Weise durch Schmerzen eingeschränkt sei. Der abweichenden Einschätzung von Dr. Sc. könne nicht gefolgt werden. Dieser stütze sich maßgeblich auf Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet, das er nicht fachärztlich beurteilen könne. Darüber hinaus weise das Gutachten innere Widersprüche auf.

Gegen dieses ihm am 15. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. April 2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung vorgetragen, das SG habe nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt. So werde der Entlassungsbericht der A.-Kliniken B. B. vom 27. Januar 2015 nicht erwähnt. Dieser gebe jedoch einen auffälligen psychopathologischen Befund wieder. Zu Unrecht sei das SG der Einschätzung von Dr. Sc. nicht gefolgt. Im Ergebnis stütze sich dieser Sachverständige auf die von ihm festgestellte Schmerzstörung im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms. Insoweit habe er sich nicht fachfremd geäußert, da diese Diagnose nicht in das psychiatrische Fachgebiet falle. Der vom SG angenommene innere Widerspruch liege ebenfalls nicht vor. Dr. Sc. habe deutlich gemacht, die momentan möglichen Tätigkeiten könne er (der Kläger) nur drei bis unter sechs Stunden täglich durchführen, wobei dies aktuell auf Kosten der Restgesundheit geschehe. Daher stehe seine weitere Beurteilung, er könne keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichten, hierzu nicht in Widerspruch. Das SG habe die Einwendungen von Dr. Bu. weitestgehend unkritisch übernommen, obwohl die dort aufgezeigten, vermeintlichen Widersprüche im Gutachten von Dr. Sc. tatsächlich nicht vorlägen. Dr. Ku. habe hingegen seine (des Klägers) Schmerzerkrankung nicht ausreichend berücksichtigt. Dr. Hum. bestätige in seiner Aussage als sachverständiger Zeuge im Berufungsverfahren (dazu unten) sein Vorbringen. Entgegen der Annahme des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G., Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Kreiskliniken E. (dazu unten), habe er nicht aggraviert, vielmehr habe ihn dieser durcheinandergebracht. Der Kläger hat einen Arztbrief von Dr. Ki. vom 5. August 2015 über eine Kernspintomographie des Kopfes sowie ein Attest des hausärztlich behandelnden Arztes für Innere Medizin Dr. Ka. vom 26. April 2016 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. März 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2013 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Mai 2012 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und hat ergänzend unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. Bu. vom 10. Dezember 2015 ausgeführt, Dr. Hum. habe keine Angaben zur Häufigkeit der Vorstellungen gemacht. Die letzte Vorstellung sei fast vier Monate vor Erstellung der Zeugenaussage erfolgt. Gehäufte Vorstellungen beim Nervenarzt lägen daher nicht vor. Unter Berücksichtigung einer geltend gemachten mittelgradigen depressiven Störung erscheine dies in keiner Weise verständlich und nachvollziehbar. Die Diagnosestellung sei nicht verständlich. Die Diagnose Angst und depressive Störung gemischt werde gestellt, wenn weder Angst noch depressive Störung im Vordergrund stünden und es sich jeweils nur um geringfügige Störungen handle, so dass die weiter gestellte Diagnose einer mittelgradigen depressiven Störung widersprüchlich sei.

Der Senat hat zunächst Dr. Hum. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat unter dem 28. Oktober 2015 ausgeführt, beim Kläger liege Angst und depressive Störung, gemischt, vor, wobei die depressive Störung derzeit mittelgradig ausgeprägt sein. Zudem bestehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung vom Fibromyalgie-Typ und eine kognitive Einschränkung. Er hat unter anderem seinen Arztbrief vom 9. Juli 2015 beigefügt.

Der Senat hat Dr. G. zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt. Dieser hat in seinem aufgrund ambulanter Untersuchungen am 21. und 24. März 2016 unter dem 28. März 2016 erstellten Gutachten die Diagnose einer Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren gestellt. Von Aggravation sei psychiatrischerseits auszugehen. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Vermieden werden sollten Tätigkeiten, die mit schwerem Heben, Zwangshaltungen, Überkopfarbeiten, Nässe und Kälte einhergingen. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht notwendig. Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsweges bestünden nicht.

Mit Schreiben vom 4. Mai 2005 hat der Berichterstatter die Beteiligten auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung und die Absicht hingewiesen, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, da dieser Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

3. Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 1. Mai 2012, nicht hingegen eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Eine solche macht der 1964 geborene Kläger zu Recht nicht geltend (§ 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 1. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2013.

4. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2012.

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Kläger in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihm gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern seine berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

(1) Beim Kläger bestehen auf orthopädischem Fachgebiet chronische Beschwerden an der Hals- und Lendenwirbelsäule bei leichten degenerativen Veränderungen und Bandscheibenprotrusion mit leichter Funktionseinschränkung ohne Wurzelreizzeichen, ein beginnender Kniegelenksverschleiß links ohne Reizzeichen oder Funktionseinschränkung, ein beginnendes Engpass-Syndrom der linken Schulter ohne wesentliche Funktionsminderung, ein wiederkehrender Weichteilreiz im Bereich der Ellenbogen (Epicondylitis radialis humeri), beginnende degenerative Fingergelenksveränderungen ohne wesentliche Gebrauchsminderung der Hände, zeitweilige Hüftbeschwerden ohne wesentliche degenerative Veränderungen, Senk-Spreiz-Fuß, ein beginnender Hallux valgus sowie eine Achillodynie beidseits. Der Senat entnimmt dies dem Entlassungsbericht von Prof. Dr. H. vom 24. April 2012 sowie dem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten von Dr. R., die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Abweichendes ergibt sich nicht aus der Stellungnahme von Dr. Ma. vom 10. Februar 2014. Der im Klageverfahren auf Antrag des Klägers gutachtende Dr. Sc. kommt unter rein orthopädischen Gesichtspunkten zu keinem anderen Ergebnis. Bereits im Arztbrief vom 3. Dezember 2012 gab Dr. D. an, dass bei rezidivierender Lumboischialgie klinisch kein Anhalt für eine proximale oder eine periphere Wurzelschädigung bestehe. Dies deckt sich mit den später durchgeführten neurologischen Befunderhebungen durch Dr. S., Dr. Ku. und Dr. G ... Eine entzündliche rheumatische Erkrankung respektive eine Spondylarthritis konnte nicht festgestellt werden (Arztbrief von Dr. Z. vom 30. Oktober 2013).

Die von Dr. Hum. angegebene arteria-carotis-Stenose rechts ist nach dem Ergebnis der Dopplersonographie hämodynamisch nicht relevant. Dies entnimmt der Senat der überzeugenden Darstellung von Dr. Ku ... Abweichendes ergibt sich aus den weiteren ärztlichen Stellungnahmen nicht.

Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht eine Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren. Der Senat stützt sich insoweit auf die überzeugenden Ausführungen im Gutachten von Dr. G ... Zu Recht hat dieser darauf hingewiesen, dass die Diagnose Angst und depressive Störung, gemischt, neben einer mittelgradigen depressiven Symptomatik einen Widerspruch darstellt. Bereits definitionsgemäß ist diese Diagnose nach ICD-10 F41.2 nur zu stellen, wenn keine der beiden Störungen eindeutig vorherrscht und keine für sich genommen eine eigenständige Diagnose rechtfertigt. Bei einer mittelgradigen Ausprägung der depressiven Störung wäre dies nicht mehr gegeben. Diese von Dr. Hum. in seiner Stellungnahme vom 28. Oktober 2015 und im Bericht von Prof. Dr. Ei. vom 27. Januar 2015 gewählte diagnostische Zuordnung, die zugleich den Schweregrad der Gesundheitsstörung umfasst, ist daher nicht nachvollziehbar. Der von Dr. Hum. mitgeteilte Befund enthält keine Quantifizierung der angegeben Funktionseinschränkungen. So gibt er eine eingeschränkte affektive Schwingungsdefizit oder eine Antriebsstörung an, ohne deren Ausmaß näher zu bestimmen. Es finden sich keine Aussagen zur Alltagsgestaltung, die Aufschluss über das Ausmaß der Beeinträchtigung einerseits und der verbliebenen Ressourcen andererseits geben könnten. Gleiches gilt im Wesentlichen für den Bericht von Prof. Dr. Ei. vom 27. Januar 2015. Hierin wird der Kläger beispielsweise – ohne nähere Konkretisierung – als "reduziert" in Psychomotorik, Mimik, Schwingungsfähigkeit und Antrieb beschrieben. Die Frage, inwieweit das ausdrücklich erwähnte gepflegte äußere Erscheinungsbild mit dem angegebenen Schweregrad einer depressiven Störung vereinbar ist, wird nicht problematisiert. Darüber hinaus hat Dr. G. überzeugend darauf hingewiesen, dass die im Bericht vom 27. Januar 2015 angeführten Derealisationen weder durch die Angaben des Klägers noch durch die in den Akten vorhandenen medizinischen Unterlagen belegt sind. Im Bericht von Dr. Ro. vom 18. März 2014 wurde zwar die Diagnose einer – nicht näher bestimmten – Depression angegeben, Befunde hierzu finden sich jedoch nicht. Gleichwohl steht für den Senat fest, dass beim Kläger durchaus eine depressive Symptomatik bestand und besteht. Bereits Dr. S. gab einen depressiven Verstimmungszustand während der gesamten dortigen Exploration und Untersuchung an. Dr. Ku. beschrieb den Kläger als affektiv flach, klagsam-depressiv verstimmt mit ausgeprägter Affektlabilität. Eine zwischenzeitliche Auflockerung war jedoch möglich. Es bestand eine deutliche Antriebsminderung. Bei der Untersuchung durch Dr. G. zeigte sich der Kläger in der Stimmung gleichbleibend moros-verstimmt, schlecht gelaunt mit eingeschränkter, aber nicht aufgehobener affektiver Schwingungsfähigkeit und themenabhängiger, kontrolliert wirkender Affektlabilität. Suizidgedanken wurden verneint. Nach den Angaben in der dortigen Untersuchung verrichtet er mit Ausnahme der Kehrwoche sowohl seinen Haushalt als auch das Einkaufen selbst und alleine. Zum Wäschewaschen trägt er die Schmutzwäsche in den Keller. Frühere Hobbys hat er aufgegeben, seine Freizeit verbringt er zu Hause, sieht ein wenig Fernsehen und surft manchmal im Internet. Es besteht Kontakt zu seiner früheren Lebensgefährtin, seinem Bruder und weiteren Bekannten. Ein vollständiger sozialer Rückzug liegt somit ebenso wenig vor wie eine Unfähigkeit, den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden. Dies deckt sich mit den Erhebungen von Dr. H. und auch von Dr. Ku., wonach der Kläger seinen Haushalt überwiegend alleine versorgt, weiterhin – wenn auch gegenüber früher eingeschränkt – Kontakte zu Stammtischfreunden und zur Nachbarschaft hat. Der Senat folgt den danach überzeugenden Beurteilungen von Dr. S., Dr. Ku. und Dr. G., dass eine mittelgradige depressive Störung noch nicht vorliegt.

Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit psychischen und somatischen Faktoren entnimmt der Senat neben den überzeugenden Ausführungen von Dr. G. auch den Gutachten von Dr. S. und Dr. Ku ... Dieselbe Diagnose wird von Dr. Sc. gestellt; im Bericht von Prof. Dr. Ei. findet sich mit der Diagnose eines chronischen Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ (vorbekannte anhaltend somatoforme Schmerzstörung) ebenfalls die Bezeichnung eines durch körperliche Gesundheitsstörungen nicht ausreichend erklärbaren Schmerzerlebens.

Kognitive Einschränkungen im Sinne von Störungen der Merkfähigkeit und der Konzentration wurden von Dr. H. diagnostiziert und später auch von Dr. Hum. ohne nähere Beschreibung angegeben. Im Bericht von Dr. Ei. vom 27. Januar 2015 wurde wegen einer deutlichen kognitiven Einbuße eine weitere Diagnostik empfohlen. Diese erfolgte am 5. August 2015 durch Kernspinntomographie des Kopfes, die keinen pathologischen Befund ergab (Arztbrief von Dr. Ki. vom 5. August 2015). Dagegen wies der formale und inhaltliche Denkablauf bei der Untersuchung durch Dr. S. keine Besonderheiten auf; kognitive Störungen konnten nicht erhoben werden. Dr. Ku. konnte ebenfalls keine gravierenden kognitiven Ausfälle oder Störungen der Merkfähigkeit feststellen bei lediglich mäßigen Einschränkungen des Konzentrationsvermögens und erhöhter Ablenkbarkeit, insgesamt aber zusammenhängender Art der Beschwerdeschilderung. Bei Dr. G. zeigte der Kläger keine konsistenten, nachvollziehbaren, reproduzierbaren kognitiven Störungen, die psychiatrisch erklärbar wären. Nach angeblicher Behauptung, ein vom Sachverständigen erfragtes Datum nicht benennen zu können, gelang es ihm dann doch. Während er auf Fragen des Sachverständigen knapp und meist mit einer langen Latenz zunächst ausweichend antwortete, konnte er auf Nachfragen konkreter werden. Bei eigenen Ausführungen sprach er hingegen in ganzen Sätzen. Im Brief des Dipl.-Psych. J. vom 11. Juli 2012 wurde im Syndrom-Kurztest (SKT) zwar eine mittelschwere Ausprägung eines organischen Psychosyndroms im Sinne einer schweren Gedächtnisstörung mit mittelschwerer Aufmerksamkeitsstörung beschrieben. Überzeugend hat jedoch Dr. Ku. einschränkend darauf hingewiesen, dass sich andererseits im dort ebenfalls durchgeführten Word Memory Test (WMT) Hinweise auf eine unvollständige Leistungserbringung zeigten. So wurde auch im genannten Brief ausgeführt, die Werte wiesen darauf hin, dass der Kläger am Untersuchungstag nicht sein bestmögliches Niveau erreicht habe. Der Senat kann daher unter Berücksichtigung aller vorliegenden Unterlagen zugunsten des Klägers davon ausgehen, dass Störungen der Merkfähigkeit und der Konzentration bestehen, aber nicht in höherem Maße.

Relevante Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet bestehen nicht. Dies entnimmt der Senat dem Arztbrief von Dr. En. vom 29. April 2013. Danach ergab sich kein Hinweis auf eine abklärungsbedürftige koronare Herzkrankheit. Das Belastungs-EKG konnte bis 150 W durchgeführt werden, ohne dass ischämietypische ST-Streckensenkungen oder Herzrhythmusstörungen) und vom 30. Oktober 2013 (Dr. Z., Internist und Rheumatologe: kein sicherer Hinweis für eine entzündliche rheumatische Erkrankung respektive Spondylarthritis).

(2) Aus dem beim Kläger als relevant zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen ergeben sich nach Ansicht des Senats qualitative Einschränkungen. Der Senat stützt sich insoweit auf den Reha-Entlassungsbericht von Dr. H. und die Gutachten von Dr. S., Dr. R., Dr. Ku. und Dr. G ... Aufgrund der orthopädischen Gesundheitsstörungen sind körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen oder Gehen zumutbar. Schweres Heben und Tragen, häufige Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie häufiges Bücken sind zu vermeiden. Auch Dr. Sc. hat unter rein orthopädischer Betrachtung lediglich einen Ausschluss von Überkopfarbeiten formuliert, den der Senat – in Übereinstimmung auch mit der Einschätzung von Dr. G. – zugunsten des Klägers seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Gehfähigkeit des Klägers ist durch die orthopädischen Gesundheitsstörungen nicht beeinträchtigt oder eingeschränkt. Dies ergibt sich aus den von Dr. H. und Dr. R. erhobenen, unauffälligen Befunden an den unteren Extremitäten und wird auch von Dr. Sc. ausdrücklich bestätigt. Die Fingerpolyarthrose mit Deformierung der PIP-Gelenke führt zu keiner weiteren Einschränkung, da insoweit noch keine Funktionsbeeinträchtigungen bestehen. Dr. H. und Dr. R. beschreiben den Faustschluss und die Fingerstreckung als vollständig möglich. Auch bei Dr. Sc. fanden sich die Fingergelenke frei beweglich. Grob-, Fein-, Schlüssel- und Koffergriff waren ebenso durchführbar wie die Daumenopposition. Der Faustschluss war komplett mit uneingeschränktem Kraftgrad.

Die psychischen Gesundheitsstörungen schließen Tätigkeiten mit besonderem psychomentalen Stress und besonderen geistigen Anforderungen aus. Der Senat folgt dabei der Einschätzung von Dr. S. und Dr. Ku. und trägt damit den nicht auszuschließenden, aber nicht gravierenden kognitiven Einschränkungen Rechnung. Darüber hinausgehend hat Dr. G. keine psychisch bedingten Ausschlüsse formuliert.

(3) Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögens auf ein unter sechsstündiges Maß; der Kläger ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit auf den Reha-Entlassungsbericht von Dr. H. und die Gutachten von Dr. S., Dr. R., Dr. Ku. und Dr. G ... Zweifel an dieser Einschätzung ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten von Dr. Sc ... In diesem wird in Ansehung der orthopädischen Gesundheitsstörungen ausdrücklich ein vollschichtiges Leistungsvermögens des Klägers für leichte Tätigkeiten beschrieben. Angesichts der dokumentierten Befunde ist dies überzeugend. Da klinisch lediglich leichte Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule und keine Wurzelreizzeichen bestanden, beschrieb bereits Dr. R. die Belastbarkeit der Wirbelsäule nachvollziehbar als noch nicht wesentlich eingeschränkt. Abweichende Befunde hat Dr. Sc. nicht erhoben. Angegebene Sensibilitätsstörungen der Oberschenkel erlaubten keine exakte Dermatomzuordnung. Motorik und Reflexstatus zeigten sich unauffällig. Es bestanden keine Atrophien. Das Zeichen nach Lasègue war beidseits negativ. Der Kläger ging zwar an zwei Unterarmgehstützen mit vornüber gebeugter Körperhaltung. Zehenspitzen- und Fersenstand waren jedoch mit Anhalten an der Wand durchführbar. Während der Kläger in vornüber gebeugter Körperhaltung stand, konnte er sich auf Aufforderung hin komplett aufrichten. Dies zeigte sich auch beim Be- und Entkleiden. Die Bewegungsmuster waren dabei langsam, aber insgesamt korrekt. Aktiv gezeigte Bewegungseinschränkungen waren bei passiver Prüfung nicht vorhanden. An den Kniegelenken fanden sich weder Bewegungseinschränkungen noch ein Erguss oder eine Schwellung. Entzündungszeichen waren nicht vorhanden. Die Seitenbänder wurden im Vergleich beidseits stabil angegeben.

Die psychischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen – auch in der Zusammenschau mit den orthopädischen – keine Einschränkung auf ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen. Der Senat folgt auch insoweit den übereinstimmenden Einschätzungen von Dr. G., Dr. S. und Dr. Ku ... Entgegen der Ansicht des Klägers hat letzterer ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen nicht erst nach erfolgreicher Intensivierung der Behandlung angenommen. Wenn auch seine Antwort auf die entsprechende Beweisfrage, isoliert betrachtet, zunächst in diesem Sinne verstanden werden könnte, hat Dr. Ku. dies im weiteren Verlauf seines Gutachtens klargestellt. So hat er ausdrücklich ausgeführt, die Leistungsbeurteilung bestehe zunächst unabhängig von den genannten therapeutischen Optionen; hinsichtlich der Leistungsbeurteilung sei dem – ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen beschreibenden – Gutachten von Dr. S. zuzustimmen. Angesichts der gestellten Diagnosen und erhobenen Befunde ist diese übereinstimmende Beurteilung der nervenärztlichen Gutachter überzeugend. Die depressive Störung erreicht, wie oben dargelegt, nicht eine mittelgradige Schwere und begründet daher nach schlüssiger Wertung von Dr. G., Dr. Ku. und Dr. S. keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Eine solche ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der somatoformen Schmerzstörung. Der abweichenden Auffassung von Dr. Sc. vermag der Senat nicht zu folgen. Ausdrücklich stützt er die Leistungseinschätzung nicht auf orthopädische Gesundheitsstörungen, sondern auf die Schmerzsymptomatik. Diese ordnet er, wie aus der angeführten Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung ersichtlich, selbst dem psychiatrischen Fachgebiet zu, so dass er eine fachfremde Beurteilung trifft. Diese überzeugt auch im Übrigen nicht. Entscheidend stützt sich Dr. Sc. auf seinen Eindruck, der Kläger leide wirklich unter seinen Schmerzen effektiv und bekomme sein Leben so nicht mehr in den Griff. Dies bedeute, dass er unter zumutbarer Willensanspannung nicht mehr in der Lage sei, sein Leben zu strukturieren und durchzuführen und sein Denken über das Schmerzgeschehen zu schalten. Diese Umstände hat Dr. Sc. jedoch nicht hinterfragt und objektiviert, obwohl ihm aufgrund des Akteninhalts und seiner eigenen Untersuchung Inkonsistenzen in der Beschwerdedarstellung des Klägers bekannt waren. Die insoweit erforderliche Konsistenzprüfung (vgl. Knittel, SGb 2016, 124, 126) der Angaben des Klägers ist offenbar nicht erfolgt. Eine solche ist jedoch gerade bei Schmerzangaben im Rahmen eines Rentenverfahrens notwendig. Ausführliche Angaben zum Tagesablauf und zum Freizeitverhalten fehlen. Auffällige Abweichungen zwischen demonstrierter aktiver und passiv erreichbarer Beweglichkeit (z.B. Armhebung aktiv bis 90°, passiv ohne Einschränkung) sowie korrekte Bewegungsmuster beim An- und Auskleiden gegenüber sonst kataton anmutenden Bewegungen werden nicht ausreichend hinterfragt. Gleiches gilt im Ergebnis für die Beurteilung im Bericht von Prof. Dr. Ei., der Kläger könne keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten. Eine Konsistenzprüfung anhand der alltäglichen Lebensgestaltung ist hier ebenfalls nicht erfolgt. Aus denselben Gründen sind auch die Einschätzungen von Dr. Ka. und Dr. Ma. nicht nachvollziehbar.

Dagegen beschrieb bereits Dr. S. beschwerdebetonte und wohl auch rententendenziöse Züge. Während sich der Kläger bei der dortigen Untersuchung auf eine Krücke stützte, erschien er bei der späteren durch Dr. R. ohne. Im Gegensatz zur Untersuchung bei Dr. Sc. demonstrierte der Kläger – bei gleichbleibenden objektiven Befunden – bei Dr. R. noch aktiv und passiv lediglich endgradige Funktionseinschränkungen. Kraftminderungen oder Muskelverschmächtigungen als Schonungszeichen werden von keinem Gutachter beschrieben. Zur Untersuchung bei Dr. G. erschien er an Krücken. Beim Betreten des Arztzimmers stellte er diese jedoch ab und ging frei zum Stuhl. Im zweiten Termin kam er, ohne die Krücken zu benutzen, vom Wartebereich ins Zimmer. Dabei hielt er die Krücken und seinen Rucksack in der Hand. Nach seinen Angaben bei der dortigen Untersuchung ist er in der Lage, zu Hause zum Wäschewaschen die Schmutzwäsche in den Keller zu tragen. Die Beschwerdeschilderung wirkte auch für Dr. Ku. hinsichtlich der Schmerzen bei sehr appellativem Verhalten nicht immer voll nachvollziehbar. Auf die Auffälligkeiten im Rahmen der testpsychologischen Untersuchung in der Klinik C. wurde bereits oben hingewiesen. Der bei Dr. Ku. in der Selbstbeurteilungsskala hinsichtlich depressiver Items erzielte Score markierte einen Wert aus dem Schweregrad des depressiven Bereich, der nach dem psychopathologischen Befund nicht zu erwarten gewesen war. Bei erhaltenem Auskunftsvermögen und den erhaltenen kognitiven Fähigkeiten war das schlechte Ergebnis in der Demenztestung mit einem Wert bereits aus dem gravierend dementiellen Bereich (DemTect-Score von 5) nach schlüssiger Darstellung von Dr. Ku. nicht nachzuvollziehen und verdächtig im Sinne einer unvollständigen Leistungserbringung. Nachvollziehbar hat auch Dr. G. dargelegt, dass bei dem Beschwerdevortrag in der dortigen Untersuchung von Aggravation ausgegangen werden muss. So gab der Kläger bei der ersten Untersuchung an, die Fahrt dorthin sei unauffällig gewesen, im zweiten Termin jedoch, nur mit Mühe und Not angekommen zu sein. Besondere Umstände wurden insoweit jedoch nicht berichtet. Dr. G. beschreibt die Angaben des Klägers in der Untersuchung als weder konsistent noch durchgehend nachvollziehbar. Insbesondere aber konnte aus psychiatrischer Sicht nicht nachvollzogen werden, welche Veränderungen in den letzten Jahren abweichende Angaben im Vergleich zu den Vorgutachten erklären könnten. Während er gegenüber der G. keine Angaben zur Schmerzqualität machen konnte, hatte er solche Angaben ausweislich des dortigen Berichtes von Prof. Dr. Ei. in der A.-Klinik gemacht. Der Kläger zeigte bei Dr. G. keine konsistenten, nachvollziehbaren, reproduzierbaren kognitiven Störungen, die psychiatrisch erklärbar wären. Dass der Kläger nunmehr zur Untersuchung bei Dr. G. – erstmals – in hygienisch leicht vernachlässigten Zustand auftrat, während er bei der Untersuchung durch Dr. Sc. noch sehr gepflegt war, war nach überzeugender Darstellung von Dr. G. psychiatrisch nicht nachvollziehbar. Die selbständige Haushaltsführung und die erhaltenen sozialen Kontakte zeigen, dass der Kläger trotz der demonstrierten Schmerzbelastung noch über Ressourcen zur Alltagsbewältigung verfügt. Schlüssig geht Dr. G. von einem widersprüchlichen, demonstrativen und interessegeleiteten Verhalten des Klägers aus. Da somit von Aggravation auszugehen war, können keine psychiatrischen Gründe angeführt werden, die dagegen sprechen, dass der Kläger sich auch anders verhalten könnte.

(4) Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob der Kläger mit dem ihm verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat wie zuvor dargelegt.

(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen des Klägers (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist beim Kläger vorhanden. Zusätzliche Arbeitspausen, wie von Dr. Sc. angenommen, sind nicht notwendig. Die mit der Schmerzerkrankung begründete Annahme ist aus oben genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Auch insoweit stützt sich der Senat insbesondere auf die überzeugende Einschätzung von Dr. G ...

(6) Auch die Wegefähigkeit des Klägers war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Der Kläger ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit des Klägers sprechen. Die gegenteilige, mit der Schmerzerkrankung begründete Auffassung von Dr. Sc. und Dr. Ma. überzeugt aus den o.g. Gründen nicht. Im Übrigen ist der Kläger im Alltag mit seinem Pkw mobil.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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