L 4 KR 1675/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2455/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1675/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. April 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Krankengeld über den 15. März 2015 hinaus bis zum Erreichen des maximalen Krankengeldanspruchs von 76 Wochen (11. September 2016).

Die Klägerin ist am 1972 geboren. Sie bezog bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 10. März 2015 Arbeitslosengeld I und war deswegen bei der Beklagten krankenversichert. Wegen Erschöpfung des Anspruchs meldete die Agentur für Arbeit die Klägerin bei der Beklagten zum 10. März 2015 ab. Über einen Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente war am 16. März 2015 noch nicht bestandskräftig entschieden.

Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. H./Dr. W. bescheinigten der Klägerin am 2. März 2015 Arbeitsunfähigkeit vom 2. bis zum 15. März 2015. Die Beklagte zahlte der Klägerin auf Grund dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Krankengeld für die Zeit vom 11. März 2015 bis einschließlich 15. März 2015.

Am 26. März 2015 reichte die Klägerin bei der Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Dr. H./Dr. W. vom 16. März 2015 für die Zeit bis zum 29. März 2015 ein.

Mit Bescheid vom 25. März 2015 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewährung von Krankengeld über den 15. März 2015 hinaus ab. Der Versicherungsschutz habe über die Abmeldung durch die Agentur für Arbeit zum 10. März 2015 auf Grund des Krankengeldbezuges bis zum 15. März 2015 bestanden. Am 16. März 2015 sei erneut eine Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden. Ausschlaggebend für den Anspruch auf Krankengeld sei somit der 17. März 2015. Am 16. März 2015 sei die Klägerin nicht mehr bei ihr (gemeint: mit Krankengeldanspruch) versichert gewesen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27. März 2015 Widerspruch. Sie sei durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Es sei ihr nicht bekannt gewesen, dass sie sich bereits am 13. März 2015 weiter arbeitsunfähig hätte krankschreiben lassen müssen, um einen nahtlosen Krankengeldbezug sicherzustellen. Dies sei ihr weder von der Beklagten noch von der Bundesagentur für Arbeit noch von ihrem Hausarzt mitgeteilt worden. Dabei sei sie am 13. März 2015 um 10.45 Uhr bei der Internistin und Rheumatologin H. (Praxis Dr. St. u.a.) in Behandlung gewesen. Die Klägerin legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Ärztin H. vor, nach der am 26. März 2015 Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 13. März bis 27. März 2015 festgestellt worden sei, sowie in Kopie einen Zettel der internistischen Gemeinschaftspraxis Dr. St./Dr. Kr., laut dem sie am 13. März 2015 eine Wiedervorstellung bei Ärztin H. hatte, vor.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2015 zurück. Krankengeld könne über den 15. März 2015 hinaus nicht gewährt werden. Die Mitgliedschaft der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe am 10. März 2015 durch die Abmeldung der Agentur für Arbeit geendet. Die Mitgliedschaft sei dann ab dem 11. März 2015 nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V über den Bezug von Krankengeld weitergeführt worden. Arbeitsunfähigkeit sei von der Klägerin bis zum 15. März 2015 durchgehend nachgewiesen worden. Somit habe die Versicherung nach § 192 SGB V bis zum 15. März 2015 weitergeführt werden können. Erst am 16. März 2015 sei eine erneute Arbeitsunfähigkeitsmeldung ausgestellt worden. Am Folgetag des Feststellungstages, also am 17. März 2015, habe jedoch keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden. Die Klägerin sei ab dem 16. März 2015 über den von ihr gestellten Rentenantrag gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V krankenversichert. Diese Versicherung beinhalte jedoch keinen Anspruch auf Krankengeld.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27. Juli 2015 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie habe zu Beginn ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Arbeitslosengeld I-Bezug gestanden. Sie sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass sie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lediglich bei der Bundesagentur für Arbeit einreichen müsse. Richtig sei, dass in ihrem Fall eine Lücke aufgetreten sei. Ihr sei aber nicht bekannt gewesen, dass sie einen nahtlosen Krankengeldbezug sicherstellen müsse. Die Klägerin verwies auf das Urteil des Senats vom 31. August 2012 (L 4 KR 284/12 – juris). Es läge hier ein gleichgelagerter Sachverhalt vor. Sie habe sich am 13. März 2015 zur Behandlung bei ihrer Internistin und Rheumatologin H. befunden. Diese habe ihr auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dabei ausgestellt und ihr bescheinigt, dass Arbeitsunfähigkeit seit dem 13. März 2015 bestehe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass bei fehlender ärztlicher Feststellung ausnahmsweise ein Anspruch auf Krankengeld bestünde (Hinweis auf Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 46 Rn. 17 ff.). Sie habe insbesondere am 13. März 2015 einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt aufgesucht und ihre Beschwerden geschildert. Es sei dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes, ihrem Hausarzt, zuzurechnen, dass dieser sie lediglich bis Sonntag krankgeschrieben habe und sie erst wieder in seine Praxis für den darauffolgenden Montag einbestellt habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 5. April 2016 ab. Es nahm auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug und führte ergänzend aus, dass der Klage auch durch die Änderung des § 46 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz) vom 16. Juli 2015 nicht zum Erfolg verholfen werden könne. Ein Ausnahmefall, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden könne, liege ersichtlich nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin weder handlungs- noch geschäftsunfähig gewesen, ihre Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Ablauf des 15. März 2015 feststellen zu lassen. Eine Situation, bei der die Beklagte eine Pflicht zur Spontanberatung gehabt hätte, sei weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich. Quasi standardmäßig habe die Beklagte jedenfalls nicht spontan von sich aus auf die Notwendigkeit der erneuten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung vor Ablauf des schon festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeitraums hinweisen müssen. Soweit die Klägerin schließlich darauf verweise, (die Praxis) Dr. St. habe sie am 23. März 2015 rückwirkend zum 13. März 2015 arbeitsunfähig geschrieben, sei darauf aufmerksam zu machen, dass Arbeitsunfähigkeit nicht wirksam rückwirkend, d. h. für Zeiträume vor dem Tag ihrer ärztlichen Feststellung, bescheinigt werden könne. Das von der Klägerin genannte Urteil des Senats habe das Bundessozialgericht – BSG – (Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R – juris) aufgehoben.

Gegen das ihr am 8. April 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 6. Mai 2016 Berufung eingelegt. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Zur ausnahmsweise rückwirkenden Nachholung der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit verweist sie auf das Urteil des BSG vom 8. November 2005 (B 1 KR 30/04 R – juris).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. April 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 15. März 2015 hinaus Krankengeld bis zum Erreichen des maximalen Krankengeldanspruchs von 76 Wochen (11. September 2016) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im angegriffenen Urteil. Falsche Rechtsauskünfte des Arztes seien ihr nicht zuzurechnen. Sie sei auch nicht verpflichtet, auf den gesetzliche geregelten Zeitpunkte einer gegebenenfalls erneuter erforderlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung hinzuweisen.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten auf die Absicht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

2. Die gemäß § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte die Berufung nicht der Zulassung, da die Klägerin Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

3. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 25. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2015 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Krankengeld über den 15. März 2015 hinaus. Die Klägerin war ab dem 16. März 2015 nicht mehr als Arbeitslosengeld I-Bezieher mit Anspruch auf Krankengeld versichert (dazu unter a). Sie ist auch nicht so zu stellen, als hätte sie noch am letzten Tag des Krankengeldbezugs eine ärztliche Feststellung über ihre Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt (dazu unter b). Auch aufgrund des ab dem 16. März 2015 bestehenden Krankenversicherungsverhältnisses hat die Klägerin nicht den geltend gemachten Anspruch (dazu unter c).

a) Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krankengeld beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krankengeld vorliegt (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – juris, Rn. 8 m.w.N.).

Nach § 46 Satz 1 SGB V in der vorliegenden noch maßgeblichen, bis 22. Juli 2015 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) entsteht der Anspruch auf Krankengeld (1.) bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, § 24, § 40 Abs. 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, (2.) im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Wird Krankengeld wegen ärztlich festgestellter Arbeitsunfähigkeit begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 10 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – juris, Rn. 9 m.w.N.). Das BSG hat wiederholt entschieden, dass das Gesetz weder einen Anhalt für das Verständnis des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V als bloßer Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krankengeldanspruch gemäß § 44 SGB V schon bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit entsteht, bietet (zuletzt BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 10 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – juris, Rn. 9 m.w.N.).

Die – hier durch den Bezug von Arbeitslosengeld I begründete – Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort. Sie bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V unter anderem erhalten, solange Anspruch auf Krankengeld besteht (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 37/14 R – juris, Rn. 12 m.w.N.). § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krankengeldanspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, dass Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld – hier des Krankengeldbezuges am 15. März 2015 – alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung dieses Tages – und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages – einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 11; eingehend BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R – juris, Rn. 12 ff.). Die Aufrechterhaltung der Versicherung mit Krankengeldanspruch setzt insoweit nur eine Nahtlosigkeit dieser Versicherung und der Entstehung des Rechts auf die Sozialleistung voraus, also die Entstehung des Anspruchs auf die Sozialleistung in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an das Ende des Arbeitslosengeld I Bezuges (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 11). § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V setzt unabdingbar sowohl bei der Erstfeststellung der Arbeitsunfähigkeit als auch bei nachfolgenden Feststellungen die persönliche Untersuchung des Versicherten durch einen Arzt voraus (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 13 m.w.N.)

Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 12 m.w.N.). Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 12 m.w.N. – auch zum Folgenden). Dies folgt schon aus der durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V vorgegebenen Notwendigkeit, Krankengeld nur auf der Grundlage einer bestmöglich fundierten ärztlichen Einschätzung zu gewähren. Unter den realen Bedingungen und Erschwernissen (vertrags-)ärztlichen Versorgungsgeschehens im Praxisalltag sind Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen nicht selten auf unsicherer Grundlage und zudem schnell vorzunehmen. Auch sind die Krankenkassen im Verwaltungsvollzug angesichts der Krankengeldfälle als Massenphänomen mit faktisch nur eingeschränkten Prüfmöglichkeiten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in besonderer Weise auf eine sorgfältige ärztliche Begutachtung angewiesen, um rechtswidrige Krankengeldbewilligungen zu vermeiden. Eine ausreichende Bewältigung dieser aus tatsächlichen Gegebenheiten resultierenden Schwierigkeiten vermag nur eine unmittelbare persönliche Untersuchung des Versicherten durch den Arzt zu gewährleisten. Bei den Fällen, bei denen der Arzt aufgrund sorgfältiger Untersuchung des Versicherten absehen kann, dass dessen Arbeitsunfähigkeit längere Zeit andauern wird, kann er dem insbesondere durch eine entsprechend längere Befristung der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeitsdauer Rechnung tragen. Macht der Arzt von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, muss er sich bei jeder (Folge-)Arbeitsunfähigkeits-feststellung erneut durch eine unmittelbare persönliche Untersuchung des Versicherten die Gewissheit verschaffen, dass und gegebenenfalls wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich noch andauern wird.

Diese Voraussetzungen sind für die Zeit ab dem 16. März 2015 hier nicht erfüllt, weil eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts am 15. März 2015 nicht erneut ärztlich festgestellt worden ist. Die den Anspruch vermittelnde, auf dem Krankengeldbezug beruhende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete mit Ablauf des 15. März 2015, dem letzten Tag der von Dr. H./Dr. W. am 2. März 2015 vorgenommenen befristeten Arbeitsunfähigkeitsfeststellung. Als die Klägerin am 16. März 2015 Dr. H./Dr. W. aufsuchte, war sie deshalb nicht mehr nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V mit Anspruch auf Krankengeld versichert.

Ob die Kläger am 13. März 2015 bei Ärztin H. in Behandlung war, kann dahinstehen. Denn jedenfalls – anderes wird auch von der Klägerin nicht behauptet – hat Ärztin H. an jenem Tag keine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin festgestellt und bescheinigt. Sie hat vielmehr erst aufgrund einer Vorstellung der Klägerin am 26. März 2015 rückwirkend Arbeitsunfähigkeit ab dem 13. März 2015 festgestellt.

Auf § 46 Satz 2 SGB V in der seit dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) kann die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen, da die Norm am hier entscheidenden Tag, dem 16. März 2015 noch nicht in Kraft war (Art. 20 GKV-Versorgungsstärkungsgesetz).

b) Es liegen auch keine Gründe vor, die dazu führen, dass die Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise – rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krankengeldbezugs – hätte nachgeholt werden können (vgl. insoweit die Nachweise bei BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 14). Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 15).

Daran fehlt es hier. Es nicht Sache der Krankenkasse, den Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten Arbeitsunfähigkeitszeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 16). Krankenkassen sind nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf. erneut erforderlichen Arbeitsunfähigkeitsfeststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vorzusehen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 16). Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 16 m.w.N.).

Entsprechend dringt die Klägerin mit ihrer Vorbringen, sie sei seitens der Beklagte über ihre Obliegenheiten nicht aufgeklärt worden, nicht durch.

Die Kläger kann auch nicht damit gehört werden, die fehlende Nahtlosigkeit der Arbeitsunfähigkeitsfeststellungen beruhe auf einem Fehler ihres Arztes. Selbst unzutreffende ärztliche Meinungsäußerungen und Handlungsempfehlungen gegenüber Versicherten zu rechtlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs sind der Krankenkasse des Versicherten nicht zuzurechnen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 15). Von Krankenkassen nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten können keine Krankengeldansprüche gegen Krankenkassen auslösen (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 15 m.w.N.; BSG, Urteil vom 10. Mai 2012 – B 1 KR 19/11 R – juris, Rn. 27). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob seitens der Ärzte der Klägerin überhaupt eine fehlerhafte Beratung erfolgt ist.

Das Urteil des Senats vom 31. August 2012 (L 4 KR 284/12 – juris, Rn. 31 f.), auf das die Klägerin hingewiesen hat, ist vom BSG aufgehoben worden (BSG, Urteil vom 4. März 2014 – B 1 KR 17/13 R – juris). Die Klägerin kann sich daher mit ihrem Begehren hierauf nicht stützen.

c) Der Klägerin steht auch kein nachgehender Leistungsanspruch (§ 19 Abs. 2 SGB V) für die Zeit ab dem 16. März 2015 zu. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V besteht, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Ein solcher nachgehender Anspruch kommt lediglich in Betracht, falls die Klägerin ab 16. März 2015 nicht auf andere Weise Krankenversicherungsschutz genoss (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 18 m.w.N.). Denn der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz ist gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis grundsätzlich nachrangig (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 18 m.w.N.).

Ab dem 16. März 2015 war die Klägerin als Rentenantragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V pflichtversichert, so dass ein Krankengeldanspruch nicht auf § 19 Abs. 2 SGB V gestützt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 25/14 R – juris, Rn. 17). Die Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V schließt zwar nicht grundsätzlich einen Krankengeldanspruch aus. Rentenantragsteller sind aber nur dann mit Anspruch auf Krankengeldbezug versichert, wenn sie zum Zeitpunkt der in Betracht kommenden Anspruchsentstehung aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das der Beitragsberechnung unterlag (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 2/07 R – juris, Rn. 18 – auch zum Folgenden; Landessozialgericht [LSG] Thüringen, Urteil vom 25. März 2014 – L 6 KR 353/11 – juris, Rn. 20), ihnen also Einkommen wegen Krankheit entginge (LSG Berlin, Urteil vom 4. August 2008 – L 9 KR 114/02 – juris, Rn. 29). Das folgt aus der Regelung über die Höhe und Berechnung des Krankengeldes. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V beträgt das Krankengeldes nämlich 70 von Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). An einem solchen Regelentgelt fehlte es. Hierzu bedurfte es einer Schätzung bei vorausschauender Betrachtungsweise. Die Klägerin schickte sich nicht an, ab dem 16. März 2015 Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen. Zu erwartendes und deshalb durch Gewährung von Krankengeld zu berücksichtigendes, der Beitragsberechnung unterliegendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen fehlte damit.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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