L 9 R 4396/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 643/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4396/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Erstattung einer Hinterbliebenenrente streitig.

Die 1946 geborene Klägerin war seit dem 30.06.1967 mit dem bei der Beklagten versicherten, 1944 geborenen B. E. (folgend: "der Versicherte") verheiratet, der am 14.03.1987 verstarb.

Am 25.03.1987 beantragte die Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente zu gewähren. In einer Anlage zum Antrag auf Hinterbliebenenrente gab sie an, über kein eigenes Einkommen zu verfügen. In der von ihr am 25.03.1987 unterzeichneten Erklärung verpflichtete sie sich, Änderungen in der Höhe ihres Einkommens unverzüglich der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA - die Rechtsvorgängerin der Beklagten, im Folgenden "die Beklagte") mitzuteilen und außerdem, die BfA zu unterrichten, sobald sie eine der unter Ziff. 1 bis 5 genannten Einkommensarten erhalte oder beantrage. Mit Bescheid vom 29.06.1987 sowie entsprechenden Folgebescheiden bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Hinterbliebenenrente zuzüglich eines Beitragszuschusses zur Krankenversicherung. Auf Seite 3 dieses Bescheides war u.a. vermerkt:

"Es besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen."

Im Januar 2012 wurde der Klägerin Regelaltersrente ab 01.01.2012 bewilligt.

Die Klägerin nahm zum Dezember 1987 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Diese teilte sie der Beklagten nicht mit.

Im April 2012 verarbeitete die Beklagte eine eingegangene Meldung zum Erwerbseinkommen für die Zeit ab Dezember 1987. Danach hat die Klägerin Einkommen aus abhängiger Beschäftigung von Dezember 1987 bis September 1995 und von Juli 1998 bis April 2010 bezogen. Außerdem erhielt sie im Zeitraum vom 02.10.1995 bis 22.11.1997 sowie vom 20.03.1998 bis 26.07.1998 sowie vom 01.05.2010 bis 31.12.2011 Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit und in der Zeit vom 01.01.1998 bis 19.03.1998 Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitsunfähigkeit (wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 447 ff. der Akten verwiesen).

Mit Schreiben vom 13.06.2012 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 29.06.1987 und aller nachfolgenden Bescheide mit Wirkung ab dem 01.07.1992 und wegen einer Rückforderung der Überzahlung vom 01.07.1992 bis 31.12.2011 in Höhe von 20.927,96 EUR an. Sie wies darauf hin, dass für die beabsichtigte Entscheidung u.a. von Bedeutung sei, ob aufgrund der bisherigen Rentenzahlung Dispositionen getroffen worden seien, die nur unter erheblichen finanziellen Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten, bzw. ob Sozialleistungen von anderen Stellen wegen der bisherigen Rentenzahlung nicht in Anspruch genommen worden seien und jetzt nicht mehr erlangt werden könnten.

Hierauf teilte die Klägerin mit, dass sie von 1987 bis 1992 eine Halbtagstätigkeit mit entsprechendem Verdienst ausgeübt habe. Ab 1992 habe sie dann eine Vollzeitstelle erhalten. Sie habe damit gerechnet, dass dies Auswirkungen auf ihre Hinterbliebenenrente habe. In den Bescheiden sei davon jedoch nichts ersichtlich gewesen. Weil ihr dies komisch vorgekommen sei, sei sie im Jahr 1995 zu einer Rentenberatung bei einem Versichertenältesten gewesen. Dort sei ihr gesagt worden, dass alles automatisch laufe und sie sich keine Gedanken darüber machen solle, dann würde das schon so passen. Der Abgleich ihrer Verdienste würde automatisiert erfolgen. Sie habe nie Post von der Beklagten bekommen, dass sie irgendwelche Unterlagen einreichen solle oder ihren Lohn nachweisen solle. Die 20.927,96 EUR könne sie nicht erbringen. Das sei ihr von ihrer Rente finanziell einfach nicht möglich. Des Weiteren habe sie noch eine Eigentumswohnung bis 2025 abzubezahlen.

Mit Bescheid vom 05.07.2012 teilte die Beklagte mit, dass dieser Bescheid als Folgebescheid für Bezugszeiten ab dem 14.03.1987 ergehe. Die Rente beginne am 14.03.1987. Sie ende mit dem 31.12.2011. Für die Zeit vom 14.03.1987 bis zum 31.12.2011 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 20.927,96 EUR. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Es wurde ausgeführt, dass die Berechnung der Rente unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens in der Anlage 1 dargestellt werde. Die Berechnung der Überzahlung ergebe sich ebenfalls aus Anlage 1. Der Bescheid enthielt darüber hinaus eine Anlage 8 "Ermittlung des auf die Rente anzurechnenden Einkommens" mit einer Berechnung für die Zeit ab dem 01.12.1987 sowie eine Anlage 10 "ergänzende Begründungen und Hinweise". Darin wird ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 29.06.1987 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 01.07.1992 nach § 48 SGB X aufgehoben werde. Die entstandene Überzahlung sei von der Klägerin nach § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erstatten. Die Aufhebung des Rentenbescheides ab diesem Zeitpunkt sei statthaft, weil ein Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 SGB X gegeben sei und die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X noch nicht abgelaufen seien. Die von ihr im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Gründe, die einer Aufhebung des Rentenbescheides für die Vergangenheit entgegenstehen könnten, seien bei der Vertrauensschutzprüfung beachtet worden, jedoch seien diese nicht geeignet, von der Bescheidaufhebung abzusehen. Auf Vertrauen könne sie sich nicht berufen, weil sie im oben angegebenen Rentenbescheid auf Seite 3 unter Mitwirkungspflichten darauf hingewiesen worden sei, dass die gesetzliche Verpflichtung bestehe, eine Erhöhung oder das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen. Die Aufnahme der Beschäftigung 12/1987 habe die Klägerin der Deutschen Rentenversicherung Bund nicht mitgeteilt. Weil sie in der Anhörung geäußert habe, dass sie mit einer Anrechnung auf die Witwenrente gerechnet habe, sei ihr die Anrechnung dieses Einkommens gemäß § 97 SGB VI durchaus bewusst gewesen. Über die Rückzahlungsmodalitäten, wie z.B. einem Stundungsbegehren in Form einer Ratenzahlung werde noch gesondert entschieden. Hierzu werde sie gebeten, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 31.07.2012 auf beiliegendem Vordruck offenzulegen.

Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie wies erneut darauf hin, dass sie 1995 bei einem Versichertenältesten gewesen sei und sich habe beraten lassen. Dort habe man ihr die Auskunft gegeben, dass die Meldung der Entgelte automatisch über den Abgleich der Rentenversicherungsnummer ihres verstorbenen Ehemannes sowie ihrer eigenen Versicherungsnummer erfolgen würde, sodass eine zusätzliche Meldung der Entgelte nicht erforderlich sei. Sie sei von der Richtigkeit dieser Auskunft ausgegangen, weil sie gerade zur Klärung ihrer rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheiten einen Fachmann befragt habe. Schon allein die Tatsache, dass sie einen Fachmann aufgesucht habe, um sich über rentenversicherungsrechtliche Sachverhalte beraten zu lassen, mache deutlich, dass sie auch nicht anhand der Festsetzungen der Rentenbescheide hätte erkennen können, dass diese unrichtig gewesen seien. Sie habe darauf vertraut, dass die Rentenbeträge in den jeweiligen Rentenbescheiden zutreffend ermittelt worden seien. Eine Nachprüfung der Rentenbescheide sei ihr mangels Sachkunde nicht möglich gewesen. Sie habe auf die Auskunft des Versichertenältesten vertrauen dürfen, da die Institution des rentenversicherungsrechtlichen Beraters nicht zuletzt in ihrem Interesse eingerichtet worden sei. Die überwiegende Zahl der Rentenversicherten sei mit den versicherungsmathematischen Angelegenheiten überfordert. Die Vertrauensschutzprüfung müsse daher zwingend dazu führen, dass sie nicht in vorwerfbarer Weise ihre Mitteilungspflichten verletzt habe. Hinzu komme, dass auch die unter einer abweichenden Rentenversicherungsnummer empfangenen Rentenbescheide für Witwenrente an ihre Anschrift unter Angabe ihres Namens und ihres Geburtsdatums übersandt worden seien. Hierdurch werde der Eindruck erweckt, dass die Zuordnung der Rentenbescheide der Witwenrente – wenn auch unter einer abweichenden Rentenversicherungsnummer – dennoch über den Namen und das Geburtsdatum der rentenberechtigten Person zugeordnet werde.

Mit Schreiben vom 27.08.2012 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Namen und die Adresse des Versichertenberaters mitzuteilen, der sie 1995 beraten habe, außerdem mitzuteilen, wo diese Beratung stattgefunden habe. Hierauf teilte sie mit, dass die Beratung im Jahr 1995 stattgefunden habe. Sie habe einen Termin mit Herrn F. vereinbart und könne sich daran erinnern, dass die Beratung in den Wohnräumen des Herrn F. in B. stattgefunden habe. Unterlagen über diese Beratung lägen ihr nicht mehr vor. Herr F. arbeite nach ihrem Kenntnisstand bis heute für die Rentenberatungsstelle in Bühl.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung und Rückforderung vorlägen. Die Beklagte ging von einem atypischen Fall aus, weil ein Mitverschulden der Deutschen Rentenversicherung nicht auszuschließen sei, da ein maschineller Datenaustausch nicht erfolgt sei. Behördeninterne Datenspeicherungen hätten jedoch keinen Einfluss auf die Darlegungspflicht. Die Darlegungs- und Beweislast werde dadurch nicht umgekehrt. Aus den Hinweisen in den Rentenbescheiden sei der Klägerin bekannt gewesen und ihr hätte zumindest bekannt sein müssen, wenn sie diese zur Kenntnis genommen hätte, dass Erwerbseinkommen Einfluss auf die Rentenhöhe habe und daher die gesetzliche Verpflichtung bestehe, das Hinzutreten von Einkommen unverzüglich mitzuteilen. Wie aus dem Bescheid vom 05.07.2012 ersichtlich werde, liege das Verschulden darin, dass die Klägerin dem Rentenversicherungsträger nicht den Bezug von Einkommen gemeldet habe. Sie habe ihre Mitteilungspflicht verletzt, es werde auf den Bescheid Seite 3 "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten" verwiesen. Das Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers wiege gemessen an dem Verschulden der Klägerin nicht so schwer, dass auf eine Rückforderung verzichtet werden könne. Die Rentenversicherung sei verpflichtet, das Vermögen der Versichertengemeinschaft nach bestem Wissen und Gewissen treuhänderisch zu verwalten. Dies zwinge zu einer sparsamen Haushaltsführung. Nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Rückzahlung und den privaten Interessen könne auf eine Rückforderung des überzahlten Betrages nicht verzichtet werden. Die Fristen für eine Bescheidrücknahme seien nicht abgelaufen, über die Rückzahlungsmodalitäten werde noch gesondert entschieden.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.02.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ergänzend geltend gemacht, sie habe darauf vertraut, dass alle bei der Beklagten eingehenden Daten so erfasst und miteinander abgeglichen würden, dass diese einen zutreffenden Rentenbescheid erlassen habe. Die Beklagte (gemeint: die Klägerin) habe darauf vertraut, dass ihr Einkommen bei der Berechnung der Rente berücksichtigt worden sei. Hierauf habe sie auch vertrauen dürfen, weil sie sich, anlässlich einer Rentenberatung im Januar 1995 mit einem Mitarbeiter der Deutschen Rentenversicherung, Herrn F., über die notwendige Antragstellung und die notwendig vorzulegenden Unterlagen informiert habe. Hierbei sei ihr die Auskunft erteilt worden, dass alle Daten bei der Beklagten abgeglichen worden seien, insbesondere die Meldung der Entgelte automatisch über den Abgleich der Rentenversicherungsnummer ihres verstorbenen Ehemannes sowie ihrer eigenen Versicherungsnummer erfolgen würde, sodass eine zusätzliche Meldung der Entgelte nicht erforderlich sei. Sie habe sich zur Klärung ihrer rentenversicherungsrechtlichen Angelegenheiten gerade an einen Fachmann gewandt, es habe für sie kein Argwohn bestanden, dass diese Auskunft unzutreffend gewesen sein könnte. Auch wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei, müsse eine Prüfung des Vertrauensschutzes zwingend dazu führen, dass sie ihre Mitwirkungspflichten nicht in vorwerfbarer Weise verletzt habe. Die im Rentenbescheid aufgeführten Mitwirkungspflichten könnten einem Rentenversicherten nach Jahren nicht mehr als präsentes Wissen unterstellt werden. Zudem sei ihr durch den Rentenberater mitgeteilt worden, dass ihre Mitwirkungspflicht dadurch entfalle, dass die sozialversicherungsrechtlichen Entgelt-Meldungen im Wege des Datenabgleichs von der Beklagten berücksichtigt würden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.08.2013 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen insofern eingetreten sei, als die Klägerin seit Dezember 1987 Einnahmen aus einer unselbstständigen Beschäftigung erlangt habe, welche auf die Witwenrente anzurechnen gewesen seien. Die wesentliche Änderung sei auch gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes eingetreten; maßgeblich sei insoweit der ursprüngliche Bewilligungsbescheid, nicht die späteren Rentenanpassungen. Der Bescheid vom 29.06.1987 und die Folgebescheide seien somit teilweise gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben gewesen, weil nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden sei, das gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zur Minderung des Anspruches geführt habe. Zu den Einzelheiten werde auf die Berechnung gemäß § 136 Abs. 3 SGG und auf den Bescheid der Beklagten vom 05.07.2012 Bezug genommen. Auf ein Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) der Klägerin komme es bei der anspruchsmindernden Berücksichtigung des Einkommens nicht an, sondern allein auf den objektiven Umstand der Einkommenserzielung. Die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung sei damit unabhängig davon zu treffen gewesen, dass die Klägerin ihrer Pflicht, der Beklagten die Aufnahme einer Beschäftigung mitzuteilen, objektiv nicht nachgekommen sei. Eine atypische Fallkonstellation, die der Beklagten Ermessen hinsichtlich der Aufhebungsentscheidung einräume, liege entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vor. Ein solcher Fall liege nur dann vor, wenn der konkrete Sachverhalt im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Nachteile von den Normalfällen der Tatbestandsmerkmale der Nrn. 1 bis 4 des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X so signifikant abwichen, dass der Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis geriete, wenn für die Vergangenheit aufgehoben würde. Die mit jeder Rückforderung verbundene Härte genüge hierfür nicht. Gesichtspunkte, die über die mit jeder Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung verbundene Härte hinausgingen und eine besondere Härte begründeten, seien nicht ersichtlich. Da dem Beklagten kein Ermessen zugestanden habe, gehe die klägerische Rüge fehlerhafter Ermessensausübung ins Leere. Auch die weiteren Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung des Verwaltungsaktes seien erfüllt.

Gegen den ihren Bevollmächtigten am 29.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Montag, 30.09.2013 Berufung eingelegt. Mit ihr rügt die Klägerin die Feststellung des SG, dass im vorliegenden Fall eine Ermessensausübung zum Erlass eines Verwaltungsaktes nicht vorzunehmen gewesen sei. Die Aufhebungsentscheidung der Beklagten sei wegen des Fehlens einer Ermessensentscheidung rechtswidrig. Die Frage, ob ein atypischer Fall vorliege, sei als Rechtsvoraussetzung des Rechtsstreits von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Bei der Prüfung, ob ein zur Ermessensausübung zwingender atypischer Geschehensablauf vorliege, komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Dieser müsse Merkmale aufweisen, die signifikant vom (typischen) Regelfall abwichen, indem die Rechtswidrigkeit eines ursprünglich richtigen Verwaltungsaktes ebenfalls durch nachträgliche Veränderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten sei. Die Klägerin sei davon ausgegangen, dass der Beklagten sowohl die Entgeltmeldungen aus ihrer nichtselbstständigen Beschäftigung als auch die sonstigen zur Bescheidung der Rentenangelegenheit erforderlichen Daten vorlägen und dadurch ihre Mitteilungspflicht an die Beklagte bereits erfüllt sei. Die Klägerin habe weiter dargelegt, dass sie zum einen aufgrund des ihr erteilten Hinweises eines Rentenberaters, dass ein Datenabgleich bei der Beklagten automatisch erfolge, als auch aufgrund der Tatsache, dass die beiden Mitteilungen an dieselbe Adressatin, nämlich die Beklagte erfolgten, davon ausgegangen, dass ihre Mitteilungspflicht erfüllt sei. Fürsorglich könne eine Verpflichtung der Klägerin aus dem ursprünglichen Rentenbescheid zur umgehenden Mitteilung des erzielten Entgeltes an die Beklagte nach Jahren nicht mehr als präsentes Wissen unterstellt werden, sodass eine Vorwerfbarkeit in Form der mindestens groben Fahrlässigkeit nicht mehr festgestellt werden könne. Zur Verdeutlichung der Atypik der Angelegenheit sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin durch einen Rentenberater der Beklagten darauf hingewiesen worden sei, dass eine gesonderte Meldung der Entgelte nicht erforderlich sei, weil diese über die EDV der Beklagten abgeglichen werde. Dieses sei für die Klägerin nachvollziehbar gewesen, zumal Adressaten sowohl der Mitteilungen über die erzielten Entgelte als auch die von dem Arbeitgeber wahrzunehmenden Entgeltmeldungen an die gleiche Adressatin, nämlich die Beklagte, erfolgten. Hinsichtlich ihres Informationsgehaltes seien die beiden Mitteilungen (annähernd) identisch. Es sei nicht ersichtlich, weshalb eine Verknüpfung in der EDV der Beklagten hinsichtlich der Rentenkonten (Witwenrente) sowie ihres eigenen Rentenkontos nicht existierten. Weder werde der verstorbene Ehemann der Klägerin jemals sein Rentenkonto in Anspruch nehmen können, noch könnten andere Personen als die (berechtigte) Klägerin an das Rentenkonto des Verstorbenen Ansprüche geltend machen. Eine Zuordnung zum Rentenanwartschafts-Konto der Klägerin sei daher sinnvoll. Die Klägerin ginge in natürlicher Bewusstseinsbildung davon aus, dass solches bei der Beklagten gegeben sei. Datenschutzrechtliche Aspekte könnten hierbei aufgrund der ohnehin bestehenden Mitteilungsverpflichtung keine Rolle spielen. Im Übrigen sei sie der Ansicht, dass die Beklagte jedenfalls bei Neuanmeldung/Aufnahme der nichtselbstständigen Tätigkeit durch die Klägerin und die dadurch erstmalig ausgelöste Entgeltmeldung Anlass gehabt hätte, entsprechende Kontrollmechanismen auszulösen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Beklagten eine automatisch durch die EDV zu erledigende Abgleichung nicht aufzuerlegen sein sollte. Die Beklagte selbst argumentiere damit, dass sie die Interessen der Versichertengemeinschaft wahrnehme. Die Beklagte habe es versäumt, entsprechende Kontrollmöglichkeiten in ihrer EDV zu verankern, die ihr letztlich als Organisationsverschulden zuzurechnen seien. Durch den tatsächlich durchgeführten Abgleich der Daten hätte die eingetretene Überzahlung verhindert werden können. Der nicht durchgeführte Abgleich der Daten der Beklagten solle danach sanktionslos bleiben, während die Klägerin für das sorglose Verhalten der Beklagten hafte. Die Ursache für die eingetretene Überzahlung liege ganz überwiegend im Verantwortungsbereich der Beklagten. Die Klägerin habe nicht durch ein unredliches "bösgläubiges" Verhalten eine Mitursache gesetzt. Im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte die vorstehende Problematik erörtert werden müssen. Aus tatsächlichen Gründen sei der Beklagten ein wesentlich höherer Mitverursachungsanteil an der Überzahlung zuzuschreiben als der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. August 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen des SG zur atypischen Fallkonstellation und weist darauf hin, dass bei Überzahlungsfällen typischerweise vorgetragen werde, dass eine Verpflichtung zur Mitteilung von erzielten Entgelten nicht mehr im präsenten Wissen sei und dass alle Daten im Hause der Rentenversicherungsträger vorlägen. Ein derartiger Datenabgleich der Rentenkonten sei wegen des millionenfachen Vorkommens nicht leistbar.

Mit Bescheid vom 08.06.2012 berechnete die Beklagte die Witwenrente "als Folgebescheid für Bezugszeiten ab 14.03.1987" für die Zeit ab 01.01.2012 neu.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist im Rahmen der zulässigen Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 05.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2013, mit dem die Beklagte die bewilligte Rente teilweise aufhob und die zu Unrecht gewährten Leistungen zurückforderte.

Rechtsgrundlage für die streitbefangene Teilaufhebung des Rentenbescheides vom 29.06.1987 ist § 48 Abs. 1 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X) oder soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).

Der Bescheid vom 05.07.2012 ist formell rechtmäßig. Die Klägerin ist mit dem Schreiben vom 13.06.2012 ordnungsgemäß unter Beachtung des § 24 Abs. 1 SGB X zu der beabsichtigten Rücknahme des Rentenbescheides vom 29.06.1987 und aller nachfolgenden Bescheide angehört worden.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 05.07.2012 die angefochtenen Regelungen durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) auch hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X) getroffen und den Bescheid vom 29.06.1987 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zeit vom 01.07.1992 bis 31.12.2011 teilweise aufgehoben und die entstandene Überzahlung von 20.927,96 Euro zurückgefordert.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Beklagte auf Seite 1 des Rentenbescheides vom 05.07.2012 lediglich die Überzahlung für die Zeit vom 14.03.1987 bis zum 31.12.2011 festgestellt hat. Denn ausgehend vom objektivierten Empfängerverständnis (zu diesem Auslegungsmaßstab: BSG, Urteil vom 29.10.1992 - SozR 3-1300 § 50 Nr. 13 Satz 34 m.w.N.) war für die Klägerin eindeutig erkennbar, dass die Beklagte – wie mit der Anhörung bereits angekündigt – an ihrer letzten Verwaltungsentscheidung über die zu leistende Rente hinsichtlich der Rentenhöhe nicht mehr festhalten wollte. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ([BSG] Urteil vom 10.07.2012 – B 13 R 85/11 R –, SozR 4-2600 § 96a Nr. 14, m.w.N.) ist dabei nicht entscheidend, dass die Beklagte die Regelung nicht (bereits) zu Beginn (auf Seite 1) des Bescheids getroffen, sondern erst in der Anlage 10 des Bescheids unter der Überschrift "Ergänzende Begründungen und Hinweise" verfügt hat, dass der Rentenbescheid hinsichtlich der Rentenhöhe teilweise aufgehoben wird und die entstandene Überzahlung zu erstatten ist. Auch im vorliegenden Fall ist der Klägerin auf Seite 2 unter der Überschrift "Weitere Hinweise" ausdrücklich mitgeteilt worden, dass (auch) die Anlage 10 Bestandteil des Bescheids ist. Und unabhängig davon haben bereits die Hinweise auf Seite 1 und 2 des Bescheids vom 05.07.2012 mit dem deutlich persönlichen Bezug: "Dieser Bescheid ergeht als Folgebescheid für Bezugszeiten ab 14.03.1987" Überzahlung von 20.927,96 EUR " sowie auf Seite 2: "Die Berechnung der Rente unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens stellen wir Ihnen in der Anlage 1 dar" deutlich gemacht, dass die Beklagte die frühere Bewilligung abändern, d.h. teilweise aufheben wollte.

Auf den Rechtsstreit findet noch das alte Recht des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) Anwendung, da der Rentenantrag bereits am 25.03.1987 gestellt worden ist und die Beklagte ab dem 14.03.1987 Rente gewährt hat, § 300 Abs. 2 SGB VI. Dass hier die Anrechnung erst ab dem 01.07.1992 im Streit steht – und somit nach dem Inkrafttreten des SGB VI – ändert nichts daran, dass der Rentenanspruch dem Grunde nach bereits vor dem 01.01.1992 bestanden hat. Letztlich kommt es auf die Frage der Anwendung alten oder neuen Rechts jedoch nicht an, da sowohl das alte Recht (§ 58 AVG i.V.m. Art. 2 § 22b Abs. 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG -) wie das neue Recht (§§ 97, 314 Abs. 3 SGB VI in der ab 01.01.1992 anzuwendenden Fassung) für den (auch hier vorliegenden) Fall der Eheschließung vor dem 01.01.1986 und des Todes des Ehemannes in der Zeit zwischen dem 01.01.1986 und dem 31.12.1995 im ersten Jahr nach dem Tod des Ehemannes keine Anrechnung und in den folgenden Jahren eine gestaffelte begrenzte Anrechnung unter Beachtung eines Freibetrages vorsehen. Ab dem fünften Jahr nach dem Tod des Versicherten sind in beiden Fällen 40 v.H. des verbleibenden anrechenbaren Einkommens anzurechnen. Soweit § 58 AVG i.V.m. Art. 2 § 22b Abs. 2 AnVNG für die ersten vier Jahre eine für die Klägerin günstigere Staffelung vorsieht, wurde diese vom Beklagten berücksichtigt und führte nicht zu einer Überschreitung der Freibeträge in den ersten fünf Jahren, sondern erst ab 01.07.1992.

Die Witwenrente der Klägerin wurde durch Bescheid vom 29.06.1987 ohne Anrechnung von Einkommen berechnet. Bei diesem Rentenbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, da mit ihm ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten begründet worden ist. Der Rentenbewilligungsbescheid vom 29.06.1987 war zum Zeitpunkt seines Erlasses auch rechtmäßig, sodass sich die Rücknahme des Verwaltungsakts nach den Voraussetzungen des § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X richtet, denn die Klägerin hat zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides noch kein Einkommen erzielt. Nach den zutreffenden und nachvollziehbaren Berechnungen der Beklagten erreichte das erzielte Einkommen erstmals im Juli 1992 eine Höhe, die zu einer Anrechnung auf die bewilligte Witwenrente führte. Insoweit ist daher auch erst ab Juli 1992 eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Rentenbewilligungsbescheides vorlagen, eingetreten. Diese Änderung ist auch wesentlich. Denn bei der Festsetzung der Höhe der großen Witwenrente der Klägerin nach §§ 40, 41 Abs. 1 AVG bzw. § 46 Abs. 2 SGB VI ist - wie zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist - im Rahmen der Einkommensanrechnung nach § 58 Abs. 1 AVG i.V.m. Art. 2 § 22b Abs. 2 AnVNG bzw. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 SGB VI, jeweils i.V.m. § 18a Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 SGB VI das Erwerbseinkommen aus Beschäftigung sowie das Erwerbsersatzeinkommen in den in der Anlage 1 und 8 zum Bescheid vom 05.07.2012 genannten Zeiträumen nicht mindernd berücksichtigt worden. Dieses Einkommen überstieg, wie sich der ausführlichen Berechnung in der Anlage 8 zum Bescheid vom 05.07.2012, auf die der Senat Bezug nimmt, entnehmen lässt in den dort genannten Zeiträumen den jeweiligen Freibetrag, weshalb dieses anzurechnen war. Die Nichtanrechnung des Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommens auf die Witwenrente mit Wirkung ab 01.07.1992 und in den im Bescheid genannten Zeiträumen war als begünstigende Regelung damit rechtswidrig.

Die Beklagte war auch berechtigt, den Witwenrentenbescheid mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aufzuheben. Ein sog. atypischer Fall im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, der eine Ermessensausübung erforderlich gemacht hätte, lag hier nicht vor. Nach dieser Vorschrift "soll" der Verwaltungsakt unter den weiteren Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 4 aufgehoben werden. Der Begriff "soll" ist dahin zu verstehen, dass dies grundsätzlich zu erfolgen hat, allerdings dann nicht, wenn ein atypischer Fall vorliegt (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 Rz. 35 ff.). Dabei bestimmen die Umstände des Einzelfalles, ob ein atypischer Fall gegeben ist. Die Annahme einer Atypik kommt nur dann in Betracht, wenn der Einzelfall aufgrund seiner besonderen Umstände signifikant von dem Regelfall des Tatbestandes nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X abweicht, der die Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit gerade rechtfertigt. Ob der unbestimmte Rechtsbegriff eines atypischen Falles vorliegt, ist gerichtlich zu überprüfen und zu entscheiden (BSG, Urteil vom 29.04.1992 – 7 RAr 4/91 –, Juris). Ein atypischer Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr liegt der typische Fall vor, dass ein Versicherter eine Sozialleistung erhalten hat, auf die er (in der bewilligten Höhe) wegen eigenen Einkommens keinen Anspruch hatte. Damit ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X erfüllt, wonach nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruches geführt haben würde.

Bezogen auf diese Tatbestandsalternative ist ein atypischer Fall ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn die Behörde durch falsche Angaben in Merkblättern einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte, wenn der Betroffene die Leistung gutgläubig (z. B. aufgrund behördlicher Auskünfte) verbraucht hat und ohne die entfallene Sozialleistung im Nachhinein vermehrt sozialhilfebedürftig geworden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1995– 10 RKg 9/95 –, Juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2008 – L 6 R 5271/07 –). Dies trägt der verschuldensunabhängigen Möglichkeit der Aufhebung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X Rechnung, von der nur dann abgesehen werden kann, wenn besondere Umstände, die unabhängig von einem Verschulden oder der Gutgläubigkeit des Leistungsempfängers sind, hinzutreten. Etwa dann, wenn die Rückforderung zu einer vermehrten Sozialhilfebedürftigkeit führen würde, oder dass Sozialhilfeansprüche, die bei rechtzeitiger Erklärung zugestanden hätten, für die Vergangenheit nicht mehr geltend machen können. Eine solche Situation wurde von der Klägerin weder vorgetragen noch ist sie nach Aktenlage ersichtlich. Die Klägerin hatte schon 1992 ein Arbeitseinkommen in Höhe von 41.419,00 DM. Das nach § 18b SGB IV zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin allein aus der Beschäftigung belief sich seit Juli 1992 auf mehr als 2.000 DM bzw. mehr als 1.000 EUR monatlich. Hinzu kam die Witwenrente, die sich im Juli 1992 auf 1.261,82 DM belief, seitdem der Anpassung unterlag und auf die Einkommen in Höhe von 93,49 DM angerechnet wurde. Aufgrund des schwankenden Einkommens belief sich der Anrechnungsbetrag zeitweise und maximal auf bis zu 409,62 DM oder 202,80 EUR, wodurch Sozialhilfebedürftigkeit aber ebenfalls nicht eingetreten wäre. Anderes lässt sich für nachfolgende Zeiträume nicht feststellen. Soweit die Klägerin geltend macht, sie könne die Rückforderung nicht erbringen, ist dieser Vortrag für sich genommen nicht geeignet, einen atypischen Fall zu begründen. Allein die Höhe der Rückforderung, die sich aus der Aufhebung der Bewilligung ergibt, ist als Folge der Aufhebung kein Kriterium für die Feststellung eines typischen oder atypischen Falls (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 31.08.2012 – L 4 R 1877/11 –). Zudem ist die Klägerin bei einer zwangsweisen Beitreibung der Rückforderung der Beklagten durch die Aufrechnungs- und Pfändungsvorschriften des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) geschützt.

Ein Mitverschulden der Beklagten, das zur Überzahlung geführt hat, ist unter Berücksichtigung oben gemachter Ausführungen für die Anerkennung eines atypischen Falles im Rahmen der hier erfüllten Nr. 3 des § 48 Abs. 1 SGB X nicht entscheidend. Ein solches liegt darüber hinaus auch nicht vor. Der von der Klägerin gerügte fehlende Datenabgleich von Meldungen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Witwenrente begründet nach Überzeugung des Senats in Übereinstimmung mit den Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil kein zu berücksichtigendes mitwirkendes Verschulden der Beklagten. Angesichts der im Rentenbescheid vom 29.06.1987 eindeutig aufgeführten Mitwirkungs- und Mitteilungspflichten bestand für Vorkehrungen der Beklagten, eine Rückkopplung der Witwenrente zum eigenen Versicherungskonto der Klägerin vorzunehmen, kein Anlass. Dass die Beklagte eine solche Kontenverbindung theoretisch erstellen könnte, begründet keinen atypischen Fall, zumal zu berücksichtigen sein dürfte, dass Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre die technischen Möglichkeiten deutlich begrenzter gewesen sind, Entsprechendes im Rahmen einer Massenverwaltung umzusetzen. Die primäre Verpflichtung zur Einkommensanzeige obliegt darüber hinaus allein der Klägerin (Hessisches LSG, Urteil vom 02.07.2013 – L 2 R 51/13 –; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.01.2012 – L 1 R 36/09 –; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.01.2004 – L 13 RJ 115/01 –, Juris). Die Mitwirkungsverpflichtung des Leistungsberechtigten, deren Versäumnis Nachteile zur Folge hat, verdeutlicht, dass vom Bürger eigenverantwortliches Handeln gefordert wird. Dadurch wird grundsätzlich eine überwachende und nachforschende Verwaltung entbehrlich. Unterlässt die Verwaltung eine regelmäßige Kontrolle, kann ihr kein Fehlverhalten durch Unterlassen vorgeworfen werden (BSG, Urteil vom 03.07.1991 – 9b RAr 2/90). Bei der Verpflichtung, Einkommen mitzuteilen, gibt es auch keine Differenzierung zwischen Einkommen, das zur Beitragszahlung beim Rentenversicherungsträger führt und sonstigen Einkommen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.08.2008 – L 6 R 5271/07 –). Insoweit vermögen auch die Einlassungen der Klägerin, sie habe sich hierauf verlassen und verlassen dürfen, eine andere Sicht nicht zu rechtfertigen. Dies gilt auch mit Blick auf die angebliche Auskunft eines Versichertenberaters. Dass im Rahmen einer Rentenberatung in einer Auskunftsstelle der Beklagten eine entsprechende Äußerung gefallen sein könnte (" alles laufe automatisch "), hält der Senat gänzlich für ausgeschlossen und für eine Schutzbehauptung der Klägerin. Es war und ist - wie die Vielzahl der Fälle (vgl. nur die oben genannten Entscheidungen der LSG) belegt - allgemein und insbesondere unter Bediensteten der Beklagten bekannt, dass Beitragszahlungen auf ein Versichertenkonto nicht mit einem Konto, aus dem eine Witwenrente bezogen wird, mit blick auf eine Einkommensanrechnung abgeglichen wird. Ferner hält es der Senat für ausgeschlossen, dass im Rahmen einer Beratung die Einkommenshöhe nicht erfragt und geprüft worden wäre und – nachdem die Witwenrente bereits seit 1987 bezogen wurde – eine Prüfung, ob tatsächlich Einkommen gemeldet worden ist, durchgeführt worden wäre. Unter Berücksichtigung des 1995 bezogenen Einkommens lag eine mögliche Anrechnung auf der Hand (Einkommen 1994: 41.734 DM, 1995: 36.954,00 DM). Der Vortrag der Klägerin ist insoweit auch nicht schlüssig. Die Vorsprache soll im Jahr 1995 gewesen sein, weil sie sich über eine notwendige Antragstellung und die notwendig vorzulegenden Unterlagen habe informieren wollen. Zu diesem Zeitpunkt bezog sie aber bereits seit März 1987 Rente, hatte im Dezember 1987 eine Beschäftigung aufgenommen, die sie nach eigenen Angaben bereits 1992 vollschichtig ausübte. Ihrer Mitteilungspflicht ist sie unmittelbar nach der Aufnahme der Beschäftigung und auch bis dahin nicht nachgekommen, obwohl sie, wie sie im Rahmen der Anhörung mitteilte, damit gerechnet hat, dass dies Auswirkungen auf ihre Hinterbliebenenrente hat. Der Senat vermag daher auch insoweit keinen atypischen Fall festzustellen, zumal die Klägerin konkrete Umstände über Zeit und Inhalt des Beratungsgespräches nicht dargelegt hat.

Unter Berücksichtigung dessen weist der Senat lediglich ergänzend darauf hin, dass jedenfalls auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG X erfüllt sind. Die Klägerin ist ihrer sich aus § 60 Abs.1 Nr. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) ergebenden Mitteilungspflicht zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die grobe Fahrlässigkeit ergibt sich insoweit schon aus der Einlassung, damit gerechnet zu haben, dass das Einkommen Auswirkungen auf die Hinterbliebenenrente hat.

Der Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung der Beklagten stehen auch weder die Zehnjahresfrist noch die sog. Kenntnisnahmefrist von einem Jahr entgegen.

Nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen bzw. aufgehoben werden. Die Frist läuft vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an. Bezüglich der Zehn-Jahres-Frist darf die Verweisung auf § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X nicht dahin verstanden werden, die Zehn-Jahres-Frist gelte nur unter den darin genannten Voraussetzungen der Nummer 1 oder 2. Die Verweisung bedeutet lediglich, dass grundsätzlich zehn Jahre nach einer wesentlichen Änderung eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeschlossen ist (Bayerisches LSG, Urteil vom 10.02.2010, – L 13 R 536/08 –). Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X iVm § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann jedoch ein Verwaltungsakt auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Dies ist vorliegend mit der laufenden Zahlung der Witwenrente der Fall.

Die Beklagte hat auch die Ein-Jahres-Frist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X gilt § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend. Damit ist die hier erfolgte Zurücknahme (auch) für die Vergangenheit nicht ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift muss ein Verwaltungsakt von der zuständigen Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen zurückgenommen werden, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Unter Tatsachen sind dabei alle tatsächlichen Umstände zu verstehen, die zur Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes erforderlich sind. Dies sind zunächst alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass ein begünstigender Verwaltungsakt ohne Rechtsgrund erlassen worden ist, also ganz oder teilweise rechtswidrig ist. Dabei kommt es bei einer Überzahlung wegen der Nichtkenntnis der genauen Einkommenshöhe auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnis an (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2010, § 45 Rz. 81 mit weiteren Hinweisen insbesondere auf die entsprechende Rechtsprechung des BSG). Die Tatsache der Einkommenserzielung muss dabei bei der für die Sachbearbeitung zuständigen Stelle der Behörde aktenkundig werden (Schütze, a.a.O., Rz. 85), da nur diese Stelle prüfen kann, ob die Tatsachen die Rücknahme des betreffenden Verwaltungsaktes rechtfertigen. Nach Rechtsprechung des BSG beginnt die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erst dann zu laufen, wenn die Behörde entweder objektiv eine sichere Kenntnis der Tatsachen hatte, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, oder subjektiv von der Richtigkeit und Vollständigkeit der ihr vorliegenden Informationen überzeugt war; dies ist regelmäßig erst nach der gemäß § 24 SGB X durchgeführten Anhörung des Betroffenen der Fall (BSG, Urteil vom 08.02.1996 – 13 RJ 35/94 –, BSGE 77, 295-303, BSG Urteil vom 25.01.1994 - 7 RAr 14/93 = BSGE 74, 20 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32). Die Kenntnis der relevanten Tatsachen durch den zuständigen Sachbearbeiter (vgl. BSGE 77, 295, 298; BSGE 60, 239, 241; BVerwGE 70, 356, 358) beschränkt sich nicht nur auf diejenigen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ergibt, sondern umfasst auch die übrigen Rücknahmevoraussetzungen (vgl. BSGE 62, 103, 108; BSGE 60, 239, 240) einschließlich der Tatsachen für die sachgerechte Ermessensausübung (vgl. BVerwGE 100, 199, 201; Steinwedel in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: März 2016, § 45 SGB X, Rn. 27), die erst mit der Anhörung in Erfahrung gebracht werden können. Nachdem die Verarbeitung der Daten erst am 16.04.2012 erfolgte, die Antwort auf die Anhörung am 02.07.2012 einging und der Bescheid am 05.07.2012 bestehen keine Zweifel an der Einhaltung auch dieser Frist.

Da sonach die Aufhebung der Bewilligung rechtmäßig ist, durfte die Beklagte die überzahlte Leistung nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückfordern. Gegen die Berechnung des Erstattungsbetrags sind Einwendungen nicht erhoben; Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich.

Die Klägerin kann sich zudem auch nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Der Erstattungsanspruch verjährt gem. § 50 Abs. 4 SGB X in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Eine Unanfechtbarkeit ist bislang nicht eingetreten, sodass die Verjährungsfrist noch gar nicht begonnen hat. Insoweit verweist der Senat ebenfalls auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG. Gründe für eine Verwirkung des Rückforderungsanspruches sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin auch im Berufungsverfahren nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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