Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 1224/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Im Streit ist die Nachforderung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für einen beschäftigten Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Der Kläger ist Inhaber eines Architekturbüros, bei dem der Diplom-Ingenieur P. G. (im Folgenden: P.G.) als Arbeitnehmer beschäftigt ist. Mit Schreiben vom 23.11.1999 kündigte der Kläger im Auftrag des Herrn P.G. die Pflichtmitgliedschaft des Herrn P.G. bei der Techniker Krankenkasse zum 31.12.1999, da Herr P.G. die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 1999 um ca. 4.500,00 DM überschreite und auch für das Jahr 2000 über der Beitragsbemessungsgrenze liegen werde. Herr P.G. war seit dem 01.01.2000 bei dem Deutschen Ring Krankenversicherungsverein a.G. privat kranken- und pflegeversichert. Der Kläger zahlte in der Folgezeit regelmäßig an Herrn P.G. monatlich einen Arbeitgeberzuschuss für dessen Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung.
Herr P.G. erhielt in den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2013 durchgehend ein Gehalt in Höhe von monatlich 3.800,00 EUR, so dass sich ein sozialversicherungspflichtiges Jahresentgelt von 45.600,00 EUR ergab. Von diesem Entgelt wurden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung entrichtet.
Die Beklagte führte in dem Architekturbüro des Klägers in der Zeit vom 19.05.2014 bis zum 31.07.2014 eine Betriebsprüfung bezogen auf den Prüfzeitraum 01.01.2010 bis zum 31.12.2013 durch. Nach einer schriftlichen Anhörung vom 31.07.2014 wurde mit Bescheid vom 05.09.2014 eine sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung in Höhe von insgesamt 19.333,50 EUR geltend gemacht. Für die Jahre 2012 und 2013 wurden bezogen auf den Arbeitnehmer P.G. unter Zugrundelegung eines sozialversicherungspflichtigen Jahresentgeltes von 45.600,00 EUR Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in einer Gesamthöhe von 16.188,00 EUR zuzüglich 3.145,50 EUR Säumniszuschläge nachgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Arbeitnehmer P.G. habe in den Jahren 2012 und 2013 die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten, so dass keine Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorgelegen habe. Für den Arbeitnehmer P.G. sei nicht die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 Satz 1 SGB V, sondern aus Gründen des Bestands- und Vertrauensschutzes die niedrigere Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V maßgeblich, da er bereits am 31.12.2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen sei. Die in § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V vorgesehene Jahresarbeitsentgeltgrenze habe im Jahr 2012 bei 45.900,00 EUR und im Jahr 2013 bei 47.250,00 EUR gelegen. Da das Jahresarbeitsentgelt des Arbeitnehmers P.G. in Höhe von 45.600,00 EUR ab dem 01.01.2012 dauerhaft unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen habe, liege für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor. Zudem seien für die nachzuzahlenden Beiträge nach § 24 Abs. 1 SGB IV Säumniszuschläge zu erheben, da nicht von einer unverschuldeten Unkenntnis hinsichtlich der versäumten Beitragspflichten ausgegangen werden könne. Der Bescheid enthält den handschriftlichen und mit einem Namenszug unterschriebenen Vermerk "Freigabe am 05.09.2014".
Der Kläger erhob mit einem am 10.10.2014 bei der Beklagten als Fax eingegangenen Schriftsatz vom 10.10.2014 Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.09.2014 und wies darauf hin, dass der Bescheid am 25.09.2014 frankiert worden und am 29.09.2014 bei ihm eingegangen sei. Dem Schreiben war ein Briefumschlag der Deutschen Rentenversicherung Rheinland mit einem Frankierdatum 25.09.2014 beigefügt. Mit Schriftsatz vom 29.10.2014 legte der Kläger ein von ihm unterschriebenes, an den Arbeitnehmer P.G. gerichtetes Schreiben vor, in dem als Datum der 01.10.2012 aufgeführt ist. Darin wird Bezug genommen auf ein mit Herrn P.G. persönlich geführtes Gespräch bezüglich des jahrelang unveränderten Gehaltes und ausgeführt, dass sie sich geeinigt hätten, dass Herr P.G. für das Jahr 2012 einen einmaligen Betrag von 3.000,00 EUR und für das Jahr 2013 ebenfalls einen einmaligen Betrag von 3.000,00 EUR erhalte. Zudem wurde auf einen in der Anlage beigefügten Darlehensvertrag Bezug genommen und unter Hinweis auf die von dem Kläger eingehend geschilderten wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Erwartung geäußert, dass Herr P.G. die vorgeschlagene Lösung eines zweijährigen Darlehens akzeptiere. Er wurde gebeten, den Darlehensvertrag zu unterschreiben und auszuhändigen. Der von dem Kläger vorgelegte Darlehensvertrag ist von ihm als Arbeitgeber mit Datum vom 01.10.2012 und von Herrn P.G. als Arbeitnehmer mit Datum vom 02.10.2012 unterschrieben und enthält die Regelung, dass aufgrund der heutigen verbindlich abgeschlossenen Gehaltsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem Arbeitnehmer ab dem 01.10.2012 ein fälliger Anspruch in Höhe von 3.000,00 EUR und für das Jahr 2013 am 01.10.2013 ein Anspruch in Höhe von 3.000,00 EUR zustehe. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden vereinbaren, dass die fälligen Beträge dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer als Darlehen gewährt würden und das Darlehen in einem Gesamtbetrag in Höhe von 6.000,00 EUR mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Oktober 2014 zurückzuzahlen sei. Als Zinssatz wurden 3 % vereinbart. Gleichzeitig legte der Kläger die Gehaltsabrechnung für den Arbeitnehmer P.G. für den Monat Oktober 2014 vor, aus der sich ergibt, dass dem Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Gehalt in Höhe von 3.800,00 EUR eine Prämie für das Jahr 2012 in Höhe von 3.000,00 EUR und eine weitere Prämie für das Jahr 2013 in Höhe von 3.000,00 EUR gezahlt würde zuzüglich Darlehenszinsen in Höhe von 270,00 EUR.
Der Kläger trug zur Begründung seines Widerspruches unter Bezugnahme auf die vorgelegten Unterlagen vor, dass sich die Bezüge des Arbeitnehmers P.G. aufgrund der Änderung des Arbeitsvertrages und des geschlossenen Darlehensvertrages rückwirkend geändert hätten und damit ein Überschreiten der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze vorliege. Es bestünde damit keine Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Zudem stehe der geltend gemachten Beitragsforderung das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis prägende Äquivalenzprinzip entgegen.
Der Kläger beantragte beim Sozialgericht Düsseldorf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches. Mit Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27. 11.2014 (S 26 R 2416/14 ER) wurde der Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Widerspruch sei nach summarischer Prüfung zum Einen verfristet und zum Anderen unbegründet, weil die Jahresarbeitsentgeltgrenze auch unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen für die Jahre 2012 und 2013 unterschritten werde, da bei Einmalzahlungen das Zuflussprinzip gelten würde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27.10.2015 zurück. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2014 ausgeführt, dass der Widerspruch vom 10.10.2014 verfristet sei. Der Bescheid vom 05.09.2014 sei am gleichen Tag zur Post gegeben worden, so dass er nach § 37 SGB X am 08. 09.2014 als bekanntgegeben gelten würde. Der Widerspruch des Klägers sei erst am 11.10.2014 und damit nicht innerhalb der Monatsfrist eingegangen. Der spätere Eingang des Bescheides bei dem Kläger am 29.09.2014 sei von dem Kläger nicht unter Beweis gestellt worden. Damit habe er einen rechtzeitigen und zulässigen Widerspruch nicht darlegen können.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 10.11.2015 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der Widerspruch sei rechtzeitig erhoben worden, da der Bescheid erst am 29.09.2014 mit der Post zugegangen sei und der Briefumschlag einen Poststempel vom 25.09.2014 aufweisen würde. Einem Anspruch auf Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stehe entgegen, dass eine offenkundige Störung des Äquivalenzprinzips vorliege. Eine Störung des Äquivalenzprinzips ergebe sich, wenn Rechtspositionen des Versicherungsträgers in Gestalt von Beitragsansprüchen geltend gemacht würden, ohne dass im Gegenzug das Risiko einer möglichen Gewährung von Leistungen bestünde. Vorliegend seien aufgrund der Unkenntnis der bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weder Beiträge gezahlt noch Leistungen in Anspruch genommen worden. Da sich das Risiko, das versichert werden sollte, nicht mehr realisieren könne, könnten auch keine Beitragsansprüche mehr geltend gemacht werden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der betreffende Arbeitnehmer P.G. einen ausreichenden Versicherungsschutz in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der angefochtene Bescheid vom 05.09.2014 sei bindend geworden, weil der Widerspruch nicht fristgerecht erhoben worden sei. Zudem sei die rückwirkende Geltendmachung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 rechtmäßig, da nicht das Äquivalenzprinzip, sondern das Solidaritätsprinzip die strukturelle Basis der gesetzlichen Krankenversicherung und das dort herrschende grundlegende Prinzip sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem zentralen Prinzip der sozialen Sicherung im Krankheitsfall, da die zu versichernden Erkrankungsrisiken von allen Versicherten gemeinsam getragen würden.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin von 17.03.2016 erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Kläger zur Zahlung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bezogen auf den Arbeitnehmer P.G. für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 und zur Zahlung von Säumniszuschlägen verpflichtet ist.
Die Verpflichtung des Klägers ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon daraus, dass der Bescheid vom 05.09.2014, mit dem die Beklagte eine Beitragsnachforderung und die Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 19.333,50 EUR geltend gemacht hat, nach § 77 SGG bestandskräftig geworden ist. Nach § 77 SGG ist ein Verwaltungsakt für die Beteiligten dann bindend, wenn der gegen ihn gegebene Rechtsbehelf nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 05.09.2014 rechtzeitig Widerspruch erhoben, so dass der Bescheid nicht bindend geworden ist.
Nach § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X).
Der Kläger hat angegeben, der Bescheid vom 05.09.2014 sei ihm am 29.09.2014 zugegangen. Unter Zugrundelegung dieses Zeitpunktes der Bekanntgabe des Bescheides ist die Widerspruchsfrist gewahrt, weil der Widerspruch am 10.10.2014 bei der Beklagen eingegangen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten greift die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht ein. Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht nachgewiesen ist, an welchem Tag der Bescheid zur Post aufgegeben worden ist. Ein solcher Nachweis wird regelmäßig dadurch erbracht, dass die Behördenakte einen Vermerk über die Aufgabe zur Post enthält, durch den der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt zur Post gegeben wurde, dokumentiert wird. Die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X greift nur dann ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in der Verwaltungsakte der Beklagten vermerkt wurde (BSG vom 28.11.2006, B 2 U 33/05 R; LSG NRW, Beschluss vom 15.11.2011, L 7 AS 1382/11 B). Der Verwaltungsakte der Beklagten ist lediglich ein auf dem Bescheid vom 05.09.2014 enthaltener handschriftlicher Vermerk vom 05.09.2014 mit dem Inhalt "Freigabe am 05.09.2014" zu entnehmen. Insoweit handelt es sich nicht um einen Vermerk, aus dem sich ergibt, dass der Bescheid zur Post gegeben wurde bzw. dass der Bescheid abgesandt worden ist (sogenannter "Abvermerk").
Unabhängig davon würde die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X auch dann nicht eingreifen, wenn die Beklagte einen Nachweis über den Zeitpunkt der Aufgabe des Briefes zur Post erbracht hätte. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X, wonach im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes bzw. den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen hat. Vorliegend bestehen berechtigte Zweifel an der Zugangsvermutung, da der Kläger nicht nur einen am 29.09.2014 erfolgten Zugang geltend gemacht hat, sondern auch substantiiert Tatsachen dargelegt hat, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Bescheides erst zu diesem Zeitpunkt erfolgte (vgl. zu diesem Erfordernis: BSG vom 26.07.2007, B 13 R 4/06 R mwN). Insoweit hat der Kläger insbesondere den Briefumschlag vorgelegt, aus dem sich eine am 25.09.2014 durchgeführte Frankierung des Briefes ergibt, das als wesentliches Indiz dafür anzusehen ist, dass der Bescheid nicht am 05.09.2014 zur Post aufgegeben und nicht innerhalb von drei Tagen nach dem 05.09.2014 zugegangen ist. Die Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, dass der Bescheid zu einem früheren Zeitpunkt als dem 29.09.2014 zugegangen ist. Der Kläger hat mit dem am 10.10.2014 erhobenen Widerspruch die Frist von einem Monat nach § 84 SGG gewahrt.
Der Kläger ist zur Zahlung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bezogen auf den Arbeitnehmer P.G. für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 verpflichtet, weil die Voraussetzungen der Versicherungspflicht gegeben sind und eine rückwirkende Geltendmachung der Pflichtbeiträge rechtmäßig ist.
Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Die Beklagte hat zutreffend eine Versicherungspflicht des Arbeitnehmers P.G. in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 festgestellt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind in der gesetzlichen Krankenversicherung unter anderem Angestellte versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Für die soziale Pflegeversicherung ist in § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI geregelt, dass diejenigen Personen, die als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Angestellte versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind.
Der Kläger war in der Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 nicht gemäß § 6 Abs.1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 und 7 übersteigt. Nach der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entscheidet die Höhe des Arbeitsentgeltes (§ 14 SGB IV) über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Bei einmalig gezahlten Arbeitsentgelten ist zu berücksichtigen, dass diesbezügliche Beitragsansprüche nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entstehen, sobald diese ausgezahlt worden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Angestellter maßgebend, wie es im Voraus für das kommende Kalenderjahr festzustellen ist. Dabei wird das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt eines Beschäftigten mit festvereinbartem Entgelt in der Weise ermittelt, dass der vertraglich zustehende Monatsverdienst mit 12 vervielfacht wird. Ferner sind solche Bezüge zu berücksichtigen, deren Zahlung nach der bisherigen Übung auch künftig mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Hiernach gehören zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt grundsätzlich alle in der Regel, d.h. mit hinreichender Sicherheit aus der Beschäftigung für die nächsten 12 Monate zu erwartenden Einnahmen (BSG vom 09.02.1993, 12 RK 26/90; BSG Großer Senat vom 30.06.1965, GS 2/64).
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass für das Jahr 2012 von einem Jahresarbeitsentgelt des Arbeitnehmers P.G. in Höhe von 45.600,00 EUR auszugehen war. Da Herr P.G. bereits in den Jahres 2010 und 2011 regelmäßig einen Monatsverdienst von 3.800,00 EUR erzielte und eine Änderung des Verdienstes nicht vereinbart worden war, war zu Beginn des Jahres 2012 die Prognose gerechtfertigt, dass Herr P.G. im Jahr 2012 ein Jahresarbeitsentgelt in Höhe von 45.600,00 EUR erzielen würde. Eine entsprechende Prognose war auch bezogen auf das Jahr 2013 vorzunehmen. Der Kläger hatte dem Arbeitnehmer P.G. in dem davorliegenden 12-Monats-Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2012 tatsächlich monatlich ein Gehalt in Höhe von 3.800,00 EUR, d.h. ein Jahresarbeitsentgelt in Höhe von 45.600,00 EUR gezahlt. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits am 01.10.2012 zwischen dem Kläger und dem Arbeitnehmer P.G. eine Vereinbarung getroffen worden war, wonach der Arbeitnehmer P.G. sowohl für das Jahr 2012 als auch für das Jahr 2013 eine Prämie in Höhe von 3.000,00 EUR erhalten sollte. Den sich daraus ergebenden Zweifeln, dass sowohl im Rahmen der Betriebsprüfung als auch im Rahmen der Anhörung entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt worden sind, musste das Gericht nicht durch Vernehmung von Zeugen nachgehen, weil auch unter Zugrundelegung einer am 01.10.2012 getroffenen Vereinbarung die Prognose hinsichtlich des Jahresarbeitsentgeltes für das Jahr 2013 nicht anders ausgefallen wäre.
Die Prämien für 2012 und 2013 sind tatsächlich erst im Oktober 2014 an den Arbeitnehmer P.G. gezahlt worden. Es handelt sich insoweit um einmal gezahltes Arbeitsentgelt, das Anfang 2013 bei der Ermittlung des voraussichtlich im Jahre 2013 zu erwartenden Arbeitsentgelts schon deshalb nicht zu berücksichtigen war, weil aus der zwischen dem Kläger und dem Arbeitnehmer P.G. getroffenen Vereinbarung vom 01.10.2012 hervorging, dass die Prämien tatsächlich erst nach zwei Jahren, d.h. im Oktober 2014 an Herrn P.G. ausgezahlt werden sollten. Somit stand bereits zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung Anfang 2013 fest, dass es im Jahr 2013 nicht zur Auszahlung der Prämien kommen würde, so dass sie im Rahmen der Ermittlung des für die versicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltes nicht berücksichtigt werden konnten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung zum 01.01.2003 durch § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV das Zuflussprinzip eingeführt hat. Danach entstehen die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dies ausgezahlt worden ist. Aus diesem Grund ist im Rahmen der zum Zweck der versicherungsrechtlichen Beurteilung prognostisch zu ermittelnden Jahresarbeitsentgelte grundsätzlich zu berücksichtigen, ob und in welchem Zeitpunkt einmalig zu zahlendes Entgelt voraussichtlich tatsächlich ausgezahlt wird (vgl. SG Reutlingen, Urteil vom 18.02.2009, S 10 R 3819/06).
Die für den Arbeitnehmer P.G. maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze ergibt sich aus § 6 Abs. 7 SGB V iVm § 4 Abs. 2 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 vom 02.12.2011 und für 2013 vom 26.11.2012, da der Arbeitnehmer bereits am 31.12.2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert war. Nach § 6 Abs. 7 SGB V iVm § 4 Abs. 2 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 und für 2013 betrug die Jahresarbeitsentgeltgrenze im Jahr 2012 45.900,00 EUR und im Jahr 2013 47.250,00 EUR. Da Anfang 2012 und Anfang 2013 mit hinreichender Sicherheit lediglich ein Jahresentgelt des Arbeitnehmers P.G. in Höhe von 45.600,00 EUR zu erwarten war, besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung.
Die Versicherungs- und Beitragspflicht des Arbeitnehmers P.G. ist allein aufgrund der Verwirklichung des sie begründenden Tatbestandes eingetreten, ohne dass es auf den Willen oder die Kenntnis des Arbeitnehmers und des Klägers als Arbeitgeber ankommt. Insoweit würde der Beitragszahlungspflicht des Klägers nicht entgegenstehen, wenn er und der Arbeitnehmer P.G. nicht gewusst haben sollten, dass der Arbeitnehmer P.G. in dem Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass der Arbeitnehmer P.G. aufgrund der Unkenntnis der bestehenden Versicherungspflicht in dem streitigen Zeitraum keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Beitragszahlungspflicht nicht das das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis prägende Äquivalenzprinzip entgegen. Insbesondere lässt sich aus dem Äquivalenzprinzip nicht die Folgerung ableiten, dass Beiträge nur für Zeiten verlangt werden können, für die Leistungen in Anspruch genommen worden sind oder noch in Anspruch genommen werden können.
Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Sozialversicherung unter anderem durch das Beitrags- oder Versicherungsprinzip (Äquivalenzprinzip), aber auch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs bestimmt wird. Das Versicherungsprinzip ist dadurch gekennzeichnet, dass im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht (BVerfG vom 23.03.1994, 1 BvL 8/85). Rechtliche Bedeutung kann dies insofern haben, als eine Verletzung oder Störung des Äquivalenzprinzips einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) indizieren kann. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass es verschiedene Regelungen einmal mehr durch das Solidarprinzip, ein anderes Mal mehr durch das Versicherungsprinzip geprägt und gerechtfertigt angesehen hat (BVerfG vom 10.11. 1981, 1 BvL 18/77 und 1 BvL 19/77; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2012, L 11 KR 4952/10). Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist das Versicherungsprinzip nur schwach ausgeprägt. Tragende Säule der gesetzlichen Krankenversicherung ist vielmehr das Prinzip der Solidarität der Versicherten und ihrer Arbeitgeber, so dass die Beiträge des Einzelnen nicht nur seiner eigenen Sicherung, sondern auch der Sicherung der gesamten Solidargemeinschaft im Krankheitsfall dienen. Daraus, dass die von der Versicherung abgedeckten Risiken gemeinsam getragen werden, folgt somit notwendigerweise, dass ein Versicherter während eines längeren oder kürzeren Zeitraumes Leistungen zufließen können, deren Wert den seiner Beitragsleistung weit übersteigen, während ein anderer Versicherter keinerlei Leistungen erhalten hat (BSG vom 13.12.1984, 11 RK 3/84). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass der Ausgleich unterschiedlicher Krankheitsrisiken unter den Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung als prägendes Merkmal hinter dem Ausgleich zwischen finanziell Leistungsfähigen und Leistungsschwächeren zurücktritt (BVerfG vom 04.02.2004, 1 BvR 1103/03).
Kann sich der Kläger unter Heranziehung dieser Grundsätze schon dem Grunde nach nicht mit Erfolg auf das Äquivalenzprinzip berufen, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger herangezogene "offenkundige Störung" des Äquivalenzprinzips in dieser Form tatsächlich nicht vorliegt. Der Kläger sieht die Störung darin, dass er als Arbeitgeber für die Jahre 2012 und 2013 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten habe, obwohl die Krankenkasse für den Zeitraum, für den die Beiträge nacherhoben werden, kein Risiko getragen und keine Leistungen erbracht habe. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Herr P.G. in dem streitigen Zeitraum tatsächlich gesetzlich krankenversichert war, da die Versicherungspflicht durch das Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze kraft Gesetzes unabhängig davon eingetreten ist, ob der Kläger und der Arbeitnehmer P.G. Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichtet haben. Die Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen stand der Begründung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wandelt sich in diesen Fällen zur Vermeidung des Eintritts einer Äquivalenzstörung der Sachleistungsanspruch des Versicherten in einen auf Geld gerichteten Kostenerstattungsanspruch um (BSG vom 04.10.1988, 4/11 a RK 2/87; BSG vom 18.01.1990, 4 RK 4/88). Wenn Beiträge nacherhoben werden und das Versicherungsverhältnis rückwirkend aktiviert wird, kann die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten insoweit, als Sachleistungen rechtlich und tatsächlich unmöglich (geworden) sind, unter Berufung auf das Sachleistungsprinzip eine Kostenerstattung jedenfalls dann nicht verweigern, wenn der Versicherte von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatte. Daraus folgt, dass die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht und die rückwirkende Nacherhebung von Beiträgen dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auch Gegenleistungen aufbürdet und dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis derjenige Schutz gewährt wird, der bei dieser Sachlage erbringbar ist.
Die Geltendmachung des Beitragsanspruchs durch die Beklagte ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn eine Krankenkasse Beiträge für einen Zeitraum nachfordert, in dem der Versicherte mangels Kenntnis von seiner Versicherung keine Leistungsansprüche geltend gemacht hat. Dabei wurde der Verstoß gegen Treu und Glauben in der Regel aus der Unzulässigkeit eines widersprüchlichen Verhaltens (venire contra faktum proprium) hergeleitet, etwa, wenn der Versicherte von einer Krankenkasse oder einem Rentenversicherungsträger nicht rechtzeitig über das Bestehen einer Versicherung informiert worden war oder ein Versicherungsträger sonst durch ein fehlerhaftes Verhalten dazu beigetragen hatte, dass der Versicherte von dem Versicherungsschutz keinen Gebrauch machen konnte (vgl. BSG vom 13.12.1984, 11 RK 3/84 mit einem Überblick über die Rechtsprechung; BSG vom 09.10.1984, 12 RK 46/82 mwN.). Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ein widersprüchliches Verhalten der zuständigen Krankenkasse oder der Beklagten herleiten lässt. Die nachträgliche Geltendmachung der Beiträge beruht vorliegend allein auf dem Umstand, dass der Kläger der zuständigen Einzugsstelle nicht gemeldet hat, dass das Jahresarbeitsentgelt des Arbeitnehmers P.G. seit dem Jahr 2012 die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten hat und Versicherungspflicht eingetreten ist. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber eine rechtzeitige Meldung eines – etwa irrtümlich als nicht versicherungspflichtig angesehenen – Arbeitnehmers unterlassen hat, stellt die nachträgliche Erhebung der Beiträge keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar (BSG vom 09.10.1984, 12 RK 46/82; BSG vom 13.12.1984, 11 RK 3/84; LSG NRW vom 08.07.2008, L 16 (18) R 43/05; Bayerisches LSG vom 26.07.2011, L 5 R 357/09).
Die Beklagte hat nach alledem den Kläger als Schuldner der Gesamtsozialversicherungsbeiträge gemäß § 28 e Abs. 1 Satz 1 iVm § 28 d Satz 1 SGB IV zu Recht in Anspruch genommen.
Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen ist nicht zu beanstanden. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Das Verschulden im Sinne dieser Vorschrift beurteilt sich nach § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und umfasst neben Vorsatz alle Grade der Fahrlässigkeit (BSG vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R; LSG NRW, Beschluss vom 16.09.2013, L 8 R 361/13 B ER).
Den Kläger trifft in diesem Sinne ein Verschulden hinsichtlich der Nichtkenntnis von der Zahlungspflicht. Er wusste, dass der Arbeitnehmer P.G. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für ihn tätig ist und damit grundsätzlich der Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Ihm war bekannt, dass in der Zeit vor 2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung nur deshalb nicht bestand, weil der Arbeitnehmer einen Verdienst erzielte, der über der Jahresarbeitsentgeltgrenze lag. Er hatte im Auftrag des Arbeitnehmers P.G. dessen Pflichtmitgliedschaft bei der Techniker Krankenkasse (TKK) mit Schreiben vom 23.11.1999 mit der Begründung gekündigt, dass Herr P.G. im Kalenderjahr 1999 die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten werde und auch im Jahr 2000 über der Beitragsbemessungsgrenze liegen werde. Aus den Lohnkonten des Arbeitnehmers P.G. ergibt sich, dass regelmäßig ein Arbeitgeberzuschuss zu den Aufwendungen für die private Krankenversicherung gezahlt wurde. Einem Arbeitgeber obliegt es, Änderungen in der Höhe der Jahresarbeitsentgeltgrenzen genauso wie ein Über- oder Unterschreiten aufgrund von höheren oder niedrigeren Entgeltzahlungen zu berücksichtigen und seine Meldungen an die Einzugsstelle gegebenenfalls zu korrigieren (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 26.07.2011, L 5 R 357/09; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2012, L 11 KR 4952/10). Werden entsprechende Überprüfungen seitens des Arbeitgebers nicht vorgenommen und unterbleibt deshalb die Meldung der Versicherungspflicht und die Beitragsentrichtung, liegt ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers vor. Sollte der Kläger einen Steuerberater mit der Berechnung der Gehälter und der Sozialversicherungsabgaben sowie der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge beauftragt haben, muss sich der Kläger dessen Kenntnisse bzw. dessen Kennen müssen von dem Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze und der Versicherungspflicht des Arbeitnehmers P.G. nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17.10.2008, L 16 R 41/08; LSG NRW vom 07.11.2012, L 8 R 699/12 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) iVm § 197 a SGG, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Der unterliegende Teil im Sinne des § 154 Abs. 1 VwGO ist derjenige, dessen Sachantrag in vollem Umfang erfolglos geblieben ist. Anders als bei der nach § 193 SGG vorzunehmenden Kostenentscheidung, in die alle Umstände des Einzelfalles einfließen, war vorliegend nicht zu berücksichtigen, dass die Beklagte insoweit Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, dass der Widerspruch mit der unzutreffenden Begründung abgewiesen worden ist, der Widerspruch sei nicht innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Eine andere Kostenverteilung als die in § 154 Abs. 1 VwGO vorgesehene Kostentragungspflicht des unterliegenden Teils kann bei einer Kostenentscheidung nach § 197 a SGG nur nach § 155 Abs. 4 VwGO in Betracht kommen, da diese Vorschrift als Sonderregelung allen anderen Kostenvorschriften vorgeht (vgl. Meyer-Ladewig, § 197 a Rn. 18). Voraussetzung wäre, dass Kosten durch ein Verschulden der Beklagten entstanden wären. Diese Voraussetzungen liegen jedoch ersichtlich nicht vor. Vom Anwendungsbereich des § 155 Abs. 4 VwGO werden vor allem Mehrkosten erfasst, wie sie ein Kläger z.B. durch Beschreiten eines unzulässigen Rechtsweges infolge fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung entstehen können. Solche Mehrkosten sind vorliegend nicht entstanden. Zwar kann § 155 Abs. 4 VwGO unter Umständen auch die gesamten Prozesskosten erfassen, doch ist zu beachten, dass die Vorschrift mit Blick auf die allgemeinen Regelungen zur Kostenlast, insbesondere § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO restriktiv auszulegen ist (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 17.08.2012, 3 B 246/12). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist geklärt, dass eine unzureichende Begründung eines Verwaltungsaktes nur in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass zur Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO geben kann (BVerwG, Beschluss vom 30.04.2010, 9 B 42/10 mwN). Vorliegend fehlt es an einem Verschulden der Beklagten im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO. Allein die Tatsache, dass die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Versäumung der Widerspruchsfrist eine unzutreffende Rechtsauffassung vertreten hat, stellt kein Verschulden im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO dar. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte in ihrer Rechtsauffassung durch den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2014, der das vorgelagerte einstweilige Rechtsschutzverfahren betraf, bestätigt sehen konnte, auch wenn es sich insoweit um eine Entscheidung auf der Grundlage einer summarischen Prüfung handelte.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Im Streit ist die Nachforderung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für einen beschäftigten Arbeitnehmer für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 wegen Unterschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Der Kläger ist Inhaber eines Architekturbüros, bei dem der Diplom-Ingenieur P. G. (im Folgenden: P.G.) als Arbeitnehmer beschäftigt ist. Mit Schreiben vom 23.11.1999 kündigte der Kläger im Auftrag des Herrn P.G. die Pflichtmitgliedschaft des Herrn P.G. bei der Techniker Krankenkasse zum 31.12.1999, da Herr P.G. die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 1999 um ca. 4.500,00 DM überschreite und auch für das Jahr 2000 über der Beitragsbemessungsgrenze liegen werde. Herr P.G. war seit dem 01.01.2000 bei dem Deutschen Ring Krankenversicherungsverein a.G. privat kranken- und pflegeversichert. Der Kläger zahlte in der Folgezeit regelmäßig an Herrn P.G. monatlich einen Arbeitgeberzuschuss für dessen Aufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung.
Herr P.G. erhielt in den Jahren 2010, 2011, 2012 und 2013 durchgehend ein Gehalt in Höhe von monatlich 3.800,00 EUR, so dass sich ein sozialversicherungspflichtiges Jahresentgelt von 45.600,00 EUR ergab. Von diesem Entgelt wurden Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung entrichtet.
Die Beklagte führte in dem Architekturbüro des Klägers in der Zeit vom 19.05.2014 bis zum 31.07.2014 eine Betriebsprüfung bezogen auf den Prüfzeitraum 01.01.2010 bis zum 31.12.2013 durch. Nach einer schriftlichen Anhörung vom 31.07.2014 wurde mit Bescheid vom 05.09.2014 eine sich aus der Betriebsprüfung ergebende Nachforderung in Höhe von insgesamt 19.333,50 EUR geltend gemacht. Für die Jahre 2012 und 2013 wurden bezogen auf den Arbeitnehmer P.G. unter Zugrundelegung eines sozialversicherungspflichtigen Jahresentgeltes von 45.600,00 EUR Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in einer Gesamthöhe von 16.188,00 EUR zuzüglich 3.145,50 EUR Säumniszuschläge nachgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Arbeitnehmer P.G. habe in den Jahren 2012 und 2013 die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten, so dass keine Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorgelegen habe. Für den Arbeitnehmer P.G. sei nicht die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 Satz 1 SGB V, sondern aus Gründen des Bestands- und Vertrauensschutzes die niedrigere Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V maßgeblich, da er bereits am 31.12.2002 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze krankenversicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert gewesen sei. Die in § 6 Abs. 7 Satz 1 SGB V vorgesehene Jahresarbeitsentgeltgrenze habe im Jahr 2012 bei 45.900,00 EUR und im Jahr 2013 bei 47.250,00 EUR gelegen. Da das Jahresarbeitsentgelt des Arbeitnehmers P.G. in Höhe von 45.600,00 EUR ab dem 01.01.2012 dauerhaft unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen habe, liege für die Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vor. Zudem seien für die nachzuzahlenden Beiträge nach § 24 Abs. 1 SGB IV Säumniszuschläge zu erheben, da nicht von einer unverschuldeten Unkenntnis hinsichtlich der versäumten Beitragspflichten ausgegangen werden könne. Der Bescheid enthält den handschriftlichen und mit einem Namenszug unterschriebenen Vermerk "Freigabe am 05.09.2014".
Der Kläger erhob mit einem am 10.10.2014 bei der Beklagten als Fax eingegangenen Schriftsatz vom 10.10.2014 Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.09.2014 und wies darauf hin, dass der Bescheid am 25.09.2014 frankiert worden und am 29.09.2014 bei ihm eingegangen sei. Dem Schreiben war ein Briefumschlag der Deutschen Rentenversicherung Rheinland mit einem Frankierdatum 25.09.2014 beigefügt. Mit Schriftsatz vom 29.10.2014 legte der Kläger ein von ihm unterschriebenes, an den Arbeitnehmer P.G. gerichtetes Schreiben vor, in dem als Datum der 01.10.2012 aufgeführt ist. Darin wird Bezug genommen auf ein mit Herrn P.G. persönlich geführtes Gespräch bezüglich des jahrelang unveränderten Gehaltes und ausgeführt, dass sie sich geeinigt hätten, dass Herr P.G. für das Jahr 2012 einen einmaligen Betrag von 3.000,00 EUR und für das Jahr 2013 ebenfalls einen einmaligen Betrag von 3.000,00 EUR erhalte. Zudem wurde auf einen in der Anlage beigefügten Darlehensvertrag Bezug genommen und unter Hinweis auf die von dem Kläger eingehend geschilderten wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Erwartung geäußert, dass Herr P.G. die vorgeschlagene Lösung eines zweijährigen Darlehens akzeptiere. Er wurde gebeten, den Darlehensvertrag zu unterschreiben und auszuhändigen. Der von dem Kläger vorgelegte Darlehensvertrag ist von ihm als Arbeitgeber mit Datum vom 01.10.2012 und von Herrn P.G. als Arbeitnehmer mit Datum vom 02.10.2012 unterschrieben und enthält die Regelung, dass aufgrund der heutigen verbindlich abgeschlossenen Gehaltsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dem Arbeitnehmer ab dem 01.10.2012 ein fälliger Anspruch in Höhe von 3.000,00 EUR und für das Jahr 2013 am 01.10.2013 ein Anspruch in Höhe von 3.000,00 EUR zustehe. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden vereinbaren, dass die fälligen Beträge dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer als Darlehen gewährt würden und das Darlehen in einem Gesamtbetrag in Höhe von 6.000,00 EUR mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Oktober 2014 zurückzuzahlen sei. Als Zinssatz wurden 3 % vereinbart. Gleichzeitig legte der Kläger die Gehaltsabrechnung für den Arbeitnehmer P.G. für den Monat Oktober 2014 vor, aus der sich ergibt, dass dem Arbeitnehmer zusätzlich zu seinem Gehalt in Höhe von 3.800,00 EUR eine Prämie für das Jahr 2012 in Höhe von 3.000,00 EUR und eine weitere Prämie für das Jahr 2013 in Höhe von 3.000,00 EUR gezahlt würde zuzüglich Darlehenszinsen in Höhe von 270,00 EUR.
Der Kläger trug zur Begründung seines Widerspruches unter Bezugnahme auf die vorgelegten Unterlagen vor, dass sich die Bezüge des Arbeitnehmers P.G. aufgrund der Änderung des Arbeitsvertrages und des geschlossenen Darlehensvertrages rückwirkend geändert hätten und damit ein Überschreiten der maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze vorliege. Es bestünde damit keine Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Zudem stehe der geltend gemachten Beitragsforderung das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis prägende Äquivalenzprinzip entgegen.
Der Kläger beantragte beim Sozialgericht Düsseldorf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches. Mit Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27. 11.2014 (S 26 R 2416/14 ER) wurde der Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Widerspruch sei nach summarischer Prüfung zum Einen verfristet und zum Anderen unbegründet, weil die Jahresarbeitsentgeltgrenze auch unter Berücksichtigung der Einmalzahlungen für die Jahre 2012 und 2013 unterschritten werde, da bei Einmalzahlungen das Zuflussprinzip gelten würde.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27.10.2015 zurück. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2014 ausgeführt, dass der Widerspruch vom 10.10.2014 verfristet sei. Der Bescheid vom 05.09.2014 sei am gleichen Tag zur Post gegeben worden, so dass er nach § 37 SGB X am 08. 09.2014 als bekanntgegeben gelten würde. Der Widerspruch des Klägers sei erst am 11.10.2014 und damit nicht innerhalb der Monatsfrist eingegangen. Der spätere Eingang des Bescheides bei dem Kläger am 29.09.2014 sei von dem Kläger nicht unter Beweis gestellt worden. Damit habe er einen rechtzeitigen und zulässigen Widerspruch nicht darlegen können.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 10.11.2015 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, der Widerspruch sei rechtzeitig erhoben worden, da der Bescheid erst am 29.09.2014 mit der Post zugegangen sei und der Briefumschlag einen Poststempel vom 25.09.2014 aufweisen würde. Einem Anspruch auf Nachentrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung stehe entgegen, dass eine offenkundige Störung des Äquivalenzprinzips vorliege. Eine Störung des Äquivalenzprinzips ergebe sich, wenn Rechtspositionen des Versicherungsträgers in Gestalt von Beitragsansprüchen geltend gemacht würden, ohne dass im Gegenzug das Risiko einer möglichen Gewährung von Leistungen bestünde. Vorliegend seien aufgrund der Unkenntnis der bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung weder Beiträge gezahlt noch Leistungen in Anspruch genommen worden. Da sich das Risiko, das versichert werden sollte, nicht mehr realisieren könne, könnten auch keine Beitragsansprüche mehr geltend gemacht werden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der betreffende Arbeitnehmer P.G. einen ausreichenden Versicherungsschutz in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 05.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der angefochtene Bescheid vom 05.09.2014 sei bindend geworden, weil der Widerspruch nicht fristgerecht erhoben worden sei. Zudem sei die rückwirkende Geltendmachung der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 rechtmäßig, da nicht das Äquivalenzprinzip, sondern das Solidaritätsprinzip die strukturelle Basis der gesetzlichen Krankenversicherung und das dort herrschende grundlegende Prinzip sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem zentralen Prinzip der sozialen Sicherung im Krankheitsfall, da die zu versichernden Erkrankungsrisiken von allen Versicherten gemeinsam getragen würden.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin von 17.03.2016 erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Kläger zur Zahlung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bezogen auf den Arbeitnehmer P.G. für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 und zur Zahlung von Säumniszuschlägen verpflichtet ist.
Die Verpflichtung des Klägers ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon daraus, dass der Bescheid vom 05.09.2014, mit dem die Beklagte eine Beitragsnachforderung und die Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 19.333,50 EUR geltend gemacht hat, nach § 77 SGG bestandskräftig geworden ist. Nach § 77 SGG ist ein Verwaltungsakt für die Beteiligten dann bindend, wenn der gegen ihn gegebene Rechtsbehelf nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 05.09.2014 rechtzeitig Widerspruch erhoben, so dass der Bescheid nicht bindend geworden ist.
Nach § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X).
Der Kläger hat angegeben, der Bescheid vom 05.09.2014 sei ihm am 29.09.2014 zugegangen. Unter Zugrundelegung dieses Zeitpunktes der Bekanntgabe des Bescheides ist die Widerspruchsfrist gewahrt, weil der Widerspruch am 10.10.2014 bei der Beklagen eingegangen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten greift die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht ein. Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht nachgewiesen ist, an welchem Tag der Bescheid zur Post aufgegeben worden ist. Ein solcher Nachweis wird regelmäßig dadurch erbracht, dass die Behördenakte einen Vermerk über die Aufgabe zur Post enthält, durch den der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt zur Post gegeben wurde, dokumentiert wird. Die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X greift nur dann ein, wenn der Tag der Aufgabe zur Post in der Verwaltungsakte der Beklagten vermerkt wurde (BSG vom 28.11.2006, B 2 U 33/05 R; LSG NRW, Beschluss vom 15.11.2011, L 7 AS 1382/11 B). Der Verwaltungsakte der Beklagten ist lediglich ein auf dem Bescheid vom 05.09.2014 enthaltener handschriftlicher Vermerk vom 05.09.2014 mit dem Inhalt "Freigabe am 05.09.2014" zu entnehmen. Insoweit handelt es sich nicht um einen Vermerk, aus dem sich ergibt, dass der Bescheid zur Post gegeben wurde bzw. dass der Bescheid abgesandt worden ist (sogenannter "Abvermerk").
Unabhängig davon würde die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X auch dann nicht eingreifen, wenn die Beklagte einen Nachweis über den Zeitpunkt der Aufgabe des Briefes zur Post erbracht hätte. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X, wonach im Zweifel die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes bzw. den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen hat. Vorliegend bestehen berechtigte Zweifel an der Zugangsvermutung, da der Kläger nicht nur einen am 29.09.2014 erfolgten Zugang geltend gemacht hat, sondern auch substantiiert Tatsachen dargelegt hat, aus denen schlüssig die nicht entfernt liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Bescheides erst zu diesem Zeitpunkt erfolgte (vgl. zu diesem Erfordernis: BSG vom 26.07.2007, B 13 R 4/06 R mwN). Insoweit hat der Kläger insbesondere den Briefumschlag vorgelegt, aus dem sich eine am 25.09.2014 durchgeführte Frankierung des Briefes ergibt, das als wesentliches Indiz dafür anzusehen ist, dass der Bescheid nicht am 05.09.2014 zur Post aufgegeben und nicht innerhalb von drei Tagen nach dem 05.09.2014 zugegangen ist. Die Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, dass der Bescheid zu einem früheren Zeitpunkt als dem 29.09.2014 zugegangen ist. Der Kläger hat mit dem am 10.10.2014 erhobenen Widerspruch die Frist von einem Monat nach § 84 SGG gewahrt.
Der Kläger ist zur Zahlung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bezogen auf den Arbeitnehmer P.G. für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 verpflichtet, weil die Voraussetzungen der Versicherungspflicht gegeben sind und eine rückwirkende Geltendmachung der Pflichtbeiträge rechtmäßig ist.
Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Die Beklagte hat zutreffend eine Versicherungspflicht des Arbeitnehmers P.G. in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung für den streitigen Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 festgestellt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind in der gesetzlichen Krankenversicherung unter anderem Angestellte versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Für die soziale Pflegeversicherung ist in § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI geregelt, dass diejenigen Personen, die als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Angestellte versicherungspflichtige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind.
Der Kläger war in der Zeit vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 nicht gemäß § 6 Abs.1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeiter und Angestellte versicherungsfrei, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 und 7 übersteigt. Nach der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entscheidet die Höhe des Arbeitsentgeltes (§ 14 SGB IV) über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 14 Abs. 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Bei einmalig gezahlten Arbeitsentgelten ist zu berücksichtigen, dass diesbezügliche Beitragsansprüche nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entstehen, sobald diese ausgezahlt worden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Angestellter maßgebend, wie es im Voraus für das kommende Kalenderjahr festzustellen ist. Dabei wird das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt eines Beschäftigten mit festvereinbartem Entgelt in der Weise ermittelt, dass der vertraglich zustehende Monatsverdienst mit 12 vervielfacht wird. Ferner sind solche Bezüge zu berücksichtigen, deren Zahlung nach der bisherigen Übung auch künftig mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist. Hiernach gehören zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt grundsätzlich alle in der Regel, d.h. mit hinreichender Sicherheit aus der Beschäftigung für die nächsten 12 Monate zu erwartenden Einnahmen (BSG vom 09.02.1993, 12 RK 26/90; BSG Großer Senat vom 30.06.1965, GS 2/64).
Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass für das Jahr 2012 von einem Jahresarbeitsentgelt des Arbeitnehmers P.G. in Höhe von 45.600,00 EUR auszugehen war. Da Herr P.G. bereits in den Jahres 2010 und 2011 regelmäßig einen Monatsverdienst von 3.800,00 EUR erzielte und eine Änderung des Verdienstes nicht vereinbart worden war, war zu Beginn des Jahres 2012 die Prognose gerechtfertigt, dass Herr P.G. im Jahr 2012 ein Jahresarbeitsentgelt in Höhe von 45.600,00 EUR erzielen würde. Eine entsprechende Prognose war auch bezogen auf das Jahr 2013 vorzunehmen. Der Kläger hatte dem Arbeitnehmer P.G. in dem davorliegenden 12-Monats-Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2012 tatsächlich monatlich ein Gehalt in Höhe von 3.800,00 EUR, d.h. ein Jahresarbeitsentgelt in Höhe von 45.600,00 EUR gezahlt. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits am 01.10.2012 zwischen dem Kläger und dem Arbeitnehmer P.G. eine Vereinbarung getroffen worden war, wonach der Arbeitnehmer P.G. sowohl für das Jahr 2012 als auch für das Jahr 2013 eine Prämie in Höhe von 3.000,00 EUR erhalten sollte. Den sich daraus ergebenden Zweifeln, dass sowohl im Rahmen der Betriebsprüfung als auch im Rahmen der Anhörung entsprechende Unterlagen nicht vorgelegt worden sind, musste das Gericht nicht durch Vernehmung von Zeugen nachgehen, weil auch unter Zugrundelegung einer am 01.10.2012 getroffenen Vereinbarung die Prognose hinsichtlich des Jahresarbeitsentgeltes für das Jahr 2013 nicht anders ausgefallen wäre.
Die Prämien für 2012 und 2013 sind tatsächlich erst im Oktober 2014 an den Arbeitnehmer P.G. gezahlt worden. Es handelt sich insoweit um einmal gezahltes Arbeitsentgelt, das Anfang 2013 bei der Ermittlung des voraussichtlich im Jahre 2013 zu erwartenden Arbeitsentgelts schon deshalb nicht zu berücksichtigen war, weil aus der zwischen dem Kläger und dem Arbeitnehmer P.G. getroffenen Vereinbarung vom 01.10.2012 hervorging, dass die Prämien tatsächlich erst nach zwei Jahren, d.h. im Oktober 2014 an Herrn P.G. ausgezahlt werden sollten. Somit stand bereits zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung Anfang 2013 fest, dass es im Jahr 2013 nicht zur Auszahlung der Prämien kommen würde, so dass sie im Rahmen der Ermittlung des für die versicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltes nicht berücksichtigt werden konnten. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt der Gesetzgeber mit der Neuregelung durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung zum 01.01.2003 durch § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV das Zuflussprinzip eingeführt hat. Danach entstehen die Beitragsansprüche bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, sobald dies ausgezahlt worden ist. Aus diesem Grund ist im Rahmen der zum Zweck der versicherungsrechtlichen Beurteilung prognostisch zu ermittelnden Jahresarbeitsentgelte grundsätzlich zu berücksichtigen, ob und in welchem Zeitpunkt einmalig zu zahlendes Entgelt voraussichtlich tatsächlich ausgezahlt wird (vgl. SG Reutlingen, Urteil vom 18.02.2009, S 10 R 3819/06).
Die für den Arbeitnehmer P.G. maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze ergibt sich aus § 6 Abs. 7 SGB V iVm § 4 Abs. 2 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 vom 02.12.2011 und für 2013 vom 26.11.2012, da der Arbeitnehmer bereits am 31.12.2002 wegen Überschreitens der an diesem Tag geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in einer substitutiven Krankenversicherung versichert war. Nach § 6 Abs. 7 SGB V iVm § 4 Abs. 2 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2012 und für 2013 betrug die Jahresarbeitsentgeltgrenze im Jahr 2012 45.900,00 EUR und im Jahr 2013 47.250,00 EUR. Da Anfang 2012 und Anfang 2013 mit hinreichender Sicherheit lediglich ein Jahresentgelt des Arbeitnehmers P.G. in Höhe von 45.600,00 EUR zu erwarten war, besteht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung.
Die Versicherungs- und Beitragspflicht des Arbeitnehmers P.G. ist allein aufgrund der Verwirklichung des sie begründenden Tatbestandes eingetreten, ohne dass es auf den Willen oder die Kenntnis des Arbeitnehmers und des Klägers als Arbeitgeber ankommt. Insoweit würde der Beitragszahlungspflicht des Klägers nicht entgegenstehen, wenn er und der Arbeitnehmer P.G. nicht gewusst haben sollten, dass der Arbeitnehmer P.G. in dem Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2013 in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass der Arbeitnehmer P.G. aufgrund der Unkenntnis der bestehenden Versicherungspflicht in dem streitigen Zeitraum keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen hat. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Beitragszahlungspflicht nicht das das sozialrechtliche Versicherungsverhältnis prägende Äquivalenzprinzip entgegen. Insbesondere lässt sich aus dem Äquivalenzprinzip nicht die Folgerung ableiten, dass Beiträge nur für Zeiten verlangt werden können, für die Leistungen in Anspruch genommen worden sind oder noch in Anspruch genommen werden können.
Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Sozialversicherung unter anderem durch das Beitrags- oder Versicherungsprinzip (Äquivalenzprinzip), aber auch durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs bestimmt wird. Das Versicherungsprinzip ist dadurch gekennzeichnet, dass im Grundsatz eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung besteht (BVerfG vom 23.03.1994, 1 BvL 8/85). Rechtliche Bedeutung kann dies insofern haben, als eine Verletzung oder Störung des Äquivalenzprinzips einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) indizieren kann. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass es verschiedene Regelungen einmal mehr durch das Solidarprinzip, ein anderes Mal mehr durch das Versicherungsprinzip geprägt und gerechtfertigt angesehen hat (BVerfG vom 10.11. 1981, 1 BvL 18/77 und 1 BvL 19/77; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2012, L 11 KR 4952/10). Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist das Versicherungsprinzip nur schwach ausgeprägt. Tragende Säule der gesetzlichen Krankenversicherung ist vielmehr das Prinzip der Solidarität der Versicherten und ihrer Arbeitgeber, so dass die Beiträge des Einzelnen nicht nur seiner eigenen Sicherung, sondern auch der Sicherung der gesamten Solidargemeinschaft im Krankheitsfall dienen. Daraus, dass die von der Versicherung abgedeckten Risiken gemeinsam getragen werden, folgt somit notwendigerweise, dass ein Versicherter während eines längeren oder kürzeren Zeitraumes Leistungen zufließen können, deren Wert den seiner Beitragsleistung weit übersteigen, während ein anderer Versicherter keinerlei Leistungen erhalten hat (BSG vom 13.12.1984, 11 RK 3/84). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass der Ausgleich unterschiedlicher Krankheitsrisiken unter den Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung als prägendes Merkmal hinter dem Ausgleich zwischen finanziell Leistungsfähigen und Leistungsschwächeren zurücktritt (BVerfG vom 04.02.2004, 1 BvR 1103/03).
Kann sich der Kläger unter Heranziehung dieser Grundsätze schon dem Grunde nach nicht mit Erfolg auf das Äquivalenzprinzip berufen, ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger herangezogene "offenkundige Störung" des Äquivalenzprinzips in dieser Form tatsächlich nicht vorliegt. Der Kläger sieht die Störung darin, dass er als Arbeitgeber für die Jahre 2012 und 2013 Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten habe, obwohl die Krankenkasse für den Zeitraum, für den die Beiträge nacherhoben werden, kein Risiko getragen und keine Leistungen erbracht habe. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Herr P.G. in dem streitigen Zeitraum tatsächlich gesetzlich krankenversichert war, da die Versicherungspflicht durch das Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze kraft Gesetzes unabhängig davon eingetreten ist, ob der Kläger und der Arbeitnehmer P.G. Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung entrichtet haben. Die Versicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen stand der Begründung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wandelt sich in diesen Fällen zur Vermeidung des Eintritts einer Äquivalenzstörung der Sachleistungsanspruch des Versicherten in einen auf Geld gerichteten Kostenerstattungsanspruch um (BSG vom 04.10.1988, 4/11 a RK 2/87; BSG vom 18.01.1990, 4 RK 4/88). Wenn Beiträge nacherhoben werden und das Versicherungsverhältnis rückwirkend aktiviert wird, kann die Krankenkasse gegenüber dem Versicherten insoweit, als Sachleistungen rechtlich und tatsächlich unmöglich (geworden) sind, unter Berufung auf das Sachleistungsprinzip eine Kostenerstattung jedenfalls dann nicht verweigern, wenn der Versicherte von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatte. Daraus folgt, dass die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht und die rückwirkende Nacherhebung von Beiträgen dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auch Gegenleistungen aufbürdet und dem Versicherten aus dem Versicherungsverhältnis derjenige Schutz gewährt wird, der bei dieser Sachlage erbringbar ist.
Die Geltendmachung des Beitragsanspruchs durch die Beklagte ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn eine Krankenkasse Beiträge für einen Zeitraum nachfordert, in dem der Versicherte mangels Kenntnis von seiner Versicherung keine Leistungsansprüche geltend gemacht hat. Dabei wurde der Verstoß gegen Treu und Glauben in der Regel aus der Unzulässigkeit eines widersprüchlichen Verhaltens (venire contra faktum proprium) hergeleitet, etwa, wenn der Versicherte von einer Krankenkasse oder einem Rentenversicherungsträger nicht rechtzeitig über das Bestehen einer Versicherung informiert worden war oder ein Versicherungsträger sonst durch ein fehlerhaftes Verhalten dazu beigetragen hatte, dass der Versicherte von dem Versicherungsschutz keinen Gebrauch machen konnte (vgl. BSG vom 13.12.1984, 11 RK 3/84 mit einem Überblick über die Rechtsprechung; BSG vom 09.10.1984, 12 RK 46/82 mwN.). Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ein widersprüchliches Verhalten der zuständigen Krankenkasse oder der Beklagten herleiten lässt. Die nachträgliche Geltendmachung der Beiträge beruht vorliegend allein auf dem Umstand, dass der Kläger der zuständigen Einzugsstelle nicht gemeldet hat, dass das Jahresarbeitsentgelt des Arbeitnehmers P.G. seit dem Jahr 2012 die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten hat und Versicherungspflicht eingetreten ist. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber eine rechtzeitige Meldung eines – etwa irrtümlich als nicht versicherungspflichtig angesehenen – Arbeitnehmers unterlassen hat, stellt die nachträgliche Erhebung der Beiträge keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar (BSG vom 09.10.1984, 12 RK 46/82; BSG vom 13.12.1984, 11 RK 3/84; LSG NRW vom 08.07.2008, L 16 (18) R 43/05; Bayerisches LSG vom 26.07.2011, L 5 R 357/09).
Die Beklagte hat nach alledem den Kläger als Schuldner der Gesamtsozialversicherungsbeiträge gemäß § 28 e Abs. 1 Satz 1 iVm § 28 d Satz 1 SGB IV zu Recht in Anspruch genommen.
Auch die Erhebung von Säumniszuschlägen ist nicht zu beanstanden. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Das Verschulden im Sinne dieser Vorschrift beurteilt sich nach § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und umfasst neben Vorsatz alle Grade der Fahrlässigkeit (BSG vom 01.07.2010, B 13 R 67/09 R; LSG NRW, Beschluss vom 16.09.2013, L 8 R 361/13 B ER).
Den Kläger trifft in diesem Sinne ein Verschulden hinsichtlich der Nichtkenntnis von der Zahlungspflicht. Er wusste, dass der Arbeitnehmer P.G. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für ihn tätig ist und damit grundsätzlich der Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Ihm war bekannt, dass in der Zeit vor 2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung nur deshalb nicht bestand, weil der Arbeitnehmer einen Verdienst erzielte, der über der Jahresarbeitsentgeltgrenze lag. Er hatte im Auftrag des Arbeitnehmers P.G. dessen Pflichtmitgliedschaft bei der Techniker Krankenkasse (TKK) mit Schreiben vom 23.11.1999 mit der Begründung gekündigt, dass Herr P.G. im Kalenderjahr 1999 die Beitragsbemessungsgrenze überschreiten werde und auch im Jahr 2000 über der Beitragsbemessungsgrenze liegen werde. Aus den Lohnkonten des Arbeitnehmers P.G. ergibt sich, dass regelmäßig ein Arbeitgeberzuschuss zu den Aufwendungen für die private Krankenversicherung gezahlt wurde. Einem Arbeitgeber obliegt es, Änderungen in der Höhe der Jahresarbeitsentgeltgrenzen genauso wie ein Über- oder Unterschreiten aufgrund von höheren oder niedrigeren Entgeltzahlungen zu berücksichtigen und seine Meldungen an die Einzugsstelle gegebenenfalls zu korrigieren (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 26.07.2011, L 5 R 357/09; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.03.2012, L 11 KR 4952/10). Werden entsprechende Überprüfungen seitens des Arbeitgebers nicht vorgenommen und unterbleibt deshalb die Meldung der Versicherungspflicht und die Beitragsentrichtung, liegt ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers vor. Sollte der Kläger einen Steuerberater mit der Berechnung der Gehälter und der Sozialversicherungsabgaben sowie der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge beauftragt haben, muss sich der Kläger dessen Kenntnisse bzw. dessen Kennen müssen von dem Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze und der Versicherungspflicht des Arbeitnehmers P.G. nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17.10.2008, L 16 R 41/08; LSG NRW vom 07.11.2012, L 8 R 699/12 B ER).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) iVm § 197 a SGG, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt. Der unterliegende Teil im Sinne des § 154 Abs. 1 VwGO ist derjenige, dessen Sachantrag in vollem Umfang erfolglos geblieben ist. Anders als bei der nach § 193 SGG vorzunehmenden Kostenentscheidung, in die alle Umstände des Einzelfalles einfließen, war vorliegend nicht zu berücksichtigen, dass die Beklagte insoweit Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, dass der Widerspruch mit der unzutreffenden Begründung abgewiesen worden ist, der Widerspruch sei nicht innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Eine andere Kostenverteilung als die in § 154 Abs. 1 VwGO vorgesehene Kostentragungspflicht des unterliegenden Teils kann bei einer Kostenentscheidung nach § 197 a SGG nur nach § 155 Abs. 4 VwGO in Betracht kommen, da diese Vorschrift als Sonderregelung allen anderen Kostenvorschriften vorgeht (vgl. Meyer-Ladewig, § 197 a Rn. 18). Voraussetzung wäre, dass Kosten durch ein Verschulden der Beklagten entstanden wären. Diese Voraussetzungen liegen jedoch ersichtlich nicht vor. Vom Anwendungsbereich des § 155 Abs. 4 VwGO werden vor allem Mehrkosten erfasst, wie sie ein Kläger z.B. durch Beschreiten eines unzulässigen Rechtsweges infolge fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung entstehen können. Solche Mehrkosten sind vorliegend nicht entstanden. Zwar kann § 155 Abs. 4 VwGO unter Umständen auch die gesamten Prozesskosten erfassen, doch ist zu beachten, dass die Vorschrift mit Blick auf die allgemeinen Regelungen zur Kostenlast, insbesondere § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO restriktiv auszulegen ist (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 17.08.2012, 3 B 246/12). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist geklärt, dass eine unzureichende Begründung eines Verwaltungsaktes nur in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass zur Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO geben kann (BVerwG, Beschluss vom 30.04.2010, 9 B 42/10 mwN). Vorliegend fehlt es an einem Verschulden der Beklagten im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO. Allein die Tatsache, dass die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Versäumung der Widerspruchsfrist eine unzutreffende Rechtsauffassung vertreten hat, stellt kein Verschulden im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO dar. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte in ihrer Rechtsauffassung durch den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2014, der das vorgelagerte einstweilige Rechtsschutzverfahren betraf, bestätigt sehen konnte, auch wenn es sich insoweit um eine Entscheidung auf der Grundlage einer summarischen Prüfung handelte.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved