L 5 KR 105/16 B ER / L 5 AR 22/16 KR ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 20 KR 29/16 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 105/16 B ER / L 5 AR 22/16 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Kostenübernahme einer palliativen Krebstherapie (Stopflow-Chemotherapie) in einem Vertragskrankenhaus.
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Mai 2016 wird abgelehnt (Entscheidung des Vorsitzenden – Vorsitzender Richter am Landessozialgericht ). Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Mai 2016 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Durchführung einer Krebstherapie.

Der 1944 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Im Januar 2016 wurde bei ihm ein inoperables fortgeschrittenes Magenkarzinom mit Metastasen in Leber und Peritoneum sowie intraabdominalen Lymphknoten diagnostiziert (Stadium IV). Die Chemotherapie FOLFOX führte zu neurotoxischen Symptomen, die geänderte Chemotherapie auf FOLFIRI wurde nach Unverträglichkeit abgebrochen.

Anfang März 2016 beantragte der Antragsteller gemeinsam mit dem ihn behandelnden Onkologen Dr. B bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für eine mehrstufige kombinierte Behandlung der Leber mit Chemotherapie unter Hyperthermie und Bestrahlung der Leber unter Verwendung einer für diesen Zweck weiterentwickelten Herz-/Lungenmaschine (Stopflow-Chemotherapie) stationär im H klinikum S. Außerdem seien jeweils zwei Elektrohyperthermien vor und nach jeder Chemoperfusion geplant. Es seien vier normalerweise jeweils 5 Tage dauernde Behandlungen erforderlich mit Gesamtkosten von ca. 21.000,00 bis 28.000,00 EUR. Die 12 bis 16 Elektrohyperthermie-Anwendungen würden Kosten von 1.800,00 bis 2.700,00 EUR verursachen. In dem Antrag wies Dr. B darauf hin, dass die Chemotherapie vom Antragsteller schlecht vertragen worden sei. Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des MDK ein. Darin kam Dr. Z am 5. April 2016 zu der Einschätzung, dass die Durchführung der intraarteriellen Chemo¬perfusion eine intensivmedizinische Überwachung erfordere, so dass die Behandlung nur in einem Krankenhaus erfolgen könne. Die beantragte Therapie entspreche allerdings nicht den allgemein anerkannten Behandlungsoptionen. Als schulmedizinische Option komme die Behandlung mit Ramucirumab mono in frage. Ob diese Behandlung durchgeführt werden könne, sei allerdings offen. Dies sei von der aktuellen Lebersyntheseleistung abhängig, zu der keine aktuellen Daten vorlägen. Ohne Therapie sei bei den Lebermetastasen eine Prognose von sechs bis 12 Monaten anzunehmen. Die Studienlage hinsichtlich der beantragten Behandlung sei eher gering. Studien seien durch Prof. A vom M -Klinikum Ba seit 20 Jahren durchgeführt worden. Denkbar sei eine positive Einwirkung auf die Lebermetastasen (Leberperfusions-Chemotherapie). Bei noch vorhandenem Primärtumor (Magen) und bereits erfolgter Peritonealmetastasierung (Aszitesbildung) sei eine regionale Chemotherapie der Leber und des Magens wenig aussichtsreich auf eine relevante spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Andere Leistungsanbieter neben dem H -Klinikum S und dem M -Klinikum Ba seien nicht bekannt. Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. April 2016 eine Kostenübernahme ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Mit Hilfe eines Darlehens seiner Schwester begann er die erste von vier Therapie-Einheiten im H klinikum S am 20. April 2016.

Am 2. Mai 2016 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Itzehoe die Verpflichtung der Antragsgegnerin beantragt, ihm drei Stopflow-Chemotherapien unter gleichzeitiger Hyperthermie des Thorax und Hyperoxygenierung des Abdominalraums mit anschließender Refiltration der eingesetzten Medikamente per Herz-Lungen-Automat als Sachleistung im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung im H klinikum S zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, Ziel der Therapie könne nur sein, die begrenzte Lebenszeit bei möglichst guter Lebensqualität zu verlängern. Dabei müsse ihm zugestanden werden, von belastenden Therapien Abstand zu nehmen und Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen, die jedenfalls nicht schaden und mit gewisser Wahrscheinlichkeit nützten. Schulmedizinische Optionen einer Behandlung bestünden nicht mehr. Die vom MDK angesprochene Therapie mit Ramucirumab komme aufgrund der fast dekompensierten Leberfunktion (Cholinesterase weniger als 1) nicht in Frage. Dazu legt der Antragsteller ein Schreiben von Dr. B vom 10. Mai 2016 vor. Die von Prof. Birth in S durchgeführte Methode sei schon über dreihundertmal äußerst erfolgreich durchgeführt worden. Es lägen damit alle Voraussetzungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 bzw. nach § 2 Abs. 1a SGB V vor. Er sei nicht in der Lage, die streitgegenständliche Therapie selbst zu finanzieren. Dazu hat der Antragsteller eine Einkommensaufstellung vorgelegt (Blatt 44 und 95 der Gerichtsakte) und vorgetragen, dass die 30.000 EUR auf dem Festkonto vor dem 29. November 2016 nicht verfügbar seien. Deshalb habe ihm auch seine Schwester das Geld für die erste Behandlung geliehen. Andere Krankenkassen würden im Übrigen die Kosten der streitigen Behandlung übernehmen. Dazu hat der Antragsteller entsprechende Bestätigungen vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verwiesen, wonach auch bei einer stationärer Behandlung eine Übernahme der Kosten nur bei positiver Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich sei. Der Gutachter des MDK habe im Übrigen palliative Therapie-Optionen aufgezeigt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 17. Mai 2016 die Antragsgegnerin vorläufig verpflichtet, bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens dem Antragsteller die beantragte Krebstherapie als Sachleistung zu gewähren und zur Begründung ausgeführt:

"Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, voraus. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Glaubhaftmachung bezieht sich dabei auf eine reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes im so genannten summarischen Verfahren (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 86b Rn. 16 b, c). Die in einem Anordnungsverfahren einstweilen zugesprochenen Mittel werden in aller Regel verbraucht und können, abgesehen von Ausnahmefällen, nach einer etwaigen Aufhebung der Anordnung oder gegenteiligen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr zurückgezahlt werden. Rein faktisch – wenn auch nicht rechtlich – werden somit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen, aber es steht der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht entgegen, dass mit ihm die Hauptsache zumindest zum Teil vorweggenommen wird. Vor dem Hintergrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gilt das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache nicht, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist. Allerdings ist dann an das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ein strenger Maßstab anzulegen, weil die Vorwegnahme der Hauptsache dem Charakter des § 86b Abs. 2 SGG als vorläufigem Rechtsschutz widerspricht. Hierbei hat das Gericht bei einer Entscheidung, durch die das Grundrecht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit betroffen wird – also Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG tangiert wird – wie dies vorliegend der Fall ist – bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einen höheren Sorgfaltsmaßstab anzulegen, weil hierin auch eine Folgenabwägung zu erfolgen hat (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02; LSG Schleswig-Holstein vom 24. September 2007 - L 5 KR 504/07 KR ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 01. Dezember 2005 - L 1 B 1039/05 KR ER).

Unter Beachtung dieses Sorgfaltsmaßstabes gelangt die Kammer bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall unter Berücksichtigung der Folgenabwägung sowohl von einem Anordnungsanspruch (hierzu unter 1.) als auch einem Anordnungsgrund (hierzu unter 2.) auszugehen ist und daher dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu entsprechen ist.

1. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1a SGB V, welche in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - (zit. in BVerfGE 115, 25 ff.) in das Gesetz aufgenommen wurde.

Insoweit ist die Kammer der Auffassung, dass sich ein Anspruch für den Antragsteller nicht unmittelbar aus § 27 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V ergibt, obwohl es hier an einem Negativvotum des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für die begehrte Methode fehlt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R). Denn es kann nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein, durch Gewährung jeder denkbaren neuen Methode als Krankenhausbehandlung, die medizinische Forschung zu finanzieren. Aus diesem Grund müssen auch Krankenhausbehandlungen den gesetzlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechen. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das Tatbestandsmerkmal des anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse knüpft an den Maßstab der evidenzbasierten Medizin an (vgl. Fahlbusch in jurisPK-SGB V § 2 Rn. 49; vgl. auch BSG, Urteil vom 1. März 2011 – B 1 KR 7/10 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013 L 4 KR 3517/11). Aus dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung werden solche Leistungen ausgeschlossen, die nicht ausreichend erprobt sind (BT-Drucksache 11/2237 S. 157; Peters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 2 Rn. 3). Erforderlich ist daher, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2013 – L 4 KR 3517/11 – juris Rn. 32 m. w. N.). Eine neue Behandlungsmethode gehört deshalb erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ihre Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich sind (LSG Sachsen, Urteil vom 16. Januar 2014 – L 1 KR 229/10). Dies ist bei der von dem Antragsteller begehrten Behandlungsmethode (noch) nicht der Fall. Die Beteiligten sind sich einig, dass die Studienlage zu den Stopflow-Chemotherapien eher schlecht ist. Zwar verweist der Antragsteller mit Hilfe seines behandelnden Onkologen auf die 300 erfolgreichen Therapien in dem H klinikum in S , diese Aussage entzieht sich jedoch einer wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit und kann daher nicht als Nachweis über die Qualität und Wirksamkeit der Therapie i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V herangezogen werden. Diverse öffentlich zugängliche Studien hat die Kammer auf der Internetseite des M -Klinikums Ba (http://www.M -klinikum.de/literatur.html – zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2016) gefunden. Inwieweit diese Studien, die regelmäßig zu einer positiven Bewertung der intraoperativen intraarteriellen Stopflow-Chemo¬therapie unter Hyperthermie sowie Chemofiltration kommen, den wissenschaftlichen Standards der Medizin entsprechen und insoweit zuverlässige, wissenschaftlich überprüfbare Aussagen treffen, kann die Kammer mangels Sachverstand nicht beurteilen. Hieran bestehen jedoch insoweit Zweifel, dass die Studien von einer privaten Klinik, die schwerpunktmäßig intraoperativen intraarteriellen Stopflow-Chemotherapie unter Hyperthermie sowie Chemofiltration auf dem freien Markt anbietet, durchgeführt worden sind. Es ist durchaus denkbar, dass die Klinik allein aus wirtschaftlichen Gründen versucht diese Therapien als besonders erfolgreich darzustellen.

Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an, da die Kammer einen Behandlungsanspruch des Antragstellers jedenfalls aus § 2 Abs. 1a SGB V als überwiegend wahrscheinlich ansieht.

Nach § 2 Abs. 1a SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht (hierzu unter a)), auch eine solche nicht anerkannte Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (hierzu unter b)).

Unzweifelhaft leidet der Antragsteller an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Das Magenkarzinom des Antragstellers wurde erst spät entdeckt und befindet sich in dem letzten Staging-Stadium (Stadium IV). Die Metastasen in der Leber führen nach Auffassung des MDK zu einer Überlebensprognose von 6-12 Monaten. Der behandelnde Onkologe des Antragstellers bezeichnet den Krankheitszustand des Antragstellers als "fast präfinal".

Ob die übrigen beiden Voraussetzungen hier erfüllt sind, vermag die Kammer in der Kürze der ihr für eine Entscheidung im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu beurteilen. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluss vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05) entschieden, dass Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stelle, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Solle sich eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in solchen Fällen an der Erfolgsaussicht der Hauptsache orientieren, müsse die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, wie es grundsätzlich im Eilverfahren geschieht, sondern abschließend geprüft werden. Dieses gelte insbesondere, wenn das Verfahren nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zu führen sei. Das ist zwar im Sozialrechtsstreit der Fall (§ 103 SGG). Einer solchen Sachverhaltsaufklärung stehen hier aber schon allein zeitliche Schwierigkeiten entgegen. Die mit der Erkrankung des Antragstellers verbundene Lebensbedrohung lässt es nicht zu, eine Entscheidung erst nach Abschluss zeitaufwendiger Ermittlungen zu treffen. Für die begehrte Therapie besteht akuter Behandlungsbedarf, der nächste Behandlungstermin ist für den 18. Mai 2016 vorgesehen. Insofern gehen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch ineinander über (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. September 2007 – L 5 B 504/07 KR ER; vgl. auch HK-SGG/Binder, Rn. 40 zu § 86b).

Zeitaufwendiger Ermittlungen bedarf es hier sowohl hinsichtlich der Frage, ob es für den Antragsteller eine vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen erfasste allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung gibt, als auch hinsichtlich der auf eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung der intraoperativen intraarteriellen Stopflow-Chemotherapie unter Hyperthermie sowie Chemofiltration auf die Krebserkrankung des Antragstellers.

a) Bezüglich der Existenz einer vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen erfassten allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung, ist zunächst festzustellen, dass eine Chemotherapie nach dem FOLFOX-Regime bei dem Antragsteller zu nicht tolerierbaren neurotoxischen Symptomen führte, auch die danach versuchte Therapie nach dem FOLFIRI-Regime musste aufgrund von Unverträglichkeit abgebrochen werden, diese Behandlungsmethoden stehen dem Antragsteller nicht zur Verfügung. Nach der sozialmedizinischen Stellungnahme des MDK, komme als alternative Behandlungsoption noch eine palliative Chemotherapie mit Ramucirumab infrage. Diese könne aber nur in Abhängigkeit von der aktuellen Lebersyntheseleistung erfolgen. Im Rahmen der Amtsermittlung muss deshalb aufgeklärt werden, ob eine Lebersyntheseleistung bei dem Antragsteller vorhanden ist, die eine Behandlung mit Ramucirumab erlaubt. Ergeben diese Ermittlungen, dass eine für diese Standardtherapie erforderliche Lebersyntheseleistung bei dem Antragsteller nicht mehr vorliegt, kommt der Ablehnung dieser Therapie durch den Antragsteller entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Dann wäre nämlich davon auszugehen, dass es keine vom Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen erfasste allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung mehr gibt. Aufgrund der allein aus zeitlichen Gründen nur eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten der Kammer bezüglich der Leberfunktion des Antragstellers, ist nach den vorliegenden Unterlagen davon auszugehen, dass eine unzureichende Lebersynthese sehr wahrscheinlich ist. Die Leber des Antragstellers ist so von Metastasen durchzogen, dass nach Stellungnahme des behandelnden Onkologen des Antragstellers, nur ein Sechstel der Leber überhaupt noch funktioniere. Die Cholinesterase - ein Laborwert, der eine Aussage über die Syntheseleistung der Leberzellen trifft (https://de.wikipedia.org/wiki/Cholinesterasen - zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2016) - betrage weniger als 1 kU/l, der Referenzbereich liegt bei 4,9 -12,0 kU/l (Wikipedia a. a. o.).

Ob letztlich eine so herabgesetzte Leberfunktion bei dem Antragsteller gegeben ist, dass eine Chemotherapie mit Ramucirumab nicht mehr toleriert werden kann, bedarf weiterer Ermittlungen. Diese sprengen den für das Eilverfahren zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen

b) Es besteht auch mit großer Wahrscheinlichkeit eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die begehrte Therapie. Für den hinreichenden Nachweis der Wirksamkeit einer bestimmten Therapie hat die Rechtsprechung des BSG gewisse Vorgaben entwickelt. Qualität und Wirksamkeit einer Therapie müssen grundsätzlich in zuverlässigen und wissenschaftlich nachprüfbaren Forschungsstudien und Fachmeinungen nachgewiesen sein. Erforderlich sind demnach regelmäßig kontrolliert nachprüfbare Studien (BSG MedR 2013, 820; LSG Mainz NZS 2015, 425; krit. hierzu Welti MedR 2014, 283). Wer die Überprüfung einer Therapie verhindert, kann nicht erwarten, dass die Behandlung auf dem Umweg über die grundrechtsorientierte Auslegung aus öffentlichen Mitteln finanziert wird (BSG Urt. v. 7.5.2013 – B 1 KR 26/12 R = SozR 4-2500 § 18 Nr. 8). Allerdings können an den Nachweis für die hinreichende Wirksamkeit einer Therapie nicht derart hohe Anforderungen gestellt werden wie sie in § 2 Abs. 1 SGB V verlangt werden (siehe oben), da andernfalls die Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V – insbesondere im Fall einer Krankenhausbehandlung – obsolet wäre. Nach Auffassung der Kammer ist die Solidargemeinschaft durch die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V (eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht) derart vor einer finanziellen Überlastung geschützt, dass es ihr zugemutet werden kann, an den Nachweis der Wirksamkeit der begehrten Behandlungsmethode umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation des Betroffenen im konkreten Fall ist (so auch KassKomm/Peters SGB V § 2 Rn. 6-8, beck-online). Es kann nicht sein, dass bei der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V der Versicherte - schlimmstenfalls als tödlich erkrankter Pflichtversicherter, der in dem System der gesetzlichen Krankenversicherung "gefangen" ist und von diesem nunmehr aufs Sterben verwiesen wird - für die von ihm begehrte Behandlung (das für jeden nachvollziehbare Greifen nach dem rettenden Strohhalm) Wirksamkeitsnachweise verlangt werden, die weitestgehend denen für die Anerkennung als eine dem medizinischen Standard entsprechende Leistung gleichen. Die Sorge des BSG, dass durch geringere Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis teure, wissenschaftlich nicht hinreichend erforschten Behandlungsmethoden in das System der gesetzlichen Krankenversicherung einfallen, teilt die Kammer nicht. Bereits durch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere dass keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung stehen darf, ist die Solidargemeinschaft hinreichend hiervor geschützt. Letztlich erhalten nämlich die Leistungen, die eine Empfehlung des GBA erhalten haben immer der Vorrang gegenüber nicht hinreichend wissenschaftlich erforschten und damit nicht empfohlenen Methoden, insoweit dürfte das wirtschaftliche Interesse der Leistungserbringer an einer entsprechenden Überprüfbarkeit und medizinischen Erforschung auch bei geringeren Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit im Rahmen des § 2 Abs. 1a SGB V erhalten bleiben. Nach diesen Grundsätzen liegt mit großer Wahrscheinlichkeit ein hinreichender Nachweis der Wirksamkeit für die von dem Antragsteller begehrte Stopflow-Chemotherapie unter Vollnarkose vor. Die Anforderungen an den erforderlichen Wirksamkeitsnachweis dürfen hierbei nicht überspannt werden, weil der Antragsteller unter einer schwerwiegenden Erkrankung leidet und sich, unter Berücksichtigung der schlechten Prognose seiner Erkrankung, in einer hoffnungslosen Situation befindet. Der hinreichende Nachweis der Wirksamkeit der Therapie ergibt sich aus den öffentlich zugänglichen Studien des M -Klinikums Ba (http://www.M -klinikum.de/ literatur.html – zuletzt aufgerufen am 16. Mai 2016), wonach die Stopflow-Chemotherapie unter Vollnarkose regelmäßig zu einer Verlängerung der Lebenszeit bei geringen Nebenwirkungen geführt hat und aus dem Umstand, dass mit dem H klinikum S ein Vertragskrankenhaus diese Behandlungsmethode für so erprobt und erfolgsversprechend hält, dass es diese außerhalb von Studien bei bereits 300 betroffenen Patienten (erfolgreich) angewendet hat. Darüber hinaus werden bei der intraoperativen intraarteriellen Stopflow-Chemotherapie unter Hyperthermie sowie Chemofiltra¬tion Zytostatika eingesetzt, die auch bei allgemein anerkannten, dem medizinischen Standard entsprechenden Krebsbehandlungen Verwendung finden. Lediglich die Dosierung und die besondere Art und Weise der Verabreichung (begrenzt auf einen bestimmten Bereich des Körpers mit anschließender Ausfilterung der Medikamente über eine spezielle Herz-Lungen-Maschine) ist eine andere, insoweit muss aber eine - ggf. geringe - Wirksamkeit unterstellt werden. Hierfür spricht auch die sozialmedizinische Stellungnahme des MDK. Hierin heißt es, dass eine positive Einwirkung auf die Lebermetastasierung zumindest denkbar wäre.

Ob letztlich ein entsprechend der genannten Rechtsprechung des BSG eingeschränkter Wirksamkeitsnachweis geführt werden kann, bedarf weiterer Ermittlungen. Diese sprengen den für das Eilverfahren zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen

Da nach dem Dargelegten in diesem Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sachlage nicht möglich erscheint, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens somit offen ist, bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05) einer Folgenabwägung. Hierbei sind nach diesem Beschluss die grundrechtlichen Belange des Beschwerdeführers umfassend in die Abwägung einzubeziehen, denn, so das Bundesverfassungsgericht, "die Gerichte müssen sich schützend vor die Grundrechte des Einzelnen stellen". Dabei ist auf Seiten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass dieser, nachdem er die Kosten der Erstbehandlung selbst getragen hat, glaubhaft gemacht hat, dass er mit seinen und den monatlichen Renteneinkünften seiner Ehefrau von ca. 2.774,48 EUR nicht in der Lage ist, die Gesamtbehandlungskosten in Höhe von 21.000 – 28.000 EUR zu tragen. Ebenso hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, dass er gegenwärtig nicht auf das Guthaben des Festgeldkontos bei der Renault Bank zugreifen kann und damit bis zum 29. November 2016 nicht in der Lage ist die Behandlungskosten hiervon vorläufig zu bezahlen. Nach Auffassung der Kammer ist es dem Antragsteller weder zumutbar das Festgeldkonto mit den gemeinsamen Ersparnissen (Notgroschen) und einem drohenden Verlust aufzulösen, noch Privatkredite aufzunehmen, um die Behandlungskosten vorerst selbst zu zahlen, diese Optionen stellen für sich genommen bereits wesentliche Nachteile i. S. d. § 86b Abs. 2 SGG dar, die einen Anordnungsgrund begründen. Angesichts der Schwere und Progredienz der Erkrankung ist es dem Beschwerdeführer auch nicht zuzumuten, mit der Durchführung der Behandlung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu warten. Des Weiteren hat er durch Bescheinigung seines behandelnden Onkologen glaubhaft gemacht, dass er die angewandte Behandlung gut verträgt und dass die Krankheit unter Behandlung mit intraoperativer intraarterieller Stopflow-Chemotherapie unter Hyperthermie sowie Chemofiltration zu einer Besserung des Gesundheitszustandes des Antragstellers gekommen ist. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass ohne die von dem Antragsteller begehrte Behandlung die Krankheit weiter fortschreitet und das Überleben des Antragstellers in Frage gestellt ist. Demgegenüber liegt bei der Antragsgegnerin lediglich ein begrenztes Kostenrisiko vor, welches nicht so schwer ins Gewicht fallen kann, da der Antragsteller aufgrund seines Festgeldkontos über spätestens ab dem 29. November 2016 über Vermögen in Höhe von 30.000 EUR verfügt, welches nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens zur Erstattung der vorläufig von der Antragsgegnerin getragenen Kosten (21.000 – 28.000 EUR) herangezogen werden kann, sodass die Entscheidung zugunsten des Antragstellers ausfallen musste."

Gegen den ihr am 23. Mai 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 17. Juni 2016. Gleichzeitig beantragt sie, die Vollstreckung des Beschlusses einstweilig auszusetzen und trägt zur Begründung vor, eine Feststellung darüber, dass durch die streitgegenständliche Therapie eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe, lasse sich nicht treffen. Es seien keinerlei Studien vorgelegt worden, die eine solche positive Wirkung auf vergleichbare Fälle belegten. Diese könnten auch nicht durch Erfahrungen der behandelnden Ärzte ersetzt werden. Das sei durch das Gutachten des MDK bestätigt worden. Auf Gerichtsentscheidungen ähnlich gelagerter Fälle werde hingewiesen.

Der Antragsteller erwidert, dass er überhaupt noch lebe und aktuell einen stationären auswärtigen Aufenthalt im Krankenhaus P beenden könne, der wegen einer Portinfektion notwendig geworden sei, verdanke er allein den beiden schon durchgeführten Chemoperfusionsbehandlungen, die auch klinisch eine deutliche Besserung nach sich zögen. Die zweite Behandlung in S sei von der Schwester vorfinanziert worden. Für die dritte sei es ihr nicht möglich. Diese müsste allerdings nach Entlassung des Antragstellers aus dem Krankenhaus so schnell wie möglich durchgeführt werden.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Mai 2016 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Sozialgericht darin den von dem Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung der streitgegenständlichen Krebstherapie, bejaht. Das Sozialgericht hat dabei seine Prüfung zutreffend an der Rechtsgrundlage des § 86b Abs. 2 SGG orientiert und rechtsfehlerfrei Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bejaht. Auf die umfassende und überzeugende Begründung nimmt der Senat daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG). Ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts und im Hinblick auf das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Maßgebend für den Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch auf die beantragte Leistung, ist unter Berücksichtigung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (sog. Nikolausbeschluss) und des § 2 Abs. 1a SGB V neben der hier unstreitig vorliegenden lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlichen Erkrankung, ob alternative, schulmedizinisch anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen und die streitige Behandlungsform eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung bewirken kann.

Nach den in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen findet sich hinsichtlich der alternativen schulmedizinisch anerkannten Therapie lediglich der Hinweis von Dr. Z vom MDK auf die palliative Behandlung mit Ramucirumab mono. Diese Behandlungsoption wird allerdings von dem Gutachter Dr. Z selbst in Frage gestellt, wenn er ausführt, dass die Möglichkeit dieser Behandlung von der aktuellen Lebersyntheseleistung abhängig sei. Hierzu hat der behandelnde Onkologe Dr. B im Gerichtsverfahren ausgeführt, dass aufgrund der starken Metastasierung in der Leber eine fast dekompensierte Leberfunktion (Cholinesterase weniger als 1) bestehe, so dass die Therapie mit Ramucirumab nicht in Frage komme. Ähnliches ist seinem Bericht vom 5. Februar 2016 zu entnehmen, wonach im Ultraschall "nur noch 1/6 normales Lebergewebe sei, 1/7 wäre mit dem Leben praktisch nicht mehr vereinbar". Hierauf hat sich auch das Sozialgericht in der Begründung des angefochtenen Beschlusses berufen. Das ist überzeugend. Eine medizinische Begründung dafür, dass trotz der eingeschränkten Leberfunktion die vom MDK angeführte Therapie möglich ist, erfolgte durch die Antragsgegnerin nicht. Daher geht der Senat davon aus, dass nach derzeitigem Stand eine schulmedizinische Therapie ausgeschlossen ist. Ist überdies eine Standardtherapie mit die Lebensqualität erheblich beeinträchtigenden – weite¬ren – Gesundheitsstörungen verbunden, kann der Versicherte, jedenfalls im Rahmen palliativer Behandlung, auf diese Therapie nicht zumutbar verwiesen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 24. September 2007 – L 5 B 504/07 KR ER).

Hinsichtlich der dritten Voraussetzung einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch die streitgegenständliche Behandlung hat das Sozialgericht zutreffend auf den Umstand hingewiesen, dass eine solche Aussage in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht getroffen werden kann, da dafür umfangreiche Ermittlungen, insbesondere die Einholung eines medizinischen Gutachtens, notwendig sind. Diese sind aber im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Antragstellers ausgeschlossen bzw. würden zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung des Verfahrens führen. Eine summarische Prüfung in Fällen, in denen es wie hier um die Therapie einer lebensbedrohenden Krankheit geht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeschlossen. Für den Fall ist eine Folgenabwägung vorzunehmen, in die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers einzubeziehen sind (Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Vor diesem Hintergrund und der Berücksichtigung der akut lebensbedrohlichen Situation des Antragstellers, der Datenlage über die Behandlungsform auch unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht zutreffend aufgeführten Bedenken, ihrer nach den Berichten vom Antragsteller und Dr. B guten Verträglichkeit und dem Umstand, dass die Behandlung stationär in einem Vertragskrankenhaus stattfindet, geht auch der Senat in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht davon aus, dass ein Anordnungsanspruch vorliegt, da letztlich auch nach Dr. Z vom MDK eine positive Einwirkung durch die Behandlung denkbar wäre.

Mit dieser Problematik der Behandlung in einer akut lebensbedrohenden Situation des Antragstellers und deren Einfluss auf des Anordnungsverfahren hat sich die Beschwerdegründung der Antragsgegnerin nicht näher auseinandergesetzt, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass auch für die stationäre Behandlung die Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen der §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V gelten. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, wie in dem von der Antragsgegnerin zitierten Beschluss vom 12. November 2015 (nicht 9. Oktober 2015 und dort das Aktenzeichen L 5 KR 203/15 B ER und nicht L 5 KR 203/15) ausgeführt wird. Allerdings muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass zwar § 137c SGB V keine generelle Erlaubnis der Anwendung aller beliebiger Methoden ermöglicht, jedoch einen weiteren Gestaltungsspielraum eröffnet, als § 135 SGB V für die Bewertung von ambulanten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Während nämlich § 135 SGB V ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt enthält, ist das Krankenhaus in der Methodenwahl bei der stationären Behandlung – unbeschadet der Beachtung des oben angesprochenen Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot – jedenfalls durch § 137c SGB V zunächst nicht beschränkt ("Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt"). Damit wird für innovative Methoden vor dem Hintergrund der im Krankenhausbereich gegebenen kollektiven Kontrolle im Einzelfall die Möglichkeit eröffnet, auch Methoden zu erbringen, deren Nutzen zwar noch nicht erwiesen ist, die aber zumindest das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, vgl. Abs. 3 (Engelmann/Schlegel in jurisPK SGB V, § 137c Rz. 9; Flint in Hauck/Noftz, Komentar zum SGB V § 137c Rz. 3ff).

Auch hinsichtlich der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes schließt sich der Senat der Einschätzung des Sozialgerichts an. Vor diesem Hintergrund war die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen und ihr Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung abzulehnen, da die Aussetzung gemäß § 199 Abs. 2 SGG ohnehin nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt und bei der dafür vorzunehmenden Interessenabwägung der Erfolg des Rechtsmittels zu berücksichtigen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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