L 11 KR 1048/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1140/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1048/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.02.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Beitragspflicht von kapitalisierten Versorgungsbezügen der H. M. zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers streitig.

Der am 11.10.1947 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Rentner gesetzlich krankenversichert. Zum 01.11.1974 schloss er eine private Lebensversicherung bei der H. M. ab. Ab dem 01.11.1982 wurde die Lebensversicherung umgewandelt in eine betriebliche Direktversicherung mit Gehaltsumwandlung. Nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses wurde der Versicherungsvertrag ab 01.01.2004 wieder auf den Kläger übertragen (Versicherungsschein-Nummer ... vom 20.01.2004, Bl 26 der SG-Akte), welcher direkt die Beiträge zahlte.

Zum 01.11.2007 erfolgte eine Kapitalzahlung der H. M. an den Kläger iHv 29.351 EUR, welche der Beklagten zu 1) als betriebliche Altersversorgung gemeldet wurde. Mit Bescheiden vom 10.03.2008 setzten die Beklagten jeweils die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage von monatlichen Einkünften iHv 244,59 EUR (1/120 von 29.351 EUR) fest (Krankenversicherung 37,67 EUR, Pflegeversicherung 4,16 EUR). Die Bescheide wurden bestandskräftig und der Kläger entrichtete zunächst die Beiträge. Nachdem er mit der Beitragszahlung für Oktober 2014 in Verzug gekommen war, erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.12.2014 auf ein Mahnschreiben der Beklagten allgemein Widerspruch wegen der Beitragszahlung bezüglich der Direktversicherung. Er habe in der Versicherungszeit vom 01.11.1974 bis 31.10.1982 die Versicherung selbst abgeschlossen gehabt. Auch für die Zeit vom 01.11.2004 bis 31.10.2005 dürften keine Beiträge verlangt werden, da er wieder selbst in die Versicherung einbezahlt habe. Außerdem sei das maßgebliche Gesetz rückwirkend zum 01.01.2004 verabschiedet worden. Zu dem Zeitpunkt sei die Direktversicherung längst abgeschlossen gewesen, so dass auch für die Zeit, in der sein Arbeitgeber Versicherungsnehmer gewesen sei, keine Beiträge verlangt werden könnten. Er bitte um Rückzahlung der geleisteten Beiträge.

Die Beklagte fasste das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Die H. M. teilte auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 04.02.2015 mit, dass von der gesamten Versicherungsleistung von 29.351 EUR eine Summe iHv 20.343,48 EUR arbeitgeberfinanziert sei, eine Versicherungsleistung von 9.007,52 EUR beruhe auf privat eingezahlten Beiträgen des Klägers. Vom 01.11.1974 bis 01.11.1982 und ab 01.01.2004 sei der Kläger selbst Versicherungsnehmer gewesen.

Mit Schreiben vom 25.03.2015 teilte die Beklagte zu 1) dem Kläger mit, dass ab 01.12.2009 eine Beitragsumstufung vorgenommen worden sei. Der Beitragspflicht unterliege nur eine Kapitalleistung iHv 20.343,48 EUR. Die Beitragserstattung im Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist betrage 821,12 EUR. Für die Zeit davor sei eine Erstattung nicht möglich. Mit Bescheid vom 25.03.2015 setzte die Beklagte zu 1) den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.01.2015 auf insgesamt 30,26 EUR fest auf der Grundlage von beitragspflichtigen Einnahmen iHv 169,53 EUR (= 20.343,48 EUR: 120). Der Bescheid erging auch im Namen der Beklagten zu 2).

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er halte an seinem Begehren fest, erließ die Beklagte zu 1) auch im Namen der Beklagten zu 2) drei Bescheide vom 09.04.2015, mit welchem sie die Beiträge aus dem Versorgungsbezug ab 01.12.2009 auf 28,57 EUR, ab 01.01.2011 auf 29,59 EUR und ab 01.01.2013 auf 29,76 EUR monatlich festsetzte.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1), auch im Namen der Beklagten zu 2) mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 zurück. Über die vom Kläger sinngemäß beantragte Überprüfung der Beitragsfestsetzung ab 01.12.2007 sei mit Bescheiden vom 09.04.2015 entschieden worden. Der Widerspruch sei unbegründet, da der Kapitalleistungsanteil iHv 20.343,48 EUR in Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit stehe und der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen sei. Zur Zulässigkeit der Verbeitragung der Versorgungsbezüge verwies die Beklagte zu 1) auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Hiergegen hat der Kläger am 28.05.2015 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die Beitragserhebung sei mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot nicht vereinbar. Das Arbeitsverhältnis sei bereits beendet gewesen, als das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung am 01.01.2004 in Kraft getreten sei.

Die Beklagten haben sich mit Schreiben vom 30.12.2015 bereit erklärt, auch für die Zeit vom 01.12.2007 bis 30.11.2009 die Beiträge nur aus monatlichen Einnahmen iHv 169,53 EUR zu erheben und die überzahlten Beiträge zu erstatten.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Sachdienlich ausgelegt sei das Klagebegehren nicht nur auf Aufhebung der Beitragsbescheide vom 09.04.2015, sondern darauf gerichtet, im Wege des Überprüfungsverfahrens die Rücknahme der früheren Beitragsbescheide für die Zeit ab 01.12.2007 zu verlangen. In diesem Sinne sei die Klage unbegründet, da die Beitragsbemessung ab 01.12.2007 aus einer Kapitalleistung iHv 20.343,48 EUR nicht zu beanstanden sei. Nach §§ 237 Satz 1 Nr 2, 229 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) seien der Beitragsbemessung auch Renten der betrieblichen Altersversorgung zugrunde zu legen. Bei Kapitalzahlungen gelte nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V idF ab 01.01.2004 (BGBl I 2190) ein Hundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens für 120 Monate. Hier sei eine Direktversicherung iSv § 1 Abs 2 Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) gezahlt worden. Bei der zum 01.11.2007 ausgezahlten Kapitalleistung iHv 20.343,48 EUR der H. M. handele es sich um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, diese beruhten auf Prämien, die für Zeiträume gezahlt worden seien, in denen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer gewesen sei. Die Verbeitragung von Kapitalzahlungen verstoße nicht gegen Verfassungsrecht (unter Hinweis auf BSG 12.11.2008, B 12 KR 9/08 R ua). Es sei unerheblich, dass der Versicherungsvertrag nicht nur vor dem 01.01.2004 abgeschlossen, sondern der Arbeitgeber vor diesem Datum auch wieder aus dem Versicherungsvertragsverhältnis entlassen worden sei. Entscheidend sei, dass die Vertragsleistung erst nach dem 01.01.2004 ausgezahlt worden sei, so dass keine verbotene echte, sondern eine zulässige unechte Rückwirkung vorliege.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 25.02.2016 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.03.2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Neben der Doppelverbeitragung der Direktversicherungen sei es auch nicht gerechtfertigt, dass die Beiträge allein durch die betroffenen Rentner bezahlt werden sollten. Bei der gesetzlichen Rente übernehme die Rentenversicherung die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. Betroffen seien zudem nur gesetzlich Versicherte, privat Versicherte mit Versorgungsbezügen blieben davon verschont. Auch dies sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Es bestehe die berechtigte Erwartung einer Gesetzesänderung, die sich auch auf den Kläger auswirken werde. Zudem seien auch weitere Verfassungsbeschwerden anhängig, weshalb das Ruhen des Verfahrens zweckmäßig sei.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.02.2016 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25.03.2015 und 09.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2015 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 10.03.2008 sowie sämtliche nachfolgenden Beitragsbescheide aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führen aus, dass die Kapital-Lebensversicherung der betrieblichen Altersversorgung des Klägers nach den aktuellen Rechtsvorschriften als beitragspflichtiger Versorgungsbezug gewertet worden sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28.09.2010, 1 BvR 1660/08). Da derzeit nur eine Verfassungsbeschwerde wegen Krankenkassenbeiträgen aus Leistungen einer Pensionskasse bekannt sei (1 BvR 249/15), werde kein Ruhensantrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 25.03.2015 und 09.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Streitgegenstand sind im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung aus einer betrieblichen Altersversorgung der H. M. ab 01.12.2007.

Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Nach § 220 Abs 1 SGB V sind die Mittel der GKV durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufzubringen. Die Beiträge sind gemäß § 223 Abs 1 SGB V für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit das SGB V nichts anderes bestimmt. Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen (§ 223 Abs 2 Satz 1 SGB V). Der Umfang der Beitragspflicht beurteilt sich nach dem Versichertenstatus in dem Zeitpunkt, für den Beiträge erhoben werden. Der Kläger ist im streitigen Zeitraum seit 01.12.2007 in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V versicherungspflichtig. Bei versicherungspflichtigen Rentnern werden nach § 237 SGB V der Beitragsbemessung zugrunde gelegt (1.) der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, (2.) der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und (3.) das Arbeitseinkommen. § 226 Abs 2 und die §§ 228, 229 und 231 SGB V gelten entsprechend. Der Kläger ist auch in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig (§ 20 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 11 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)); für die beitragspflichtigen Einnahmen in der Pflegeversicherung gelten nach § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI die §§ 226 bis 232a, 233 bis 238 und 244 SGB V entsprechend.

Da § 237 SGB V die Regelung des § 229 SGB V für entsprechend anwendbar erklärt, unterliegen auch die dort genannten Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht selbst dann, wenn diese neben einer Rente iSd § 237 Satz 1 SGB V geleistet werden. Als Versorgungsbezüge gelten, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden, Renten der betrieblichen Altersversorgung (vgl § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V). Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Hundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs 1 Satz 3 SGB V).

Der Kläger hat von der H. M. eine Kapitalzahlung aus einer Direktversicherung erhalten. Dies ist eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Zu den Renten der betrieblichen Altersvorsorge im Sinne des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V gehören auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung iS des § 1 Abs 2 BetrAVG gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll (vgl Senatsurteil vom 01.03.2011, L 11 KR 2421/09, juris). Dieser Versorgungsweg kann sich aus der vereinbarten Laufzeit ergeben; jedoch ist die Laufzeit kein allein entscheidendes Kriterium. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung aller Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerlich anerkannten begünstigenden Gestaltungsmöglichkeit der betrieblichen Altersversorgung erfolgt (Senatsurteil vom 01.03.2011, L 11 KR 2421/09). Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistung aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (BSG 13.09.2006, B 12 KR 5/06 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 4; B 12 KR 1/06 R und B 12 KR 17/06 R; weiterführend BSG 12.11.2008, B 12 KR 9/08 R und 10/08 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 6; BSG 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 13 und 16/10 R, BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12; BSG 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 16).). Dies wurde auch vom BVerfG bestätigt, als es die ausschließliche Anknüpfung der Beitragspflichtigkeit an die Nutzung des institutionellen Rahmens der Direktversicherungen bzw der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des BetrAVG selbst dann für verfassungsrechtlich zulässig gehalten hat, wenn der Arbeitnehmer selbst in vollem Umfang die Beiträge getragen hat (BVerfG 07.04.2008, 1 BvR 1924/07, SozR 4-2500 § 229 Nr 5; BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 10; BVerfG 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 11).

Unerheblich ist, wofür der Kläger die Versicherungsleistung einsetzen wollte. In beitragsrechtlicher Hinsicht ausschlaggebend ist (hier) allein die Nutzung des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts, bei Direktversicherungen (§ 1b Abs 2 BetrAVG) also der auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung (vgl BVerfG 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, SozR 4-2500, § 229 Nr 11; BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 10; BSG 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R, SozR 4-2500 § 229 Nr 13).

Bemessungsgrundlage für die Beiträge aus den Versorgungsbezügen ist deren Zahlbetrag. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfall vereinbart oder zugesagt worden, gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs 1 Satz 3 SGB V). Die Beklagte hat nunmehr zutreffend nur noch die prämienratierlich dem Arbeitgeber zuzurechnende Kapitalleistung iHv 20.343,48 EUR zugrunde gelegt (vgl dazu BVerfG 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 11). Ein Hundertzwanzigstel dieser Kapitalleistung ist 169,53 EUR. Unter Ansatz der jeweiligen Beitragssätze (§ 241 SGB V, § 55 SGB XI) errechnen sich die vom Kläger zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Die Verbeitragung von Kapitalzahlungen der betrieblichen Altersversorgung (einmaliger Versorgungsbezug) verstößt nach Ansicht des erkennenden Senats nicht gegen Verfassungsrecht (vgl zuletzt ua Entscheidungen vom 01.03.2011, L 11 KR 2421/09, juris, vom 29.09.2011, L 11 KR 2026/10; vom 26.06.2012, L 11 KR 408/11; vom 23.01.2013, L 11 KR 3371/12; vom 12.03.2013, L 11 KR 1029/11; vom 14.05.2013, L 11 KR 46080/11; vom 25.06.2013, L 11 KR 4271/12; vom 17.03.2014, L 11 KR 3839/13; vom 24.06.2014, L 11 KR 5461/13; vom 23.06.2015, L 11 KR 452/15; vom 26.01.2016, L 11 KR 571/15). Der Senat schließt sich weiterhin der ständigen Rechtsprechung des BSG an (Urteile vom 12.11.2008, B 12 KR 6/08 R, B 12 KR 9/08 R und B 12 KR 10/08 R, jeweils mwN; zuletzt Urteile vom 30.03.2011, B 12 KR 24/09 R und 16/10 R, und vom 25.04.2012, B 12 KR 26/10 R, aaO) und den Entscheidungen des BVerfG (Beschlüsse vom 04.04.2008, 1 BvR 1924/07 und vom 06.09.2010, 1 BvR 739/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 10).

Eine verfassungsrechtswidrige Ungleichbehandlung des Klägers bzw eine Verletzung von Vertrauenstatbeständen liegt nicht vor. Eine unzulässige doppelte Verbeitragung liegt nicht vor. Für die Beitragspflicht ist es nicht entscheidend, dass der Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtige Einkünfte während des Anspruchserwerbs erzielte bzw die Versicherungsbeiträge aus zur Sozialversicherung herangezogenem Arbeitsentgelt stammen. § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V knüpft die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen allein daran, dass eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung vorliegt. Da die gesetzliche Regelung mit den Versorgungsbezügen iS von § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich Bezüge bestimmter Institutionen und aus vergleichbaren Sicherungssystemen der Beitragspflicht unterwirft, bei denen in der Regel ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu diesem System und einer Erwerbstätigkeit besteht, ist nicht auf den im Einzelfall jeweils nachweisbaren Zusammenhang mit dem früheren Erwerbsleben abzustellen. Diese sog institutionelle Abgrenzung orientiert sich allein daran, ob die Rente bzw die einmalige Kapitalleistung von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird, und lässt Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt (BSG 30.03.2011, B 12 KR 16/10 R, BSGE 108, 63, SozR 4-2500 § 229 Nr 12 Rn 19 mwN). Die vom BSG vorgenommene Typisierung ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar (BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08, juris). Erfasst werden alle auf einer einseitigen Versorgungszusage des Arbeitgebers beruhenden und damit im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Leistungen der klassischen betrieblichen Altersversorgung, die nach Ausscheiden des Versicherten aus dem Berufsleben gezahlt werden. Vom Arbeitgeber finanziert sind auch Betriebsrenten, die aus einer unechten Entgeltumwandlung finanziert werden, bei der der Arbeitnehmer zugunsten der betrieblichen Altersversorgung auf eine freiwillige Lohnerhöhung des Arbeitgebers verzichtet (vgl Peters in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 229 RdNr 39). Es werden auch solche Leistungen erfasst, zu denen allein der Arbeitnehmer beigetragen hat, solange sie Bestandteil der betrieblichen Altersversorgung sind (Peters, aaO, RdNr 43 mwN). Ein Verstoß gegen Grundrechte ergibt sich insbesondere dann nicht, wenn der Versorgungsbezug aus bereits zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogenem Arbeitsentgelt finanziert worden ist (BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08, juris).

Auch gegen die Einbeziehung von Versicherungsverträgen, die bereits vor dem 01.01.2004 geschlossen waren, bestehen keine Bedenken (BVerfG 07.04.2008, 1 BvR 1924/07; BVerfG 06.09.2010, 1 BvR 739/08), ebenso wenig gegen die Beitragspflicht in der Pflegeversicherung (BVerfG 07.10.2008, 1 BvR 2995/06). Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG aufgrund der fehlenden Beitragspflicht in der privaten Krankenversicherung für die Kapitalleistung ist nicht ersichtlich, denn für die Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gegenüber der privaten Kranken- und Pflegeversicherung gelten völlig unterschiedliche Prinzipien, beide Systeme sind insoweit nicht vergleichbar.

Im Beschluss vom 28.09.2010 (1 BvR 1660/08, juris) hat das BVerfG noch einmal bestätigt, dass die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V grundsätzlich weder gegen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes noch gegen Art 14, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 GG verstößt. Einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG sieht das BVerfG nur dann, wenn auch diejenigen Kapitalleistungen der Beitragspflicht unterworfen werden, die auf Beiträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat (Beschluss vom 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, SozR 4-2500 § 229 Nr 11). Das BVerfG stellt nicht nur auf die Tragung der Versicherungsprämien durch den Mitarbeiter ab, sondern darauf, dass durch das Einrücken des Mitarbeiters in die Stellung des Versicherungsnehmers nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der institutionelle Rahmen einer Betriebsrente bzw eines Versorgungsbezugs verlassen wird (BVerfG 28.09.2010, 1 BvR 1660/08, aaO; BVerfG 14.04.2011, 1 BvR 2123/08, juris). Dieser institutionelle Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge war im vorliegenden Fall nur in der Zeit vom 01.11.1974 bis 31.10.1982 und erneut wieder ab 01.01.2004 nicht gegeben. Der insoweit vom Kläger privat finanzierte Anteil ist nach ursprünglich fehlerhafter Verbeitragung nunmehr zutreffend bei der Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 01.12.2007 unberücksichtigt geblieben. Im Zeitraum 01.11.1982 bis 31.12.2003 war der Arbeitgeber Versicherungsnehmer, so dass die auf diesen Beiträgen beruhende Kapitalzahlung iHv 20.343,48 EUR als Versorgungsbezug beitragspflichtig ist.

Der Senat konnte abschließend entscheiden. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens kam nicht in Betracht. Gem § 202 SGG iVm § 251 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Im vorliegenden Fall fehlt es schon am entsprechenden Antrag oder der Zustimmung der Beklagten. Im Übrigen ist die Anordnung des Ruhens auch nicht zweckmäßig, weil sämtliche hier maßgeblichen Rechtsfragen bereits höchstrichterlich entschieden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Wie das SG hält auch der Senat aufgrund des nur geringen Obsiegens im Klageverfahren (Ermäßigung der Beiträge auch für die Zeit vom 01.11.2007 bis 30.11.2009) eine Kostenquotelung nicht für geboten.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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