L 13 AS 2421/16 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 600/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 2421/16 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Ablehnungsgesuche des Antragstellers gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht A., den Richter am Landessozialgericht H., den Richter am Landessozialgericht G. und die Richterin am Sozialgericht Sch. werden als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Abweichend von § 45 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) können die abgelehnten Richter des Senats selbst über das Ablehnungsgesuch mit entscheiden, wenn dieses völlig ungeeignet ist. Dies ist der Fall, wenn es unzulässig und jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 20. Juli 2007 – 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771, 3772, juris; Bundessozialgericht (BSG) Beschluss vom 27. Oktober 2009 – B1 KR 51/09 B, SozR 4-1500 § 60 Nr. 6 Rn. 10, juris). Die Befugnis des abgelehnten Richters über ein völlig ungeeignetes Ablehnungsgesuch mitzuentscheiden, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil in diesen Fällen keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens erforderlich ist (BVerfG Beschluss vom 2. Juni 2005 – 2 BvR 625/01, NJW 2005, 3410, 3412; BVerfG 20. Juli 2007 aaO; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 10. Auflage § 60 Rn. 10d).

Für die Ablehnung von Gerichtspersonen gilt über die Bestimmung des § 60 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Vorschrift des § 42 ZPO entsprechend. Danach kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der den am Verfahren Beteiligten auch von seinem Standpunkt befürchten lässt, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "befangen" ist; entscheidend ist vielmehr ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG Beschluss vom 12. Juli 1986 – 1 BvR 713/83 u. a. - BVerfGE 73, 330, 335, juris; BSG Beschluss vom 1. März 1993 – 12 RK 45/92SozR 3-1500 § 60 Nr. 1, juris). Die rein subjektive Besorgnis, für die bei objektiv feststellbaren Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus (vgl. BSG Beschluss vom 31. Juli 1985 – 9a RVs 5/84 – SozR 1500 § 60 Nr. 3, juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Beschluss vom 5. Dezember 1975 – VI C 129.74BVerwGE 50, 36, 39, juris).

Die Ablehnungsgesuche des Antragstellers gegen alle Richter des 13. Senats sind bereits unzulässig. Denn ein Ablehnungsgesuch ist unzulässig, wenn kein Ablehnungsgrund genannt wird oder wenn nur eine unzureichende Begründung vorliegt, die einer fehlenden Begründung gleichsteht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leiterherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 60 Rdnr. 10b). Eine unzureichende Begründung kann auch vorliegen, wenn - wie hier - pauschal, ohne konkrete Anhaltspunkte vorzubringen, alle Mitglieder eines Spruchkörpers abgelehnt werden, denn es können nur bestimmte Richter, nicht aber ein Spruchkörper, abgelehnt werden (vgl. Keller, aaO mwN). Befangenheitsgründe, die sich individuell auf einen oder mehrere bestimmte Richter beziehen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Er begründet seinen Ablehnungsantrag sinngemäß damit, dass er das Urteil des Senats vom 24. Mai 2016 im Verfahren L 13 R 922/16 für falsch hält. Allein der Umstand, dass der Senat eine Entscheidung getroffen hat, die der Antragsteller nicht akzeptieren will, stellt jedoch keinen Grund für die Besorgnis der Befangenheit dieser Richter dar.

Die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht A., den Richter am Landessozialgericht H., den Richter am Landessozialgericht G. und die Richterin am Sozialgericht Sch. waren daher als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 22. Juni 2016 ist zulässig (§ 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, in der hier anwendbaren und ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Gegenstand des Klageverfahrens war der Bescheid vom 13. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2016, mit dem der Beklagte das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 30. April 2016 um monatlich 10 % des maßgebenden Regelbedarfs, d.h. monatlich 40,40 EUR abgesenkt hat, weil der Kläger den Meldetermin am 15. Dezember 2015 nicht wahrgenommen hat. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beläuft sich daher auf 121,20 EUR. Damit wird der oben genannte Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 EUR nicht überstiegen. Soweit sich der Kläger mit der Klage ursprünglich auch gegen den Vorschlag des Beklagten für eine Eingliederungsvereinbarung vom 12. Januar 2016 gerichtet hat, hat das SG die darauf gerichtete Klage mit Beschluss vom 9. Mai 2016 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1508/16 weitergeführt. Mit demselben Beschluss hat das SG auch die auf Bescheidung der am 27. November 2015 beantragten Weiterbewilligung von Leistungen über den 31. Dezember 2015 hinaus gerichtete Klage sowie die auf Verurteilung des Beklagten zum Ersatz des durch den Erlass des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2014 verursachten Schadens gerichteten Klagen abgetrennt und unter den Aktenzeichen S 10 AS 1509/16 bzw. S 10 AS 1510/16 fortgeführt. Eine Erhöhung des Streitwerts ergibt sich daher im vorliegenden Klageverfahren nicht.

Da das SG eine Zulassung der Berufung nicht ausgesprochen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 121, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 144 Rdnr. 28; vgl. dort auch § 160 Rdnr. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Das SG hat die Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Februar 2016 bis 30. April 2016 um monatlich 10 % des maßgebenden Regelbedarfs, d.h. monatlich 40,40 EUR, für rechtmäßig erachtet. Der Kläger hat nicht dargelegt und es ist auch für den Senat nicht zu erkennen, welche Rechtsfrage für den hier zu entscheidenden Fall höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Bei der Frage, ob der Kläger für das Nichterscheinen zum Meldetermin am 15. Dezember 2015 einen wichtigen Grund im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 2 SGB II dargelegt und nachgewiesen hat, handelt es sich um keine Frage, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung entfaltet. Die vom Kläger vorgebrachten Gründe, dass Leistungen der Deutschen Rentenversicherung Bund Vorrang gegenüber Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II hätten, er erwerbsgemindert sei, ihm bestimmte Tätigkeiten nicht zumutbar seien bzw. er bei Anerkennung einer teilweisen Erwerbsminderung durch die Deutsche Rentenversicherung einen Anspruch auf teilweise Beschäftigung habe, betreffen ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern eine auf den Einzelfall bezogene Beurteilung von medizinischen Sachverhalten und stehen darüber hinaus in keinem Bezug zur streitgegenständlichen Minderung des Arbeitslosengeldes II wegen des versäumten Meldetermins am 15. Dezember 2015.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Erwägungen zur Richtigkeit der Entscheidung des SG für die Frage der grundsätzlichen Bedeutung bereits systematisch verfehlt und irrelevant sind (Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 145 Rdnr. 5).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz nicht in Betracht vorliegt. Ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes ist nicht gegeben und auch nicht geltend gemacht worden.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 S. 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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