Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 SB 5496/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5024/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24.11.2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, die beantragte höhere Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X und eines Verfahrens nach § 48 SGB X mangels Mitwirkung durch den Kläger zu versagen.
Bei dem 1954 geborenen Kläger, deutscher Staatsangehöriger, stellte das Landratsamt E. (LRA) mit Bescheid vom 11.05.2005 (Blatt 57/58 der Beklagtenakte; zum Antrag vgl. Blatt 1/2 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnehme vgl. Blatt 55/56 der Beklagtenakte) einen GdB von 40 seit 06.07.2004 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Diabetes mellitus (Einzel-GdB: 30); chronisch Entzündung der Bauchspeicheldrüse, Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse (Einzel-GdB: 20)).
Mit am 30.01.2013 beim LRA eingegangenem Schreiben seines Bevollmächtigten (Blatt 60/62 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger die "entsprechende Überprüfung eines vermeintlich in der Vergangenheit bekanntgegebenen Bescheides im Rahmen von § 44 SGB X". Gleichzeitig beantragte er "hiermit die Verschlimmerung entsprechend vorhandener Erkrankungen bzw. das Neuauftreten entsprechender Erkrankungen".
Das LRA gewährte mit Schreiben vom 04.02.2013 (Blatt 63 der Beklagtenakte) die beantragte Akteneinsicht und bat darum, "den Antrag nach § 44 SGB X innerhalb 4 Wochen nach Einsichtnahme in die Akten zu begründen, sowie das Antragsformular "Neufeststellung" vollständig ausgefüllt und unterschrieben – falls möglich mit medizinischen Nachweisen – zurückzusenden". Der Kläger gab die Akten zurück, äußerte sich jedoch nicht weiter. Daraufhin (Blatt 65 der Beklagtenakte) erinnerte das LRA an die Erledigung.
Nachdem der Versorgungsarzt in seiner Stellungnahme vom 28.06.2013 zur versorgungs-ärztlichen gutachterlichen Äußerung von 2005 die dortige Bewertung angesichts der aus dem früheren Verfahren vorliegenden Unterlagen für zutreffend erachtet hatte (Blatt 66 der Beklagtenakte), belehrte das LRA den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2013 über seine Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I und forderte ihn auf, die erbetenen Unterlagen und nähere Angaben vorzulegen, ohne diese lasse sich eine Feststellung nach dem SGB IX nicht treffen. Werde dem Hinweis auch weiterhin nicht nachgekommen und bis zum 25.08.2013 eine Antwort nicht vorgelegt, würden die beantragten Feststellungen versagt.
Daraufhin bat der Klägervertreter um Fristverlängerung zunächst bis 30.09.2013 (Blatt 69 der Beklagtenakte), später bis 20.10.2013 (Blatt 70 der Beklagtenakte). Am 22.10.2013 erinnerte das LRA den Klägervertreter telefonisch an die Vorlage der Begründung und Unterlagen (Blatt 70 der Beklagtenakte) und verlängerte am 28.10.2013 telefonisch die Frist bis zum 15.11.2013 (Blatt 70 der Beklagtenakte). Mit Schreiben vom 20.01.2014 (Blatt 71 der Beklagtenakte) erinnerte das LRA "letztmalig" an die Begründung zu § 44 SGB X und den Erhebungsbogen zu § 48 SGB X.
Mit Bescheid vom 27.03.2014 (Blatt 72/73 der Beklagtenakte) versagte das LRA die beantragten Feststellungen nach § 44 SGB X und nach § 48 SGB X. Seiner Mitwirkungspflicht sei der Kläger trotz Erinnerungen und Fristsetzung mit Hinweis auf die nachteiligen Folgen seines Verhaltens nicht nachgekommen, weshalb die beantragte Feststellung nach dem SGB IX versagt werde. Das LRA habe bei dieser Entscheidung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt, dass die Erfüllung der Mitwirkungspflicht in einem angemessenen Verhältnis zur beantragten Sozialleistung stehe und dem Kläger auch zugemutet werden könne, zumal vom LRA alle Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, ausgeschöpft seien.
Durch seinen Bevollmächtigten vertreten legte der Kläger hiergegen am 24.04.2014 zwei Widersprüche ein, einer, der sich gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 44 SGB X wendet (Blatt 75/76 der Beklagtenakte) und einen gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 48 SGB X (Blatt 77/78 der Beklagtenakte). Die Versagungsbescheide seien zu jedem Zeitpunkt aufzuheben nach zwischenzeitlich als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des Sozialgerichtes Freiburg. Er werde zu überprüfen haben, was zwischenzeitlich zu veranlassen sei, damit es materiell-rechtlich vorangehe.
Das LRA führte mit Schreiben vom 04.07.2014 (Blatt 79/80 der Beklagtenakte) aus, dass zur weiteren Bearbeitung des Neufeststellungsantrages die Angaben im Antragsvordruck zum Feststellungsumfang, zur medizinischen Sachaufklärung und die Einverständniserklärung erforderlich seien. Sobald diese Angaben vorlägen, könnte das Verfahren zielgerichtet fortgeführt werden. Hinsichtlich des Überprüfungsantrages liege es am Kläger mitzuteilen, weshalb der frühere Bescheid unrichtig gewesen sei bzw. welche tatsächlichen oder rechtlichen Sachverhalte im Zusammenhang mit der früheren Entscheidung zu prüfen seien. Mit Schreiben vom 09.09.2014 wurde der Kläger an die Beantwortung erinnert (Blatt 81 der Beklagtenakte).
Nachdem sich der Kläger nicht wieder gemeldet hatte, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – zurück (Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014).
Der Kläger hat hiergegen am 26.11.2014 beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage erhoben. § 66 SGB I sei im Schwerbehindertenrecht nicht anwendbar, denn bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. des GdB handele es sich nicht um eine Sozialleistung. Die Entscheidung des BSG vom 16.12.2014 (Az.: B 9 SB 3/13 R) erscheine ihm nicht vertretbar.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2015 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den Bescheid zu Recht in entsprechender Anwendung auf §§ 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 60 SGB I gestützt. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt, denn der Kläger habe es trotz mehrfacher Aufforderung unterlassen, Angaben dazu zu machen, welche gesundheitlichen Umstände die Neufeststellung bzw. Erhöhung des GdB aus seiner Sicht rechtfertigen. Der Beklagte konnte deshalb über den gestellten Antrag nicht sachgerecht entscheiden. Ferner sei der Kläger unter Fristsetzung auf die beabsichtigte Versagung hingewiesen und der Bescheid vom 27.03.2014 enthalte Ausführungen zu den für die Entscheidung maßgebenden Ermessenserwägungen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 28.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.12.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 sei nicht hinreichend bestimmt. Auch wegen der fehlenden Rezipierung der Norm des § 66 SGB I in § 69 SGB IX sei § 66 SGB I im Schwerbehindertenverfahren nicht anwendbar. Vor dem Gesamthintergrund liege auch eine Ungleichbehandlung zu anderen Bundesländern vor, die dieser Rechtsauffassung hier folgten. Es seien zwei Widersprüche erhoben worden, im Widerspruchsbescheid könne man es sich heraussuchen, über welchen Widerspruch denn nun entschieden worden sei. Er kündige in vorliegendem Fall Untätigkeitsklage an, wenn eine Klärung nicht erfolge. Es sei ganz klar, dass zwei Anträge gestellt worden seien, zwei Anträge seien abgelehnt worden, zwei Widersprüche seien erhoben worden. Dann hätte folgerichtig der Widerspruchsbescheid hierzu eine Angabe enthalten müssen. Er finde es nicht korrekt, wie man mit diesen Dingen umgehe. Er könne auch nicht erkennen, was das SG entschieden habe. Die Widersprüche gegen den Versagungsbescheid seien begründet worden, insoweit sei der Widerspruchsbescheid auch unrichtig. Da bei seinem Bevollmächtigten die Arbeitsbelastung genauso hoch sei wie beim LRA, habe vor Abfassung des etwas merkwürdigen Widerspruchsbescheides nicht reagiert werden können. Das BSG-Urteil im Hinblick auf § 66 SGB I sei völlig irrelevant. Auch verstoße die gesamte Rechtspraxis gegen Art. 3 GG, wolle man § 66 SGB I analog anwenden. Bewiesen sei, dass es in anderen Bundesländern eine andere Rechtspraxis gebe. Bei § 66 SGB I handele es sich um ein Bundesgesetz und das sei in allen Bundesländern gleich anzuwenden.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Freiburg vom 24.11.2015 sowie den Bescheid des Landratsamtes E. vom 27.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 05.11.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Sach- und Rechtslage sollte mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 08.04.2016 erörtert werden. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, dass scheinbar seine Berufungsbegründung und auch seine Klage, sowie die Widerspruchsbegründung nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Er erhalte nicht nur die Auffassung aufrecht, dass § 66 SGB I im Schwerbehindertenrecht nicht anwendbar sei, vielmehr habe er umfangreiche Ausführungen zum Verfahrensrecht und zum Procedere aller bisher am Rechtskreis Beteiligten getätigt. An seinen Ausführungen könne man nicht einfach vorbeischreiben, und daran komme man auch nicht vorbei, denn es sei nach wie vor nicht erkennbar, was seitens des LRA und was im Widerspruchsbescheid entschieden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bevollmächtigte des Klägers war im vorliegenden Verfahren nicht nach § 73 Abs. 3 SGG zurückzuweisen, denn angesichts des Geburtsjahrganges des Klägers (1954) kann schon ab Antragstellung beim LRA im Januar 2013 ein Bezug zu einer möglichen Rente der gesetzlichen Rentenversicherung unterstellt werden, weshalb eine Annexkompetenz des Rentenberaters für seine Vertretungsbefugnis vorliegt (zum Ganzen vgl. Senatsbeschluss vom 26.06.2012 - L 8 SB 537/11 -juris).
Gegenstand des Verfahrens ist die mit einer zulässigen isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) angefochtene Versagung der rückwirkenden höheren Feststellung des GdB im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 SGB X sowie die Versagung der Feststellung eines höheren GdB wegen einer Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 SGB X. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.03.2013 diese Feststellungen mangels Mitwirkung des Klägers aus verfahrensrechtlichen Gründen (§ 66 SGB I) versagt. Gegen diese beiden – in einem Bescheid zusammengefassten - Verwaltungsakte (§ 31 Satz 1SGB X) hat der Kläger am 24.04.2014 mit dem Argument, § 66 SGB I greife vorliegend nicht, zwei Widersprüche erhoben. Hierüber hat der Beklagte mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 i.S. einer Zurückweisung der Widersprüche entschieden. Zwar spricht der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 05.11.2014 nur von einem Widerspruch ("Ihr Widerspruch"), doch ist beim Verstehen der getroffenen Regelung nicht am Wortlaut zu verhaften (§ 133 BGB). Vielmehr ist die Regelung des Widerspruchsbescheids auszulegen. Dabei ist zunächst zu sehen, dass die Aufforderungen des LRA und des Beklagten (zuletzt vgl. Schreiben vom 04.07.2014), sich zu den Anträgen nach § 44 SGB X und nach § 48 SGB X zu äußern, immer beide Anträge erfasst haben. So hat der Klägerbevollmächtigte selbst mit gesondertem Schreiben vom 23.04.2014 (Bl. 74 der Beklagtenakte) "Widerspruch" gegen "den Bescheid vom 27.03.2014" eingelegt und darin auf die als Anlage beigefügten Widerspruchsschreiben vom 23.03.2014 und 22.04.2014 (Bl. 75-77 der Beklagtenakte) verwiesen. Folgerichtig ist daher "der" Widerspruch gegen den "Bescheid vom 27.03.2014" zurückgewiesen worden, weshalb bei nüchterner Auslegung anhand des objektivierten Empfängerhorizontes unschwer zu erkennen war, dass der Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 nicht an den beiden Widersprüchen des Klägers, sondern an dem einheitlichen Bescheid vom 27.03.2014 angesetzt hatte. Dass damit aber beide Widersprüche zurückgewiesen werden, ergibt sich unabhängig von dem dargelegten, zu berücksichtigenden Ablauf des Verwaltungsverfahrens auch aus der Bezugnahme im Widerspruchsbescheid auf das behördliche Erinnerungsschreiben vom 09.09.2014 an den Klägerbevollmächtigten, in dem aber gerade die Mitwirkung zur beantragten Entscheidung nach § 48 SGB X und § 44 SGB X angemahnt worden war. An dieser Bezugnahme anknüpfend wird im Widerspruchsbescheid unmittelbar ausgeführt, dass der angefochtene Ausgangsbescheid keinen Anlass zur Beanstandung gibt. Damit hat der Beklagte – anders als vom Kläger vorgetragen – nicht nur über einen seiner Widersprüche, sondern erkennbar über beide entschieden. Dass dem Widerspruchsbescheid sogar nicht einmal entnommen werden könnte, über welchen der Widersprüche entschieden worden ist, wie der Kläger vorträgt, ist aus der maßgebenden Sicht des Empfängerhorizonts bei den dargelegten Umständen auch nicht ansatzweise festzustellen. Das war bei unvoreingenommener, objektivierter Betrachtung auch für den Kläger unschwer erkennbar. Auch das SG hat den Widerspruchsbescheid entsprechend verstanden und beide Aspekte in seine Entscheidung einbezogen.
Auch soweit der Kläger anführt, § 66 SGB I sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, folgt ihm der Senat nicht. Der Senat hatte schon in seinem Urteil vom 27.01.2012 (L 8 SB 1808/11 – juris RdNr. 28) darauf hingewiesen, dass die Vorschriften der §§ 60 ff. SGB I zwar keine unmittelbare Anwendung fänden, jedoch ein allgemeiner Mitwirkungsgrundsatz gelte, der aus dem auch im öffentlichen Recht Anwendung findenden Grundsatz von Treu und Glauben resultiere. Nunmehr hat das BSG mit Urteil vom 16.12.2014 (B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris) ausgeführt, die Feststellung oder Änderung eines GdB sei keine Sozialleistung (so auch schon BSG 06.10.1981 - 9 RVs 3/81 - BSGE 52, 168 = SozR 3870 § 3 Nr. 13 = juris), die Vorschriften über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten bei der Beantragung von Sozialleistungen seien darauf aber entsprechend anwendbar. Dieser zu einem Urteil des SG Freiburg (zum Berufungsverfahren vgl. LSG Baden-Württemberg 20.06.2013 - L 6 SB 1692/12 – juris) ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt sich der Senat an, denn diese Intention entspricht auch der bisherigen Senatsrechtsprechung (a.a.O.). Zutreffend hat das BSG darauf hingewiesen, dass es keine hinreichenden Rechtfertigungsgründe dafür gibt, weshalb Antragsteller, deren Behinderungsgrad festzustellen ist, geringere Mitwirkungspflichten treffen sollten, als wenn sie gestützt auf diese Feststellung Geld- oder Sachleistungen beantragten (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris RdNr. 28).
Vorliegend ist der Senat nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger, der höhere Feststellungen des GdB beantragt hatte, seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I nicht nachgekommen ist. Er hat weder Tatsachen mitgeteilt, die eine höhere Bewertung des GdB für die Vergangenheit (im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X) rechtfertigen könnten, noch hat er mitgeteilt, wie sich sein Gesundheitszustand verändert hat (im Verfahren nach § 48 SGB X). Auch hat er nicht die Beklagte in die Lage versetzt, sich selbst ärztliche Befunde zu beschaffen, denn er hat die behandelnden Ärzte nicht benannt und auch nicht von der Schweigepflicht entbunden, obwohl er dazu durch Vorlage des diese Erklärungen umfassenden, von ihm ausgefüllten und unterschriebenen Formulars aufgefordert worden war. Zwar hat der Versorgungsarzt – was der Senat aber nicht prüfen musste - wohl zutreffend angeführt, die vorliegenden Befunde rechtfertigten - jedenfalls für die Vergangenheit - keine höhere GdB-Bewertung, doch hat der Kläger dennoch geltend gemacht, die bisherige Bewertung sei von Anfang an aber auch durch zwischenzeitliche wesentliche Änderung der Verhältnisse falsch. Damit hätte es ihm im Rahmen von § 60 Abs. 1 SGB I oblegen, Tatsachen zu benennen, die seine Behauptung, die GdB-Bemessung sei anfänglich schon falsch bzw. es hätten sich wesentliche Änderungen in seinem Gesundheitszustand ergeben, stützen. Außerdem hätte es ihm oblegen, seine behandelnden Ärzte zu benennen und von der Schweigepflicht zu entbinden, um so Ermittlungen des Beklagten, wozu dieser grds. nach § 20 SGB X verpflichtet war, zu ermöglichen. Beides hat der Kläger – bis heute – nicht getan.
Durch das Verhalten des Klägers wurde die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, denn der Beklagte konnte die vom Kläger aufgestellten Behauptungen nicht im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht aufklären. Damit durfte der Beklagte ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagen, denn die Voraussetzungen der begehrten Feststellung eines höheren GdB sind nicht nachgewiesen. Dabei ist die Behörde weder im Rahmen eines Verfahrens nach § 48 SGB X noch im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X verpflichtet, eine materiell-rechtlich ablehnende Entscheidung, ggf. i. S. einer Beweislastentscheidung, zu treffen, wenn anhand der vorliegenden bzw. zugänglichen ärztlichen Unterlagen und Befunde die Voraussetzungen eines höheren GdB nicht nachgewiesen sind, der behinderte Mensch aber zu seinen Behauptungen weitergehende Angaben nicht macht und auch weiterführende Ermittlungen nicht ermöglicht (dazu vgl. auch BSG 16.12.2014 – B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris RdNr. 27).
Der Beklagte hat durch das LRA bereits im Versagungsbescheid vom 27.03.2014 ausreichende Ermessenserwägungen angestellt und – auch wenn seine zuvor ergangenen Hinweise wohl darauf hindeuten könnten, dass bei den Hinweisen von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen worden war – Ermessen auch tatsächlich ausgeübt und sich nicht an das Bestehen einer einzigen Entscheidungsmöglichkeit i.S. einer Versagung gebunden gefühlt. Insoweit zeigen die im Tatbestand wiedergegebenen Ausführungen im Bescheid vom 27.03.2014, dass der Beklagte durch das LRA sich bewusst war, dass eine Ermessensentscheidung zu treffen war und dass er nicht nur die ihm günstigen, sondern auch die für den Kläger sprechenden Umstände in seine Ermessensabwägung eingestellt hatte. Dass einzustellende Gesichtspunkte unberücksichtigt geblieben waren oder i.S. eines Ermessensfehlers falsch gewichtet worden wären, konnte der Senat nicht erkennen, solches war vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Nach § 66 Abs. 3 SGB X dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Vorliegend hat das LRA mit Schreiben vom 22.07.2013 ausreichend und deutlich auf die mögliche Folge einer Versagung der Feststellung höherer GdB mangels Mitwirkung in den vom Kläger angestrengten Verfahren nach § 44 SGB und § 48 SGB X hingewiesen und auch darauf, dass ein solches Vorgehen beabsichtigt ist. Außerdem war dem Kläger eine Frist zur Mitwirkung bis zum 25.08.2013 gesetzt worden, die dann letztlich und auf Antrag des Klägers auch noch bis 15.11.2013 verlängert worden war. Darüber hinaus hat das LRA mit Schreiben vom 20.01.2014 den Kläger über dessen Bevollmächtigten erinnert. Der Kläger ist seiner Mitwirkungsobliegenheit innerhalb der gesetzten und mehrfach verlängerten Frist nicht nachgekommen. Er hat bis heute weder die erforderlichen Angaben gemacht noch die behandelnden Ärzte benannt und von der Schweigepflicht befreit. Damit steht auch § 66 Abs. 3 SGB I den vom Beklagten durch das LRA getroffenen Entscheidungen vom 27.03.2014 nicht entgegen.
Der Bescheid des LRA vom 27.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 05.11.2014 ist damit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Auch soweit der Kläger darauf angegeben hat, dass § 66 SGB I in anderen Bundesländern anders bzw. nicht angewandt werde, woraus er eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ableitet, führt diese nicht zum Obsiegen des Klägers. Bereits in dem vom BSG entschiedenen Verfahren 16.12.2014 – B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris, dort RdNr. 5) war zur Begründung der Revision ausgeführt worden, andere Bundesländer wendeten § 66 SGB I im Unterschied zu Baden-Württemberg im Feststellungsverfahren nicht an. Das BSG hat hierin keine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung gesehen, was sich schon daraus ergibt, dass es diese Frage in seinen Entscheidungsgründen keiner weiteren Erörterung für nötig befunden hatte. Dieser Bewertung des BSG schließt sich der Senat an. Soweit – wie vom Kläger zutreffend ausgeführt – Bundesrecht – hier § 66 SGB I - anzuwenden ist, kann dessen Nichtanwendung nach Überzeugung des Senates nicht auf den Hinweis einer behaupteten und insoweit bundesrechtswidrigen Rechtsauslegung in anderen Bundesländern gestützt werden. Insoweit kann der Kläger nicht verlangen, im Unrecht gleichgestellt zu werden. Darüber hinaus hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass auch nach der Entscheidung des BSG weiterhin eine unterschiedliche Rechtsanwendung in den Bundesländern praktiziert wird.
Damit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 24.11.2015 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, die beantragte höhere Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X und eines Verfahrens nach § 48 SGB X mangels Mitwirkung durch den Kläger zu versagen.
Bei dem 1954 geborenen Kläger, deutscher Staatsangehöriger, stellte das Landratsamt E. (LRA) mit Bescheid vom 11.05.2005 (Blatt 57/58 der Beklagtenakte; zum Antrag vgl. Blatt 1/2 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnehme vgl. Blatt 55/56 der Beklagtenakte) einen GdB von 40 seit 06.07.2004 fest (zugrundeliegende Funktionsbehinderungen: Diabetes mellitus (Einzel-GdB: 30); chronisch Entzündung der Bauchspeicheldrüse, Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse (Einzel-GdB: 20)).
Mit am 30.01.2013 beim LRA eingegangenem Schreiben seines Bevollmächtigten (Blatt 60/62 der Beklagtenakte) beantragte der Kläger die "entsprechende Überprüfung eines vermeintlich in der Vergangenheit bekanntgegebenen Bescheides im Rahmen von § 44 SGB X". Gleichzeitig beantragte er "hiermit die Verschlimmerung entsprechend vorhandener Erkrankungen bzw. das Neuauftreten entsprechender Erkrankungen".
Das LRA gewährte mit Schreiben vom 04.02.2013 (Blatt 63 der Beklagtenakte) die beantragte Akteneinsicht und bat darum, "den Antrag nach § 44 SGB X innerhalb 4 Wochen nach Einsichtnahme in die Akten zu begründen, sowie das Antragsformular "Neufeststellung" vollständig ausgefüllt und unterschrieben – falls möglich mit medizinischen Nachweisen – zurückzusenden". Der Kläger gab die Akten zurück, äußerte sich jedoch nicht weiter. Daraufhin (Blatt 65 der Beklagtenakte) erinnerte das LRA an die Erledigung.
Nachdem der Versorgungsarzt in seiner Stellungnahme vom 28.06.2013 zur versorgungs-ärztlichen gutachterlichen Äußerung von 2005 die dortige Bewertung angesichts der aus dem früheren Verfahren vorliegenden Unterlagen für zutreffend erachtet hatte (Blatt 66 der Beklagtenakte), belehrte das LRA den Kläger mit Schreiben vom 22.07.2013 über seine Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I und forderte ihn auf, die erbetenen Unterlagen und nähere Angaben vorzulegen, ohne diese lasse sich eine Feststellung nach dem SGB IX nicht treffen. Werde dem Hinweis auch weiterhin nicht nachgekommen und bis zum 25.08.2013 eine Antwort nicht vorgelegt, würden die beantragten Feststellungen versagt.
Daraufhin bat der Klägervertreter um Fristverlängerung zunächst bis 30.09.2013 (Blatt 69 der Beklagtenakte), später bis 20.10.2013 (Blatt 70 der Beklagtenakte). Am 22.10.2013 erinnerte das LRA den Klägervertreter telefonisch an die Vorlage der Begründung und Unterlagen (Blatt 70 der Beklagtenakte) und verlängerte am 28.10.2013 telefonisch die Frist bis zum 15.11.2013 (Blatt 70 der Beklagtenakte). Mit Schreiben vom 20.01.2014 (Blatt 71 der Beklagtenakte) erinnerte das LRA "letztmalig" an die Begründung zu § 44 SGB X und den Erhebungsbogen zu § 48 SGB X.
Mit Bescheid vom 27.03.2014 (Blatt 72/73 der Beklagtenakte) versagte das LRA die beantragten Feststellungen nach § 44 SGB X und nach § 48 SGB X. Seiner Mitwirkungspflicht sei der Kläger trotz Erinnerungen und Fristsetzung mit Hinweis auf die nachteiligen Folgen seines Verhaltens nicht nachgekommen, weshalb die beantragte Feststellung nach dem SGB IX versagt werde. Das LRA habe bei dieser Entscheidung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigt, dass die Erfüllung der Mitwirkungspflicht in einem angemessenen Verhältnis zur beantragten Sozialleistung stehe und dem Kläger auch zugemutet werden könne, zumal vom LRA alle Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, ausgeschöpft seien.
Durch seinen Bevollmächtigten vertreten legte der Kläger hiergegen am 24.04.2014 zwei Widersprüche ein, einer, der sich gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 44 SGB X wendet (Blatt 75/76 der Beklagtenakte) und einen gegen die Entscheidung im Verfahren nach § 48 SGB X (Blatt 77/78 der Beklagtenakte). Die Versagungsbescheide seien zu jedem Zeitpunkt aufzuheben nach zwischenzeitlich als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des Sozialgerichtes Freiburg. Er werde zu überprüfen haben, was zwischenzeitlich zu veranlassen sei, damit es materiell-rechtlich vorangehe.
Das LRA führte mit Schreiben vom 04.07.2014 (Blatt 79/80 der Beklagtenakte) aus, dass zur weiteren Bearbeitung des Neufeststellungsantrages die Angaben im Antragsvordruck zum Feststellungsumfang, zur medizinischen Sachaufklärung und die Einverständniserklärung erforderlich seien. Sobald diese Angaben vorlägen, könnte das Verfahren zielgerichtet fortgeführt werden. Hinsichtlich des Überprüfungsantrages liege es am Kläger mitzuteilen, weshalb der frühere Bescheid unrichtig gewesen sei bzw. welche tatsächlichen oder rechtlichen Sachverhalte im Zusammenhang mit der früheren Entscheidung zu prüfen seien. Mit Schreiben vom 09.09.2014 wurde der Kläger an die Beantwortung erinnert (Blatt 81 der Beklagtenakte).
Nachdem sich der Kläger nicht wieder gemeldet hatte, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers durch das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – zurück (Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014).
Der Kläger hat hiergegen am 26.11.2014 beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage erhoben. § 66 SGB I sei im Schwerbehindertenrecht nicht anwendbar, denn bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bzw. des GdB handele es sich nicht um eine Sozialleistung. Die Entscheidung des BSG vom 16.12.2014 (Az.: B 9 SB 3/13 R) erscheine ihm nicht vertretbar.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24.11.2015 die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe den Bescheid zu Recht in entsprechender Anwendung auf §§ 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 60 SGB I gestützt. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt, denn der Kläger habe es trotz mehrfacher Aufforderung unterlassen, Angaben dazu zu machen, welche gesundheitlichen Umstände die Neufeststellung bzw. Erhöhung des GdB aus seiner Sicht rechtfertigen. Der Beklagte konnte deshalb über den gestellten Antrag nicht sachgerecht entscheiden. Ferner sei der Kläger unter Fristsetzung auf die beabsichtigte Versagung hingewiesen und der Bescheid vom 27.03.2014 enthalte Ausführungen zu den für die Entscheidung maßgebenden Ermessenserwägungen.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 28.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 04.12.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 sei nicht hinreichend bestimmt. Auch wegen der fehlenden Rezipierung der Norm des § 66 SGB I in § 69 SGB IX sei § 66 SGB I im Schwerbehindertenverfahren nicht anwendbar. Vor dem Gesamthintergrund liege auch eine Ungleichbehandlung zu anderen Bundesländern vor, die dieser Rechtsauffassung hier folgten. Es seien zwei Widersprüche erhoben worden, im Widerspruchsbescheid könne man es sich heraussuchen, über welchen Widerspruch denn nun entschieden worden sei. Er kündige in vorliegendem Fall Untätigkeitsklage an, wenn eine Klärung nicht erfolge. Es sei ganz klar, dass zwei Anträge gestellt worden seien, zwei Anträge seien abgelehnt worden, zwei Widersprüche seien erhoben worden. Dann hätte folgerichtig der Widerspruchsbescheid hierzu eine Angabe enthalten müssen. Er finde es nicht korrekt, wie man mit diesen Dingen umgehe. Er könne auch nicht erkennen, was das SG entschieden habe. Die Widersprüche gegen den Versagungsbescheid seien begründet worden, insoweit sei der Widerspruchsbescheid auch unrichtig. Da bei seinem Bevollmächtigten die Arbeitsbelastung genauso hoch sei wie beim LRA, habe vor Abfassung des etwas merkwürdigen Widerspruchsbescheides nicht reagiert werden können. Das BSG-Urteil im Hinblick auf § 66 SGB I sei völlig irrelevant. Auch verstoße die gesamte Rechtspraxis gegen Art. 3 GG, wolle man § 66 SGB I analog anwenden. Bewiesen sei, dass es in anderen Bundesländern eine andere Rechtspraxis gebe. Bei § 66 SGB I handele es sich um ein Bundesgesetz und das sei in allen Bundesländern gleich anzuwenden.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Freiburg vom 24.11.2015 sowie den Bescheid des Landratsamtes E. vom 27.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 05.11.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Sach- und Rechtslage sollte mit den Beteiligten in einem nichtöffentlichen Termin am 08.04.2016 erörtert werden. Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, dass scheinbar seine Berufungsbegründung und auch seine Klage, sowie die Widerspruchsbegründung nicht zur Kenntnis genommen worden sei. Er erhalte nicht nur die Auffassung aufrecht, dass § 66 SGB I im Schwerbehindertenrecht nicht anwendbar sei, vielmehr habe er umfangreiche Ausführungen zum Verfahrensrecht und zum Procedere aller bisher am Rechtskreis Beteiligten getätigt. An seinen Ausführungen könne man nicht einfach vorbeischreiben, und daran komme man auch nicht vorbei, denn es sei nach wie vor nicht erkennbar, was seitens des LRA und was im Widerspruchsbescheid entschieden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bevollmächtigte des Klägers war im vorliegenden Verfahren nicht nach § 73 Abs. 3 SGG zurückzuweisen, denn angesichts des Geburtsjahrganges des Klägers (1954) kann schon ab Antragstellung beim LRA im Januar 2013 ein Bezug zu einer möglichen Rente der gesetzlichen Rentenversicherung unterstellt werden, weshalb eine Annexkompetenz des Rentenberaters für seine Vertretungsbefugnis vorliegt (zum Ganzen vgl. Senatsbeschluss vom 26.06.2012 - L 8 SB 537/11 -juris).
Gegenstand des Verfahrens ist die mit einer zulässigen isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) angefochtene Versagung der rückwirkenden höheren Feststellung des GdB im Rahmen einer Überprüfung nach § 44 SGB X sowie die Versagung der Feststellung eines höheren GdB wegen einer Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 SGB X. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.03.2013 diese Feststellungen mangels Mitwirkung des Klägers aus verfahrensrechtlichen Gründen (§ 66 SGB I) versagt. Gegen diese beiden – in einem Bescheid zusammengefassten - Verwaltungsakte (§ 31 Satz 1SGB X) hat der Kläger am 24.04.2014 mit dem Argument, § 66 SGB I greife vorliegend nicht, zwei Widersprüche erhoben. Hierüber hat der Beklagte mit einheitlichem Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 i.S. einer Zurückweisung der Widersprüche entschieden. Zwar spricht der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 05.11.2014 nur von einem Widerspruch ("Ihr Widerspruch"), doch ist beim Verstehen der getroffenen Regelung nicht am Wortlaut zu verhaften (§ 133 BGB). Vielmehr ist die Regelung des Widerspruchsbescheids auszulegen. Dabei ist zunächst zu sehen, dass die Aufforderungen des LRA und des Beklagten (zuletzt vgl. Schreiben vom 04.07.2014), sich zu den Anträgen nach § 44 SGB X und nach § 48 SGB X zu äußern, immer beide Anträge erfasst haben. So hat der Klägerbevollmächtigte selbst mit gesondertem Schreiben vom 23.04.2014 (Bl. 74 der Beklagtenakte) "Widerspruch" gegen "den Bescheid vom 27.03.2014" eingelegt und darin auf die als Anlage beigefügten Widerspruchsschreiben vom 23.03.2014 und 22.04.2014 (Bl. 75-77 der Beklagtenakte) verwiesen. Folgerichtig ist daher "der" Widerspruch gegen den "Bescheid vom 27.03.2014" zurückgewiesen worden, weshalb bei nüchterner Auslegung anhand des objektivierten Empfängerhorizontes unschwer zu erkennen war, dass der Widerspruchsbescheid vom 05.11.2014 nicht an den beiden Widersprüchen des Klägers, sondern an dem einheitlichen Bescheid vom 27.03.2014 angesetzt hatte. Dass damit aber beide Widersprüche zurückgewiesen werden, ergibt sich unabhängig von dem dargelegten, zu berücksichtigenden Ablauf des Verwaltungsverfahrens auch aus der Bezugnahme im Widerspruchsbescheid auf das behördliche Erinnerungsschreiben vom 09.09.2014 an den Klägerbevollmächtigten, in dem aber gerade die Mitwirkung zur beantragten Entscheidung nach § 48 SGB X und § 44 SGB X angemahnt worden war. An dieser Bezugnahme anknüpfend wird im Widerspruchsbescheid unmittelbar ausgeführt, dass der angefochtene Ausgangsbescheid keinen Anlass zur Beanstandung gibt. Damit hat der Beklagte – anders als vom Kläger vorgetragen – nicht nur über einen seiner Widersprüche, sondern erkennbar über beide entschieden. Dass dem Widerspruchsbescheid sogar nicht einmal entnommen werden könnte, über welchen der Widersprüche entschieden worden ist, wie der Kläger vorträgt, ist aus der maßgebenden Sicht des Empfängerhorizonts bei den dargelegten Umständen auch nicht ansatzweise festzustellen. Das war bei unvoreingenommener, objektivierter Betrachtung auch für den Kläger unschwer erkennbar. Auch das SG hat den Widerspruchsbescheid entsprechend verstanden und beide Aspekte in seine Entscheidung einbezogen.
Auch soweit der Kläger anführt, § 66 SGB I sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, folgt ihm der Senat nicht. Der Senat hatte schon in seinem Urteil vom 27.01.2012 (L 8 SB 1808/11 – juris RdNr. 28) darauf hingewiesen, dass die Vorschriften der §§ 60 ff. SGB I zwar keine unmittelbare Anwendung fänden, jedoch ein allgemeiner Mitwirkungsgrundsatz gelte, der aus dem auch im öffentlichen Recht Anwendung findenden Grundsatz von Treu und Glauben resultiere. Nunmehr hat das BSG mit Urteil vom 16.12.2014 (B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris) ausgeführt, die Feststellung oder Änderung eines GdB sei keine Sozialleistung (so auch schon BSG 06.10.1981 - 9 RVs 3/81 - BSGE 52, 168 = SozR 3870 § 3 Nr. 13 = juris), die Vorschriften über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten bei der Beantragung von Sozialleistungen seien darauf aber entsprechend anwendbar. Dieser zu einem Urteil des SG Freiburg (zum Berufungsverfahren vgl. LSG Baden-Württemberg 20.06.2013 - L 6 SB 1692/12 – juris) ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung schließt sich der Senat an, denn diese Intention entspricht auch der bisherigen Senatsrechtsprechung (a.a.O.). Zutreffend hat das BSG darauf hingewiesen, dass es keine hinreichenden Rechtfertigungsgründe dafür gibt, weshalb Antragsteller, deren Behinderungsgrad festzustellen ist, geringere Mitwirkungspflichten treffen sollten, als wenn sie gestützt auf diese Feststellung Geld- oder Sachleistungen beantragten (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris RdNr. 28).
Vorliegend ist der Senat nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger, der höhere Feststellungen des GdB beantragt hatte, seinen Mitwirkungspflichten nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 SGB I nicht nachgekommen ist. Er hat weder Tatsachen mitgeteilt, die eine höhere Bewertung des GdB für die Vergangenheit (im Rahmen des Verfahrens nach § 44 SGB X) rechtfertigen könnten, noch hat er mitgeteilt, wie sich sein Gesundheitszustand verändert hat (im Verfahren nach § 48 SGB X). Auch hat er nicht die Beklagte in die Lage versetzt, sich selbst ärztliche Befunde zu beschaffen, denn er hat die behandelnden Ärzte nicht benannt und auch nicht von der Schweigepflicht entbunden, obwohl er dazu durch Vorlage des diese Erklärungen umfassenden, von ihm ausgefüllten und unterschriebenen Formulars aufgefordert worden war. Zwar hat der Versorgungsarzt – was der Senat aber nicht prüfen musste - wohl zutreffend angeführt, die vorliegenden Befunde rechtfertigten - jedenfalls für die Vergangenheit - keine höhere GdB-Bewertung, doch hat der Kläger dennoch geltend gemacht, die bisherige Bewertung sei von Anfang an aber auch durch zwischenzeitliche wesentliche Änderung der Verhältnisse falsch. Damit hätte es ihm im Rahmen von § 60 Abs. 1 SGB I oblegen, Tatsachen zu benennen, die seine Behauptung, die GdB-Bemessung sei anfänglich schon falsch bzw. es hätten sich wesentliche Änderungen in seinem Gesundheitszustand ergeben, stützen. Außerdem hätte es ihm oblegen, seine behandelnden Ärzte zu benennen und von der Schweigepflicht zu entbinden, um so Ermittlungen des Beklagten, wozu dieser grds. nach § 20 SGB X verpflichtet war, zu ermöglichen. Beides hat der Kläger – bis heute – nicht getan.
Durch das Verhalten des Klägers wurde die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, denn der Beklagte konnte die vom Kläger aufgestellten Behauptungen nicht im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht aufklären. Damit durfte der Beklagte ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagen, denn die Voraussetzungen der begehrten Feststellung eines höheren GdB sind nicht nachgewiesen. Dabei ist die Behörde weder im Rahmen eines Verfahrens nach § 48 SGB X noch im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X verpflichtet, eine materiell-rechtlich ablehnende Entscheidung, ggf. i. S. einer Beweislastentscheidung, zu treffen, wenn anhand der vorliegenden bzw. zugänglichen ärztlichen Unterlagen und Befunde die Voraussetzungen eines höheren GdB nicht nachgewiesen sind, der behinderte Mensch aber zu seinen Behauptungen weitergehende Angaben nicht macht und auch weiterführende Ermittlungen nicht ermöglicht (dazu vgl. auch BSG 16.12.2014 – B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris RdNr. 27).
Der Beklagte hat durch das LRA bereits im Versagungsbescheid vom 27.03.2014 ausreichende Ermessenserwägungen angestellt und – auch wenn seine zuvor ergangenen Hinweise wohl darauf hindeuten könnten, dass bei den Hinweisen von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen worden war – Ermessen auch tatsächlich ausgeübt und sich nicht an das Bestehen einer einzigen Entscheidungsmöglichkeit i.S. einer Versagung gebunden gefühlt. Insoweit zeigen die im Tatbestand wiedergegebenen Ausführungen im Bescheid vom 27.03.2014, dass der Beklagte durch das LRA sich bewusst war, dass eine Ermessensentscheidung zu treffen war und dass er nicht nur die ihm günstigen, sondern auch die für den Kläger sprechenden Umstände in seine Ermessensabwägung eingestellt hatte. Dass einzustellende Gesichtspunkte unberücksichtigt geblieben waren oder i.S. eines Ermessensfehlers falsch gewichtet worden wären, konnte der Senat nicht erkennen, solches war vom Kläger auch nicht vorgetragen.
Nach § 66 Abs. 3 SGB X dürfen Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Vorliegend hat das LRA mit Schreiben vom 22.07.2013 ausreichend und deutlich auf die mögliche Folge einer Versagung der Feststellung höherer GdB mangels Mitwirkung in den vom Kläger angestrengten Verfahren nach § 44 SGB und § 48 SGB X hingewiesen und auch darauf, dass ein solches Vorgehen beabsichtigt ist. Außerdem war dem Kläger eine Frist zur Mitwirkung bis zum 25.08.2013 gesetzt worden, die dann letztlich und auf Antrag des Klägers auch noch bis 15.11.2013 verlängert worden war. Darüber hinaus hat das LRA mit Schreiben vom 20.01.2014 den Kläger über dessen Bevollmächtigten erinnert. Der Kläger ist seiner Mitwirkungsobliegenheit innerhalb der gesetzten und mehrfach verlängerten Frist nicht nachgekommen. Er hat bis heute weder die erforderlichen Angaben gemacht noch die behandelnden Ärzte benannt und von der Schweigepflicht befreit. Damit steht auch § 66 Abs. 3 SGB I den vom Beklagten durch das LRA getroffenen Entscheidungen vom 27.03.2014 nicht entgegen.
Der Bescheid des LRA vom 27.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 05.11.2014 ist damit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Auch soweit der Kläger darauf angegeben hat, dass § 66 SGB I in anderen Bundesländern anders bzw. nicht angewandt werde, woraus er eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ableitet, führt diese nicht zum Obsiegen des Klägers. Bereits in dem vom BSG entschiedenen Verfahren 16.12.2014 – B 9 SB 3/13 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 7 = SozR 4-1200 § 60 Nr. 4 = juris, dort RdNr. 5) war zur Begründung der Revision ausgeführt worden, andere Bundesländer wendeten § 66 SGB I im Unterschied zu Baden-Württemberg im Feststellungsverfahren nicht an. Das BSG hat hierin keine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung gesehen, was sich schon daraus ergibt, dass es diese Frage in seinen Entscheidungsgründen keiner weiteren Erörterung für nötig befunden hatte. Dieser Bewertung des BSG schließt sich der Senat an. Soweit – wie vom Kläger zutreffend ausgeführt – Bundesrecht – hier § 66 SGB I - anzuwenden ist, kann dessen Nichtanwendung nach Überzeugung des Senates nicht auf den Hinweis einer behaupteten und insoweit bundesrechtswidrigen Rechtsauslegung in anderen Bundesländern gestützt werden. Insoweit kann der Kläger nicht verlangen, im Unrecht gleichgestellt zu werden. Darüber hinaus hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass auch nach der Entscheidung des BSG weiterhin eine unterschiedliche Rechtsanwendung in den Bundesländern praktiziert wird.
Damit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 24.11.2015 zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
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