Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 765/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 608/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 19.01.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1953 in Griechenland geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In Griechenland arbeitete er in der Landwirtschaft. 1992 kam er in die Bundesrepublik Deutschland und übte hier verschiedene ungelernte Tätigkeiten aus, zuletzt von 2008 bis 2011 als Verpacker. Anschließend bezog der Kläger zunächst Krankengeld und dann Arbeitslosengeld bis 18.11.2013, seither kein Bezug von Sozialleistungen.
Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger am 21.06.2005 ohne Erfolg (Bescheid vom 28.10.2005, Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006). Vom 10. bis 31.01.2012 absolvierte der Kläger eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der ... Fachklinik H ... Im Entlassungsbericht vom 02.02.2012 wurde eingeschätzt, dass bei Vorliegen von Bandscheibenvorfällen L3/4 und L4/5 sowie Zn Wirbelkörperfraktur leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr verrichtet werden könnten.
Am 05.12.2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S ... In ihrem Gutachten vom 26.06.2013 stellte sie eine teils deutliche Funktionsminderung der Wirbelsäule fest ohne neurologische Ausfallerscheinungen oder Nervenwurzelreizzeichen. Leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen seien vollschichtig möglich. Mit Bescheid vom 01.08.2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 08.08.2013 Widerspruch. Vom 19.11. bis 10.12.2013 erfolgte eine weitere medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik S ... Der Kläger wurde mit den Diagnosen Koronare Ein-Gefäß-Erkrankung, subakuter Vorderwandinfarkt 30.10.2013, PTCA RD1, kein Stent bei kleinem, diffus sklerosiertem Gefäß und Hypercholesterinämie arbeitsunfähig entlassen. Es wurde eingeschätzt, dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, hohen Zeitdruck, erhöhte Verletzungsgefahr, andauernde Wirbelsäulenzwangshaltungen oder häufiges Bücken sechs Stunden und mehr möglich seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 26.03.2014 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Erwerbsminderung bestehe.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K. (Orthopäde) hat über ein statisch degeneratives LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall und Zn alter Wirbelkörperimpressionsfraktur berichtet (Schreiben vom 05.05.2014). Der Hausarzt Dr. W. hat mit Schreiben vom 02.06.2014 mitgeteilt, von Seiten des Herzens bestehe keine wesentliche Einschränkung, maßgebend sei der orthopädische Bereich. Nach Angaben des Klägers träten Schmerzen schon nach kurzer, gleichbleibender Tätigkeit verstärkt auf. Selbst leichte Tätigkeiten könnten daher nicht über einen Zeitraum von mindestens 6 Stunden ausgeübt werden.
Das SG hat sodann ein orthopädisches Gutachten bei Dr. B. eingeholt. Im Gutachten vom 07.02.2015 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - chronisches ortsständiges und pseudoradikulär degenerativ bedingtes lumbales Wirbelsäulensyndrom ohne relevante Funktionsbehinderung der LWS und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der unteren Extremitäten bei Zn operativer Entfernung eines Neurinoms L1/2 links 1995, multisegmentalen Bandscheibenschäden der LWS und muskulärer Dysbalance des Rückens und des Rumpfes - radiologisch dokumentierte degenerative Veränderungen der HWS ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung der HWS und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten - posttraumatische Verstärkung einer unfallunabhängig vorbestehenden Fehlstatik der Wirbelsäule bei Zn BWK 11 und LWK 1-Fraktur - Senk-Spreizfuß-Deformität beidseits sowie außerhalb des orthopädischen Gebiets arterielle Hypertonie, rezidivierender benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Zn Myokardinfarkt bei koronarer Eingefäßerkrankung ohne wesentliche Herzleistungsminderung, Zn PTCA, Hypercholesterinämie, Zn Nephrolithiasis, Zn Hämorrhoiden-Operation. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltung des Achsorgans, Überkopfarbeiten und ohne Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft könnten 6 Stunden und mehr ausgeübt werden.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. W. eingeholt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 04.08.2015 aus, dass bei dem Kläger fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Bereich der unteren Brust- sowie der Lendenwirbelsäule bis zum Übergang Richtung Kreuzbein vorlägen. Die knöchernen Verletzungen BWK 11 mit Deckplattenimpression und die keilförmige Deformierung nach LWK 1-Kompressionsfraktur seien knöchern komplett verheilt. Die Bandscheibenveränderungen berührten teilweise die Nervenwurzeln. Es bestehe eine Minderbelastbarkeit des Achsenorgans, so dass mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, Zwangshaltungen und häufiges Bücken nicht zumutbar seien. Aufgrund der Verschleißerscheinungen sei eine Erwerbstätigkeit von 6 Stunden und mehr vom Kläger nicht zu leisten, eine Tätigkeit zwischen 3 und 6 Stunden sei möglich. Im Vergleich zur Einschätzung von Dr. B. bestünden im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse, er halte jedoch eine quantitative Einschränkung auf 3 bis 6 Stunden für angemessener.
Mit Urteil vom 19.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Im Vordergrund stünden die orthopädischen Beeinträchtigungen. Sowohl die Gutachterin im Verwaltungsverfahren Dr. S. als auch der Gutachter Dr. B. hielten mit qualitativen Einschränkungen eine Tätigkeit von 6 Stunden und mehr für möglich. Prof. Dr. W. begründe sein abweichendes Ergebnis nicht ausreichend bei gleichen Befunden. Eine Erwerbsminderung sei damit nicht nachgewiesen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 02.02.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.02.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe das Gutachten von Prof. Dr. W. vollkommen unzureichend beurteilt. Dieser habe nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Erwerbstätigkeit des Klägers nur noch gemindert 3 bis unter 6 Stunden bestehe. Prof. Dr. W. habe mit Schreiben vom 26.02.2016 noch einmal klargelegt, dass er bei seiner gutachterlichen Bewertung bleibe. Auch der Hausarzt Dr. W., der über eine hervorragende Kenntnis des Gesundheitszustands des Klägers verfüge, halte eine Tätigkeit über 6 Stunden täglich nicht für möglich. Es sei davon auszugehen, dass Prof. Dr. W. im Vergleich zu dem gerichtlich bestellten Sachverständigen über überragende Kenntnisse und medizinischen Sachverstand verfüge, so dass dessen Bewertung des unstreitigen medizinischen Sachverhalts zu folgen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen und den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.12.2012 zu gewähren, hilfsweise Prof. Dr. W. als Zeuge zu laden, dass sein Gutachten den Kriterien der ärztlichen Begutachtung entspricht und er diese Kriterien angewandt hat und dass die quantitative Leistungseinschränkung auf drei bis sechs Stunden festzustellen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Dr. H. eingeholt. Im Gutachten vom 15.04.2016 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - schmerzhafte Funktionsstörung der LWS bei mäßiggradigen degenerativen Bandscheibenveränderungen in mehreren Etagen mit teilweiser Verlegung mehrerer Nervenwurzelkanäle und leichten Gefühlsstörungen im rechten Oberschenkel vorne und seitlich sowie einem Verlust der Fußeigenreflexe rechts ohne bedeutsamen Kraftverlust an den unteren Gliedmaßen nach primär stabilen Stauchungsbrüchen des 11. Brustwirbels und des 1. Lendenwirbels und operativer Entfernung eines gutartigen Tumors des Nervenscheidegewebes zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbelkörper - schmerzhafte Funktionsstörung der HWS mit chronischen hinterhauptsbezogenen Kopfschmerzen bei Blockierung des 2. Halswirbels links und des 4. Halswirbels rechts ohne neurologische Begleiterscheinungen - koronare Herzerkrankung mit Herzinfarkt 2013. Die biomechanische Belastbarkeit der LWS sei dauerhaft deutlich eingeschränkt. Leichte bis gelegentlich kurzfristige mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger noch ausüben in wechselnder Körperhaltung ohne langes Verharren in Zwangshaltungen der LWS. Es bestünden keine Gefahren, dass das bestehende Krankheitsbild bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit richtungsweisend verschlimmert würde, erhöhte Eigen- oder Fremdgefährdung sei nicht zu erkennen und der Kläger sei physisch hierzu auch in der Lage. Aus orthopädischer Sicht sei keine so gravierende Gesundheitsstörung zu erkennen, dass sich daraus eine unzumutbare Schmerzsymptomatik selbst an einem leidensgerechten Arbeitsplatz plausibel begründen ließe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2014, mit dem der Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweise Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (1.), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (2.) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (3.). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne erhöhte Stressbelastung, etwa durch erhöhten Zeitdruck oder Belastungen wie Nachtschicht und ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule oder häufiges Bücken mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche verrichten kann. Auch wenn die Benennung von konkreten Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich ist, so kann der Kläger nach Auffassung des Senats noch Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Industrie- und Handelserzeugnisse, Prüfen, Montieren und Sortieren solcher Gegenstände oder andere vergleichbare Hilfstätigkeiten vollschichtig ausüben. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Gutachter Dr. H. und Dr. B., die im Einklang mit dem Verwaltungsgutachten von Dr. S. und den Entlassungsberichten der Reha-Verfahren aus den Jahren 2012 und 2013 stehen.
Beim Kläger bestehen gesundheitliche Beeinträchtigungen, die verschiedenen medizinischen Fachgebieten zuzuordnen sind.
Auf internistischem Fachgebiet besteht arterielle Hypertonie, ein rezidivierender benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Zn Myokardinfarkt bei koronarer Eingefäßerkrankung ohne wesentliche Herzleistungsminderung, Zn PTCA und Hypercholesterinämie. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich im Wesentlichen aus dem Entlassungsbericht der Fachklinik S. nach dreiwöchiger Rehabilitation sowie dem Gutachten von Dr. B ... Eine überdauernde Leistungsminderung hat sich infolge des Myokardinfarkts am 30.10.2013 nicht ergeben. Bereits im Rahmen der Rehabilitation konnte der Kläger am 21.11.2013 beim Belastungs-EKG mit 100 Watt belastet werden ohne Hinweis auf signifikante ischämietypische ST-Streckenveränderungen, Angina-pectoris-Symptomatik oder pathologische Dyspnoe. Der Abbruch erfolgte wegen peripherer muskulärer Erschöpfung. Beim Ergometertraining konnte der Kläger im Rahmen der Reha-Maßnahme zuletzt eine Ausdauerleistung über 20 Minuten 80 Watt erbringen. Damit ist die Einschätzung im Entlassungsbericht der Fachklinik S. plausibel, dass die Herzerkrankung der Ausübung einer leichten Tätigkeit in keiner Weise entgegen steht. Diese Auffassung teilt auch der behandelnde Hausarzt Dr. W ...
Der Schwerpunkt der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen liegt auf orthopädischem Fachgebiet. Auch die insoweit bestehenden Gesundheitsstörungen bedingen jedoch ausschließlich die oben aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen und führen nicht zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsbild. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. S. (Verwaltungsverfahren), Dr. B. (Klageverfahren) und Dr. H. (Berufungsverfahren). Etwas anderes lässt sich auch nicht der Aussage des Orthopäden Dr. K. entnehmen, der sich einer Leistungseinschätzung enthalten hat. Dem Gutachten von Prof. Dr. W. kann sich der Senat dagegen – was die Leistungsbeurteilung angeht – nicht anschließen.
Bei dem Kläger bestehen schmerzhafte Funktionsstörungen der LWS und HWS. Zugrunde liegen degenerative Bandscheibenveränderungen der LWS in mehreren Etagen mit teilweiser Verlegung mehrerer Nervenwurzelkanäle und leichten Gefühlsstörungen im rechten Oberschenkel vorne und seitlich, eine Blockierung des 2. Halswirbels links und des 4. Halswirbels rechts ohne neurologische Begleiterscheinungen, knöchern vollständig verheilte Stauchungsbrüche des 11. Brustwirbels und des 1. Lendenwirbels und Zn operativer Entfernung eines Neurinoms L1/2 links 1995. Der Bewegungsumfang der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ist in etwa altersentsprechend, die Untersuchung der oberen und unteren Extremitäten ergab unauffällige Befunde. Vorliegen und Ausmaß der bestehenden, im Wesentlichen degenerativen Veränderungen werden von allen orthopädischen Gutachtern im Grunde gleich beurteilt, die erhobenen Befunde weichen nicht in relevanter Weise voneinander ab. Es besteht Einigkeit zwischen den Gutachtern, dass sich lediglich die Beurteilung desselben medizinischen Sachverhalts unterscheidet (Dr. S., Dr. B. und Dr. H. auf der einen und Prof. Dr. W. auf der anderen Seite).
Völlig unstreitig ergibt sich aus der Verschleißerkrankung der Bandscheiben und den Residuen der stattgehabten Frakturen eine Minderbelastbarkeit des Achsorgans mit einer Einschränkung auf körperlich nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und der Vermeidung von Belastungen der Wirbelsäule etwa durch andauernde Zwangshaltungen oder häufiges Bücken. Auch insoweit besteht Übereinstimmung zwischen den Gutachtern. Hinsichtlich der Beurteilung der zeitlichen Leistungsfähigkeit sieht allein Prof. Dr. W. eine Einschränkung auf Tätigkeiten von drei bis unter sechs Stunden. Dem kann nicht gefolgt werden. Durch die Nervenwurzelreizungen bestehen lediglich leichte Sensibilitätsstörungen am rechten Oberschenkel, wie Dr. H. festgestellt hat. Bei den Untersuchungen durch Dr. S., Dr. B. und Prof. Dr. W. konnten gar keine radikulären Reiz- oder Ausfallerscheinungen festgestellt werden. Es bestehen keinerlei motorische Störungen. Dr. B. hat insoweit zutreffend und nachvollziehbar unter Hinweis auf entsprechende medizinische Literatur darauf hingewiesen, dass aus ortsständigen wie auch pseudoradikulären Wirbelsäulensyndromen regelhaft keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens folgt. Höhergradige motorische Störungen, die eine weitergehende Einschränkung begründen könnten, liegen hier gerade nicht vor. Auch Dr. H. verweist ausdrücklich darauf, dass bei Beachtung der qualitativen Einschränkungen weder eine Verschlimmerung des Gesundheitszustands zu erwarten ist, noch eine unzumutbare Schmerzsymptomatik der Belastung durch eine leidensgerechte berufliche Tätigkeit entgegenstünde. Prof. Dr. W. begründet seine abweichende Einschätzung eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens in keiner Weise, er führt allein aus, dass ihm die Einschränkung auf drei bis sechs Stunden "angemessener" erscheine. Ohne nachvollziehbare Begründung kann der Senat dieser Beurteilung nicht folgen, auch nicht im Hinblick auf das berufliche Renommee des Prof. Dr. W ...
Auch die Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes Dr. W. kann nicht überzeugen. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Dr. W. hat sich dagegen schon nach seinen eigenen Angaben – aus therapeutischer Sicht völlig richtig - allein auf die Beschwerdeangaben des Klägers gestützt.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt (zB Vermeidung andauernder Zwangshaltungen). Durch den Ausschluss von Tätigkeiten mit Nachtschicht oder unter besonderen Zeitdruck wird der in Betracht kommende Arbeitsmarkt nicht wesentlich weiter eingeengt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Die Wegefähigkeit ist ebenfalls gegeben. Der Kläger ist in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht übereinstimmend aus sämtlichen orthopädischen Gutachten hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Bestätigt wird dies durch die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. W ... Dort hatte der Kläger angegeben, dass er lediglich bei längerem Gehen bzw beim Bergauf- oder Bergabgehen Schwierigkeiten habe.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1953 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).
Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen. Einschlägiger Beruf ist hier die Tätigkeit als Verpacker. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich bei dem nicht gelernten Kläger um eine ungelernte Tätigkeit. Es kann deshalb dahin stehen, dass der Kläger die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit, die körperlich schwere Arbeit umfasste, nicht mehr ausüben kann. Denn er muss sich auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Solche Tätigkeiten sind - wie oben ausgeführt - vollschichtig zumutbar. Das Risiko, einen leidensgerechten Arbeitsplatz auch tatsächlich zu erhalten, liegt nicht bei der Rentenversicherung.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. H. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst und ist ureigene tatrichterliche Aufgabe. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne eine weitere Sachaufklärung zu betreiben. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG 08.12.2009, B 5 R 148/09 B, juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war auch dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers nicht nachzugehen. Die konkret beantragte Vernehmung von Prof. Dr. W. als Zeuge ist schon deshalb nicht geboten, weil insoweit ein untaugliches Beweismittel vorliegt. Zeugen sollen über Wahrnehmungen aussagen, die sie gemacht haben und damit über Tatsachen. Ihre Aufgabe ist nicht das Ziehen von Schlussfolgerungen aus Tatsachen, das dem Sachverständigen überlassen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 118 RdNr 10). Der Senat geht allerdings davon aus, dass der Bevollmächtigte des Klägers entgegen dem Wortlaut seines Antrags in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eigentlich eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. W. begehrt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG steht jedem Beteiligten - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen – gemäß §§ 116 Satz 2, 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG 27.11.2007, B 5a/5 R 60/07 B, SozR 4-1500 § 116 Nr 1; BSG 16.06.2016, B 13 R 119/14 B, juris). Das Fragerecht soll unabhängig davon, ob das Gericht selbst ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, es dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des Beweisthemas die Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um hierdurch zumindest auf die Grundlagen der als solche nicht überprüfbaren gerichtlichen Beweiswürdigung (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teil 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) Einfluss nehmen zu können (BSG 07.08.2014, B 13 R 439/13 B, juris). Konkrete, klärungsbedürftige Fragen hat der Kläger indes nicht vorgebracht. Ob das Gutachten den Kriterien der ärztlichen Begutachtung entspricht und Prof. Dr. W. diese Kriterien angewandt hat, wird vom Senat gar nicht in Zweifel gezogen. Der Senat geht davon aus, dass dies bei Prof. Dr. W., der gerichtsbekannt seit Jahrzehnten auch als gerichtlicher Sachverständiger tätig wird, der Fall ist. Soweit der Kläger eine quantitative Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden durch ergänzende Anhörung festgestellt haben will, hat Prof. Dr. W. diese Schlussfolgerung bereits in seinem schriftlichen Gutachten gezogen. Die Feststellung der beruflichen Leistungsfähigkeit ist jedoch tatrichterliche Aufgabe. Bei der tatrichterlichen Würdigung sind die Gerichte nicht an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen gebunden. Wie bereits ausgeführt, hat die schriftliche Darlegung von Prof. Dr. W. den Senat nicht überzeugt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1953 in Griechenland geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In Griechenland arbeitete er in der Landwirtschaft. 1992 kam er in die Bundesrepublik Deutschland und übte hier verschiedene ungelernte Tätigkeiten aus, zuletzt von 2008 bis 2011 als Verpacker. Anschließend bezog der Kläger zunächst Krankengeld und dann Arbeitslosengeld bis 18.11.2013, seither kein Bezug von Sozialleistungen.
Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger am 21.06.2005 ohne Erfolg (Bescheid vom 28.10.2005, Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006). Vom 10. bis 31.01.2012 absolvierte der Kläger eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der ... Fachklinik H ... Im Entlassungsbericht vom 02.02.2012 wurde eingeschätzt, dass bei Vorliegen von Bandscheibenvorfällen L3/4 und L4/5 sowie Zn Wirbelkörperfraktur leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr verrichtet werden könnten.
Am 05.12.2012 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch die Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S ... In ihrem Gutachten vom 26.06.2013 stellte sie eine teils deutliche Funktionsminderung der Wirbelsäule fest ohne neurologische Ausfallerscheinungen oder Nervenwurzelreizzeichen. Leichte Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen seien vollschichtig möglich. Mit Bescheid vom 01.08.2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.
Hiergegen erhob der Kläger am 08.08.2013 Widerspruch. Vom 19.11. bis 10.12.2013 erfolgte eine weitere medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik S ... Der Kläger wurde mit den Diagnosen Koronare Ein-Gefäß-Erkrankung, subakuter Vorderwandinfarkt 30.10.2013, PTCA RD1, kein Stent bei kleinem, diffus sklerosiertem Gefäß und Hypercholesterinämie arbeitsunfähig entlassen. Es wurde eingeschätzt, dass leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht, hohen Zeitdruck, erhöhte Verletzungsgefahr, andauernde Wirbelsäulenzwangshaltungen oder häufiges Bücken sechs Stunden und mehr möglich seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 26.03.2014 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Erwerbsminderung bestehe.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K. (Orthopäde) hat über ein statisch degeneratives LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall und Zn alter Wirbelkörperimpressionsfraktur berichtet (Schreiben vom 05.05.2014). Der Hausarzt Dr. W. hat mit Schreiben vom 02.06.2014 mitgeteilt, von Seiten des Herzens bestehe keine wesentliche Einschränkung, maßgebend sei der orthopädische Bereich. Nach Angaben des Klägers träten Schmerzen schon nach kurzer, gleichbleibender Tätigkeit verstärkt auf. Selbst leichte Tätigkeiten könnten daher nicht über einen Zeitraum von mindestens 6 Stunden ausgeübt werden.
Das SG hat sodann ein orthopädisches Gutachten bei Dr. B. eingeholt. Im Gutachten vom 07.02.2015 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - chronisches ortsständiges und pseudoradikulär degenerativ bedingtes lumbales Wirbelsäulensyndrom ohne relevante Funktionsbehinderung der LWS und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der unteren Extremitäten bei Zn operativer Entfernung eines Neurinoms L1/2 links 1995, multisegmentalen Bandscheibenschäden der LWS und muskulärer Dysbalance des Rückens und des Rumpfes - radiologisch dokumentierte degenerative Veränderungen der HWS ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung der HWS und ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der oberen Extremitäten - posttraumatische Verstärkung einer unfallunabhängig vorbestehenden Fehlstatik der Wirbelsäule bei Zn BWK 11 und LWK 1-Fraktur - Senk-Spreizfuß-Deformität beidseits sowie außerhalb des orthopädischen Gebiets arterielle Hypertonie, rezidivierender benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Zn Myokardinfarkt bei koronarer Eingefäßerkrankung ohne wesentliche Herzleistungsminderung, Zn PTCA, Hypercholesterinämie, Zn Nephrolithiasis, Zn Hämorrhoiden-Operation. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltung des Achsorgans, Überkopfarbeiten und ohne Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft könnten 6 Stunden und mehr ausgeübt werden.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. W. eingeholt. Dieser führt in seinem Gutachten vom 04.08.2015 aus, dass bei dem Kläger fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Bereich der unteren Brust- sowie der Lendenwirbelsäule bis zum Übergang Richtung Kreuzbein vorlägen. Die knöchernen Verletzungen BWK 11 mit Deckplattenimpression und die keilförmige Deformierung nach LWK 1-Kompressionsfraktur seien knöchern komplett verheilt. Die Bandscheibenveränderungen berührten teilweise die Nervenwurzeln. Es bestehe eine Minderbelastbarkeit des Achsenorgans, so dass mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, Zwangshaltungen und häufiges Bücken nicht zumutbar seien. Aufgrund der Verschleißerscheinungen sei eine Erwerbstätigkeit von 6 Stunden und mehr vom Kläger nicht zu leisten, eine Tätigkeit zwischen 3 und 6 Stunden sei möglich. Im Vergleich zur Einschätzung von Dr. B. bestünden im Wesentlichen die gleichen Ergebnisse, er halte jedoch eine quantitative Einschränkung auf 3 bis 6 Stunden für angemessener.
Mit Urteil vom 19.01.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Im Vordergrund stünden die orthopädischen Beeinträchtigungen. Sowohl die Gutachterin im Verwaltungsverfahren Dr. S. als auch der Gutachter Dr. B. hielten mit qualitativen Einschränkungen eine Tätigkeit von 6 Stunden und mehr für möglich. Prof. Dr. W. begründe sein abweichendes Ergebnis nicht ausreichend bei gleichen Befunden. Eine Erwerbsminderung sei damit nicht nachgewiesen.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 02.02.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.02.2016 eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe das Gutachten von Prof. Dr. W. vollkommen unzureichend beurteilt. Dieser habe nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Erwerbstätigkeit des Klägers nur noch gemindert 3 bis unter 6 Stunden bestehe. Prof. Dr. W. habe mit Schreiben vom 26.02.2016 noch einmal klargelegt, dass er bei seiner gutachterlichen Bewertung bleibe. Auch der Hausarzt Dr. W., der über eine hervorragende Kenntnis des Gesundheitszustands des Klägers verfüge, halte eine Tätigkeit über 6 Stunden täglich nicht für möglich. Es sei davon auszugehen, dass Prof. Dr. W. im Vergleich zu dem gerichtlich bestellten Sachverständigen über überragende Kenntnisse und medizinischen Sachverstand verfüge, so dass dessen Bewertung des unstreitigen medizinischen Sachverhalts zu folgen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen und den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.12.2012 zu gewähren, hilfsweise Prof. Dr. W. als Zeuge zu laden, dass sein Gutachten den Kriterien der ärztlichen Begutachtung entspricht und er diese Kriterien angewandt hat und dass die quantitative Leistungseinschränkung auf drei bis sechs Stunden festzustellen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihren Vortrag in erster Instanz und die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Dr. H. eingeholt. Im Gutachten vom 15.04.2016 werden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: - schmerzhafte Funktionsstörung der LWS bei mäßiggradigen degenerativen Bandscheibenveränderungen in mehreren Etagen mit teilweiser Verlegung mehrerer Nervenwurzelkanäle und leichten Gefühlsstörungen im rechten Oberschenkel vorne und seitlich sowie einem Verlust der Fußeigenreflexe rechts ohne bedeutsamen Kraftverlust an den unteren Gliedmaßen nach primär stabilen Stauchungsbrüchen des 11. Brustwirbels und des 1. Lendenwirbels und operativer Entfernung eines gutartigen Tumors des Nervenscheidegewebes zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbelkörper - schmerzhafte Funktionsstörung der HWS mit chronischen hinterhauptsbezogenen Kopfschmerzen bei Blockierung des 2. Halswirbels links und des 4. Halswirbels rechts ohne neurologische Begleiterscheinungen - koronare Herzerkrankung mit Herzinfarkt 2013. Die biomechanische Belastbarkeit der LWS sei dauerhaft deutlich eingeschränkt. Leichte bis gelegentlich kurzfristige mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger noch ausüben in wechselnder Körperhaltung ohne langes Verharren in Zwangshaltungen der LWS. Es bestünden keine Gefahren, dass das bestehende Krankheitsbild bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit richtungsweisend verschlimmert würde, erhöhte Eigen- oder Fremdgefährdung sei nicht zu erkennen und der Kläger sei physisch hierzu auch in der Lage. Aus orthopädischer Sicht sei keine so gravierende Gesundheitsstörung zu erkennen, dass sich daraus eine unzumutbare Schmerzsymptomatik selbst an einem leidensgerechten Arbeitsplatz plausibel begründen ließe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2014, mit dem der Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung und auch nicht auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Versicherte haben gemäß §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweise Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (1.), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (2.) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (3.). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Die Voraussetzungen des §§ 43 Abs 1, Abs 2 SGB VI liegen beim Kläger nicht vor. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne erhöhte Stressbelastung, etwa durch erhöhten Zeitdruck oder Belastungen wie Nachtschicht und ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule oder häufiges Bücken mindestens sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche verrichten kann. Auch wenn die Benennung von konkreten Verweisungstätigkeiten nicht erforderlich ist, so kann der Kläger nach Auffassung des Senats noch Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Industrie- und Handelserzeugnisse, Prüfen, Montieren und Sortieren solcher Gegenstände oder andere vergleichbare Hilfstätigkeiten vollschichtig ausüben. Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der Gutachter Dr. H. und Dr. B., die im Einklang mit dem Verwaltungsgutachten von Dr. S. und den Entlassungsberichten der Reha-Verfahren aus den Jahren 2012 und 2013 stehen.
Beim Kläger bestehen gesundheitliche Beeinträchtigungen, die verschiedenen medizinischen Fachgebieten zuzuordnen sind.
Auf internistischem Fachgebiet besteht arterielle Hypertonie, ein rezidivierender benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, Zn Myokardinfarkt bei koronarer Eingefäßerkrankung ohne wesentliche Herzleistungsminderung, Zn PTCA und Hypercholesterinämie. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich im Wesentlichen aus dem Entlassungsbericht der Fachklinik S. nach dreiwöchiger Rehabilitation sowie dem Gutachten von Dr. B ... Eine überdauernde Leistungsminderung hat sich infolge des Myokardinfarkts am 30.10.2013 nicht ergeben. Bereits im Rahmen der Rehabilitation konnte der Kläger am 21.11.2013 beim Belastungs-EKG mit 100 Watt belastet werden ohne Hinweis auf signifikante ischämietypische ST-Streckenveränderungen, Angina-pectoris-Symptomatik oder pathologische Dyspnoe. Der Abbruch erfolgte wegen peripherer muskulärer Erschöpfung. Beim Ergometertraining konnte der Kläger im Rahmen der Reha-Maßnahme zuletzt eine Ausdauerleistung über 20 Minuten 80 Watt erbringen. Damit ist die Einschätzung im Entlassungsbericht der Fachklinik S. plausibel, dass die Herzerkrankung der Ausübung einer leichten Tätigkeit in keiner Weise entgegen steht. Diese Auffassung teilt auch der behandelnde Hausarzt Dr. W ...
Der Schwerpunkt der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen liegt auf orthopädischem Fachgebiet. Auch die insoweit bestehenden Gesundheitsstörungen bedingen jedoch ausschließlich die oben aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen und führen nicht zu einem zeitlich eingeschränkten Leistungsbild. Dies ergibt sich aus den Gutachten von Dr. S. (Verwaltungsverfahren), Dr. B. (Klageverfahren) und Dr. H. (Berufungsverfahren). Etwas anderes lässt sich auch nicht der Aussage des Orthopäden Dr. K. entnehmen, der sich einer Leistungseinschätzung enthalten hat. Dem Gutachten von Prof. Dr. W. kann sich der Senat dagegen – was die Leistungsbeurteilung angeht – nicht anschließen.
Bei dem Kläger bestehen schmerzhafte Funktionsstörungen der LWS und HWS. Zugrunde liegen degenerative Bandscheibenveränderungen der LWS in mehreren Etagen mit teilweiser Verlegung mehrerer Nervenwurzelkanäle und leichten Gefühlsstörungen im rechten Oberschenkel vorne und seitlich, eine Blockierung des 2. Halswirbels links und des 4. Halswirbels rechts ohne neurologische Begleiterscheinungen, knöchern vollständig verheilte Stauchungsbrüche des 11. Brustwirbels und des 1. Lendenwirbels und Zn operativer Entfernung eines Neurinoms L1/2 links 1995. Der Bewegungsumfang der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte ist in etwa altersentsprechend, die Untersuchung der oberen und unteren Extremitäten ergab unauffällige Befunde. Vorliegen und Ausmaß der bestehenden, im Wesentlichen degenerativen Veränderungen werden von allen orthopädischen Gutachtern im Grunde gleich beurteilt, die erhobenen Befunde weichen nicht in relevanter Weise voneinander ab. Es besteht Einigkeit zwischen den Gutachtern, dass sich lediglich die Beurteilung desselben medizinischen Sachverhalts unterscheidet (Dr. S., Dr. B. und Dr. H. auf der einen und Prof. Dr. W. auf der anderen Seite).
Völlig unstreitig ergibt sich aus der Verschleißerkrankung der Bandscheiben und den Residuen der stattgehabten Frakturen eine Minderbelastbarkeit des Achsorgans mit einer Einschränkung auf körperlich nur noch leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und der Vermeidung von Belastungen der Wirbelsäule etwa durch andauernde Zwangshaltungen oder häufiges Bücken. Auch insoweit besteht Übereinstimmung zwischen den Gutachtern. Hinsichtlich der Beurteilung der zeitlichen Leistungsfähigkeit sieht allein Prof. Dr. W. eine Einschränkung auf Tätigkeiten von drei bis unter sechs Stunden. Dem kann nicht gefolgt werden. Durch die Nervenwurzelreizungen bestehen lediglich leichte Sensibilitätsstörungen am rechten Oberschenkel, wie Dr. H. festgestellt hat. Bei den Untersuchungen durch Dr. S., Dr. B. und Prof. Dr. W. konnten gar keine radikulären Reiz- oder Ausfallerscheinungen festgestellt werden. Es bestehen keinerlei motorische Störungen. Dr. B. hat insoweit zutreffend und nachvollziehbar unter Hinweis auf entsprechende medizinische Literatur darauf hingewiesen, dass aus ortsständigen wie auch pseudoradikulären Wirbelsäulensyndromen regelhaft keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens folgt. Höhergradige motorische Störungen, die eine weitergehende Einschränkung begründen könnten, liegen hier gerade nicht vor. Auch Dr. H. verweist ausdrücklich darauf, dass bei Beachtung der qualitativen Einschränkungen weder eine Verschlimmerung des Gesundheitszustands zu erwarten ist, noch eine unzumutbare Schmerzsymptomatik der Belastung durch eine leidensgerechte berufliche Tätigkeit entgegenstünde. Prof. Dr. W. begründet seine abweichende Einschätzung eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens in keiner Weise, er führt allein aus, dass ihm die Einschränkung auf drei bis sechs Stunden "angemessener" erscheine. Ohne nachvollziehbare Begründung kann der Senat dieser Beurteilung nicht folgen, auch nicht im Hinblick auf das berufliche Renommee des Prof. Dr. W ...
Auch die Leistungseinschätzung des behandelnden Arztes Dr. W. kann nicht überzeugen. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 18.06.2013, L 11 R 506/12; 17.01.2012, L 11 R 4953) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens in der Regel keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Dr. W. hat sich dagegen schon nach seinen eigenen Angaben – aus therapeutischer Sicht völlig richtig - allein auf die Beschwerdeangaben des Klägers gestützt.
Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person des Klägers eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre bestehen nicht, ein Teil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt (zB Vermeidung andauernder Zwangshaltungen). Durch den Ausschluss von Tätigkeiten mit Nachtschicht oder unter besonderen Zeitdruck wird der in Betracht kommende Arbeitsmarkt nicht wesentlich weiter eingeengt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG 30.11.1983, 5a RKn 28/82, BSGE 56, 64, SozR 2200 § 1246 Nr 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, BSGE 80, 24, SozR 3-2600 § 44 Nr 8; siehe auch BSG 05.10.2005, B 5 RJ 6/05 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 5). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs 3 letzter Halbsatz SGB VI).
Die Wegefähigkeit ist ebenfalls gegeben. Der Kläger ist in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht übereinstimmend aus sämtlichen orthopädischen Gutachten hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht. Bestätigt wird dies durch die eigenen Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. W ... Dort hatte der Kläger angegeben, dass er lediglich bei längerem Gehen bzw beim Bergauf- oder Bergabgehen Schwierigkeiten habe.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1953 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Im Rahmen der Beurteilung, ob einem Versicherten eine Tätigkeit iSd § 240 Abs 2 Sätze 2 bis 4 SGB VI sozial zumutbar sind, kann ein Versicherter auf eine Tätigkeit derselben Stufe bzw auf Tätigkeiten jeweils nächstniedrigeren Stufe verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG vgl BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr 55; BSG 18.02.1998, B 5 RJ 34/97 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr 61, jeweils mwN).
Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von seinem bisherigen Beruf auszugehen. Einschlägiger Beruf ist hier die Tätigkeit als Verpacker. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich bei dem nicht gelernten Kläger um eine ungelernte Tätigkeit. Es kann deshalb dahin stehen, dass der Kläger die zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit, die körperlich schwere Arbeit umfasste, nicht mehr ausüben kann. Denn er muss sich auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Solche Tätigkeiten sind - wie oben ausgeführt - vollschichtig zumutbar. Das Risiko, einen leidensgerechten Arbeitsplatz auch tatsächlich zu erhalten, liegt nicht bei der Rentenversicherung.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. H. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben auch keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse oder unterschiedlicher ärztlicher Auffassungen zur Leistungsfähigkeit des Versicherten gehört wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse zur Beweiswürdigung selbst und ist ureigene tatrichterliche Aufgabe. Eine Verpflichtung zu weiterer Beweiserhebung besteht auch bei einander widersprechenden Gutachtenergebnissen im Allgemeinen nicht; vielmehr hat sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den einander entgegenstehenden Ergebnissen auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne eine weitere Sachaufklärung zu betreiben. Bei einer derartigen Fallkonstellation ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum (BSG 08.12.2009, B 5 R 148/09 B, juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war auch dem hilfsweise gestellten Beweisantrag des Klägers nicht nachzugehen. Die konkret beantragte Vernehmung von Prof. Dr. W. als Zeuge ist schon deshalb nicht geboten, weil insoweit ein untaugliches Beweismittel vorliegt. Zeugen sollen über Wahrnehmungen aussagen, die sie gemacht haben und damit über Tatsachen. Ihre Aufgabe ist nicht das Ziehen von Schlussfolgerungen aus Tatsachen, das dem Sachverständigen überlassen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 118 RdNr 10). Der Senat geht allerdings davon aus, dass der Bevollmächtigte des Klägers entgegen dem Wortlaut seines Antrags in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eigentlich eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. W. begehrt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG steht jedem Beteiligten - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 Zivilprozessordnung (ZPO) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen – gemäß §§ 116 Satz 2, 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO das Recht zu, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (BSG 27.11.2007, B 5a/5 R 60/07 B, SozR 4-1500 § 116 Nr 1; BSG 16.06.2016, B 13 R 119/14 B, juris). Das Fragerecht soll unabhängig davon, ob das Gericht selbst ein Gutachten für erläuterungsbedürftig hält, es dem Antragsteller erlauben, im Rahmen des Beweisthemas die Ausführungen eines Sachverständigen zu hinterfragen, um hierdurch zumindest auf die Grundlagen der als solche nicht überprüfbaren gerichtlichen Beweiswürdigung (§ 160 Abs 2 Nr 3 Teil 2 iVm § 128 Abs 1 Satz 1 SGG) Einfluss nehmen zu können (BSG 07.08.2014, B 13 R 439/13 B, juris). Konkrete, klärungsbedürftige Fragen hat der Kläger indes nicht vorgebracht. Ob das Gutachten den Kriterien der ärztlichen Begutachtung entspricht und Prof. Dr. W. diese Kriterien angewandt hat, wird vom Senat gar nicht in Zweifel gezogen. Der Senat geht davon aus, dass dies bei Prof. Dr. W., der gerichtsbekannt seit Jahrzehnten auch als gerichtlicher Sachverständiger tätig wird, der Fall ist. Soweit der Kläger eine quantitative Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden durch ergänzende Anhörung festgestellt haben will, hat Prof. Dr. W. diese Schlussfolgerung bereits in seinem schriftlichen Gutachten gezogen. Die Feststellung der beruflichen Leistungsfähigkeit ist jedoch tatrichterliche Aufgabe. Bei der tatrichterlichen Würdigung sind die Gerichte nicht an die Vorschläge der von ihnen gehörten Sachverständigen gebunden. Wie bereits ausgeführt, hat die schriftliche Darlegung von Prof. Dr. W. den Senat nicht überzeugt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
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