L 7 SF 2637/16 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SF 2637/16 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 12. Juli 2016 gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B. wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 12. Juli 2016 (Schreiben vom 8. Juli 2016) gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B. hat keinen Erfolg.

1. Für die Ablehnung von Gerichtspersonen gilt über die Bestimmung des § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Vorschrift des § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 42 Abs. 1 ZPO).

Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der dem am Verfahren Beteiligten auch von seinem Standpunkt befürchten lassen muss, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich "befangen" ist; entscheidend ist vielmehr ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei verständiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 73, 330, 335; Bundessozialgericht (BSG), SozR 3-1500 § 60 Nr. 1). Die Zweifel an der Unparteilichkeit müssen ihren Grund in eigenem Verhalten des Richters haben. Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann kein Ablehnungsgesuch begründen (BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 4). Fehler des Richters begründen keine Besorgnis der Befangenheit, sofern nicht besondere weitere Umstände hinzutreten. Es müssen mit dem Ablehnungsgesuch Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BSG, a.a.O. m.w.N.; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 60 Rdnr. 8g). Die Fehlerhaftigkeit muss ohne Weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn der abgelehnte Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und Grundrechte verletzt hat oder wenn in einer Weise gegen Verfahrensregeln verstoßen worden ist, dass sich bei dem Beteiligten der Eindruck der Voreingenommenheit aufdrängen konnte (vgl. bspw. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Februar 2012 - L 11 SF 377/11 AB - juris Rdnr. 14 m.w.N.). Die Richterablehnung dient nicht dazu, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten. Denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz) ohne oder sogar gegen den Willen der anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird.

2. In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B. unbegründet.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass er im Hinblick auf die Verfügung vom 5. Juli 2016 erheblichste Zweifel an der Unvoreingenommenheit und Neutralität des abgelehnten Richters habe. Mit Verfügung vom 5. Juli 2016 hatte der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht B. die Berufungserwiderungsschrift des Beklagten vom 30. Juni 2016 an den Kläger übermittelt und diesen u.a. gebeten, "Nachweise über die aktuellen Einkommensverhältnisse von Frau M." vorzulegen, nachdem die Beteiligten über das (Nicht-)Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft (§§ 20 Satz 1, 43 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII)) zwischen dem Kläger und Frau M. streiten und der Beklagte von einem bedarfsübersteigenden Einkommen dieser Personen ausgegangen ist.

Im anhängigen Berufungsverfahren L 7 SO 1887/16 hat der Vorsitzende Richter am Landessozialgericht B. mit der beanstandeten Verfügung auf Grundlage des § 106 Abs. 1 SGG darauf hingewirkt, dass für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentliche Erklärungen abgegeben werden. Dabei ist zunächst zu beachten, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII nicht nur dann in Betracht kommt, wenn zwischen dem Kläger und Frau M. - was der Kläger vehement geltend macht - keine eheähnliche Gemeinschaft besteht, sondern auch dann, wenn das Einkommen der Frau M. nur zur Deckung ihres Bedarfs genügt. Weiterhin ist zu beachten, dass hinsichtlich der Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft den Antragsteller - vorliegend den Kläger - selbst nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (SGB I) eine Mitwirkungspflicht besteht. Er muss danach alle Tatsachen angeben, die für die Leistung erheblich sind. Dabei muss er u.a. auch Auskünfte über Dritte erteilen, insbesondere über deren Einkommens- oder Vermögensverhältnisse, soweit sie ihm bekannt sind. Es besteht jedoch keine Obliegenheit des Hilfebedürftigen, Nachweise über Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Partners zu beschaffen (vgl. nur BSG, Beschluss vom 25. Februar 2013 - B 14 AS 133/12 B - juris Rdnr. 6; Voelzke in jurisPK-SGB XII, § 20 Rdnr. 54). Die richterliche Verfügung vom 5. Juli 2016 hat vor diesem Hintergrund dazu gedient, abzuklären, ob und ggf. welche Angaben und Nachweise der Kläger über die Einkommensverhältnisse der Frau M. machen bzw. vorlegen kann, und die Frage der Hilfebedürftigkeit unabhängig von der zwischen den Beteiligten hoch umstrittenen Frage des (Nicht )Bestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft, die ggf. weitere Ermittlungen erfordern könnte, aufzuklären. Der Verfügung kann jedoch keine Aufforderung entnommen werden, sich Nachweise über die aktuellen Einkommensverhältnisse der Frau M. - ggf. widerrechtlich - zu beschaffen. Unter diesen Umständen ist ein Fehler des Vorsitzenden Richters am Landessozialgericht B. nicht ersichtlich. Im Übrigen hat der Kläger nicht ansatzweise Gründe dargetan, die dafür sprechen, dass das beanstandete richterliche Verhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem Kläger oder gar auf Willkür beruht; die bloße Behauptung oder gar ein rein subjektives Empfinden genügen insoweit gerade nicht.

Bei vernünftiger objektiver Betrachtung sind somit keinerlei Anhaltspunkte für die Befürchtung des Klägers ersichtlich, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht B. stehe ihm in dem anhängigen Verfahren L 7 SO 1887/16 nicht unvoreingenommen gegenüber.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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