L 5 R 2903/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 792/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2903/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.06.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung der Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG), die sie in K. zurückgelegt hat, zu 6/6.

Die 1952 in P. (K.) geborene Klägerin zog am 19.01.1993 aus P. in das Bundesgebiet zu und hat seither ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist als Spätaussiedlerin anerkannt.

Nach den Angaben der Klägerin im Fragebogen zur Klärung und Prüfung von Zeiten im Beitrittsgebiet, der am 24.01.1996 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) einging, besuchte die Klägerin von 1967 bis 1971 die Fachschule und war vom 15.09.1971 bis zum 04.09.1972 als Lehrerin, vom 24.08.1972 bis zum 26.02.1973 in einem Kindergarten als Krankenschwester, vom 26.02.1973 bis zum 06.08.1973 in einem Kindergarten als Kindernachtwächterin, vom 07.08.1973 bis zum 09.04.1975 als Laborantin, vom 10.04.1975 bis zum 09.08.1977 im K. namens des 22. Parteikongresses, vom 10.08.1977 bis zum 17.08.1978 als Operator und vom 01.09.1978 bis zum 15.05.1980 beim Militärschutzkommando, als Schütze-Feuerwehrmann tätig.

Am 10.11.2010 legte die Klägerin die Archivbescheinigung der Staatlichen Einrichtung des Archivs der Personalunterlagen der Stadt P., Gebiet Nord-K. vom 23.09.2010 vor. Danach sind in den Personenkonten der Klägerin u.a. für das Jahr 1980 für den Monat Januar 31, für den Monat Februar 29, für den März 11, für den Monat April 30, für den Monat Mai 31, für den Juni 30, für den Monat Juli 31, für den Monat August 30, für den Monat September 30, für den Monat Oktober 30, für den Monat November 30 und für den Monat Dezember 31 durchgearbeitete Tage, sowie zwei unbezahlte Urlaubstage und 20 Urlaubstage vorhanden. Für den Monat Juni 1984 wurden 31 Arbeitstage und für den Monat Januar 1993 ebenfalls 31 Arbeitstage bescheinigt. Außerdem sind für das Jahr 1978 fünf, für das Jahr 1981 16, für das Jahr 1986 20 und für das Jahr 1990 10 Krankheitstage bescheinigt. Hinsichtlich der weiteren Daten wird auf die Bescheinigung (Bl. 83 d. VwA) Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 22.12.2010 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) VI die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, mithin die Zeiten bis zum 31.12.2003, verbindlich fest. Nach dem FRG wurden u. a. die folgenden Pflichtbeitragszeiten als glaubhaft gemachte Zeiten berücksichtigt (vgl. Anlage 10 zum Bescheid vom 22.12.2010):

In der ehemaligen S. oder ihren Nachfolgestaaten Beitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherung - Rentenversicherung der Angestellten - Qualifikationsgruppe 2, Bereich 18 Bildung, Gesundheitswesen, Kultur und Sozialwesen Tabellenwert um ein Fünftel erhöht Anrechnung zu 5/6

15.09.1971 - 31.12.1971 01.01.1972 - 23.08.1972 24.08.1972 - 04.09.1972

Qualifikationsgruppe 5, Bereich 02 Chemische Industrie Tabellenwert um ein Fünftel erhöht Anrechnung zu 5/6

24.08.1972 - 04.09.1972 05.09.1972 - 31.12.1972 01.01.1973 - 24.03.1973 16.07.1973 - 31.07.1973 01.08.1973 - 06.08.1973

Beitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherungen - Rentenversicherung der Arbeiter - Qualifikationsgruppe 5, Bereich 18 Bildung, Gesundheitswesen, Kultur und Sozialwesen Tabellenwert um ein Fünftel erhöht Anrechnung zu 5/6

07.08.1973 - 31.08.1973 01.09.1973 - 31.12.1973 01.01.1974 - 31.05.1974 01.06.1974 - 31.12.1974 01.01.1975 - 31.03.1975 01.04.1975 - 09.04.1975

Beitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherungen - Rentenversicherung der Angestellten - Qualifikationsgruppe 5, Bereich 14 Land- und Forstwirtschaft Tabellenwert um ein Fünftel erhöht Anrechnung zu 5/6

10.04.1975 - 30.04.1975 01.05.1975 - 31.12.1975 01.01.1976 - 30.06.1976 01.07.1976 - 13.07.1976 04.11.1976 - 30.11.1976 01.12.1976 - 31.12.1976 01.01.1977 - 31.07.1977 01.08.1977 - 09.08.1977

Beitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherungen - Rentenversicherung der Arbeiter - glaubhaft gemachte Zeiten der Berufsausbildung Anrechnung zu 5/6

10.08.1977 - 31.08.1977 01.09.1977 - 09.09.1977

Qualifikationsgruppe 5 Bereich 02 Chemische Industrie Tabellenwert um ein Fünftel erhöht Anrechnung zu 5/6

10.09.1977 - 30.09.1977 01.10.1977 - 31.12.1977 01.01.1978 - 31.07.1978 01.08.1978 - 17.08.1978 01.09.1978 - 31.12.1978 01.01.1979 - 31.12.1979 01.01.1980 - 31.12.1980 01.01.1981 - 31.12.1981 01.01.1982 - 31.12.1982 01.01.1983 - 30.04.1983 01.05.1983 - 31.05.1983 01.06.1983 - 31.12.1983 01.01.1984 - 31.12.1984 01.01.1985 - 31.12.1985 01.01.1986 - 30.09.1986 01.10.1986 - 31.12.1986 01.01.1987 - 31.12.1987 01.01.1988 - 31.12.1988 01.01.1989 - 31.12.1989 01.01.1990 - 30.06.1990 01.07.1990 - 31.12.1990 01.01.1991 - 01.07.1991 02.07.1991 - 31.12.1991 01.01.1992 - 31.12.1992 01.01.1993 - 05.01.1993

Ein Rechtsmittel legte die Klägerin hiergegen nicht ein.

Am 27.07.2011 beantragte die Klägerin die "Überprüfung des Rentenbescheids nach § 44 SGB X" und stellte mit Schreiben vom 28.09.2011 klar, dass der "Versicherungsverlauf vom 22.12.2010 überprüft" werden solle. Soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse wurde geltend gemacht, dass der "Rentenbescheid" rechtswidrig sei, weil die Klägerin nicht auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, eine 5/6 Kürzung ihrer Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit zu verhindern, indem sie konkrete Lohnlisten bzw. Lohnauszüge ihr Arbeitsverhältnis betreffend vorlegen könne, aus denen sich Krankheits- und Urlaubszeiten sowie Zeiten weiterer Arbeitsunterbrechungen ergäben, damit zumindest für die belegten Jahre eine Kürzung der Beitragszeiten auf 5/6 entfalle, also eine Vollanrechnung erreicht würde. Insoweit wurde die Archivbescheinigung vom 23.09.2010 für den Zeitraum 1977 bis 1990 nochmals beigefügt. Aber auch über den bescheinigten Zeitraum hinaus seien die Beschäftigungszeiten in vollem Umfang anzurechnen. Eine gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu der Frage, inwieweit Arbeitszeugnisse eine ununterbrochene Beschäftigung beweisen würden, liege nicht vor. Das BSG habe jedoch u. a. ausgeführt: Ergäben sich Unterbrechungen der in den Unterlagen aus den Herkunftsgebieten bescheinigten Versicherungszeiten nicht aus den Unterlagen selbst, so könne der Nachweis von Unterbrechungen während bestimmter Zeiten oder das Nichtvorliegen von Unterbrechungen auch auf andere Weise, z. B. durch sonstige Belege oder auch Zeugenaussagen geführt werden. Die Glaubhaftmachung von Beschäftigungszeiten sei anfangs dadurch gekennzeichnet gewesen, dass die nach Deutschland übersiedelnden Vertriebenen keine Arbeitsbücher hätten mitführen dürfen, die Rentenversicherungsträger also letztlich auf Grund eidesstattlicher Versicherung oder günstigsten Falls belegt durch Zeugenaussagen Angaben zum Beschäftigungsverhältnis hätten glauben müssen. Dies sei seit der Möglichkeit der Vorlage von Arbeitsbüchern grundsätzlich anders. In Arbeitsbüchern sei zunächst einmal Beginn und Ende des Beschäftigungsverhältnisses dokumentiert, mithin bestünde für Zeiten der Arbeitslosigkeit hierneben kein Raum, weil sich Zeiten der Arbeitslosigkeit aus dem Arbeitsbuch ergäben. Arbeitslosigkeit im bestätigten Beschäftigungsverhältnis habe es nicht gegeben. Krankheitstage seien zutreffend wiedergegeben.

Mit Bescheid vom 10.12.2012 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 SGB VI die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis zum 31.12.2005 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden seien. Die Verbindlichkeit der nachfolgenden Daten werde zu gegebener Zeit in einem weiteren Bescheid geregelt. Das beigefügte Zuordnungsblatt (Anlage 10) sowie der Versicherungsverlauf enthalte die in das Versicherungskonto aufgenommenen Zeiten sowie die Grundlagen für die spätere Ermittlung der Entgeltpunkte. Auf Grund der vorgelegten Bescheinigung mit Arbeitstagen für die Jahre 1977 bis 1990 könne eine Anerkennung mit einem Umfang von 6/6 nicht erfolgen. Die Bescheinigung enthalte Angaben, die offensichtlich falsch seien. So seien für den Juni 1984 31 Tage bescheinigt worden, obwohl der Monat nur 30 Tage habe. Für den Januar 1993 würden 31 Tage bescheinigt, obwohl die Klägerin am 19.01.1993 in das Bundesgebiet zugezogen sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 19.12.2012 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2013 zurückgewiesen wurde. Die am 23.09.2010 ausgestellte Archivbescheinigung sei nicht schlüssig. Unter der Rubrik "durchgearbeitete Tage (monatlich)" seien die ganzen Jahre fast durchgängig mit 30 bzw. 31 Tagen bescheinigt. Damit wäre die Klägerin in all den Jahren immer auch an allen Samstagen und Sonntagen tätig gewesen. Die weiteren Ungereimtheiten (im Monat Juni 1984 und den Zuzugsmonat Januar 1993 betreffend) seien bereits dargelegt worden. In Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung gelte der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast. Hiernach seien die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen, der aus der Tatsache ein Recht herleiten wolle. Der Grundsatz der objektiven Beweislast bedeute hiernach, dass jeder Beteiligte die Gefahr einer ihm nachteiligen Entscheidung selbst trage, wenn die tatbestandlichen Voraussetzung der von ihm geltend gemachten Rechtsfolge nicht festgestellt werden könnten.

Hiergegen richtete sich die am 08.03.2013 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung verwies die Klägerin auf den Vortrag im Überprüfungs- und Widerspruchsverfahren. Ergänzend trug sie vor, dass die Archivauskunft zwar im Hinblick auf die dort angegebenen Arbeitstage unzutreffend sei, die Krankheitstage seien jedoch zutreffend wiedergegeben. Als Zeuge hierfür werde der Ehemann benannt. Als Zeuge für die Beschäftigung bei der Feuerwehr für den Zeitraum vom 15.06.1980 bis zum 01.07.1981 werde Herr K. benannt. Es sei im Übrigen nicht vertretbar, dass dann, wenn sich für einzelne Jahre Unstimmigkeiten ergeben würden, deshalb das gesamte Erwerbsleben oder wie hier erhebliche Anteile des Erwerbslebens abgewertet würden. Soweit die Daten stimmig seien, seien diese auch zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere dann, wenn noch nicht einmal der Versuch unternommen worden sei, entsprechende Unstimmigkeiten aufzuklären. Weiter zu berücksichtigen seien die Entscheidungen des BSG, welche in der Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Bayern (Urteil vom 24.02.2010 - L 1 R 804/09 -, in juris) zusammengefasst dargestellt worden seien. Des Weiteren werde auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 27.07.2011 (L 2 R 3076/09, in juris) Bezug genommen, wonach dann, wenn von einer ununterbrochenen Beitragsentrichtung für den streitigen Zeitraum auszugehen sei, kein Raum für eine Wertung der streitgegenständlichen Beitragszeit als glaubhaft gemacht verbleibe. Aufgrund der vorgelegten Archivauskunft stünden die Beitragszeiten der Klägerin fest. Es gebe zwei mögliche Sichtweisen, entweder komme es auf die Verhältnisse des Herkunftsgebiets an, dann sei es im Hinblick auf die nicht mehr in Anspruch zu nehmende Rentenversicherung K. unerheblich, inwieweit Krankheitszeiten das Erwerbsleben unterbrochen hätten oder es komme auf die Verhältnisse in der BRD an, dann blieben aber nur Krankheitszeiten als realistischer Unterbrechungstatbestand. Krankheitszeiten ergäben sich aus der Bescheinigung. Auf Grund der Entscheidung des BSG vom 21.08.2008 (B 13/4 R 25/07 R, in juris), sei jedoch zunächst zu klären, ob es des Nachweises von Beschäftigungszeiten durch Arbeitsbescheinigungen überhaupt noch bedürfe oder ob nicht nach Vorlage des Arbeitsbuches nunmehr eine Berücksichtigung als nachgewiesene Zeit zu erfolgen habe. Auch hier liege der Fall so, dass die Beitragszeiten als nachgewiesen anzusehen seien, weil die entsprechenden Beiträge durchgehend entrichtet worden seien.

Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass für die in der BRD oder DDR Beschäftigten niemand auf die Idee käme, ein ganzes Erwerbsleben mit einem Abschlag von zwei Monaten pro Arbeitsjahr zu versehen, weil für einige Monate oder wenige Tage in der Erwerbsbiographie der Sozialversicherungsnachweis nicht vorliege. In der ehemaligen S. habe Arbeitspflicht gegolten, diese sei streng überwacht und sanktioniert worden. Es sei deshalb nicht (mehr) gerechtfertigt, Arbeitsunterbrechungszeiten von 1/6 pauschal anzunehmen, selbst wenn weiterhin die sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse im alten Bundesgebiet maßgeblich sein sollten bzw. auf Bundesrechts abgestellt werde. Es stelle sich die Frage, ob bei Vorlage des Arbeitsbuches die Kürzung nach § 22 Abs. 3 FRG weiterhin 1/6 betragen dürfte oder nicht niedriger (z.B. 1/12) zu erfolgen habe, weil der Tatbestand der Arbeitslosigkeit sowohl konkret als auch pauschal berücksichtigt werde und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ernsthaft eine Arbeitsunterbrechung nur durch Krankheitszeiten in Betracht komme, diese maximal im Durchschnitt 1/12 erreicht haben könne. Bezug genommen wurde auch auf das Urteil des LSG Niedersachen-Bremen vom 17.11.2010 (L 2 R 435/10, in juris). Dort habe das LSG Niedersachsen-Bremen ausgeführt, dass auf Grund der besonderen Beweisnot Fremdrentenberechtigten neben eventuellen Zeugen die Überzeugungsbildung des Gericht auch auf Angaben des Versicherten selbst gestützt werden könne.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Im Übrigen wies sie darauf hin, dass sich die in der Klagebegründung zitierten Urteile allesamt auf die Behandlung von Mitgliedschaften in einer LPG oder Kolchose beziehen würden. Sie seien somit auf den vorliegenden Sachverhalt mangels Vergleichbarkeit nicht anwendbar. Das Bayerische LSG habe sich im Urteil vom 28.03.2012 (L 19 R 755/08, in juris) mit der Frage der Beweiswürdigung allein auf Grund der Angaben des Klägers beschäftigt, hierauf werde verwiesen. Ob Arbeitsbescheinigungen aus den Herkunftsländern als Nachweis oder nur als Mittel zur Glaubhaftmachung anzusehen seien, müsse im Einzelfall geprüft werden. Arbeitsbescheinigungen könnten als Nachweis dienen, wenn die Angaben des Berechtigten und die vorgelegten Unterlagen in sich schlüssig seien, wenn aus den Bescheinigungen die tatsächlichen Arbeitstage und/oder die Fehlzeiten hervor gingen und angegeben sei, auf Grund welcher Unterlagen die Bescheinigung erstellt worden sei und keine begründeten Zweifel bestünden, dass diese Unterlagen tatsächlich bestünden und ausgewertet worden seien. In allen anderen Fällen seien Bescheinigungen grundsätzlich nur als Mittel zur Glaubhaftmachung zu werten. Die vorliegende Archivbescheinigung für den Beschäftigungszeitraum bei der Erdölleitungsverwaltung des R. Nord-K. von 1977 bis 1993 enthalte die nach Monaten und Jahren getrennten Angaben der durchgearbeiteten Tage und die Anzahl der Krankentage im Jahr sowie die Anzahl der bezahlten und unbezahlten Urlaubstage im Jahr. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Sonntage bereits erkennbar in die bescheinigten Arbeitstage einbezogen worden seien, seien sowohl für den Monat Juni 1984 als auch für den Ausreisemonat Januar 1993 31 durchgearbeitete Tage bestätigt, obwohl der Monat Juni nur 30 Tage habe und die Ausreise am 19.01.1993 erfolgt sei. Damit sei die vorgelegte Bescheinigung in sich nicht schlüssig.

Auf ihren Antrag vom 12.06.2014 erhielt die Klägerin mit Bescheid vom 14.07.2014 Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 756,54 EUR für Juni 2014 und ab 01.07.2014 in Höhe von 769,16 EUR monatlich nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge. Insoweit wurden die Zeiten von 1973 bis 1993 entsprechend dem Vormerkungsbescheid zu 5/6 zugrunde gelegt.

Mit Bescheid vom 08.08.2014 wurde sodann die Altersrente ab 01.07.2014 mit einem Zuschlag für Kindererziehung neu berechnet. Hiernach erhöhte sich der monatliche Zahlbetrag auf 820,52 EUR.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.06.2015 wies das SG die Klage ab. Streitgegenstand sei der Bescheid vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2013, mit dem der Überprüfungsantrag der Klägerin vom 26.07.2011 nach § 44 SGB X abgelehnt worden sei. Ausweislich des Klageantrages begehre die Klägerin eine Berücksichtigung der nach dem FRG zu berücksichtigenden Zeiten zu 6/6. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei jedoch rechtmäßig und verletze die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Die Beklagte habe die Zeit von 1977 bis 1993 zu Recht nur als glaubhaft gemachte Zeiten nach dem FRG zu 5/6 angerechnet. Zur Begründung verweise die Kammer zunächst auf die Ausführung der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Sie mache sich die Ausführungen in vollem Umfang zu eigen und sehe daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ab. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass nach § 15 FRG die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegten Beitragszeiten inländischen Beitragszeiten gleich stünden. Für die Feststellung derartiger Beitragszeiten genüge gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht würden. Eine Tatsache sei glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollten, überwiegend wahrscheinlich sei, § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG. Allerdings finde nach § 22 Abs. 3 FRG bei lediglich glaubhaft gemachten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten eine wertmäßige Kürzung der zu ermittelnden Entgeltpunkte auf 5/6 statt. Echte Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG könnten nur als bewiesen angesehen werden, soweit feststehe, dass für einen bestimmten Zeitraum auch tatsächlich Beiträge entrichtet worden seien. Nachgewiesen seien Beitragszeiten in diesem Sinne allerdings nicht dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen Zeitraums einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt seien. Vielmehr müsse darüber hinausgehend auch feststehen, dass während dessen keine Ausfalltatbestände (krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, unbezahlter Urlaub, unentschuldigte Fehlzeiten etc.) eingetreten seien, die zu einer - wenn auch nur vorübergehenden - Unterbrechung der Beitragsentrichtung geführt haben könnten. Das Gericht müsse hierbei auf Grund konkreter und glaubhafter Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und der dazwischen liegenden Ausfallzeiten davon überzeugt sein, dass im Einzelfall eine den Anteil von 5/6 übersteigende höhere Beitragsdichte erreicht worden sei. Es müsse den vorgelegten Unterlagen mithin im Einzelnen die jeweiligen Unterbrechungszeiträume genau zu entnehmen sein bzw. es müsse eindeutig feststehen, dass eine bestimmte Beschäftigungszeit tatsächlich nicht unterbrochen gewesen sei. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG würden für Zeiten, der in §§ 15 und 16 FRG genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, Satz 2 und 9 des SGB VI ermittelt. Diese ermittelten Entgeltpunkte würden jedoch gemäß § 22 Abs. 3 FRG für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen seien, um 1/6 gekürzt. Diese Kürzung beruhe auf der durch statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet nur diesem Umfang von 5/6 entspreche. Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber in Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, müsse eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten jeweils im Einzelfall nachgewiesen sein. Der Nachweis sei im Sinne eines Vollbeweises zu führen. Ein solcher liege erst vor, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad an Wahrscheinlichkeit spreche, dass sämtliche begründeten Zweifel dem gegenüber aus Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen hätten. Eine lückenlose Beitragsentrichtung ergebe sich nach diesen Grundsätzen aus der von der Klägerin vorgelegten Archivbescheinigung nicht, sodass diese nur als Mittel der Glaubhaftmachung angesehen werden könne. Zwar lasse sich aus der Archivbescheinigung neben Beginn und Ende der Arbeitsverhältnisse auch die Anzahl von Krankheitstagen und Urlaubstagen entnehmen, die Archivbescheinigung sei jedoch in sich widersprüchlich und unschlüssig. Dies zeige sich bereits daran, dass noch nicht einmal das Ende des Arbeitsverhältnisses in richtiger Weise bescheinigt worden sei, denn für Januar 1993 seien 31 Arbeitstage bescheinigt, obwohl der Zuzug der Klägerin in die BRD am 19.01.1993 erfolgt sei und sie demzufolge im Januar 1993 nicht 31 Tage in K. gearbeitet haben könne. Für den Monat Juni 1984 seien zudem 31 durchgearbeitete Tage bescheinigt, obwohl dieser Monat nur 30 Tage habe. Auch hätte die Klägerin ausweislich der Bescheinigung in all den bescheinigten Jahren von 1979 bis einschließlich 1993 nicht nur eine 6-Tage-Woche gehabt, sondern auch an allen Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Die bescheinigten Zeiten seien demnach in sich widersprüchlich. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die vorgelegte Archivbescheinigung auch keinerlei Erkenntnis zum Umfang der Tätigkeit erkennen lasse. Es sei nicht ersichtlich, ob es sich um Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung gehandelt habe, auch witterungsbedingte Arbeitsunterbrechungen bestanden haben könnten, ob Arbeitsunterbrechungen, sei es auf Grund eigenen Willens der Klägerin, sei es auf Anordnung des Arbeitgebers oder aus sonstigen Gründen, stattgefunden hätten oder nicht. Demnach sei nicht ausgeschlossen, dass die in der Archivbescheinigung aufgeführten Arbeitsverhältnisse durch sonstige relevante Tatbestände unterbrochen sein könnten. Auch der Einwand des Klägerbevollmächtigten, es stelle sich die Frage, ob bei Vorlage des Arbeitsbuches die Kürzung nach § 22 Abs. 3 FRG weiterhin 1/6 betragen dürfe oder niedriger (z. B. 1/12) zu erfolgen habe, weil der Tatbestand der Arbeitslosigkeit sowohl konkret als auch pauschal berücksichtigt werde und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ernsthaft eine Arbeitsunterbrechung nur durch Krankheitszeiten in Betracht komme, überzeuge nicht. Hierbei werde übersehen, dass Beschäftigungsverhältnisse nicht nur durch Arbeitslosigkeit und Krankheitszeiten, sondern auch durch Zeiten eines unbezahlten Urlaubs und für Mütter Mutterschaftszeiten unterbrochen sein könnten. Es komme deshalb auf alle denkbaren Unterbrechungen der Beitragszahlungen zur Sozialversicherung an. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten sei auch die zitierte Rechtsprechung des BSG zu LPG-Mitgliedern nicht übertragbar. Denn die in dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze seien nur auf LPG-Mitglieder und möglicherweise auf Mitglieder von Kolchosen in der S. anwendbar. Die Klägerin sei aber kein Mitglied einer Kolchose gewesen. Die Rechtsprechung des BSG basiere hier auf der Tatsache, dass für Mitglieder einer LPG eine gesetzliche Sozialversicherung als Pflichtversicherung bestanden habe und die entsprechenden Beiträge ohne Rücksicht auf Zeiten der Arbeitsunterbrechung einzelner Mitglieder durchgehend entrichtet worden seien. Für diesen Fall, und nur für diesen Fall, könnten allein auf Grund der Beschäftigung eines Mitglieds bei einer rumänischen LPG die entsprechenden Beitragszeiten (§ 15 FRG) als nachgewiesen (§ 22 Abs. 3 FRG) angesehen werden. Weitere Ermittlungen des SG seien nicht veranlasst gewesen. Auch eine Befragung des Ehemanns der Klägerin als Zeugen oder die Einholung von Auskünften der damals behandelnden Ärzte halte die Kammer für nicht angezeigt. Selbst bei einer Bestätigung der in der Archivbescheinigung angegebenen Krankheitstage verbleibe es bei den oben genannten Widersprüchen. Ebenso verhalte es sich mit der - im Übrigen lediglich zu den Krankheitstagen - angeregten Befragung des Herrn K. als Zeugen hinsichtlich der Tätigkeit bei der Feuerwehr vom 15.06.1980 bis zum 01.07.1981. Ein Nachweis bezüglich der Beitragszeiten könne auch nicht mit den eigenen Angaben der Klägerin geführt werden. Zwar könne grundsätzlich das Gericht allein durch den Beteiligtenvortrag zur Überzeugung im Sinne des Vollbeweises gelangen. Diese Grundsätze müssten aber im Hinblick auf § 4 FRG für den vorliegenden Fall einschränkend angewandt werden, da der Gesetzgeber insoweit selbst den Beteiligtenvortrag verbunden mit einer eidesstattlichen Versicherung nur für eine Glaubhaftmachung ausreichen lasse. Denn sonst würde sich ergeben, dass ein Versicherter im Verwaltungsverfahren mit einer eidesstattlichen Versicherung maximal eine Glaubhaftmachung erreichen könne, vor Gericht aber mit der gleichen Aussage ohne die Möglichkeit der Abnahme eines Eides die Tatsache voll nachweisen könnte.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 15.06.2015 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 09.07.2015 von der Klägerin zum LSG erhobene Berufung. Zur Begründung wird auf den bisherigen Vortrag im Verwaltungs- und Klageverfahren verwiesen. Ergänzend wird ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des LSG Niedersachen-Bremen als einzige realistische Zeit der Arbeitsunterbrechung nur Unterbrechungen durch Krankheit in Frage kommen dürften. Weitere Unterbrechungstatsachen seien dem gegenüber zu vernachlässigen. Dies decke sich auch mit dem bereits in das Verfahren eingeführten Gutachten von Prof. Dr. Dr. P. u.a. Darüber hinaus werde nochmals darauf hingewiesen, dass Krankheitszeiten - selbst wenn man an den Verhältnissen der 60iger und 70iger Jahre in der Bundesrepublik Deutschland festhalten wolle - durchschnittlich weit unter 1/12 liegen würden und Zeiten der Arbeitslosigkeit seit Vorlage der Arbeitsbücher konkret erfasst würden. Im Zusammenhang mit der Entscheidung des BSG vom 21.08.2008 (B 13/4 25/07 R, in juris) dürfte damit der Nachweis geführt sein, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechungen definitiv nicht 1/6, sondern allenfalls 1/12 erreichen würden, sofern nicht auf Grund der weitergehenden Ausführungen von vollständig nachgewiesenen Zeiten ausgegangen werden müsse.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheids vom 14.07.2014 in der Gestalt des Bescheids vom 08.08.2014 der Klägerin ab 01.06.2014 höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung der vom 15.09.1971 bis 05.01.1993 in K. zurückgelegten Beschäftigungs- bzw. Beitragszeiten zu 6/6 als nachgewiesene Zeiten zu gewähren sowie

den Ehemann der Klägerin zum Beweis der Tatsache zu hören, dass die Klägerin nur im Umfang der bescheinigten Zeiten arbeitsunfähig erkrankt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren bisherigen Vortag und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2016 trotz des gestellten Beweisantrags entscheiden, da die hierin beantragte Beweiserhebung abzulehnen war. Insoweit hat der Senat den Beweisantrag mit Beschluss vom 27.07.2016 abgelehnt. Hierauf wird verwiesen. Der Senat legt seiner Entscheidung zu Grunde, dass die Klägerin tatsächlich entsprechend der vorgelegten Archivbescheinigung der staatlichen Einrichtung des Archivs der Personalunterlagen der Stadt P., Gebiet Nord-K. vom 23.09.2010 lediglich an 5 Tagen im Jahr 1978, 16 Tagen im Jahr 1981, 20 Tagen im Jahr 1986 und 10 Tagen im Jahr 1990 arbeitsunfähig war (dazu schon Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.02.1985, - 8 C 15/84 -, in juris m.w.N.; umfassend auch Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103 Rn. 8; sowie LSG NRW, Urteil vom 17.03.2016, – L 9 SO 91/13 –, in juris). Eine Beweisaufnahme kam im Übrigen auch deshalb nicht in Betracht, weil der Beweisantrag nicht auf eine Tatsache gerichtet und das benannte Beweismittel ungeeignet ist. Auf den Beschluss des Senats wird insoweit Bezug genommen.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet.

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war zunächst der Bescheid vom 10.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2013, der eine Überprüfung des Vormerkungsbescheids vom 22.12.2010 gemäß § 44 SGB X abgelehnt hat. Zwar nimmt der Bescheid vom 10.12.2012 auf den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X nicht ausdrücklich Bezug. Ausweislich des Bescheids werden jedoch nicht nur die Zeiten bis 31.12.2005 verbindlich festgestellt, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind, was im Hinblick auf den Vormerkungsbescheid vom 22.12.2010 den Zeitraum bis 31.12.2003 betrifft. Vielmehr hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 10.12.2012 auch die Anerkennung der Zeiten von 1977 bis 1993 mit einem Umfang von 6/6 abgelehnt. Die Beklagte wollte insoweit nach dem objektiven Empfängerhorizont erkennbar den Überprüfungsantrag der Klägerin verbescheiden. Dem entsprechend benennt auch der Widerspruchsbescheid vom 11.02.2013 ausdrücklich den Antrag auf Überprüfung des Feststellungsbescheids vom 22.12.2010 als Ausgangspunkts des Verwaltungsverfahrens und des daraufhin erlassenen Bescheides vom 10.12.2012.

Der Bescheid vom 10.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2013, mit welchen die Beklagte den Überprüfungsantrag abgelehnt hat, hat sich jedoch vorliegend erledigt, nachdem der Rentenbescheid vom 14.07.2014 ergangen ist. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt, doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit "der Feststellung einer Leistung" über Anrechnung Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheidet (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung vorbereitenden Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigen sich ungeachtet ihrer Anfechtung "auf andere Weise" (§ 39 Abs. 2 SGB X) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2015, - L 9 R 4225/11 -, in juris). Das insofern anhängige Klageverfahren findet seine Fortsetzung im Streit über das Rechtsverhältnis, dessen vorbereitender Klärung die bisher ergangenen Verwaltungsakte gedient hatten. Auf die Ersetzung in diesem Sinne findet § 96 Abs. 1 SGG Anwendung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt über die Rentenhöhe als unmittelbar kraft Gesetzes angegriffen gilt, soweit diese ihrerseits auf den bereits ursprünglich streitigen Feststellungen beruht (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011 – B 5 R 36/11 R –, in juris). Dies gilt auch, wenn Ausgangspunkt des vorliegenden Verfahrens ein Überprüfungsantrag gem. § 44 SGB X war, denn mit dem Überprüfungsantrag hat die Klägerin die Überprüfung des Vormerkungsbescheids beantragt, was die Beklagte mit den ursprünglich streitgegenständlichen Bescheiden abgelehnt hat. Haben sich diese durch den Erlass des Rentenbescheids erledigt, so ersetzt der Bescheid vom 14.07.2014 gem. § 96 SGG den Bescheid vom 10.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.02.2013. Mit dem Erlass des weiteren Rentenbescheides vom 08.08.2014 wurde schließlich insoweit auch die Rentenwertfestsetzung im Rentenbescheid vom 14.07.2014 ersetzt (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011 - L 4 R 1243/09 - n.v. für den Fall, dass im Rentenbescheid die Berücksichtigungsfähigkeit zu 6/6 ausdrücklich ausgespart wurde).

2. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte für die in K. zurückgelegten Zeit von 15.09.1971 bis 05.01.1993 ohne Kürzung um ein Sechstel. Die Beklagte hat diese Zeit zutreffend als nicht nachgewiesen im Sinne des § 22 Abs. 3 FRG berücksichtigt.

Die Höhe der Rente richtet sich nach § 63 Abs. 1 SGB VI vor allem nach der Höhe des während des Versicherungslebens versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Zu den zu berücksichtigenden Zeiten gehören die Beitragszeiten. Da die Klägerin die streitige Zeit nicht im Bundesgebiet zurückgelegt hat, kommt eine Berücksichtigung der Beitragszeiten nur nach dem FRG in Betracht. Die Klägerin ist als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt. Damit findet gem. § 1 Abs. 1 FRG das FRG Anwendung.

Nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 1a FRG stehen bei anerkannten Vertriebenen wie der Klägerin die einem nicht deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten inländischen Beitragszeiten gleich. Für Zeiten der in § 15 FRG genannten Art werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2 und 9 SGB VI ermittelt. Hierzu werden nach § 22 Abs. 1 Satz 2 FRG für Zeiten nach dem 31.12.1949 die in Anlage 14 des SGB VI genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 SGB VI festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht. Für Beitragszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden nach § 22 Abs. 3 FRG die ermittelten Entgeltpunkte um 1/6 gekürzt. Nach § 22 Abs. 4 FRG werden die nach den Absätzen 1 und 3 der Vorschrift maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt. Für die Feststellung zurückgelegter Beitragszeiten genügt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht werden. Eine Tatsache ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtlich erreichbare Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist.

Zwischen den Beteiligten streitig ist vorliegend lediglich die Kürzung der Entgeltpunkte für nicht nachgewiesene Beitragszeiten um 1/6 in Anwendung des § 22 Abs. 3 FRG. Nicht nachgewiesen sind Beitragszeiten nach § 15 FRG zum Beispiel dann, wenn in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste oder solche Zeiten jedenfalls nicht ausgeschlossen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.08.2008, B 1/4 R 2/07 R - in juris). Eine volle Anrechnung der entsprechenden Zeiten, ohne Kürzung um 1/6 setzt demgemäß voraus, dass in den betreffenden Zeiten nachweisbar keine Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung ohne Beitragsentrichtung fallen oder sie nicht 1/6 der Zeiten erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 21.08.2008, - B 1/4 R 2/07 R, in juris). Die Kürzung der Entgeltpunkte für nicht nachgewiesene Beitragszeiten um 1/6 gemäß § 22 Abs. 3 FRG beruht auf der durch statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsentrichtung im Bundesgebiet (nur) diesem Umfang entspricht. Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber den in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, muss daher eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten jeweils im Einzelfall nachgewiesen werden. Der Nachweis im Sinne eines Vollbeweises ist regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel dem gegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Verhältnisse klar überschauenden Menschen zu schweigen haben. Es darf also kein vernünftiger, in den Umständen des Einzelfalls begründeter Zweifel mehr bestehen (Bayerisches LSG, Urteil vom 07.06.2011, - L 6 R 9/09 - , m.w.N., in juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen können die von der Klägerin behaupteten Beitragszeiten nur als glaubhaft gemacht, nicht aber als nachgewiesen angesehen werden.

Soweit die Klägerin eine Anrechnung zu 6/6 sämtlicher Zeiten in K. von 1971 bis 1993 begehrt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin diesbezüglich lediglich für den Zeitraum von 1977 bis 1993 eine Archivbescheinigung vorgelegt hat. Auch die Bescheinigung hinsichtlich des Zeitraums von 1977 bis 1990 weist im Übrigen erst ab 1979 die Anzahl der durchgearbeiteten Tage (monatlich) aus. Eine lückenlose Beitragserrichtung ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der vorgelegten Archivbescheinigung nicht. Zwar lässt sich der Archivbescheinigung neben Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses auch die Anzahl von Krankheits- und Urlaubstagen im Zeitraum 1979 bis 1993 entnehmen, die Archivbescheinigung ist jedoch in sich widersprüchlich und unschlüssig. Zutreffend hat das SG darauf hingewiesen, dass noch nicht einmal das Ende des Arbeitsverhältnisses in richtiger Weise bescheinigt wurde, denn für Januar 1993 wurden 31 Arbeitstage angegeben, obwohl der Zuzug der Klägerin in der BRD am 19.01.1993 erfolgte und sie dem zufolge im Januar 1993 nicht 31 Tage in K. gearbeitet haben kann. Für den Monat Juni 1984 wurden zudem 31 durchgearbeitete Tage bescheinigt, obwohl dieser Monat nur 30 Tage hat. Im Übrigen hätte die Klägerin ausweislich der Bescheinigung in all den bescheinigten Jahren von 1979 bis einschließlich 1993 nicht nur eine 6-Tage-Woche gehabt, sondern auch an allen Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Die bescheinigten Zeiten sind insoweit widersprüchlich.

Zutreffend hat im Übrigen das SG auch darauf hingewiesen, dass die Bescheinigung keinerlei Angaben zum Umfang der Tätigkeit enthält. Auf Grund der erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der vorgelegten Archivbescheinigung können daher auch die Zeiten von 1979 bis 1993 nicht als nachgewiesene Beitragszeiten, sondern lediglich als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem FRG berücksichtigt werden, die mit 5/6 anzurechnen sind. Nichts anderes gilt für die übrigen von der Beklagten angenommenen Zeiten in K., da insoweit nicht einmal eine entsprechende Archivbescheinigung vorliegt.

Eine durchgehenden Beitragsentrichtung ist auch durch den Vortrag der Klägerin nicht nachgewiesen. Eine durchgehende Beitragsentrichtung wird bereits nicht konkret behauptet. Soweit eine durchgehende Beitragsentrichtung pauschal dem Vortrag zu Grunde gelegt wird, reicht dies nicht für den Nachweis von Beitragszeiten zur Überzeugung des Senats aus. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin als Beleg hierfür auf die vorgenannte Bescheinigung verweist, die in sich nicht schlüssig und widersprüchlich ist. Ein Anlass zu weiteren Ermittlungen bestand daher nicht. Konkrete Ansätze für weitere Ermittlungen zum Nachweis einer durchgehenden Beitragsentrichtung sind nicht vorgetragen oder aus den Akten ersichtlich. Zu Ermittlungen ins Blaue hinein ist der Senat nicht verpflichtet.

Zutreffend hat im Übrigen das SG auch darauf hingewiesen, dass die von dem Klägervertreter zitierte Rechtsprechung des BSG zu den LPG-Mitgliedern in Rumänien vorliegend nicht anwendbar ist. Die genannte Rechtsprechung basiert auf der Tatsache, dass für Mitglieder einer LPG eine gesetzliche Sozialversicherung als Pflichtversicherung bestanden haben mag und die entsprechenden Beiträge ohne Rücksicht auf Zeiten der Arbeitsunterbrechung einzelner Mitglieder durchgehend entrichtet wurde. Dies ist für den vorliegenden Zeitraum und die hierin durchgeführten Tätigkeiten nicht ersichtlich.

Die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des SG war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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