L 5 KR 5004/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 1947/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5004/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.10.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten, die ihr für den Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten entstanden sind, sowie die zukünftige Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten und die Erstattung von Kosten für das Arzneimittel Dronabinol.

Die 1970 geborene Klägerin, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, ist bei der Beklagten krankenversichert. Ihr wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb von Cannabis (Medizinal-Cannabisblüten) erteilt (Erlaubnis vom 07.11.2014).

Mit Schreiben vom 14.11.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme zum Erwerb des "Medikaments". Zur Linderung ihrer Beschwerden stünden nur noch Cannabisblüten zur Verfügung. Da ihr Einkommen für die Therapie nicht ausreiche, bitte sie um Kostenübernahme. Sie fügte unter anderem die Erlaubnis des BfArM, die Erklärung des sie betreuenden Arztes Dr. G. vom 21.08.2014 hinsichtlich der Dosierungsanweisung und einen fiktiven Lieferschein der L.-Apotheke vom 04.11.2014 über 1 x 5 g Cannabisblüten Bedrocan zum Preis von 75,00 EUR bei.

Auf Anfrage der Beklagten nach weiteren Unterlagen über die bisherige Therapie teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie dies nicht einreichen werde, weil sie dies unmöglich finde. Sie habe die Erlaubnis des BfArM, das sämtliche Unterlagen gehabt habe, eingereicht.

Mit Bescheid vom 27.11.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Die Selbsttherapie mit Cannabisblüten (Bedrocan) stelle keine Vertragsleistung dar. Ärztliche Unterlagen zur Einzelfallprüfung lägen ihr [der Beklagten] nicht vor.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 04.12.2014 Widerspruch mit der Begründung, dass der diagnostische bzw. therapeutische Nutzen des Schmerzmedikaments Bedrocan bereits nachgewiesen und durch die Bundesopiumstelle durch die Erlaubniserteilung anerkannt sei. Damit habe das BfArM den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) Folge geleistet. Für die Beklagte gebe es keinen Grund, diese Entscheidung in Frage zu stellen.

Die Beklagte bat die Klägerin hierauf erneut um Vorlage der zuvor schon angeforderten Unterlagen, worauf die Klägerin zunächst noch einmal darauf hinwies, dass ihr die Erteilung der Ausnahmegenehmigung zum Erwerb der medizinischen Cannabisblüten versagt geblieben wäre, wenn für sie noch eine andere Therapieart in Frage gekommen wäre. Die Ausnahmegenehmigung sei ihr infolge einer ärztlichen Prüfung durch Ärzte des BfArM erteilt worden. Nach ihrer Kenntnis bekomme zur Zeit mindestens ein Schmerzpatient in Deutschland, der ebenfalls in Besitz einer Ausnahmeerlaubnis sei, die medizinischen Cannabisblüten von seiner Krankenkasse bezahlt. Im weiteren Verlauf legte die Klägerin den Arztbericht des Dr. G. an das BfArM vom 18.08.2004 vor. Dr. G. führt darin aus, dass sich die Klägerin seit 17.08.2014 in seiner Behandlung befinde. Sie leide einerseits unter chronischen Schmerzen und zudem unter psychischen Problemen. Der Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis konzentriere sich auf die chronischen Schmerzen, weil hier die Austherapiertheit mit konventionellen Therapieverfahren am besten dokumentiert sei. Cannabis konsumiere die Klägerin seit etwa 20 Jahren. Damals habe sie festgestellt, dass ihr Cannabis bei ihren Essstörungen helfe. Immer wieder habe es auch Konsumpausen gegeben. Gegen die Schmerzen seien nicht-steroidale Antirheumatika, Novaminsulfon und Opiate eingesetzt worden, die jedoch auf Grund von Nebenwirkungn hätten abgesetzt werden müssen. Ein Versuch mit Pregabalin oder Gabapentin sei auf Grund der Komplexität der Schmerzsymptomatik nicht angezeigt. Auf verschiedene Medikamente reagiere die Klägerin vor allem sehr empfindlich mit gastrointestinalen Symptomen. Dronabinol sei auch in einer vergleichsweise hohen Dosierung weniger gut analgetisch wirksam als Cannabiskraut. Die Klägerin profitiere nicht nur analgetisch von der Behandlung mit Cannabis, sondern auch hinsichtlich ihres psychischen Befindens, der Schlafstörungen und der Appetitlosigkeit. Hinweise auf ein Complianceproblem gebe es nicht.

In einem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MdK) vom 18.02.2015 führte Dr. Sch. unter Berücksichtigung dieser Unterlagen aus, dass das Vorliegen eines sehr schwerwiegenden die Lebensqualität nachhaltig negativ beeinträchtigenden Krankheitsbildes bei der Klägerin zwar nachvollziehbar, ein regelmäßig tödliches Krankheitsbild bzw. eine notstandsähnliche Notwendigkeit der Behandlung wegen Lebensgefahr oder irreversiblem Verlust eines Organs jedoch nicht erkennbar sei. Angesichts der Komorbiditäten erscheine eine aktuelle schmerztherapeutische, neurologische/psychiatrische Bestandsaufnahme und Diagnostik erforderlich. Es könne nicht bestätigt werden, dass die ergriffenen medikamentösen Maßnahmen komplett ausgeschöpft seien, auch fehlten Hinweise auf eine aktuelle fachärztliche Mitbehandlung durch z.B. Neurologen, Psychiater bzw. auf ein multidisziplinäres Therapiekonzept. Auch liege derzeit für Cannabispflanzen in der Schmerztherapie eine belastbare Datenlage zum Beleg der Wirksamkeit und Sicherheit der begehrten Maßnahme nicht vor. Eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung liege sozialmedizinischerseits erkennbar nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.20015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Cannabisblüten (Sorte Bedica, Bedrobinol und Bediol) hätten keine Zulassung in Deutschland oder der Europäischen Union. Lediglich in den Niederlanden bestehe eine Zulassung für den Arzneimittelverkehr. Der MdK habe die beantragte Leistung nicht befürwortet, da die vom Bundessozialgericht (BSG) geforderten und vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Kriterien für die Anwendung einer nicht anerkannten Behandlungsmethode nicht vorlägen. Es werde nicht in Frage gestellt, dass die Klägerin an einer behandlungsbedürftigen Erkrankung leide. Maßgebend sei jedoch, dass das von ihr gewünschte Präparat durch die geltende Rechtslage von der vertraglichen Versorgung ausgeschlossen sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 01.07.2015 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Die Behandlung mit Cannabis wirke sowohl schmerzlindernd bezüglich des chronischen Schmerzsyndroms als auch positiv hinsichtlich ihres psychischen Befindens, der Schlafstörungen und der Appetitlosigkeit. Alternative Schmerztherapien seien weniger schmerzlindernd gewesen. Nach ihren, der Klägerin, Erfahrungen und dem Arztbericht von Dr. G. habe die Behandlung mit Cannabis eine spürbar positive Einwirkung auf ihren Krankheitsverlauf. Ihre Belange als chronisch kranke Person müssten nach § 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beachtet werden. Sie habe bislang zwei Flaschen Dronabinol zu je 234,63 EUR sowie 35 Einheiten à 5 g Cannabis-Blüten zu jeweils 75,00 EUR pro 5 g erworben. Die Klägerin legte 13 Lieferscheine aus der Zeit vom 19.01.2015 bis 31.07.2015 über insgesamt 35 Einheiten à 5 g Blüten zu je 75,00 EUR pro 5 g sowie Privatverordnungen über Dronabinol-Tropfen vom 28.09.2013 und 21.10.2013 über jeweils 234,36 EUR und ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. St. vom 30.06.2014 vor. Ausweislich dieses Attestes leidet die Klägerin an einem chronischen Schmerzsyndrom. Schmerztherapien mit üblichen Medikamenten seien auf Grund der Nebenwirkungen nur bedingt bzw. nicht möglich gewesen. Alle schulmedizinischen Maßnahmen hätten einen ungenügenden Effekt gezeigt. Weitere Therapiealternativen für erforderliche Behandlungen stünden nicht zur Verfügung. Die Risiko-Nutzenabschätzung zur Cannabisverwendung sei bei der Klägerin positiv.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf ihren Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG zog die Akte des abgeschlossenen Erwerbsminderungsrentenverfahrens der Klägerin (S 15 R 568/14) bei und hörte die die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Innere Medizin - Hausarzt - Dr. B. teilte unter dem 02.09.2015 mit, dass er die Klägerin zwischen dem 01.06. und 15.07.2015 behandelt habe. Er habe bei ihr (auch aus Fremdbefunden) ein chronisches Schmerzsyndrom, Wirbelsäulenschmerzen, eine histrionische Persönlichkeitsstörung, Skoliose im Thorakalbereich sowie Osteochondrose L5/S1 und der HWS diagnostiziert. Er habe die Klägerin beraten und wegen der Resistenz zum Chirurgen überwiesen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. führte unter dem 16.09.2015 aus, er habe die Klägerin am 18.06.2012 und 05.06.2014 sowie zwischen dem 22.09.2014 und 27.07.2015 regelmäßig dreimal pro Quartal behandelt. Die Klägerin sei auf die Therapie mit Cannabis fixiert. Von den zahlreichen Überweisungen habe er nur selten Berichtsrückmeldungen bekommen. Durchgreifende Besserungen der Schmerzen oder der psychischen Erkrankung seien nicht berichtet worden. Er fügte unter anderem den Arztbrief des Facharztes für Psychiatrie-Psychotherapie Dr. St. vom 04.12.2012 (Klägerin lehnte eine medikamentöse Behandlung zur psychischen Stabilisierung und Besserung der Schlafstörungen ab und verließ abrupt die Behandlung nach Problematisierung der Cannabiseinnahme) und des Neurologen Dr. H. vom 09.12.2014 (einmalige Konsultation wegen Schlafstörungen und Überweisung zur Abklärung ins Schlaflabor) bei. Dr. St. berichtete unter dem 21.09.2015 über die Behandlung der Klägerin vom 21.03.2012 bis 14.08.2014. Bei den gesamten Behandlungen sei es immer wieder um psychische Belastungsreaktionen, einen chronischen Schmerz bei Rücken- und Knieleiden sowie Schulter- und Handgelenksschmerzen gegangen. Ab 17.09.2012 seien insgesamt 10 Akupunkturbehandlungen wegen Schmerzen erfolgt. Er fügte u.a. einen Arztbrief des Facharztes für Anästhesiologie Dr. Sch. vom 20.12.2013 bei, ausweislich dessen dieser mit der Klägerin ein ausführliches Gespräch über Drogenberatung und sinnvolle Möglichkeiten der Schmerztherapie führte und das Konzept von Prof. Dr. Sch. erläuterte. Es gehe der Klägerin lediglich um die Beschaffung von Drogen und im Übrigen "wünsche sie Hilfe bei der Rente". Wenn sie echte Hilfe wolle, könne sie sich gerne wieder vorstellen. Eine Überweisung zu Prof. Dr. Sch. habe sie abgelehnt.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2015 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe keinen Sachleistungsanspruch auf die Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten und damit auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Beschaffung in der Vergangenheit. Der Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe von 543,72 EUR scheitere insoweit schon an der erforderlichen Kausalität, nachdem die Klägerin den Antrag auf Übernahme der Kosten erst am 14.11.2014 gestellt, ausweislich der vorgelegten Rechnungen jeweils 234,36 EUR aber bereits am 28.9.2013 und am 21.10.2013 und nach einem Lieferschein 75,00 EUR für 5g Cannabisblüten Bedrocan am 04.11.2014 bezahlt habe. Auch im Übrigen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten bzw. Versorgung mit dem Cannabisprodukt im Wege der Sachleistung, da sie einen entsprechenden Sachleistungsanspruch gegenüber der Beklagten nicht habe. Es fehle insoweit an der nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA, ohne die neue Behandlungsmethoden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht gewährt werden könnten. Auf die Empfehlung des GBA könne auch nicht vor dem Hintergrund der Verordnung der Cannabisblüten durch den Hausarzt oder durch Dr. G. oder sonst eines Arztes verzichtet werden. Aus dem Umstand, dass die Klägerin über eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG verfüge, folge nichts anderes. Auch ein Seltenheitsfall oder ein sogenanntes Systemversagen liege nicht vor. Weder seien die bei der Klägerin mit Cannabis behandelten chronischen Schmerzen noch deren psychischen Probleme weltweit so selten, dass sie weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden könnten. Vielmehr lägen gerade zur chronischen Schmerzstörung zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten und Behandlungsempfehlungen in Form verschiedener Leitlinien vor. Möglich seien u.a. Akupunktur, physikalische Therapien, Psychotherapien und die verschiedenen Therapiestufen der medikamentösen Schmerztherapie entsprechend den Richtlinien der WHO. Hinzu komme, dass sich aus den Aussagen der Ärzte nicht ergebe, dass die Klägerin überhaupt jemals nachhaltig eine leitliniengerechte Schmerztherapie absolviert hätte. Die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. St. vom 21.09.2015 und die von ihm vorgelegten Unterlagen relativierten sein Attest vom 30.06.2014. Nichts anderes ergebe sich aus dem Attest von Dr. G. vom 18.08.2014, nachdem die Klägerin dort erst ab 17.08.2014 in Behandlung sei. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zur Behandlung ihrer Erkrankungen allein auf die Versorgung mit grundsätzlich nicht übernahmefähigen Medikamenten angewiesen sei. Auch die Voraussetzungen eines Systemversagens seien nicht gegeben. Zwar existierten Studien zum Cannabisgebrauch bei chronischen Schmerzsyndromen, es handele sich dabei aber um zwei kleinere kontrollierte, randomisierte Studien mit kurzer Dauer und nicht eindeutigen gleichgerichteten Ergebnissen, wie sich aus dem Gutachten des MDK von Dr. Sch. ergebe. Ein Leistungsanspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der sogenannten Nikolausrechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die neuen Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung. Eine solche notstandsähnliche Situation liege im Fall der Klägerin nicht vor. Die Schmerzerkrankung stelle keine akut lebensbedrohliche Erkrankung dar. Zudem bestünden Behandlungsalternativen. Dass die Klägerin als chronisch Kranke nach § 2a SGB V anzusehen sei, bewirke kein anderes Ergebnis. Einen Anspruch auf die Versorgung mit nichtzugelassenen Arzneimitteln stelle diese Vorschrift nicht zur Verfügung.

Gegen den am 03.11.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03.12.2015 Berufung eingelegt. Die Voraussetzungen für die Übernahme von nicht zugelassenen Arzneimitteln lägen vor. Sie sei austherapiert. Sämtliche Bemühungen seien ohne Erfolg geblieben. Die Versorgung mit Cannabisblüten sei auch wirtschaftlich. Es entstünden hierdurch weitaus geringere Kosten als durch die derzeitigen zahlreichen Alternativmaßnahmen. Es liege bei ihr ein Systemversagen vor. Sie könne keine Behandlung durchführen, da ihr immer gesagt werde, dass sie abhängig sei und erst die Abhängigkeit bekämpfen solle. Tatsächlich sei sie jedoch nicht abhängig, sondern sie benötige das Cannabis wie ihr auch von der Bundesopiumstelle bestätigt worden sei. Die Klägerin hat Bescheinigungen über Krankengymnastikbehandlungen in den Jahren 2012, 2014 und 2015 und einen Behandlungsvertrag mit dem Pf. für Psychiatrie und Neurologie, K., vom 11.05.2015 sowie eine Bescheinigung des Psychiatrischen Zentrums N. vom 12.11.2015, wonach sie sich dort ab dem 19.03.2015 in ambulanter Behandlung befand, vorgelegt. Ergänzend hat sie die ärztliche Bescheinigung des Pf., Tagesklinik Sp. vom 30.05.2016, ausweislich derer sie sich am 11.05.2015 zur teilstationären Aufnahme vorstellte, sich aber nicht in der Lage gesehen habe, die vereinbarte Cannabisabstinenz einzuhalten, so dass noch am selben Tag die Entlassung erfolgt sei, und das im Rentenverfahren erstattete Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 20.10.2015 für die Rentenversicherung zu den Akten gegeben. Nach dem Gutachten wurde bei der Klägerin eine ausgeprägte, vor allem histrionisch-exzentrische Persönlichkeitsstörung, DD Pseudoneurotische/pseudopsychopathische Verlaufsform einer Psychose, eine Cannabisabhängigkeit, DD auch Cannabis(Drogen)induzierte Psychopathologie, ein sporadisch multipler weiterer Substanzgebrauch sowie LWS-Beschwerden und angegebene Knie- und Handgelenksbeschwerden diagnostiziert. Eine psychiatrische Behandlung finde zur Zeit nicht statt. Eine psychotherapeutische Behandlung habe in den Jahren 1996, 2011 und 2014 für wenige Stunden stattgefunden. Eine überdauernde Funktionsstörung von sozialmedizinischer Relevanz sei im gutachterlichen Querschnitt sicherlich nicht herzuleiten. Der ärztlich verordnete Cannabiskonsum sei vor dem Hintergrund der beschriebenen Psychopathologie problematisch und schlichtweg nicht nachvollziehbar. Eine Schmerzbeeinträchtigung sei zu keinem Zeitpunkt auch nur andeutungsweise irgendwie nach außen hin erkennbar gewesen. Zuletzt hat die Klägerin einen Arztbrief des Psychiatrischen Zentrums N. vom 13.05.2016 (erste Vorstellung in der Fachambulanz Suchttherapie auf Anregung des Jugendamts (Sorgerecht für den Sohn) am 12.05.2016) eingereicht. Auf Nachfrage hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Behandlung im Pf. nicht stattgefunden habe, da man von ihr für die Dauer der Behandlung absolute Abstinenz von Cannabis verlangt habe. Dasselbe gelte auch für eine multimodale Schmerztherapie (z.B. nach Prof. Sch.). Diese Behandlungen lehne sie mittlerweile aus persönlichen Gründen ab. Außerdem hat die Klägerin weitere Lieferscheine der L.-Apotheke über Cannabisblüten und eine Bestätigung der Apotheke vom 16.06.2016 (Januar 2015 bis April 2016 43 Packungen Cannabis-Floss zum Einzelpreis von 75,00 EUR und am 28.09.2013 und am 24.10.2013 je eine Rezepturzubereitung Dronabinol zum Einzelpreis von jeweils 234,36 EUR) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sachgerecht gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.10.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2015 zu verurteilen, ihr die in der Zeit Januar 2015 bis April 2016 entstandenen Kosten für die Behandlung mit Medizinal-Cannabisblüten in Höhe von 3.225,00 EUR sowie mit dem Rezepturarzneimittel Dronabinol am 28.09.2013 und 24.10.2013 in Höhe von 468,72 EUR zu erstatten und sie zukünftig mit Medizinal-Cannabisblüten zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids. Die vom BSG geforderten und vom BVerfG vorgegebenen Kriterien für die Anwendung einer nicht anerkannten Behandlungsmethode lägen nicht vor. Die Klägerin leide weder an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung noch seien die medikamentösen Therapieoptionen ausgeschöpft.

Beide Beteiligte haben jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Rentenakte des SG (S 15 R 568/14) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG statthaft. Streitgegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens ist die Erstattung der Aufwendungen, die der Klägerin für die Beschaffung von Dronabinol und Medizinal-Cannabisblüten entstanden sind und die zukünftige Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten. Die Kosten belaufen sich ausweislich der Bescheinigung der L.-Apotheke auf insgesamt 3.693,72 EUR, so dass der nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten ist. Außerdem begehrt sie zukünftige Versorgung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Da die Berufung auch form- und fristgerecht eingelegt wurde (vgl. § 151 SGG), ist die Berufung zulässig.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2015, mit dem die Beklagte allein über die Übernahme der Versorgung mit Cannabis-Blüten entschieden hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen (Sachleistungs-)Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten und damit auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Beschaffung von Medizinal-Cannabisblüten in der Vergangenheit (hierzu 1.). Bezüglich der geltend gemachten Kosten für Dronabinol war die Klage bereits unzulässig. Es fehlt insoweit an einer Dronabinol ablehnenden von der Klägerin angefochtenen Verwaltungsentscheidung der Beklagten (hierzu 2.).

1. Da mangels entsprechender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Anspruchsgrundlage nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht.

Diese Regelung bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Das Gesetz sieht damit in Ergänzung des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausnahmsweise Kostenerstattung vor, wenn der Versicherte sich eine Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen musste, weil sie von der Krankenkasse als Sachleistung wegen eines Mangels im Versorgungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt worden ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 02.11.2007, - B 1 KR 14/07 R -; Urteil vom 14.12.2006, - B 1 KR 8/06 R -, beide in juris). Der Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht hierbei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse (etwa auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V). Die Krankenkasse muss Aufwendungen des Versicherten nur erstatten, wenn die selbst beschaffte Leistung (nach Maßgabe des im Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Rechts, BSG, Urteil vom 08.03.1995, - 1 RK 8/94 -, in juris) ihrer Art nach oder allgemein von den Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen gewesen wäre oder nur deswegen nicht erbracht werden kann, weil ein Systemversagen die Erfüllung des Leistungsanspruchs im Wege der Sachleistung gerade ausschließt (BSG, Urteil vom 08.09.2015, - B 1 KR 14/14 R - m.w.N., in juris).

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V unter anderem die Versorgung mit Arzneimitteln. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung unterliegt nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Nach diesen Vorschriften müssen die Leistungen der Krankenkassen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Außerdem müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V)

Bezüglich der Arzneimittel ist zu differenzieren zwischen zulassungspflichtigen Fertigarzneimitteln und zulassungsfreien Rezepturarzneimitteln.

Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an Endverbraucher bestimmten Verpackung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs. 1 Arzneimittelgesetz [AMG]). Sie bedürfen nach § 21 AMG grundsätzlich der Zulassung durch die dafür zuständige Behörde. Verfügt ein Fertigarzneimittel nicht über die nach dem deutschen Arzneimittelrecht notwendige Zulassung bzw. in der seit 23.07.2009 geltenden Fassung des Gesetzes vom 17.07.2009 alternativ der europarechtlichen Genehmigung, fehlt es (schon deshalb) an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung im Sinne der §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V. Das nicht zugelassene Fertigarzneimittel gehört von vornherein nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSG, Urteile vom 03.07. 2012 - B 1 KR 25/11 R -, 27.03.2007 - B 1 KR 30/06 R - und 02.09.2014 - B 1 KR 11/13 R -, alle in juris). Eine etwaige Zulassung oder Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels im Ausland ändert daran nichts. Unbeschadet der Möglichkeit, ausländische Zulassungsentscheidungen zu übernehmen (§ 37 Abs. 1 Satz 2 AMG) und unbeschadet spezieller europarechtlicher Gemeinschaftsverfahren im Arzneimittelbereich führt dies nur dazu, dass das Arzneimittel importiert und ärztlich verordnet werden darf (§ 73 Abs. 3 AMG); die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen wird dadurch nicht begründet (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 30.08.2006 - L 5 KR 281/06 - in juris, m.w.N.; nachgehend BSG, Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 25/11 R - und 27.03.2007 - B 1 KR 30/06 R -, beide in juris).

Für zulassungsfreie Rezepturarzneimittel ist das in § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgelegte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu beachten. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der GBA auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung. Die Verordnung als Rezepturarzneimittel ist - wie der Einzelimport nach § 73 Abs. 3 AMG - unter Beachtung des BtMG zwar betäubungsmittelrechtlich zulässig. Neuartige Therapien mit einem Rezepturarzneimittel, die vom GBA nicht empfohlen sind, dürfen die Krankenkassen jedoch grundsätzlich nicht gewähren, weil sie an das Verbot des § 135 Abs.1 Satz 1 SGB V und die das Verbot konkretisierenden Richtlinien des GBA gebunden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 27.03.2007 - B 1 KR 30/06 R -, in juris).

Von diesen rechtlichen Vorgaben ausgehend hat die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Medizinal-Canabisblüten in Form eines Rezepturarzneimittel als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Denn insoweit fehlt es an der nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderlichen befürwortenden Entscheidung des GBA (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2015 - L 4 KR 3786/13 - und Beschluss vom 29.04.2016 - L 4 KR 4368/15 -, beide in juris), ohne die - wie bereits ausgeführt - neue Behandlungsmethoden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht gewährt werden können.

Auf die Empfehlung des GBA kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil Dr. G. in seinem Bericht vom 21.08.2014 und auch Dr. St. in seinem Attest vom 30.06.2014 - wobei hinsichtlich des Attestes wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zu Recht ausgeführt hat, unter Berücksichtigung der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. St. vom 21.09.2015 erhebliche Bedenken bestehen - die Behandlung befürworten und empfehlen. Dies allein vermag die Empfehlung des GBA nicht zu ersetzen. Auch aus dem Umstand, dass die Klägerin über eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG verfügt, wodurch das BfArM bestätigt hat, dass die medizinische Versorgung mit Cannabis im Einzelfall erforderlich ist, folgt nichts anderes. Diese Ausnahmeerlaubnis ersetzt nicht die vom GBA nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu treffende Empfehlung, welche Voraussetzung für eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2015 - L 4 KR 3786/13 - und Beschluss vom 29.04.2016 - L 4 KR 4368/15 -, beide in juris).

Die Klägerin hat auch nicht deshalb einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr Medizinal-Cannabisblüten als Sachleistung zur Verfügung stellt, weil ein Ausnahmefall des sogenannten Seltenheitsfall oder des sogenannten Systemversagens vorliegt. Der sogenannte Seltenheitsfall ist gegeben bei einer Krankheit, die weltweit nur extrem selten auftritt und die deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08.09.2009 - B 1 KR 1/09 R - und Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R -, beide in juris). Ein Systemversagen ist zu bejahen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für die Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In solchen Fällen ist die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben. Deshalb muss dann die Möglichkeit bestehen, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 07.05.2013 - B 1 KR 44/12 R -, in juris).

Hier liegen - wie das SG nicht zu beanstandender Weise im Gerichtsbescheid ausgeführt hat - beide Ausnahmefälle nicht vor. Eine Schmerzerkrankung und die psychischen Probleme der Klägerin sind weltweit nicht so selten, dass sie weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden könnten. Auch Anhaltspunkte dafür, dass sich die antragsberechtigten Stellen (Kassenärztliche Bundesvereinigung, Kassenärztliche Vereinigung oder Spitzenverband der Krankenkassen) oder der GBA aus sachfremden oder willkürlichen Erwägungen mit der Materie nicht oder zögerlich befasst haben, sind nicht ersichtlich. Ein Systemversagen ist nicht deshalb zu bejahen, weil die Klägerin nach ihrem Vortrag nicht behandelt werden kann, weil ihr immer gesagt werde, dass sie abhängig sei und erst die Abhängigkeit bekämpfen solle, sie tatsächlich jedoch nicht abhängig sei. Dies stellt keine Form des Systemversagens dar. Dies bedeutet nur, dass die Klägerin mit der ihr angebotenen und indizierten Behandlung nicht einverstanden ist.

Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung stützen (BVerfG, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - in juris). Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.11.2011 (BGBl I S. 2983) in Kraft getretenen § 2 Abs. 1a SGB V Rechnung getragen. Nach dieser Vorschrift können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Eine solche notstandsähnliche Situation ist im vorliegenden Fall der Klägerin nicht gegeben. Die chronische Schmerzerkrankung, die Schlafstörungen, die orthopädischen Probleme und auch die psychischen Erkrankungen der Klägerin stellen keine akut lebensbedrohliche Erkrankung dar. Diese Erkrankungen sind auch, trotz der erheblichen, vom Senat nicht verkannten Beeinträchtigungen für die Lebensqualität der Klägerin, einer solchen lebensbedrohlichen Erkrankung nicht gleichzustellen. Darüber hinaus scheitert ein Anspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 1a Satz 1 SGB V aber auch daran, dass zur Behandlung der Erkrankungen der Klägerin insbesondere z.B. auch durch eine multimodale Schmerztherapie allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Der Klägerin ist es - auch wenn sie selbst meint, dass sie Cannabis dringend benötige und hiervon nicht abhängig sei -zuzumuten, die dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Leistungen auszuschöpfen. Insbesondere wenn die Klägerin - so ihr Vortrag - nicht von Cannabis abhängig ist, sieht der Senat keinen Grund, weshalb sie nicht auf Cannabis (zumindest) für die Zeit der Behandlung verzichten kann.

Da - wie dargelegt - ein Sachleistungsanspruch nicht besteht, besteht auch kein Kostenerstattungsanspruch bezüglich der für den Erwerb von Cannabis-Blüten verauslagten 3.225,00 EUR.

2. Bezüglich der geltend gemachten Kosten für Dronabinol in Höhe von 468,72 EUR fehlt es an einer von der Klägerin angefochtenen Verwaltungsentscheidung der Beklagten. Mit dem Bescheid vom 27.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.05.2015 hat die Beklagte dem Antrag der Klägerin vom 14.11.2014 entsprechend nur über die geltend gemachte Versorgung der Klägerin mit Medizinal-Cannabisblüten entschieden. Nur dies ist Gegenstand dieses Rechtsstreits. Die auf Erstattung der Kosten für Dronabinol erhobene Klage der Klägerin war unzulässig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

4. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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