L 17 U 473/15 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 26 U 27/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 473/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 14.05.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe der der Beschwerdeführerin zustehenden Rechtsanwaltsvergütung nach ihrer Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) im Verfahren zum Aktenzeichen S 26 U 27/08 vor dem Sozialgericht Duisburg (SG).

In dem Verfahren war streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Verletztenrente wegen einer Berufskrankrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zu Berufskrankheitenverordnung hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.01.2012 stellte die Beschwerdeführerin neben dem Sachantrag auch einen Prozesskostenhilfeantrag. Das Verfahren wurde mit klageabweisendem Urteil vom 31.01.2012 rechtskräftig beendet.

Mit Beschluss vom 14.05.2012 bewilligte das SG dem Kläger für das Verfahren ab 31.01.2012 Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete ihm die Beschwerdeführerin bei.

Mit Schriftsatz vom 29.5.2012 beantragte diese für die "Leistungszeit vom 20.09.2006 bis 29.05.2012" die Erstattung von insgesamt 557,16 Euro. Die geltend gemachte Erstattungsforderung bezifferte sie im Einzelnen wie folgt:

"Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem Sozialgericht, vorausgegangenes Verwaltungsverfahren § 49 RVG, Nrn. 3103, 3102 VV RVG 221,00 EUR
Terminsgebühr im Verfahren vor Sozialgericht § 49, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz, Nr. 7003 VV RVG ... 7,20 EUR
Geschäftsreise, Tage-und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG 20,00 EUR
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme netto 468,20 EUR
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 88,96 EUR
zu zahlender Betrag 557,16 EUR
... "

Die Höhe der Verfahrensgebühr begründete sie mit dem Umfang des Verfahrens und den Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Kläger.

Am 06.08.2012 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die der Beschwerdeführerin zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 341,77 Euro fest. Hierbei kürzte er die Verfahrensgebühr nach VV 3103 RVG auf 40,00 Euro (doppelte Mindestgebühr nach VV 3103 RVG). Zur Begründung führte er aus, die beigeordnete Rechtsanwältin könne lediglich die Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus ihrer Tätigkeit ab Wirksamwerden ihrer Beiordnung ab dem 31.01.2012 und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergebe. Die weiteren Gebühren setzte er antragsgemäß fest.

Hiergegen legte die Beschwerdeführerin Erinnerung ein, in der sie die Auffassung vertrat, dass es für die Höhe der Gebühren, trotz der erst später erfolgten Beiordnung, auf die Gesamttätigkeit in dem Verfahren und nicht auf die Tätigkeit, die erst nach Beiordnung ausgeübt worden sei, ankomme. Nach Anhörung des Beschwerdegegners, der die Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle teilte, wies das SG die Erinnerung mit Beschluss vom 03.07.2015 zurück.

In ihrer am 15.07.2015 eingelegten Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, vertritt die Beschwerdeführerin weiterhin die Auffassung, dass bei der Höhe der Verfahrensgebühr das gesamte Tätigwerden im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen sei, da es sich bei der Verfahrensgebühr um eine Dauergebühr handele.

Sie beantragt sinngemäß,

die ihr zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie beantragt i.H.v. 557,16 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Beschwerde für unbegründet. PKH sei erst auf Antrag vom 31.01.2012 ab 31.01.2012 gewährt worden. Es sei daher in Bezug auf die Verfahrensgebühr nur auf den Arbeitsaufwand ab Wirksamwerden der Beiordnung abzustellen. Am Sitzungstag (vor Terminsbeginn) habe lediglich eine kurze Tätigkeit stattgefunden, welche von der festgesetzten Verfahrensgebühr umfasst sei.

II.

Der Senat entscheidet durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - RVG -), da die Sache keine besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 2 und 3 RVG). Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 33 Abs. 4 S. 1 RVG).

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Beschwerdeführerin steht gegenüber der Staatskasse kein höherer Vergütungsanspruch als festgesetzt zu. Die Festsetzung des Urkundsbeamten ist, wie auch bereits das SG in dem angefochtenen Beschluss festgestellt hat, nicht zu beanstanden.

Der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt erhält die gesetzliche Vergütung in Verfahren vor Gerichten eines Landes aus der Landeskasse (§ 45 Abs. 1 RVG). Konkret streitig ist im vorliegenden Verfahren nur die Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG. Für die Höhe der Vergütung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG auf das Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV) zurückzugreifen, wobei in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie hier - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist (§ 183 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz), Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Innerhalb des durch den jeweiligen Tatbestand des VV vorgegebenen Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt die Höhe der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Beteiligten, dem er beigeordnet ist, sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und des Haftungsrisikos nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Da der Begriff der Unbilligkeit bzw. des billigen Ermessens erhebliche Unschärfen aufweist, ist dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr ein Spielraum einzuräumen; dementsprechend ist die Gebühr erst bei Überschreiten einer Toleranzgrenze von 20 % als unbillig zu qualifizieren. Grundsätzlich gilt die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes in einem Durchschnittsfall mit der Mittelgebühr als angemessen abgegolten wird; diese greift ein, wenn die Tätigkeit bezogen auf die in § 14 RVG beispielhaft aufgeführten Kriterien als durchschnittlich anzusehen ist. Ob ein derartiger Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus einem Vergleich des konkreten Verfahrens mit sonstigen sozialrechtlichen Streitverfahren und ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Festsetzung der Verfahrensgebühr durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach Nr. 3101 VV RVG in der hier anzuwendenden Fassung vom 06.07.2009 (Betragsrahmen: 20,00 bis 320,00 Euro) mit 40,00 Euro, also in Höhe der doppelten Mindestgebühr, nicht zu beanstanden. Die Bestimmung der Verfahrensgebühr in Höhe von 221,00 Euro durch die Beschwerdeführerin war unbillig, sodass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle diese Bestimmung bei der Festsetzung nicht zu übernehmen hatte.

Bei der Festsetzung der Gebühr kann - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin -, wie bereits der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und das SG zutreffend entschieden haben, nur der Teil des Verfahrens zur Ausfüllung der Kriterien aus § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden, für den Prozesskostenhilfe bewilligt und der betroffene Anwalt beigeordnet war. Denn der Vergütungsanspruch nach § 48 Abs. 1 RVG, wobei angesichts des Zeitpunkts der Beiordnung das RVG in der vom 01.09.2009 bis 31.07.2013 gültigen Fassung vom 6.7.2009 zugrundezulegen ist (vergleiche § 60 Abs. 1 S. 2 RVG), bestimmt sich nach den Beschlüssen, durch die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet wurde. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist damit nach Grund und Höhe vom Umfang der Beiordnung abhängig (vergleiche für viele Hartmann, Kostengesetze, 42. bis 45. Auflage, § 48 RVG Rn. 5). Der von der Beschwerdeführerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung herangezogene Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.09.2008, L 19 B 21/08 AS, ist vorliegend nicht einschlägig, da der PKH-Antrag, anders als hier, in dem dort entschiedenen Fall bereits Klageerhebung erfolgt war.

Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ab dem 31.01.2012 ist vorliegend jedoch deutlich unterdurchschnittlich und somit am untersten Wert des Gebührenrahmens anzusiedeln. Die Beschwerdeführerin musste, wenn überhaupt, lediglich vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung eine kurze Besprechung durchführen. Anhaltspunkte für eine besondere Schwierigkeit sind nicht ersichtlich. Da die Beschwerdeführerin den Kläger schon vor ihrer Beiordnung vertreten hatte, sind die Bearbeitung des Klageverfahrens und die erforderlichen Besprechungen mit dem Kläger - auf Kosten des Klägers, da PKH noch nicht bewilligt war - unzweifelhaft bereits vor dem Sitzungstag erfolgt. Dies ergibt sich auch aus dem Kostenerstattungsantrag der Beschwerdeführerin, da sie eine Erstattung für die Leistungszeit vom 20.09.2006 bis 29.05.2012 geltend gemacht hat. Aus der Niederschrift zum Termin zur mündlichen Verhandlung ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf besondere Kommunikationsprobleme mit dem Kläger. Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sind ausweislich der im Rahmen des PKH-Verfahrens eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse weit unterdurchschnittlich. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger mag, auch unter Berücksichtigung von Anrechnungsvorschriften in der Renten- und Unfallversicherung, durchschnittlich gewesen sein. Da aber auch kein besonderes Haftungsrisiko erkennbar ist, sind keine Gründe für eine von der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abweichende Vergütungsfestsetzung erkennbar.

Die übrigen Gebührenansätze sind unstreitig.

Damit ergibt sich folgende Vergütungsfestsetzung:

Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem SG, Nr. 3103 VV RVG 40,00 Euro
Terminsgebühr im Verfahren vor dem SG, Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz, Nr. 7003 VV RVG 7,20 Euro
Geschäftsreise, Tage-und Abwesenheitsgeld, Nr. 7003 VV RVG 20,00 Euro
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Zwischensumme netto 287,20 Euro
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 54,57 Euro
zu zahlender Betrag 341,77 Euro

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 56 Abs. 2 S. 3 RVG).

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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