S 6 KR 191/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 191/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung.

2. Eine Abrechnung der aufsuchenden Wochenbettbetreuung erfordert zwingend die Angabe der Zeit.

3. Die Abrechnung von Wegegeld setzt zur Fälligkeit voraus, dass auch die Zeit der Leistungserbringung angegeben wird.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Vergütung für Hebammenhilfe.

1. Die Klägerin ist als Leistungserbringer für Hebammenhilfe zugelassen. Sie betreute vom 30. September 2013 bis 22. Dezember 2013 eine bei der Beklagten Versicherte, die am 14. November 2013 von einem Kind entbunden wurde. Hierfür stellte sie der Beklagten am 15. Januar 2014 einen Betrag in Höhe von 336,27 Euro in Rechnung. Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich der Zahlbetrag auf 40,91 Euro belaufe. Ein Betrag in Höhe von 295,36 Euro könne nicht bezahlt werden, weil die Abrechnung neben dem Datum auch eine Zeitangabe des Beginns erfordere. Auf der Versichertenbestätigung C ist tatsächlich lediglich ein Datum, aber keine Uhrzeit angegeben.

2. Am 6. Mai 2015 erhob die Klägerin Klage. Die Kürzung der Vergütung sei unbegründet. Die Angabe der Uhrzeit der Leistungserbringung sei keine Voraussetzung für den Anspruch auf Vergütung. Die Angabe der Uhrzeit der Leistungserbringung sei nur für solche Leistungen notwendig, soweit dies für die Höhe der Vergütung von Bedeutung sei. Bei Leistungen, die pauschal vergütet werden, vermöge der Beginn der Leistung bzw. die Dauer der Leistung an der Höhe der Vergütung nichts zu ändern. Für die aufsuchenden Wochenbettbesuche erhalte die Hebamme eine pauschale Vergütung in Höhe von 31,28 Euro. Daher sei die Angabe von Zeitpunkt und Dauer der Leistung nicht erforderlich. Auch § 4 Abs. 1 der Hebammen-Vergütungsvereinbarung könne hieran nichts ändern. § 4 der Hebammen-Vergütungsvereinbarung müsse gesetzeskonform und damit nach den Vorgaben des § 301a SGB V angewandt und notfalls ausgelegt werden. Würde man § 4 Abs. 1 der Hebammen-Vergütungsvereinbarung dahingehend auslegen, dass für den Wochenbettbesuch Anfangs- und Endzeiten anzugeben seien, so verstoße dies gegen die Vorgaben des § 301a SGB V. Die Hebamme würde infolgedessen Daten an die Krankenkasse übermitteln, für deren Übermittlung keine datenschutzrechtliche Grundlage bestünde. Eine Pflicht zur rechtswidrigen Datenübermittlung könne aber nicht als Voraussetzung für den Vergütungsanspruch gemacht werden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine weitere Vergütung in Höhe von 295,36 Euro aus der Rechnung mit der Nr. 2013199-K/7KBO vom 15. Januar 2014 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. 3. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für die Entstehung des Vergütungsanspruchs sei es erforderlich, dass die Versichertenbestätigung vollständig ausgefüllt werde.

4. Hierauf erklärte die Klägerin, dass es sich bei der Regelung des § 4 der Hebammen-Vergütungsvereinbarung um ein redaktionelles Versehen handele. § 301a SGB V stelle abschließend fest, wann die datenschutzrechtliche Befugnis der Hebamme bestehe, personenbezogene Daten zu übermitteln. Die Leistung des Wochenbettbesuchs werde unabhängig von der Dauer des Besuchs vergütet.

5. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegte Beklagtenakte sowie die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 295,36 Euro.

1. Die Klage ist zulässig.

1.1 Streitgegenstand ist der Anspruch eines Leistungserbringers (hier: einer Hebamme) gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der Vergütung für Hebammenhilfe, die die Klägerin gegenüber einer Versicherten der Beklagten erbracht habe. Ihren Zahlungsanspruch hat die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG geltend gemacht. Denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Kosten für Hebammenhilfe gerichteten Klage einer Hebamme gegen eine Krankenkasse um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 10.04.2008 - B 3 KR 19/05 R - zitiert nach juris, m.w.N.).

1.2 Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs erfolgt. Betrifft ein Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern; es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter) Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (BSG, a.a.O.). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

1.3 Die Klage ist somit zulässig.

2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung weiterer Hebammenhilfe.

2.1 Streitgegenstand ist vorliegend der Betrag in Höhe von 295,36 Euro. Dieser betrifft die Position aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt, die Zulage für die erste aufsuchende Wochenbettbetreuung, das Wegegeld als ambulante hebammenhilfliche Leistung und die Materialpauschale bei Beginn der aufsuchenden Wochenbettbetreuung später als vier Tage nach der Geburt. Auch wenn die Beteiligten das nicht besonders problematisiert haben, ist die Leistung der Mutterschaftsvorsorge und Schwangerenbetreuung in Form der Beratung am 30. September 2013 sowie die Beratungen der Wöchnerin mittels Kommunikationsmedium am 16. und 22. November 2013 sowie am 12., 15., 18. und 20. Dezember 2013 nicht Streitgegenstand, weil die Beklagte diese Leistungen bezahlt hat.

2.2 Der Anspruch von Versicherten auf Hebammenhilfe ist in § 24d SGB V geregelt. Regelungen zum Verhältnis der Leistungserbringer zu den Krankenkassen enthält § 134a SGB V, der entsprechende vertragliche Vereinbarungen vorsieht, sowie § 301a SGB V, der die Übermittlung von Leistungsdaten regelt. Die Berufsverbände der Hebammen haben mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen den "Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V" geschlossen. § 12 des Vertrages regelt die Vergütung und verweist hierzu auf Anlage 1, die die Hebammen-Vergütungsvereinbarung (vorliegend in der Fassung ab 01.01.2013) enthält. Die Hebammen-Vergütungsvereinbarung wiederum verweist unter anderem auf Anhang A, der die Modalitäten zur Versichertenbestätigung regelt.

2.3 Die Klägerin als zugelassene Hebamme ist grundsätzlich zur Leistungserbringung von Hebammenhilfe gegenüber Versicherten der Beklagten berechtigt. Mit der Erbringung der Hebammenhilfe erwirbt sie einen Vergütungsanspruch, den sie gegenüber der Beklagten abrechnen kann. Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung ist aber eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten voraus (vgl. für den Bereich der Krankenhausabrechnung: BSG, Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 10/15 R - zitiert nach juris, m.w.N.).

2.4 Die Klägerin hat keinen fälligen Anspruch auf Vergütung weiterer Hebammenhilfe. Denn insoweit ist eine ordnungsgemäße Abrechnung der Hebeammenhilfe nicht erfolgt.

2.4.1 Die Hebammen-Vergütungsvereinbarung sieht in § 5 Abs. 1 vor, dass gesonderte Positionsnummern nach dem Leistungsverzeichnis abrechenbar sind, wenn Leistungen der Hebamme zur Nachtzeit, an Samstagen ab 12 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen erbracht werden. Damit einher geht die Positionsnummer 1800 "Aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt als ambulante hebammenhilfliche Leistung", die hierfür 31,28 Euro aufweist, und die Positionsnummer 1810 "Aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt gemäß § 5 Abs. 1 als ambulante hebammenhilfliche Leistung", die hierfür 37,51 Euro ausweist. Daher wird die aufsuchende Wochenbettbetreuung bei der Wöchnerin nach der Geburt abhängig von der Zeit der Leistungserbringung abgerechnet. Somit erfordert eine Abrechnung der aufsuchenden Wochenbettbetreuung zwingend die Angabe der Zeit. Andernfalls kann die korrekte Vergütungshöhe gar nicht beziffert werden. Auch datenschutzrechtliche Regelungen stehen dem nicht entgegen. Nach § 301a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V hat die Datenübertragung den Tag der Leistungserbringung zu benennen, nach Nummer 3 sind Zeit und die Dauer der erbrachten Leistungen, soweit dies für die Höhe der Vergütung von Bedeutung ist, zu übertragen. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob sich der Halbsatz "soweit dies für die Höhe der Vergütung von Bedeutung ist" auf Zeit und Dauer oder nur auf Dauer bezieht. Denn - wie dargestellt - ist vorliegen die Zeit der Leistungserbringung für die Höhe der Vergütung von Bedeutung. Daher hat eine Abrechnung entsprechende Angaben zu enthalten. Demnach hat die Klägerin keinen fälligen Anspruch wegen der aufsuchende Wochenbettbetreuung. Gleiches gilt für die Zulage für die erste aufsuchende Wochenbettbetreuung in Höhe von 6,42 Euro. Mangels Hauptleistung kann auch ein Vergütungsanspruch auf Zulage nicht fällig sei.

2.4.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Wegegeld. Nach § 301a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V sind bei der Abrechnung von Wegegeld Datum, Zeit und Ort der Leistungserbringung sowie die zurückgelegte Entfernung zu übermitteln. Die Klägerin hat die Zeit der Leistungserbringung nicht übermittelt. Damit ist keine Fälligkeit eingetreten. Die Argumentation der Klägerin, bezüglich des Wegegeldes sei die gesetzliche Regelung einschränkend auszulegen, greift nicht durch. Die Klägerin wendet zutreffend ein, dass § 301a SGB V Vorschriften zur Datenübermittlung enthält. Diese dienen aber vorwiegend dem Schutz der Versicherten und nicht der Leistungserbringer. Auch unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und weiterer verfassungsrechtlicher Vorgaben kann das Gericht keine Umstände erkennen, die eine einschränkende Auslegung der für Versicherte getroffenen Datenschutzbestimmungen erfordert. Einer Wöchnerin sowie dem Neugeborenen ist es gleichgültig, ob der Krankenkasse nur das Datum der Leistungserbringung oder auch die Uhrzeit übermittelt wird. Ein Schutzinteresse der Versicherten ist für das Gericht daher nicht im Ansatz ersichtlich. Von daher setzt - der gesetzlichen Regelung entsprechend - die Abrechnung von Wegegeld zur Fälligkeit voraus, dass auch die Zeit der Leistungserbringung angegeben wird. Da dies nicht erfolgt ist, hat die Klägerin keinen fälligen Anspruch auf Wegegeld.

2.4.3 Die Klägerin hat auch keinen fälligen Anspruch auf Materialpauschale bei Beginn der aufsuchenden Wochenbettbetreuung später als vier Tage nach der Geburt. Der Anspruch auf die Materialpauschale ist akzessorisch zur Hauptleistung. Mangels fälligen Vergütungsanspruchs der Hauptleistung scheidet auch ein fälliger Vergütungsanspruch auf die Materialpauschale aus.

2.5 Demnach fehlt es an einer fälligen Abrechnung bezüglich des Betrages in Höhe von 295,36 Euro. Daher hat die Klägerin keinen Anspruch auf weitere Vergütung.

Die Klage ist somit abzuweisen.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Berufung bedarf der Zulassung, weil die Klage eine Geldleistung betrifft, die 750 Euro nicht übersteigt, § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen, § 144 Abs. 2 SGG.

-

Rechtsmittelbelehrung: Dieses Urteil kann nicht mit der Berufung angefochten werden, weil sie gesetzlich ausgeschlossen ist und vom Sozialgericht nicht zugelassen wurde. Die Nichtzulassung der Berufung kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der "Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG" an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Würzburg zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn a) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, b) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder c) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Vorsitzende der 6. Kammer Bhattacharyya Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
Saved