S 19 KA 25/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
19
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KA 25/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 117/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Tatbestand:

Streitig ist die Bestimmung des Standortes für die Errichtung eines sog. sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ).

Unter dem 29.09.2005 beantragte die Klägerin die Einrichtung einer Außenstelle ihres bestehenden SPZ an dem Betriebsteil St. Willibrordt-Spital Emmerich. Unter dem 07.07.2006 beantragte die Beigeladene zu 9) die Errichtung eines SPZ in Kleve. Unter dem 14.07.2006 beantragte die Beigeladene zu 8) die Errichtung eines SPZ an dem St.Clemens-Hospital in Geldern. Mit Beschlüssen vom 29.11.2006 ermächtigte der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf - Kammer II - die Beigeladene zu 8) nach § 119 5.Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Wirkung ab dem 01.01.2007 bis zum 31.12.2009 auf Überweisung von Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie Ärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie in dem aus dem Tenor des Ermächtigungsbeschlusses ersichtlichen Umfang und lehnte die Anträge der übrigen Bewerber ab: Laut einer Stellungnahme der Beigeladenen zu 6) bestehe im Kreis Wesel ein Bedarf für lediglich ein SPZ. ln entsprechender Anwendung des § 103 Abs. 4 Satz 4 SGB V seien gemäß dem sog. Altöttinger Papier als Auswahlkriterien neben der Personalausstattung und den medizinischen Einrichtungen die Anbindung an eine bestehende Kinderklinik und die vorgelegten Pläne für die Einrichtung des jeweiligen SPZ heranzuziehen.

Auf die u.a. von der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 9) erhobenen Widersprüche hob der Beklagte mit Beschluss vom 05.09.2007 die Beschlüsse vom 29.11.2006 auf und ermächtigte die Beigeladene zu 9) mit Wirkung ab dem 05.09.2007 bis zum 31.12.2009 in folgendem Umfang:

sozialpädiatrische Behandlung von Kindern bei folgenden Erkrankungen:

1. Perinatologischer Problemkreis, vor allem ehemalige Risikoneugeborene und Frühgeborene mit Folgekrankheiten,

2. Störungen des zentralen und peripheren Nervensystems sowie Störungen der psychomotorischen/mentalen Entwicklung,

3. Erkrankungen des neuromuskulären Apparates,

4. Metabolische Erkrankungen, Chromosomenanomalien und Syndrom-Patienten mit Mehrfachbehinderungen,

5. Störungen der Sinnesorgane, insbesondere peripheren und zentraler Hörstörungen sowie Stimm- und Sprachstörungen,

6. Psychische Störungen und Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit psychosozialen Risikofaktoren, interaktionsstörungen, Milieuschäden, Deprivation und Mißbrauch von Personen,

7. Psychische Störungen und Verhaltensstörungen bei chronischen Erkrankungen und Behinderungen mit psychosozialer Begleitsymptomik,

auf Überweisung von Fachärzten für Kinderheilkunde und Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie Fachärzten für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Ferner verfügte der Beklagte, dass dem Antrag der Beigeladenen zu 8) vom 14.07.2006 auf Zulassung eines SPZ am St. Clemens-Hospital Geldern gemäß § 119 SGB V nicht stattgegeben werde und die Widersprüche im Übrigen zurück gewiesen würden: In Anbetracht von ca. 292.000 Einwohnern bestehe im Kreis Kleve ein Bedarf für jedenfalls ein SPZ. Das Zurücklegen der Entfernungen, die von Kleve, Emmerich oder Kevelar zu dem derzeitigen SPZ in Wesel anfielen, seien angesichts der anfallenden Wegstrecken von bis zu 60 km nicht zumutbar. Ausschlaggebend für die Auswahl sei die örtliche Lage eines SPZ in Kleve gewesen. Ca. 135.000 der ca. 292.000 Einwohner des Planungsbereichs lebten im Stadtgebiet von Kleve bzw. einem Radius von 10 km, der insbesondere die Städte Goch, Kalkar und Emmeridh mit insgesamt ca. 60.000 Einwohnern umfasse. Kleve sei als Kreisstadt von der Mehrzahl der Einwohner des Kreisgebiets sowohl im öffentlichen Personen-Nahverkehr als auch im Individualverkehr gut, nämlich innerhalb weniger als einer halben Stunde zu erreichen. Die im südlichen Teil des Kreisgebiets lebenden Bewohner der Städte Kevelaer, Geldern und Straelen könnten sich an die in Wesel, Krefeld, Düsseldorf und Duisburg gelegenen SPZ wenden. Die Beigeladene zu 9) stelle sowohl den essentiellen wie auch den ergänzenden Personalbedarf im Sinnes des sog. Altöttinger Papiers sicher. Der Verbund der Katholischen Kliniken des Kreises Kieve sichere die apparative Ausstattung des für Kleve geplanten SPZ. Auch das von der Beigeladene zu 9 vorgeiegte Raumkonzept entspreche den Anforderungen. Auf die Gründe des Beschlusses vom 05.09.2007 wird im Übrigen Bezug genommen.

Die Klägerin trägt zur Begründung der dagegen binnen Monatsfrist erhobenen Klage im wesentlichen vor: Wenn der Beklagte im Rahmen seines Beurteilungsspielraums einen Bedarf für ein gewissermaßen volles zusätzliches SPZ in Kleve gesehen habe, sei die zwischen mehreren Bewerbern zutreffende ermessengebundene Auswahlentscheidung entsprechend § 109 Abs. 3 Nr. 1 SGB V wie bei der Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan zu treffen; von daher könne im Ergebnis nur sie, die Klägerin berücksichtigt werden. Das von ihr in Wesel betriebene SPZ sei inzwischen ein eingeführtes Kompetenzzentrum für Behandiungsevaluation und besonders spezialisierte Diagnostik. So sei man mit der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin in den Krankenhausplan des Landes-Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden. Ferner betreibe man eine Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie mit einer Tagesklinik und eine Institutsambulanz. Das seit 1994 in Wesel bestehlende SPZ zeige eine.deutlich steigende Inanspruchnahme durch Patienten, die aus dem Großraum Kleve anreisten. Die derzeitigen Fahrzeiten von Kleve bzw. Weeze nach Wesel - Stadt betrügen weniger als 90 Minuten und seien daher zumutbar. Die geplante Errichtung einer Außenstelle in Emmerich solle der Lage in dem besonders benachteiligten rechtsrheinischen Teil des Kreises Kleve Rechnung tragen. Man habe in Wesel den Kontakt zu örtlichen Leistungserbringern intensiviert und ein hochwertiges Behandlungsangebot entwickelt, das im wesentlichen von drei kontinuierlich arbeitenden Fachteams sichergestellt werde; ein vergleichbares Angebot solle auch in der Außenstelle Emmerich vorgehalten werden, wobei das in Wesel existierende SPZ gewissermaßen als Mutter-SPZ fungiere. Schließlich könne man auf wirtschaftlichere Weise als ein "Klein-SPZ" in Kleve oder Geldern arbeiten. Man sei an eine Entscheidung des Beklagten über den Antrag interessiert, den man am 29.09.2005 gestellt habe

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, über den Zutassungsantrag der Klägerin vom 29.09.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unzulässig abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Der Beschluss vom 05.09.2007 sei rechtmäßig. Ohnehin sei der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, weil die der Beigeladenen zu 9) erteilte Ermächtigung mit dem 31.12.2009 abgelaufen sei.

Die Beigeladene zu 6) und die Beigeladene zu 9) beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 6) und die Beigeiadene zu 9) halten den Beschluss des Beklagten vom 05.09.2007 für rechtmäßig.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Aktenvorgänge des Zulassungsausschusses und des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unter Hintanstellung von Bedenken zulässig, aber unbegründet. Ob die Klägerin noch immer eine Ermächtigung zu dem Betrieb eines soziatpädiatrischen Zentrums in Emmerich ernsthaft anstrebt, erscheint in Anbetracht ihres schriftsätzlichen Vorbringens vom 27.07.2010 und vom 09.08.2010 fraglich. Darin trägt die Klägerin Bedenken gegen die Eröffnung eines SPZ in Geldern, Kleve oder Kevelar unter Betonung der Wirtschaftlichkeit ihres eingeführten SPZ in Wesel vor, ohne auf die in dem streitgegenständiichen Ermächtigungsantrag angeführte gewünschte Zweigstelle Emmerich einzugehen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte den unter dem 29.09.2005 gestellten Antrag auf Einrichtung einer Außenstelle des in Wese! bestehenden SPZ an dem Betriebsteil St. Willibrodt-Spital Emmerich förmlich bescheidet.

Es kann dahin stehen, ob der seitens der Klägerin am 29.09.2005 gestellte Antrag bereits dadurch verbraucht ist, dass der Zulassungsausschuss diesen Antrag mit Beschluss vom 29.11.2006 ablehnend beschieden und der Beklagte im Rahmen seines am 05.09.2007 gefassten Beschlusses den seitens der Klägerin unter dem 17.01.2007 erhobenen (Verpflichtungs-) Widerspruch zurückgewiesen hat. Eine Einrichtung der Art, wie sie sich aus dem unter dem 29.09.2005 gestellten Antrag ergibt, ist nicht nach § 119 SGB V zuiassungs- oder ermächtigungsfähig. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift können sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewehr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, vom Zulassungsausschuss zur ambulanten sozial pädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt werden (Satz 1). Die Ermächtigung ist zu erteilen, soweit und solange sie notwendig ist, um eine ausreichende sozialpädiatrische Behandlung sicherzusteilen (Satz 2). Nach § 119 Abs. 2 SGB V ist die Behandlung des sozialpädiatrischen Zentren auf diejenigen Kinder auszurichten, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können (Satz 1). Die Zentren sollen mit den Ärzten und den Frühförderstelien eng zusammen arbeiten (Satz 2). Eine sog. Außenstelle, wie sie die Klägerin gestützt au£Jhr seit 1994 in Wesel-Stadt betriebenes SPZ auf dem Gelände des Betriebsteils St. Willibrod-Spitai Emmerich zu errichten beabsichtigt, genügt diesen Vorgaben nicht.

Es kann dahinstehen, ob die von Seiten der Klägerin für einen Standort in Emmerich in Vorschlag gebrachte Einrichtung für sich genommen oder zumindest im Verbund mit dem von Seiten der Klägerin so bezeichneten Mutter- SPZ in Wesel wirtschaftlich zu arbeiten im Stande wäre; die nach dem Vorbringen der Klägerin geplante Einrichtung bietet jedoch keine Gewehr dafür, dass sie eine im Sinne von § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB V "leistungsfähige" sozialpädiatrische Behandlung bietet. Diese Vorschrift setzt nämlich einen sog. vollen Versorgungsauftrag voraus (vgl. dazu Kasskomm - Hess, § 119 SGB V, Rd.-Nr. 2), dessen Erfüllung der Kammer bis auf weiteres fraglich erscheint. Zwar mögen in dem von der Klägerin in Wesel betriebenen SPZ zumindest im Jahr 2008 8 Kinderärzte auf 4,8 Voilzeitstelien, 8 Psychologen auf 6,5 Vollzeitstellen und im therapeutischen Dienst 10 Mitarbeiter auf 7 Voilzeitstelien tätig gewesen seierff ob die entsprechenden drei kontinuierlich in Wesel arbeitenden Fachteams in der Lage wären, ein vergleichbares Angebot auch in Emmerich vor zuhalten, erscheint zumindest mit Blick auf die nicht unbeträchtliche Entfernung fraglich, über die die betreffenden Kinderärzte, Psychologen und übrigen Therapeuten zwischen Wesel und Emmerich zu pendeln hätten. Weitere Bedenken gegen die Gewährleistung eines sog. vollen Versorgungsauftrages ergeben sich für die Kammer daraus, dass es sich bei den betreffenden Ärzten, Psychologen und Therapeuten zumindest teilweise um Teilzeitkräfte handelt, die entweder in Emmerich oder in Wesel nicht für eine volle Tages- bzw. Abendsprechstunde zur Verfügung stehen können. Analogien zu den Bestimmungen über die Gründung und Genehmigung von sog. Zweig-Praxen (§§ 24 Abs. 3 Zulassungsordnung für Vertragsärzte - Ärzte - ZV -) hält die Kammer im Rahmen von § 119 SGB V für nicht statthaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz ;k3GG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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