L 20 AL 135/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 363/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AL 135/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Anwartschaftzeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 142 Abs. 1 SGB III) sind bei versicherungspflichtigen Gefangenen i.S.v. § 26 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 SGB III nur die Tage zu berücksichtigen, an denen sie tatsächlich Arbeit gegen Entgelt geleistet haben (vgl. § 43 Abs. 2 StVollzG). Arbeitsfreie Tage sind nicht zu berücksichtigen; das gilt (entgegen einer früheren Praxis der Bundesanstalt für Arbeit) auch für Wochenenden und Feiertage, die von Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung umrahmt werden.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.01.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der Kläger nach einer während der Strafhaft ausgeübten Arbeit (§§ 41, 43 StVollzG) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.

Der 1975 geborene Kläger war jedenfalls ab dem 12.06.2011 nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 25.04.2012 befand er sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) C in Strafhaft. Dort arbeitete er im Rahmen des Strafvollzugs zwischen dem 09.05.2012 und dem 07.06.2013 an den Werktagen; ausgenommen hiervon waren Freitag, der 18.05.2012, Freitag, der 08.06.2012, Freitag, der 21.09.2012, Freitag, der 02.11.2012, die Zeit vom 19.12.2012 bis (einschließlich) 31.12.2012, Dienstag, der 26.03.2013, Donnerstag, der 02.05.2013 und Freitag, der 03.05.2013 sowie Freitag, der 31.05.2013. An den Wochenenden und an den nordrhein-westfälischen gesetzlichen Feiertagen arbeitete der Kläger nicht. Am 11.06.2013 wurde er (unter Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes um sechs Tage gemäß § 43 StVollzG) aus der Haft entlassen.

Am 11.06.2013 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum 12.06.2013 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er legte eine Arbeitsbescheinigung der JVA vom 10.06.2013 vor, wonach für ihn im Zeitraum vom 09.05.2012 bis zum 07.06.2013 für insgesamt 342 Kalendertage Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung bestanden habe. Dabei bescheinigte die JVA für die Zeit bis zum 14.01.2014 (entsprechend den bis dahin für die Arbeitsbescheinigung geltenden Ausfüllhinweisen der Beklagten, arbeitsfreie Samstage, Sonntage und gesetzliche Wochenfeiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnitts liegen, nicht aus der versicherungspflichtigen Zeit herauszurechnen) neben den Tagen einer tatsächlichen Beschäftigung auch die von solchen Tagen umfassten Wochenenden (als jeweils zwei versicherungspflichtige Tage). Für die Zeit ab dem 15.01.2013 bescheinigte die JVA hingegen wegen sodann geänderter Weisungslage der Beklagten (Geschäftsanweisung zu § 26 SGB III - "Versicherungspflicht der sonstigen Versicherungspflichtigen") ausschließlich die Tage als versicherungspflichtige Zeiten, an denen der Kläger tatsächlich eine Beschäftigung ausgeübt hatte (vgl. die Ausfüllhinweise zur Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 4 SGB III; Anlage 3 zu § 312 SGB III Anhang 2 der Geschäftsanweisung Alg-SGB III).

Mit Bescheid vom 24.06.2013 lehnte die Beklagte eine Leistungsgewährung ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Denn er sei in den letzten zwei Jahren vor dem 11.06.2013 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen und habe daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§§ 142 und 143 SGB III). Der Kläger legte Widerspruch ein mit der Begründung, seine tatsächlichen Arbeitstage in der JVA seien falsch berechnet worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist (12.06.2011 bis 11.06.2013) seien - entsprechend der Arbeitsbescheinigung der JVA - nur 342 Kalendertage zu berücksichtigen, in denen der Kläger versicherungspflichtig gewesen sei. Er habe deshalb die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil er nicht mindestens zwölf Monate (360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe.

Hiergegen hat der Kläger am 08.08.2013 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben. Die erforderliche Anwartschaftszeit sei erfüllt. Nach den Lohnscheinen der JVA sei er dort in der Zeit vom 09.05.2012 bis zum 09.06.2013 mit Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung beschäftigt gewesen; er habe deshalb innerhalb der Rahmenfrist vom 12.06.2011 bis 11.06.2013 mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Der Arbeitsbescheinigung vom 10.06.2013 sei nicht zu folgen; sie enthalte nur die tatsächlichen Arbeitstage und erfasse damit nicht den gesamten Zeitraum des Versicherungspflichtverhältnisses. Konkret habe sein aus sonstigen Gründen (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) erwachsenes Versicherungspflichtverhältnis mit dem 09.05.2012 als dem Tag begonnen, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllt gewesen seien; geendet habe es mit dem 10.06.2013 als dem Tag, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht letztmals erfüllt gewesen seien. Habe er somit vom 09.05.2012 bis zum 10.06.2013 in einem Versicherungspflichtverhältnis (§ 142 Abs. 1 S. 1 SGB III) gestanden, so sei die Anwartschaftszeit erfüllt. Die Beklagten lasse demgegenüber § 24 SGB III unberücksichtigt. § 26 SGB III trage die Überschrift "Sonstige Versicherungspflichtige"; damit werde gesetzessystematisch auf § 24 Abs. 2, 2. Alt. und § 24 Abs. 4, 2. Alt. SGB III Bezug genommen, wo Beginn und Ende des Versicherungspflichtverhältnisses "für die sonstigen Versicherungspflichtigen" geregelt seien. Ausweislich der Lohnscheine habe er mit Ausnahme nur der Wochenenden, Feiertage, Brückentage mit geschlossener Werkstatt und Tage mit unverschuldeter Nichtbeschäftigung durchgehend gearbeitet. Wenn er als Gefangener jedoch tatsächlich wie ein Beschäftigter gearbeitet habe, könne sein Versicherungspflichtverhältnis auch zeitlich nicht anders als nach den Vorgaben in § 24 Abs. 2, 2. Alt., Abs. 4, 2. Alt. SGB III begrenzt werden. Die Rechtsauffassung der Beklagten verstoße gegen Art. 3 GG.

Der Kläger hat (nach der Antragsfassung des Sozialgerichts) schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2013 zu verpflichten, ihm Arbeitslosengeld ab Antragstellung in gesetzlicher Höhe für die gesetzliche Dauer zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf eine Änderung ihrer internen Weisungen hingewiesen. Die Versicherungspflicht Gefangener sei tageweise zu ermitteln; eine "Durchrechnung" des gesamten von Tätigkeit umfassten Zeitraumes mit Berücksichtigung auch der Tage, an denen der Gefangene nicht gearbeitet habe, sei nicht möglich. Ein Arbeitnehmer erziele in einem Beschäftigungsverhältnis durchgehend Arbeitsentgelt, auch wenn er nicht arbeite; bei einem Gefangenen sei dies nicht so. Nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III seien Gefangene nur versicherungspflichtig, wenn sie ein Arbeitsentgelt erhielten; dies führe zu einer auf jeden einzelnen Arbeitstag bezogenen Berücksichtigung. § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III sei ein Sondertatbestand der Versicherungspflicht, der nötig sei, weil grundsätzlich nur Personen versicherungspflichtig seien, die als Arbeitnehmer oder Auszubildende beschäftigt seien. Bei Gefangenen handele es sich jedoch nicht um Arbeitnehmer; denn sie verrichteten zugewiesene Arbeit außerhalb eines freien Beschäftigungsverhältnisses. Zwar sei die gesetzlich gewollte soziale Absicherung Gefangener in Anwendung der (neuen) Weisungen der Beklagten geringer als bei Arbeitnehmern; es entspreche jedoch dem Gesetzeswortlaut, für die Anwartschaftszeit allein die Tage mit tatsächlicher Ausübung einer zugewiesenen Arbeit des Gefangenen gegen Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 29.01.2014 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Kläger habe innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für mindestens zwölf Monate (360 Tage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Zwar sei er nicht als Beschäftigter versicherungspflichtig gewesen; er habe jedoch den Sondertatbestand der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III erfüllt. Die Beklagte wende diese Vorschrift entgegen ihrer bisherigen Praxis nunmehr dahingehend an, dass nur noch Tage als anwartschaftsbegründend berücksichtigt würden, für die tatsächlich Arbeitsentgelt gezahlt worden sei. Der Gesetzeswortlaut rechtfertige jedoch keine unterschiedliche Behandlung von Gefangenen und Arbeitnehmern. Denn auch § 25 Abs. 1 SGB III bestimme Personen als versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien. Der Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III unterscheide sich lediglich insoweit, als dort nicht auf ein (freies) Beschäftigungsverhältnis abgestellt werde; Grund dafür sei allein, dass Gefangene keine Arbeitnehmer seien, weil sie zugewiesene Arbeit verrichteten und in einem öffentlich rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art stünden. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, Anwartschaftszeit und damit Arbeitslosengeldansprüche von Gefangenen anders zu behandeln als bei Arbeitnehmern, die in einem Beschäftigungsverhältnis gemäß §§ 24, 25 SGB III stünden. Seien bei Letzteren arbeitsfreie Samstage, Sonntage sowie gesetzliche Feiertage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeitsabschnittes nicht aus der versicherungspflichtigen Zeit herauszurechnen, so sei kein sachlicher Grund ersichtlich, dies bei versicherungspflichtigen Gefangenen - in Abkehr von der bisher üblichen Praxis - zu tun. Die Gesetzeshistorie spreche vielmehr dafür, dass mit der Einführung der Versicherungspflicht für Gefangene deren Arbeit derjenigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe gleichgestellt werden sollen; dies ergebe sich insbesondere aus §§ 3, 37 und 43 StVollzG sowie den hierzu ergangenen bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) von arbeitenden Strafgefangenen und Arbeitnehmern bestehe gerade nicht. Das Bundessozialgericht habe die Berücksichtigung arbeitsfreier Wochenenden und Feiertage als Versicherungspflichtzeiten bei Gefangenen ausdrücklich gebilligt und mit der Berechnung der Beiträge nach § 1 der Gefangenen-Beitragsverordnung begründet, wonach jeder Arbeitstag mit einem 250-stel der Beitragsbemessungsgrundlage für ein Jahr angesetzt werde (Urteil vom 07.11.1990 - B 9b RAr 112/89). Lohnfindung und Beitragsbemessung bei Gefangenen entsprächen der arbeitnehmerähnlichen Gestaltung des Arbeitsumfangs (§ 43 Abs. 2 S. 2 und 3 StVollzG); denn der Teiler 250 stehe für die Arbeitstage eines Kalenderjahres, berücksichtige also eine Herausrechnung der allgemeinen arbeitsfreien Tage. Würden für einen Gefangenen auf diese Weise Beiträge für ein Jahr entrichtet, müsse dem auch der Ansatz eines einjährigen Versicherungspflichtverhältnisses entsprechen. Die Auffassung der Beklagten hätte demgegenüber zur Folge, dass ein Gefangener, der durchgehend für ein Jahr an 250 Arbeitstagen Arbeit geleistet habe, für die Erfüllung der Anwartschaftszeit gleichwohl noch weitere 110 Arbeitstage arbeiten müsste; dies entspreche etwa fünf Monaten zusätzlicher Arbeit, so dass er für die Erfüllung einer zwölfmonatigen Anwartschaftszeit etwa 17 Monate durchgehend arbeiten müsste und damit wesentlich schlechter gestellt würde als ein Arbeitnehmer in einem freien Beschäftigungsverhältnis. Bei zutreffender Lesart des Gesetzes habe der Kläger jedoch die erforderlichen 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und die Anwartschaftszeit erfüllt.

Gegen das ihr am 25.04.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.05.2014 Berufung eingelegt. Sie verweist auf den Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III sowie auf die Ausgestaltung des besonderen Beschäftigungsverhältnisses der Gefangenen nach dem StVollzG. Nur die Zusammenschau beider Regelungsbereiche erschließe, wie zu verfahren sei. Anders als beim Regeltatbestand der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 25 Abs. 1 SGB III), der darauf abstelle, dass die versicherungspflichtige Person gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sei, sei für den Sondertatbestand des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III nicht das Beschäftigungsverhältnis, sondern der tatsächliche Erhalt von Arbeitsentgelt maßgebend. Einem Gefangenen stehe Arbeitsentgelt nur zu, soweit er tatsächlich arbeitete (BSG, Beschluss vom 05.12.2001 - B 7 AL 74/01 B). Die Formulierung in § 26 SGB III gehe auf § 43 StVollzG zurück, ergebe sich also unmittelbar aus der Ausgestaltung der Vergütungszahlung an Gefangene. Diese erhielten Arbeitsentgelt nur, wenn sie eine Arbeit ausübten. Dementsprechend gebe es für Gefangene auch keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wie in einem regulären Arbeitsverhältnis. In gleicher Weise seien - entsprechend der nun geänderten Praxis der Beklagten - auch die arbeitsfreien Wochenenden und Feiertage nicht als Zeiten der Versicherungspflicht zu berücksichtigen, denn als Tage ohne Arbeitsleistung bestehe für sie kein Anspruch auf Arbeitsentgelt. Auch eine entsprechende Anwendung der für reguläre Arbeitsverhältnisse geltenden Regeln sei ausgeschlossen. Das vom Sozialgericht als wünschenswert angesehene Ergebnis könnte allein über eine entsprechende gesetzliche Änderung erreicht werden. Dass das Bundessozialgericht die frühere Praxis der Beklagten gebilligt habe, führe zu keinem anderen Ergebnis; für die Entscheidung des seinerzeit beurteilten Sachverhalts sei es auf diesen Aspekt nicht angekommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.01.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehe dem Urteil des Sozialgerichts nicht entgegen; denn in dem dort entschiedenen Fall seien arbeitsfreie Samstage, Sonntage und gesetzlichen Feiertage innerhalb zusammenhängender Arbeitsabschnitte für die Anwartschaftszeit berücksichtigt worden. Für das Bundessozialgericht habe deshalb keine Veranlassung bestanden, zur Frage der Mitberücksichtigung dieser Tage als Beitragszeit überhaupt Stellung zu nehmen. An allen Tagen, die auch nach der bisherigen Praxis der Beklagten unberücksichtigt geblieben wären, sei er ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert gewesen; dies ergebe sich aus den vorgelegten Lohnscheinen.

Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Klägers ergäbe sich bei insgesamt 395 anwartschaftsbegründenden Tagen (09.05.2012 bis 07.06.2013) innerhalb der Rahmenfrist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von sechs Monaten mit einem täglichen Leistungssatz von 25,55 EUR. Beziehe man jedoch (entsprechend der früheren Praxis der Beklagten) nicht die gesamte arbeitsfreie Zeit ein, sondern nur die Wochenenden und Feiertage, die von Zeiten der Arbeit direkt umfasst seien, ergäben sich 355 anwartschaftsbegründende Tage, was die Anwartschaftszeit von zwölf Monaten nicht erfüllen würde.

Der Senat hat eine Stellungnahme der JVA C vom 24.04.2015 eingeholt. Danach arbeiten Gefangene in der Regel an fünf Tagen pro Woche; Wochenenden und Wochenfeiertage seien grundsätzlich arbeitsfrei. Werde im Ausnahmefall dennoch Arbeit darüber hinaus erforderlich, werde im direkten Anschluss an die Wochenendtätigkeit Freizeitausgleich gewährt. Deshalb arbeiteten Gefangene generell nicht an mehr als 250 bzw. 251 Tagen im Jahr gegen Entgelt. Für jeden Tag, für den Arbeitsentgelt gezahlt werde, werde auch ein Arbeitslosenversicherungstag erfasst; die Beiträge würden nach den Vorgaben der Gefangenenbeitragsverordnung berechnet und vom Bruttolohn einbehalten. Im Strafvollzug gebe es grundsätzlich zwei Beschäftigungsmodelle, nämlich Tätigkeiten im Zeitlohn und solche im Leistungslohn. In beiden Fällen könne es geschehen, dass Gefangene an einzelnen oder mehreren Tagen nicht arbeiteten; man führe sie dann mit dem Status "unverschuldete Nichtbeschäftigung". Gründe für die Nichtarbeit seien regelmäßig vollzugliche Behandlungsmaßnahmen, jedenfalls Gründe, welche die Gefangene nicht zu vertreten hätten. Zeiten einer solchen Nichtbeschäftigung seien dem unbezahlten Urlaub bei Arbeitnehmern gleichzusetzen. Die Gefangenen erhielten für einen solchen Tag kein Arbeitsentgelt, es werde kein Arbeitslosenversicherungstag erfasst und auch kein Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abgeführt. Der Gefangene behalte aber seinen Anspruch auf Beschäftigung; ein Arbeitsplatzverlust sei damit nicht verbunden. Vor der am 15.01.2013 landesweit umgesetzten Änderung hinsichtlich der Erfassung der gearbeiteten Tage und der Bewertung der Zeiten durch die Beklagte habe es gängiger Praxis entsprochen, arbeitsfreie Samstage, Sonntage und gesetzliche Wochenfeiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes gelegen hätten, nicht aus der versicherungspflichtigen Zeit herauszurechnen. Nunmehr seien die Justizvollzugsanstalten verpflichtet, ausschließlich die Tage zu bescheinigen, an denen tatsächlich Arbeitsentgelt geflossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

A. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Gewährung von Arbeitslosengeld ab Antragstellung verurteilt. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 56 SGG) gegen den Bescheid vom 24.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2013 statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab dem 12.06.2013.

I. Nach §§ 136 Abs. 1, 137 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger für den Zeitraum ab dem 12.06.2013 nicht.

1. Der Kläger war ab dem 12.06.2013 zwar arbeitslos. Arbeitslos ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Der Kläger war in diesem Sinne nach seiner Haftentlassung am 11.06.2013 beschäftigungslos; zudem war er verfügbar mit dem Bemühen, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden.

2. Der Kläger hat sich auch persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet (§ 141 SGB III).

3. Der Kläger hat jedoch die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 SGB III erfüllt, wer in der Rahmenfrist (§ 143 SGB III) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.

a) Die Rahmenfrist beträgt nach § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Für die Berechnung der Rahmenfrist gelten nach § 26 Abs. 1 SGB X die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend. Da die Rahmenfrist rückwärts berechnet wird, beginnt sie mit dem Tag vor der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs und endet mit dem zwei Jahre zurückliegenden Tag, der das gleiche Datum trägt wie der erste Tag der Erfüllung aller sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des Arbeitslosengeldes (vgl. Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2014, § 143 Rn. 22).

Mit der Arbeitslosmeldung des Klägers zum 12.06.2013 waren an diesem Tag die sonstigen Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs erfüllt. Die Rahmenfrist begann somit mit dem 11.06.2013 und endete - rückwärts gerechnet - mit dem 12.06.2011; sie umfasst daher den Zeitraum vom 12.06.2011 bis zum 11.06.2013.

b) Innerhalb dieser Rahmenfrist stand der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis.

aa) Das Versicherungspflichtverhältnis wird in § 24 Abs. 1 SGB III definiert; in einem Versicherungspflichtverhältnis stehen danach solche Personen, die als Beschäftigte oder aus sonstigen Gründen versicherungspflichtig sind.

(1) Der Kläger war innerhalb der Rahmenfrist nicht als Beschäftigter i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III versicherungspflichtig. Danach ist versicherungspflichtig, wer gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt ist, mithin in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung steht. Voraussetzung ist dabei, dass die Arbeitsleistung freiwillig erfolgt. Strafgefangene, die im Vollzug arbeiten, sind deshalb grundsätzlich nicht in diesem Sinne versicherungspflichtig beschäftigt (vgl. Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 25 Rn. 9). Zwar können sie ein freies Beschäftigungsverhältnis eingehen, wenn sie als sog. Freigänger außerhalb der Arbeit einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber schließen (§ 39 StVollzG; vgl. Schlegel in Eicher/Schlegel, SGB III, Stand 12/2013, § 26 Rn. 63). Der Kläger, der während seiner Inhaftierung im Vollzug, nicht aber als Freigänger gearbeitet hat, war nach dieser Maßgabe nicht Beschäftigter. Er hat auch vor seiner Inhaftierung in der Zeit ab dem 12.06.2011 (dem Beginn der Rahmenfrist) nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden.

(2) Der Kläger war während seiner Inhaftierung in der Zeit vom 09.05.2012 bis 07.06.2013 wegen der von ihm erbrachten Arbeitstätigkeit jedoch grundsätzlich als sonstiger Versicherungspflichtiger i.S.d. § 26 SGB III versicherungspflichtig. Die Vorschrift benennt Gründe, die bei Personen, die zwar nicht als Beschäftigte in einem Versicherungspflichtverhältnis nach § 24 SGB III stehen, gleichwohl zu einer "sonstigen" Versicherungspflicht führen (vgl. Wehrhahn, a.a.O., § 24 Rn. 12). Nach § 26 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 SGB III sind danach versicherungspflichtig Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 des StVollG) erhalten oder Ausbildungsbeihilfe nur wegen des Vorrangs von Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung nicht erhalten. Der Kläger war als Person im Vollzug einer Freiheitsstrafe gem. § 26 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 SGB III Gefangener im Sinne des SGB III und damit angesichts der während der Haftzeit erbrachten Arbeitsleistung, für die er ausweislich der Lohnscheine Arbeitsentgelt erhalten hat, dem Grunde nach "sonstiger Versicherungspflichtiger" i.S.d. § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.

bb) Der Kläger hat jedoch innerhalb der Rahmenfrist nicht für einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten in diesem "sonstigen" Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

Nach den Berechnungsgrundsätzen in § 339 S. 2 SGB III entspricht ein Monat 30 Kalendertagen. Deshalb entsprechen zwölf Monate 360 Kalendertagen (sind also tatsächlich kürzer als ein Jahr; vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2001 - B 7 AL 42/00 R Rn. 41). Für die Feststellung, ob die Anwartschaftszeit erfüllt ist, sind somit die Kalendertage eines Versicherungspflichtverhältnisses zu ermitteln.

(1) Mindestens 360 versicherungspflichtige Kalendertage können sich während der allein in Betracht kommenden Haftzeit des Klägers nur dann ergeben, wenn entweder ausnahmslos alle Tage vom ersten bis zum letzten Tag seiner Arbeit in der JVA - also der Zeitraum vom 09.05.2012 bis 07.06.2013 (= 395 Tage) - oder neben den Tagen der Beschäftigung jedwede Wochenenden und Feiertage ohne weitere Differenzierungen (= 378 Tage) berücksichtigt werden. Nicht erreicht wird die Dauer von 360 versicherungspflichtigen Tagen hingegen dann, wenn allein auf die tatsächlichen Arbeitstage abgestellt wird (= 253 Tage); ebenso nicht, wenn - entsprechend der früheren Praxis der Beklagten - zusätzlich (nur) die von Arbeitstagen direkt umfassten Wochenenden und Feiertage hinzugezählt werden (= 352 versicherungspflichtige Tage). Auf die vom Sozialgericht in den Fokus seiner Entscheidung gestellte Frage, ob konkret (nur) die von Tagen mit Arbeit umfassten Wochenenden und Feiertage als versicherungspflichtige Zeiten zu berücksichtigen sind, kommt es daher nicht entscheidungserheblich an. Entscheidend ist vielmehr, welche arbeitsfreien Zeiten insgesamt bei arbeitenden Inhaftierten als versicherungspflichtige Zeiten zu berücksichtigen sind.

(2) Nach Auffassung des Senats entspricht es dem Gesetz, wenn die Beklagte - entsprechend ihren neuen Weisungen - bei Arbeitsleistungen von Strafgefangenen in der JVA als versicherungspflichtige Zeiten nur diejenigen Tage berücksichtigt, an denen tatsächlich eine Arbeitsleistung gegen Entgelt ausgeübt wurde.

(a) Zwar ist der Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III insoweit nicht eindeutig. Die Gesetzesformulierung "Versicherungspflichtig sind Gefangene, die Arbeitsentgelt ( ) erhalten" ließe für sich genommen jedenfalls nicht einzig den Schluss zu, Versicherungspflicht liege allein an Tagen mit tatsächlicher Arbeitsleistung des Gefangenen mit Arbeitsentgelt vor. Vielmehr hält der Senat auch eine Lesart für möglich, nach der Gefangene, die regelmäßig arbeiten und Entgelt dafür erhalten, innerhalb des gesamten Zeitraums zusammenhängend versicherungspflichtig sind, in dem sie regelmäßig arbeiten (so etwa wohl Winkler, info also 2013, 92, 93), also auch unter Einrechnung der Tage, die - wie Wochenenden und gesetzliche Feiertage - regelmäßig arbeitsfrei sind.

Allerdings legt bereits der systematische Regelungszusammenhang mit den Vorschriften über die "übliche" versicherungspflichtige Beschäftigung jedenfalls nahe, dass es für die Berechnung der versicherungspflichtigen Zeit bei Strafgefangenen allein auf die tatsächlichen Arbeitstage ankommt. Denn die in § 24 Abs. 2, 1. Alt., Abs. 3 und Abs. 4, 1. Alt. SGB III ausdrücklich für die Versicherungspflicht Beschäftigter getroffenen Regelungen zu Beginn, Fortbestehen und Ende des Versicherungspflichtverhältnisses unterscheiden sich bereits von den Regelungen zu Beginn und Ende der Versicherungspflicht sonstiger Versicherungspflichtiger in § 24 Abs. 2, 2. Alt, Abs. 4, 2. Alt. SGB III. Die Regelungen für die letztgenannten Versicherungspflichtigen stellen nicht auf einen Tag des "Eintritts" bzw. "Ausscheidens" aus einem - damit zeitlich länger dauernden - "Verhältnis" ab, sondern knüpfen allein an einen Tag des erstmaligen Vorliegens von Voraussetzungen der sonstigen Versicherungspflicht bzw. den Tag des Endes dieses Vorliegens an; der gesetzliche Fokus liegt insoweit auf den (besonderen) Voraussetzungen der sonstigen Versicherungspflicht, und die Versicherungspflicht Gefangener setzt gerade den Erhalt von Arbeitsentgelt voraus.

Gerade die Regelung zum Arbeitsentgelt für Gefangene jedoch gibt eine tagesgenaue Betrachtung vor, die zu einer ebenfalls tagesgenauen Ermittlung der versicherungspflichtigen Zeiten führt. Sie spiegelt sich zudem in der Regelung über die für die Arbeit Gefangener in der JVA zu entrichtenden Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wider. Übt der Gefangene eine zugewiesene Arbeit aus, so erhält er nach § 43 Abs. 2 S. 1 StVollzG ein Arbeitsentgelt in Form eines Tagessatzes. Ein Tagessatz ist dabei nach § 43 Abs. 2 S. 3 StVollzG der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung, die sich nach § 43 Abs. 2 S. 2 StVollzG bemisst. Dem entspricht die Regelung für die Beitragszahlung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Gefangenen-Beitragsverordnung, wonach für die Berechnung der Beiträge für versicherungspflichtige Gefangene die Summe der Tage, für die versicherungspflichtige Gefangene innerhalb des Kalenderjahres (u.a.) Arbeitsentgelt erhalten, im Verhältnis zu den Arbeitstagen des Kalenderjahres, die mit 250 angenommen werden, entscheidend ist. Im Hinblick auf die Art der Entlohnung und die Höhe des Arbeitsentgelts sowie für die Höhe des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung wird damit - anders als im üblichen Beschäftigungsverhältnis - nicht auf einen (regelmäßig) nach Monaten zu bestimmenden Beschäftigungszeitraum und einen (i.d.R. monatlichen) Bruttolohn abgestellt, von dem ein bestimmter Prozentsatz als Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wird. Vielmehr bemisst sich die Entlohnung nach diesen Regelungen allein tageweise nach den tatsächlichen Arbeitstagen; entsprechend entsteht auch die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung nur tageweise. Für Tage ohne Arbeit haben Strafgefangene hingegen keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt, sei diese Nichtarbeit auch unverschuldet (etwa bei nicht erfolgter Zuweisung, vollzuglichen Maßnahmen oder Krankheit); diese Tage sind dann auch nicht als Beitragszeit zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 05.12.2011 - B 7 AL 74/01 B Rn. 8 m.w.N.; Urteil vom 07.11.1990 - 9b/7 RAr 112/89 Rn. 15).

Einer Berücksichtigung allein der tatsächlichen Arbeitstage von Gefangenen für die Erfüllung der Anwartschaftszeit steht auch nicht etwa entgegen, dass sich § 43 Abs. 2 S. 3 StVollzG und § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Gefangenen-Beitragsverordnung mit 250 Tagen an der üblichen Normalzahl der Arbeitstage eines Kalenderjahres orientieren. Denn der Anspruch auf Arbeitsentgelt sowie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung richten sich danach gerade nicht an der Dauer eines längeren "Arbeitsverhältnisses" innerhalb der JVA bzw. an einem für diese längere Dauer (z.B. monatlich) in Ansatz gebrachten Bruttoentgelt aus, sondern gerade allein an der Anzahl der Tage, an denen konkret die zugewiesene Arbeit erbracht wurde.

(b) Begründen danach - entgegen der Auffassung des Klägers, der ausdrücklich die komplette Zeitspanne zwischen dem ersten und dem letzten Arbeitstag in der JVA als Beitragszeit erfasst wissen möchte - nur Tage mit tatsächlicher Arbeitsleistung eine Versicherungspflicht von Gefangenen und können nur solche Tage die Anwartschaftszeit auffüllen, so können allgemeine Überlegungen zu Zielen des Strafvollzugs und zur Resozialisierung Gefangener zu keinem anderen Ergebnis führen. Es fiele allein in die Zuständigkeit und Kompetenz des Gesetzgebers, eine Regelung zu schaffen, die solchen Gesichtspunkten eher entsprechen mag.

Ein Indiz für eine im Sinne des Klägers geänderte rechtspolitische Bewertung mag zwar insoweit der Referentenentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und eines Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz - AWStG) sein. Dieser Entwurf sieht in Artikel 1 Nr. 3 eine Änderung von § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III vor, nach der ergänzend ausdrücklich eingefügt werden soll, dass das Versicherungsverhältnis während arbeitsfreier Sonnabende, Sonntage und gesetzlicher Feiertage als fortbestehend gilt, wenn diese Tage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes liegen (Bearbeitungsstand 19.11.2015). Eine bisher nur in einem Gesetzesentwurf zum Ausdruck kommende (mögliche) geänderte rechtspolitische Bewertung kann jedoch die Auslegung des geltenden Gesetzesrechts nicht beeinflussen.

(c) Die vom Senat gefundene Sichtweise ist vielmehr allein an Art. 3 Abs. 1 GG und dabei insbesondere an der Frage zu messen, ob eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung Gefangener vorliegt, wenn sie im Vergleich zu versicherungspflichtig Beschäftigten (§ 25 SGB III) bei regelmäßiger Arbeitsleistung in üblichen Fünf-Tage-Wochen einen wesentlich längeren Zeitraum benötigen, um innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (= 360 Anwartschaftstage) zu erreichen.

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz besteht nach Ansicht des Senats indes nicht. Dem Gesetzgeber kommt beim Vergleich von Sachverhalten (hier: Versicherungspflichtverhältnis nach §§ 24, 25 SGB III und Versicherungspflicht Gefangener nach § 26 Abs. 4 SGB III) ein erheblicher Bewertungsspielraum zu; es ist daher schon nicht geboten, im Strafvollzug zu leistende Pflichtarbeit mit freier Erwerbsarbeit grundsätzlich gleichzustellen (BSG, Beschluss vom 05.12.2001 - B 7 AL 74/01 B Rn. 9; BVerfG, Urteil vom 01.07.1998 - 2 BvR 441/90, 2 BvR 493/90, 2 BvR 618/92, 2 BvR 212/93, 2 BvL 17/94 Rn. 136). Auch für die konkrete Berücksichtigung und Berechnung versicherungspflichtiger Zeiten ist der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums keineswegs gehalten, diese Zeiten weitestmöglich an die Beitragszeiten im Versicherungspflichtverhältnis nach §§ 24, 25 SGB III anzugleichen. Denn zwischen Gefangenenarbeit (§§ 41, 43 StVollzG) und der Normalbeschäftigung von Arbeitnehmern bestehen deutliche Unterschiede, die als sachlicher Grund dem Gesetzgeber eine abweichende Behandlung gestatten. Bei der Arbeit Strafgefangener handelt es sich im Gegensatz zur Normalbeschäftigung bereits nicht um eine "freie" Beschäftigung. Denn der Gefangene ist nach § 41 Abs. 1 S. 1 StVollzG verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist. Er erhält hierfür, anders als der Normalbeschäftigte, auch nicht eine (i.d.R.) nach Zeitabschnitten - zumeist nach Monaten - gegliederte Entlohnung, sondern ausschließlich tageweises Arbeitsentgelt (§ 43 Abs. 2 StVollzG). Die Berechnung des Entgelts und auch die Beitragsbemessung in der Arbeitslosenversicherung erfolgen zudem nach gänzlich anderen Kriterien als bei freier Beschäftigung; bei Gefangenen sind insoweit die speziellen Regelungen in § 43 Abs. 2 StVollzG und § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Gefangenen-Beitragsverordnung einschlägig. Liegen damit aber hinreichend unterschiedliche Sachverhalte vor, ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ausgeschlossen (a.A. Winkler, a.a.O.; Schäfersküpper, NZS 2013, 446, 452).

(d) Aus dem vom Kläger herangezogenen Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.11.1990 - 9b/7 RAr 112/89 ergibt sich nicht etwa anderes. In jener Entscheidung hatte das Gericht ausgeführt, der Gleichstellungsgedanke des StVollzG gebiete es nicht, Zeiten der Unterbrechung einer beitragspflichtigen Beschäftigung in einer Haftanstalt bei der Erfüllung der Anwartschaft auf Leistungen der Beklagten ebenso zu behandeln wie Zeiten eines freien Beschäftigungsverhältnisses, in denen vorübergehend kein Arbeitsentgelt gezahlt wird (etwa bei Krankheit, unbezahltem Urlaub oder mangelnder Beschäftigungsmöglichkeit). Zwar hat es dabei die damalige Praxis der Beklagten (Einbeziehung der von Arbeitstagen umfassten Wochenenden und Feiertagen in die versicherungspflichtigen Zeiten) nicht beanstandet. Diese Praxis der Beklagten war jedoch nicht eigentlicher Gegenstand seiner Entscheidung; vielmehr hat das Bundessozialgericht die Einbeziehung umfasster Wochenenden lediglich als nicht gegen das von ihm in jener Entscheidung erkannte Ergebnis sprechend angesehen und zur Begründung auf die in § 1 Abs. 1 der Gefangenen-Beitragsverordnung vorgegebene Berechnungsweise mit einem 250-stel der Beitragsbemessungsgrundlage abgestellt. Einen Rechtssatz zur Frage der Einbeziehung umfasster Wochenenden und Feiertage hat es damit jedoch nicht höchstrichterlich formuliert.

(3) Sind für die Dauer des Versicherungspflichtverhältnisses nach allem nur die Tage zu berücksichtigen, an denen der Kläger tatsächlich gearbeitet und Arbeitsentgelt erhalten hat, hat er innerhalb der Rahmenfrist nicht für einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten (360 Tage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

II. Liegen damit nicht alle Voraussetzungen der §§ 136 Abs. 1, 137 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB III vor, hat der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit ab dem 12.06.2013.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

C. Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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