L 8 U 197/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 801/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 197/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.12.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule (HWS)) der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist.

Der 1959 geborenen Kläger war nach Ende seiner Schreinerlehre von 1978 bis 1985 im Betrieb seines Bruders als Monteur im Flachdachbau und der Isoliertechnik beschäftigt, schulte von 1986 bis 1988 zum Feinmechaniker im Gerätebau um und war in diesem Beruf von 1988 bis 1991 tätig. Ab Juli 1991 war er selbstständig und arbeitete als Isolierer und Flachdachbauer. Im Jahr 2002 besuchte er sechs Monate lang die Meisterschule und legte die Prüfung für den Meister für Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz ab (Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes der Beklagten vom 23.07.2013, Seite 15ff der Beklagtenakte BK 2109).

Mit Vordruck der Beklagten erstattete der Kläger die "Meldung von Versicherten bei Anhaltspunkten für eine Berufskrankheit" vom 24.05.2013 und machte Beschwerden an der Wirbelsäule geltend, die erstmals 1989 an der Lendenwirbelsäule (LWS) aufgetreten seien, betroffen seien LWS, HWS und Knie (Seite 1 der Beklagtenakte BK 2109).

Die Beklagte trat in ein Feststellungsverfahren ein. Sie zog zahlreiche Befundberichte der behandelnden Ärzte bei, u.a. den Befundbericht der N. Klinik, B. vom 14.03.2013 (Diagnose: Bandscheibenschaden mit Z.n. Spondylodese L4/S1 und mit HWS-Spondylodese HWK 2 bis 7; Seite 146 der Beklagtenakte BK 2108) und der S. Klinik R. vom 10.09.2012 (Diagnosen: chronisch rezidivierende Lumbalgien, rezidivierende Ischialgie, vorbekannter kleiner NPP LWK 4/5 dorsolateral, Einengung Neuroforamen LWK 5/SWK 1 CT August 2011, Z.n. operierter Spondylolisthesis LWK 5, 1990; Seite 148 der Beklagtenakte BK 2108). Außerdem übersandte die O. Klinik, R. mit Schreiben vom 16.07.2013 die dort noch archivierten Befundberichte zur Behandlung des Klägers an der HWS im Jahr 1999 (Seiten 341 bis 349 der Beklagtenakte BK 2108), darunter den am 24.06.1999 erstellten Befundbericht mit den klinischen Angaben: Z.n. ventraler Diskektomie und Fusion mit Beckenkammdübel C4/C5, C5/C6 und C6/C7. Zudem zog die Beklagte die Vorerkrankungsverzeichnisse der B. GEK vom 17.06.2013 und 04.07.2013 sowie der AOK vom 30.07.2013 bei. Außerdem veranlasste die Beklagte die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 23.07.2013 mit Ergänzung vom 11.09.2013 (Seiten 15ff und 119ff der Beklagtenakte BK 2108). Darin kam der Technische Aufsichtsbeamte K. unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers, von Katasterdaten und dem aus den eingeholten Vorerkrankungsverzeichnissen ersichtlichen Fehlzeiten zu einer Gesamtbelastungsdosis der LWS für den Zeitraum vom 01.09.1976 bis 30.04.2013 in Höhe von 18,5 x 106 Newtonstunden. Hinsichtlich der HWS kam er zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Zuge von Flachdachabdichtungen nur in wenigen Einzelfällen Rollen von Kunststoffdachbahnen mit einem Gewicht von 50 kg auf den Schultern getragen habe.

In Auswertung der beigezogenen Befundunterlagen verneinte der von der Beklagten herangezogene Beratungsarzt Dr. K. das Vorliegen eines Krankheitsbildes für die Anerkennung einer BK an der Wirbelsäule (Stellungnahme vom Dezember 2013, Seite 183 der Beklagtenakte BK 2108). Es seien beide Wirbelsäulenabschnitte mindestens gleich stark betroffen. Bis zum Zeitpunkt der ersten Bandscheibenoperation 1989 sei noch keine ausreichende Wirbelsäulenbelastung i.S. der BK Nr. 2108 vorgelegen.

Mit Bescheid vom 09.08.2013 (Seite 31f der Beklagtenakte BK 2109) lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV ab.

Mit Bescheid vom 02.01.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 (bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule) ab (Seite 185 der Beklagtenakte BK 2108).

Gegen beide Bescheide erhob der Kläger jeweils Widerspruch (Widerspruchsschreiben vom 25.08.2013, Seite 36 der Beklagtenakte BK 2109 und vom 20.01.2014, Seite 192 der Beklagtenakte BK 2108). Die Widersprüche wurden mit den Widerspruchsbescheiden vom 13.02.2014 (Seite 42ff der Beklagtenakte BK 2109) und vom 05.06.2014 (Seite 196ff der Beklagtenakte BK 2108) jeweils zurückgewiesen.

Der Kläger erhob hiergegen am 12.03.2014 und am 18.06.2014 Klage vor dem Sozialgericht Konstanz (SG), das die beiden Klageverfahren S 11 U 801/14 und S 11 U 1707/14 unter dem gemeinsamen Aktenzeichen S 11 U 801/14 verband (Verbindungsbeschluss vom 02.10.2014).

Das SG zog u.a. aus dem vom Kläger betriebenen Klageverfahren S 4 R 1167/14 gegen die deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg das Gutachten von Dr. B. vom 27.02.2015 bei und veranlasste eine nochmalige Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten zu den Arbeitsplatzbelastungen für die LWS und HWS des Klägers. Die Beklagte legte die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 28.04.2015 vor, wonach der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit bei Flachdachabdichtungen Rollen von Kunststoffdachbahnen und Schweißbahnen sowie Gasflaschen mit jeweiligen Einzelgewichten von 50 kg oder mehr auf der Schulter getragen habe. Sein Belastungsprofil habe sich jedoch deutlich von dem der Fleischabträger, bei denen nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ein häufiges Vorkommen von Verschleißschäden der HWS festzustellen ist, unterschieden.

Das SG hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 13.01.2015 zu den Tätigkeiten und den aufgetretenen Tragelasten während seiner Berufsausübung und im Termin zur Beweisaufnahme am 13.10.2015 vernahm es den Bruder des Klägers, E. B. , als Zeugen und dokumentierte die Demonstration des Klägers und des Zeugen, wie die Rollen auf der Schulter aufgenommen und getragen worden sind, durch zu den Akten genommene Fotos.

Außerdem holte das SG das orthopädische Gutachten vom 09.11.2014 ein, das im Nachgang zur Zeugenvernehmung unter dem 04.11.2015 ergänzt worden ist. Darin kam der Sachverständige Dr. H. zu dem Ergebnis, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS liege beim Kläger nicht vor. Beim Kläger sei 1989 ein anlagebedingtes Wirbelgleiten bei L5/S1 und 2013 ein weiteres Wirbelgleiten bei L4/L5 operativ behandelt worden. Die operative Behandlung von Bandscheibenschäden in den Segmenten C5/6 und C6/7 mit Versteifung zwischen dem fünften und siebten Halswirbel seien nicht Ausdruck einer langjährigen beruflichen Überlastung durch schweres Tragen auf den Schultern, denn die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2109 lägen nicht vor.

Mit Urteil vom 15.12.2015 wies das SG die Klagen ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, für die geltend gemachte BK nach Nr. 2108 sei dem überzeugenden Gutachten von Dr. H. zu entnehmen, dass die Wirbelsäulenbeschwerden nicht auf einer bandscheibenbedingten Erkrankung beruhten. Der Gutachter habe eindeutige Hinweise auf eine berufsunabhängige Schadensanlage in Form einer Spondylolisthesis erhoben. Die Voraussetzungen zur Anerkennung der geltend gemachten BK 2109 seien ebenfalls nicht erfüllt, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen. Das Gericht habe keine Zweifel daran, dass die Feststellungen des Präventionsdienstes zu arbeitstechnischen Belastungen im Ergebnis zutreffend sein. Zu den Belastungen der HWS variierten die Angaben des Klägers zu dem Gewicht der von ihm auf den Schultern getragenen Rollen. Nach den vom Kläger gemachten Angaben gegenüber Dr. H. habe er bis zum Jahr 2000 schwerpunktmäßig Isolierarbeiten an Rohren vorgenommen, erst danach habe der Schwerpunkt bei den Flachdachisolierungen mit den damit einhergehenden Tragelasten von 50 kg und mehr gelegen. Zu diesem Zeitpunkt sei die HWS-Erkrankung jedoch schon manifest gewesen. Die Frage nach den genauen Gewichten könne aber offen gelassen werden. Jedenfalls sei das Tragen schwerer Lasten beim Kläger nicht mit der zusätzlich notwendigen Zwangshaltung für die HWS verbunden gewesen. Eine außergewöhnliche Zwangshaltung habe Dr. H. nachvollziehbar verneint. Eine solche sei auch im Beweistermin weder vom Kläger noch vom Zeugen demonstriert worden. Zur gleichen Einschätzung sei bereits der Präventionsdienst des Beklagten gelangt.

Der Kläger hat am 15.01.2016 Berufung gegen das Urteil eingelegt und zur Begründung ausgeführt, bei ihm liege die BK Nr. 2109 vor. Er habe nach Ende der Schreinerlehre bis 1985 als Monteur im Bereich Flachdachbau und in der Isoliertechnik gearbeitet, nach einer von 1986 bis 1988 durchgeführten Umschulung sei er weiter bis 1991 in diesem Beruf tätig gewesen. Seither sei er selbstständig im Bereich Wärme-, Kälte-, Schallschutz und Flachdachbau tätig gewesen. Hierbei seien 40 % der Arbeitszeit für die Flachdachisolierung mit Bitumendachbahnen und Kunststofffolien verwendet worden. Im Rahmen der Flachdachisolierung seien Schweißbahnrollen und Gasflaschen bzw. Rollen von Kunststoffdachbahnen auf das Dach zu befördern gewesen mit einem Gewicht von mindestens 50 kg. Nur in 30 % der Fälle sei ein Schrägaufzug auf das Dach vorhanden gewesen. Im Flachdachbereich bzw. Flachdachbau oder im Bereich der Isolierung sei die tägliche Arbeit mit einer erzwungenen Kopfhaltung bei maximaler Anspannung der Nacken- und Schultermuskulatur einhergegangen. Er habe den Ermittlungsergebnissen des Präventionsdienstes widersprochen. Der technische Aufsichtsbeamte K. habe versucht, sämtliche bisherigen Einschätzungen aufrechtzuerhalten. Die dort aufgeführten Zeiten seien schlichtweg falsch. Bei einem Telefonat mit Herrn K. , an welchem er seine Auffassung vorgetragen und angeboten habe, dass man sich hierauf als gemeinsame Schätzung einigen könne, habe er öfters erklärt, dass dies definitiv nicht der Fall sei. Bei Dr. H. habe er auch nicht angegeben, dass er nach Tätigkeitsaufgabe täglich noch 1 Stunde arbeite. Wie Dr. H. auf diese Feststellung gekommen sei, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Seine Angaben gegenüber Dr. B. aber auch im Erörterungstermin unterschieden sich daher nicht. Dr. H. verfüge nicht über die entsprechenden arbeitstechnischen Kenntnisse im Flachdachbau und könne daher nicht die Zwangshaltung beurteilen. Es bedürfe zur Beurteilung der Tragesituation eines weiteren Gutachtens. Es handle sich insoweit nicht um Umstände, die das Gericht aufgrund eigener Wahrnehmung und Sachkunde beurteilen könne. Er und sein Bruder seien hierzu nicht befragt worden. Bei der Beweisaufnahme sei lediglich eine Rolle mit einem Gewicht von ca. ein bis zwei kg zu Demonstrationszwecken benutzt worden, um zu zeigen, wie er aus der Hocke aufstehe. Es habe überhaupt nicht simuliert werden können, wie eine 50 kg schwere Rolle an den Hals bzw. den Nacken gedrückt werde und es dadurch zu einer von vorne und seitwärts erzwungenen Zwangshaltung komme. Über dieses Fachwissen verfüge auch Dr. H. nicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15.12.2015 abzuändern sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013 aufzuheben und festzustellen, dass bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV vorliegt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, der Kläger habe keine neuen Tatsachen vorgetragen. Es werde daher auf das ausführliche und schlüssige Urteil des SG verwiesen.

Mit richterlicher Verfügung vom 11.05.2016 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Der Senat hat zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten (Beklagtenakte BK 2108 und BK 2109) sowie die Akten des Sozialgerichts beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 11.05.2016 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Streitgegenstand im Berufungsverfahren ist lediglich noch die begehrte Feststellung einer BK Nr. 2109. Soweit das angefochtene Urteil des SG die Klage auf Feststellung einer BK Nr. 2108 abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden. Der im Berufungsverfahren noch streitige Bescheid der Beklagten vom 09.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2013 ist jedoch rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Die auf die Feststellung einer BK Nr. 2109 gerichtete Klage ist zulässig. Richtige Klageart zur Erreichung des angestrebten Ziels ist entweder die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG oder nach Wahl des Versicherten die Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. BSG 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R, BSGE 108, 274 und BSG 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R).

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt und angewendet. Hierauf nimmt der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung Bezug (§153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zwingt zu keiner anderen Entscheidung. Das SG hat in seinen Entscheidungsgründen die Frage nach dem genauen Gewicht offen gelassen und damit die aufgeworfene Frage, ob die Erstmanifestation einer Bandscheibenerkrankung der HWS bereits vor einer geeigneten HWS-schädigenden beruflichen Einwirkung aufgetreten ist, dahinstehen lassen.

Hiervon ausgehend kann aber der Senat eine gesundheitsschädigende Exposition des Klägers durch Einwirkungen von Tragelasten auf der Schulter nicht feststellen. Eine gesundheitsgefährdende Exposition setzt voraus: das Tragen von Lasten von 50 kg und mehr auf der Schulter, eine langjährige Dauer der Arbeiten im einem Zeitraum von etwa 10 Jahren, ein regelmäßiges Auftreten des Tragens von Lasten auf der Schulter und eine nach vorn und seitwärts erzwungene Kopf-/Nackenhaltung, was bereits das SG zutreffend ausgeführt hat.

Zur Überzeugung des Senats ist bereits nicht nachgewiesen, dass Traglasten von mindestens 50 kg Gewicht regelmäßig auf der Schulter transportiert worden sind. Dies setzt voraus, dass in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten Lasten auf der Schulter getragen wurden, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht zu fordern wäre. Naturgemäß ist der Nachweis über die Arbeitsbedingungen eines ganzen Arbeitslebens in der Regel nur durch die Angaben des Versicherten selbst zu führen, was voraussetzt, dass seine Angaben glaubhaft, in sich stimmig und widerspruchsfrei sind. Zur Überzeugung des Senats trifft dies allenfalls auf die Angaben des Klägers zu, die er am 22.07.2013 bei der Erhebung des Präventionsdienstes der Beklagten gemacht hat. In der Folge hat der Kläger hiervon abweichende, angepasste Angaben gemacht, die aber wiederum sich gegenseitig widersprochen haben und auch mit den Angaben des als Zeugen gehörten Bruders sich hinsichtlich der Kernaussage nicht deckten.

Allen Angaben des Klägers ist gemeinsam, dass die Lastgewichte von 50 kg ausschließlich im Bereich der Flachdachisolierungen bzw. Flachdachbau aufgetreten sind. Ausweislich des Berichts des Präventionsdienstes vom 23.07.2013 war der Kläger während seiner Tätigkeit von 1978 bis 1985 in der Firma seines Bruders mit 40 % der Arbeitszeit in der Flachdachisolierung und zu 40 % für Wärmeisolierungsarbeiten an Heizungs- und Wasserrohren eingesetzt. Mit Aufnahme seiner Selbstständigkeit ab 1991 machte die Flachdacharbeit 80 % seiner Arbeitszeit aus. Im Zuge der Flachdachisolierungen seien die Schweißbahnrollen und Gasflaschen bzw. die Rollen der Kunststoffdachbahnen nach Möglichkeit mit einem Schrägaufzug aus Dach gebracht worden. Im Zuge von Flachdachabdichtungen sind nur in wenigen Einzelfällen Lasten mit einem Gewicht von 50 kg auf der Schulter getragen worden. Diese Angaben des Versicherten sind nach der Einschätzung des Technischen Aufsichtsbeamten mit den Bedingungen an Vergleichsarbeitsplätzen vereinbar und entsprechen seiner langjährigen Erfahrung.

Hiervon abweichend behauptet der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 13.01.2015 vor dem SG, von 1980 bis 1985 hauptsächlich Flachdachisolierungen und dann wieder ab 1991 vorgenommen zu haben. Dies widerspricht seiner früheren Angabe, während der Tätigkeit bei seinem Bruder weniger als die Hälfte der Arbeitszeit, nämlich um 40 %, Flachdachisolierungen vorgenommen zu haben. Dem wiederum widersprechen die Ausführungen des Klägers bei der Untersuchung durch Dr. H. , wonach er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Isolierer von Decken und Rohrleitungen zunächst bei seinem Bruder und dann in seiner eigenen Firma, bei der es zum Tragen von PVC-Rollen mit einem Gewicht von 30 kg auf den Schultern gekommen sei, 60-80 % seiner Arbeitszeit mit Überkopfarbeiten beschäftigt gewesen sei. Danach wäre auf die Arbeiten als Wärmeisolierer ein deutlich höherer Anteil entfallen als die beim Präventionsdienst angegebenen 40 %, was auch der in der mündlichen Verhandlung am 13.01.2015 behaupteten Haupttätigkeit im Flachdachbau von 1980 bis 1985 und ab 1991 widerspricht. Völlig im Widerspruch zu den bisherigen Angaben steht die Behauptung des Klägers bei Dr. H. , ab 2000 nur noch Flachdachisolierungen vorgenommen zu haben, zuvor sei der Schwerpunkt der Arbeiten bei den Isolierungen an Rohren gelegen. Legt man diese Angaben zugrunde, ist in der Tat die ab Juni 1999 nachzuweisende Versteifung der Halswirbelkörper 4-7 (Befundberichte der O. Klinik vom 23.06.1999, 24.06.1999, 29.07.1999, 03.09.1999 und 14.10.1999) ohne hinreichende gesundheitsgefährdende berufliche Einwirkung auf die HWS aufgetreten, was im Übrigen mit dem berufsunabhängigen degenerativen Verlauf der Wirbelsäulenerkrankung der LWS übereinstimmen würde. Dieser von Dr. H. wiedergegebenen Einlassung des Klägers hat er nicht ausdrücklich widersprochen, sondern lediglich den hier letztlich nicht entscheidungsrelevanten Gesichtspunkt seiner Unternehmenstätigkeit nach der Tätigkeitsaufgabe im Gutachten von Dr. H. kritisiert. Ein erneuter Widerspruch zum bisherigen Vorbringen findet sich in den Angaben des Klägers im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem SG am 13.10.2015. Danach habe er während der ganzen Zeit, also ohne Einschränkung des Zeitrahmens auf 1980-1985, bei seinem Bruder zu 70-80 % Flachdachisolierungen ausgeführt, als Selbstständiger dann zu 90 %, und damit auch nicht zu 80 % ab 1991, wie noch gegenüber dem Präventionsdienst behauptet. Vor allen Dingen ist aber die Kernaussage des Klägers, dass in zwei Drittel der Arbeitszeit Rollen mit einem Gewicht von 50 kg auf der Schulter transportiert worden seien, von dem als Zeugen gehörten Bruder gerade nicht bestätigt worden. Auffallenderweise hat der Zeuge zwar auch eine Transportzeit von zwei Dritteln der Arbeitszeit angegeben, jedoch insoweit differenziert, dass hiervon nur etwa die Hälfte auf eine Schultertragezeit entfällt. Der Einwand des Klägers, sein Bruder habe die Bedingungen seiner eigenen Firma zugrunde gelegt, ist nicht überzeugend, denn er hat im gleichen Termin zuvor ausdrücklich angegeben, sein Bruder könne auch zu seiner Tätigkeit als Selbstständiger Angaben machen, da er ihn auch vor Ort habe arbeiten sehen. Letztlich hat der Kläger bei dieser Anhörung auch eingeräumt, dass er in 95 Prozent der Fälle einen Aufzug für den Transport der Rollen auf das Dach habe benutzen könne, was insoweit mit den Angaben gegenüber dem Präventionsdienstes im Juli 2013 übereinstimmt, aber wiederum mit seiner Berufungsbegründung im Widerspruch steht, wonach nur in 30 % der Fälle ein Aufzug zur Verfügung gestanden habe. Soweit der Transport vom Lager in das Transportfahrzeug und vom Transportfahrzeug zur Baustelle als Tragezeit der Last auf der Schulter in Betracht kommen, ist damit nach wie vor eine überwiegende Anzahl der damit ausgefüllten Arbeitsschichten nicht sicher nachgewiesen. Außerdem hat der Zeuge noch angemerkt, dass er schon seit langem angeordnet habe, dass die schweren Rollen zu zweit getragen werden, was aber für die Zeit der Beschäftigung seines Bruders bei ihm noch nicht zugetroffen habe.

Der Senat hält die zuerst gemachten Angaben des Klägers, nur in Einzelfällen Rollen mit einem Gesamtgewicht von 50 kg auf der Schulter getragen zu haben, auch deshalb für zutreffend, weil der Kläger anfangs bereits die Überstreckung des Kopfes bei Überkopfarbeiten oder die Verdrehung der HWS bei der Montage mit Blick nach oben oder in engen Kanälen hinter Behältern als ausreichende Belastung angesehen hat, wie sich aus seiner Widerspruchsbegründung vom 25.08.2013 ergibt und er sogar noch bei der Untersuchung durch Dr. H. am 28.10.2014 solches ausgeführt hat. Seine Widerspruchsbegründung, die gleich lautend mit dem Widerspruch vom 20.01.2014 gegen die Ablehnung der BK Nr. 2108 eingelegt worden ist, täglich eine Last von weit über 50 kg getragen zu haben, lässt daher nicht erkennen, ob damit auch das spezifische Tragen von Lasten auf der Schulter gemeint ist. Es ist daher nahe liegend, dass der Kläger in Verkennung der Bedeutung des Tragens von Lasten auf der Schulter seine ersten Angaben auf der Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten gemacht hat. Die später erfolgten Anpassungen waren im Rahmen des Verfahrensfortgangs und den damit für ihn erkennbaren Bedingungen einer ausreichenden Arbeitsplatzexposition im Sinne der BK 2109 erfolgt. Angesichts der sich nicht nur in nicht entscheidungsrelevanten Randbereichen widersprechenden Angaben des Klägers konnte der Senat eine hinreichend gesicherte Exposition im Sinne der BK 2109 nicht feststellen. Der Senat musste sich auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt sehen, nachdem das SG bereits den vom Kläger auf Aufforderung des Gerichts (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2012) benannten Zeugen vernommen hat. Grundsätzlich ist ein widersprüchliches und nicht glaubhaftes Vorbringen der Partei zudem nicht geeignet, das Gericht zu weiteren Ermittlungen zu veranlassen.

Darüber hinaus teilt der Senat die Auffassung des SG, dass der Transport der Rollen auf der Schulter nicht mit der erforderlichen Zwangshaltung des Kopfes bzw. des Nackens des Klägers einhergegangen ist, wie sie bei den Fleischträgern und Sackträgern, den in Studien untersuchten Berufsgruppen für die Zusammenhangsbeurteilung einer berufsbedingten HWS-Bandscheibenerkrankung, vorkommen. Bereits in der Stellungnahme des Präventionsdienstes von 23.07.2013 war für den Senat überzeugend darauf hingewiesen worden, dass die Trageform von Tierkörpern auf dem Kopf bzw. dem Schultergürtel maßgebend ist. Eine solche Zwangshaltung konnte der Senat nicht feststellen. Diese Beurteilung ergibt sich aus der vergleichenden Betrachtung der vom SG im Beweistermin angefertigten Fotos mit dem von Dr. H. vorgelegten Foto zum Transport einer Schweinehälfte auf der Schulter eines Fleischträgers. Selbst unter Berücksichtigung, dass die vom Zeugen und vom Kläger anlässlich des Termins demonstrierte Arbeitshaltung nur das Tragen einer nicht den tatsächlichen Ausmaßen der verwendeten Rollen mit einem Durchmesser von 40 cm und einer Länge von 162 cm entsprechenden Papierrolle aufwies, ist ersichtlich, dass durch die feste Lagerung der Rollen auf der Schulter trotz der hinzuzudenkenden größeren Abmessung eine so umfangreiche Bedrängung der Nackenregion, wie aus dem aktenkundigen Bild des Fleischträgers erkennbar, nicht stattgefunden hat. Dies kann das Vorbringen des Klägers und des Zeugen, die Rollen seien zur Stabilisierung mit der Hand fest an die Halsseite anzudrücken gewesen, nicht entkräften, denn die Zwangshaltung des Kopfes zur Seite und gleichzeitig nach vorne ist weder den Schilderungen des Klägers zuverlässig zu entnehmen noch auf der Grundlage der vom SG gefertigten Dokumentationsfotos festzustellen. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung ausführt, auf dem Dach müsse er beim Tragen der Rollen auf der Schulter den Kopf zur Orientierung nach oben anheben, ergibt sich hieraus gerade keine Überdehnung der Nackenmuskulatur mit einer Extrembeugung des HWS-Skeletts, wie das bei der Kopfzwangshaltung in die entgegengesetzte Richtung nach vorne der Fall ist. Der Einfluss von Zugluft oder Kälte ist für die Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal der BK 2109 im Sinne eines langjährigen Tragens schwerer Lasten auf der Schulter vorliegt, nicht relevant. Diese vom Senat vorgenommene Beweiswürdigung stimmt mit der vom Technischen Aufsichtsbeamten K. in seiner ergänzenden Stellungnahme von 28.04.2015 vorgenommenen Einschätzung überein und entspricht auch der medizinischen Bewertung von Dr. H. in seiner hierzu eingeholten ergänzenden Äußerung vom 04.11.2015.

Für weitere Ermittlungen bestand für den Senat bei geklärtem Sachverhalt keine Veranlassung. Der Beweisanregung des Klägers musste der Senat nicht folgen. Inwiefern das SG und der Senat zur Beweiswürdigung, inwieweit eine einschlägige Kopf-/Nackenzwangshaltung eingenommen worden ist, nicht in der Lage sein soll, wie mit der Berufungsbegründung vorgetragen wird, ist nicht substantiiert dargelegt. Welche Voraussetzungen die Zwangshaltung aus medizinischer Sicht erfüllen muss, konnte der Sachverständige Dr. H. aus orthopädischer Sicht darlegen, inwieweit die Trageform des Klägers von der Lastentragung der Sack- und Fleischträger abweicht, fällt in den fachlichen Beurteilungsbereich des Präventionsdienstes. Anhand dieser mitgeteilten Maßstäbe hat der Senat eine sichere Bewertung vornehmen können. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung lässt nicht erkennen, in welcher Form und auf welchem Fachgebiet hierzu neue Erkenntnisse zu gewinnen wären.

Nach Auffassung des Senats ist somit ein insoweit hinreichend wahrscheinlicher berufsbedingter Zusammenhang der Bandscheibenerkrankung der HWS mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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