L 7 SO 2374/16 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SO 1626/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2374/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschriften der §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat das einstweilige Rechtschutzbegehren des Antragstellers in der Sache zutreffend abgelehnt.

1. Der 1952 geborene Antragsteller zog im Dezember 2015 in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Dieser lehnte mit Bescheid vom 23. März 2016 den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab mit der Begründung, der Antragsteller sei Alleinerbe seiner am 5. August 2014 verstorbenen Mutter und daher u.a. auch Inhaber eines Sparvertrages bei der Sparkasse F. (Wert Ende April 2016 ca. 44.000 EUR; kündbar zum Ersten eines Monats mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten). Hiergegen hat der Antragsteller am 15. April 2016 Widerspruch eingelegt, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2016, dem Antragsteller am 28. Juni 2016 zugestellt, zurückgewiesen hat. Hiergegen hat der Antragsteller am 27. Juli 2016 Klage zum SG erhoben (S 6 SO 2969/16).

Bereits am 14. April 2016 hat der Antragsteller beim SG die vorläufige Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab dem 1. Januar 2016 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht. Mit Beschluss vom 6. Juni 2016 hat das SG den Antrag abgelehnt mit der Begründung, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, nachdem der Antragsteller das Angebot des Antragsgegners, ihm Grundsicherungsleistungen darlehensweise bis zur Verwertbarkeit des Vermögens aus dem Sparvertrag zu gewähren, abgelehnt habe.

Gegen den am 6. Juni 2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 23. Juni 2016 Beschwerde per einfacher E-Mail und am 3. Juli 2016 per Fax eingelegt und vorgetragen, ihm hätte zumindest ein Darlehen gem. § 37 SGB XII gewährt werden müssen. Mit Schreiben vom 11. Juli hat der Antragsteller unter Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers mitgeteilt, dass er ab dem 11. Juli 2016 als Diplompädagoge in einer Jugendhilfeeinrichtung versicherungspflichtig angestellt werde mit einem Deputat von 60 %. Mit weiteren Schriftsätzen vom 11. Juli 2016 und 28. Juli 2016, beide beim Gericht am 1. August 2016 eingegangen, hat der Antragsteller unter teilweiser Wiederholung früheren Vorbringens vorgetragen, das Vorhandensein des Sparvertrages sei ihm nicht bekannt gewesen, dieser sei als Schonvermögen gem. § 90 Abs. 2 SGB XII nicht zu berücksichtigen bzw. dessen Verwertung stelle eine unbillige Härte dar.

Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten.

2. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt und zwar für Anfechtungssachen in dessen Abs. 1, für Vornahmesachen in dessen Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 4 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich der vorliegend begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt - wie das SG zutreffend erkannt hat - allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt - neben der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs - das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds voraus (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 - L 7 AS 41/16 ER-B - (juris Rdnr. 11) und 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - (juris Rdnr. 7)). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Januar 2016 a.a.O. und 17. August 2005 a.a.O.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt der begehrte Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht.

Soweit der Antragsteller Leistungen für die Zeit vor Anbringung seines Eilantrags am 14. April 2016 begehrt, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG bedarf eines Gegenwartsbezugs im Sinne einer aktuellen Notlage, also einer besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine derartige Entscheidung bleibt vielmehr dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Das gilt namentlich für Leistungen, die für einen Zeitraum vor dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt werden (vgl. hierzu nur Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rdnr. 35a m.w.N.). Denn die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG dient der Abwendung wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 26. Januar 2016 a.a.O. (juris Rdnr. 12) und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris Rdnr. 3)). Aus dem Gegenwartsbezug der einstweiligen Anordnung folgt, dass dieser vorläufige Rechtsbehelf für bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung zurückliegende Zeiträume nur ausnahmsweise in Betracht kommt; es muss durch die Nichtleistung in der Vergangenheit eine Notlage entstanden sein, die bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht. Einen derartigen "Nachholbedarf" für die Zeit ab dem 1. Januar 2016 hat der Antragsteller nicht dargetan und erst Recht nicht glaubhaft gemacht.

Auch für die Zeit seit Anhängigkeit des Eilantrags (14. April 2016) ist der erforderliche Anordnungsgrund zur Überzeugung des Senats (§§ 128 Abs. 1 Satz 1, 142 Abs. 1 SGG) nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr ist es dem Antragsteller zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn der Betroffene bei Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können oder gegenwärtige schwere, unzumutbare, irreparable rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenlage des Betroffenen, unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter muss es unzumutbar erscheinen lassen, den Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Wie bereits dargelegt, beurteilt sich in einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren das Vorliegen eines Anordnungsgrundes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet, im Beschwerdeverfahren mithin nach dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung.

Vorliegend hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm hinsichtlich der für die Zeit ab 14. April 2016 begehrten Leistungen ein Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht zumutbar ist. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass durch das Angebot der Antragsgegnerin, dem Antragsteller bis zur Verwertbarkeit des Vermögens aus dem Sparvertrag bei der Kreissparkasse Freiburg ein Darlehen zu gewähren, eine Eilbedürftigkeit nicht mehr gegeben war. Dieses Angebot vom 27. April 2016 (Bl. 44 der SG-Akten) hat der Antragsteller mit Schreiben vom 28. April 2016 (Bl. 48 der SG-Akten) abgelehnt. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung gem. § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug genommen. Die Eilbedürftigkeit ist darüber hinaus dadurch entfallen, dass der Antragsteller nunmehr seit dem 11. Juni 2016 mit einem Deputat von 60 % als Diplompädagoge versicherungspflichtig beschäftigt ist. Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit hat er zwar nicht mitgeteilt. Durch die versicherungspflichtige Beschäftigung ist jedoch zum einen der Krankenversicherungsschutz des Antragstellers sichergestellt, zum anderen ist unter Berücksichtigung der Einkünfte aus dieser Tätigkeit sowie der sonstigen Einkünfte (Zuwendung von Verwandten i.H.v. monatlich 200 EUR) ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumutbar. Die Beschwerde ist nach alledem zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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