L 8 U 423/16 ZVW

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2833/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 423/16 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Verfahren vor dem Bundessozialgericht nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger aufgrund seines Arbeitsunfalls vom 27.08.1979 höhere Verletztenrente zusteht.

Der 1949 geborene Kläger war von 1979-1983 in der Firma B. A.-Metallhütte beschäftigt, als er am 27.08.1979 während seiner Tätigkeit als Schichtmeister beim Beschicken des Aluminiumschmelzofens durch flüssiges Aluminium Verletzungen im Gesicht, an der linken Hand und am linken Arm erlitt. Es wurden Verbrennungen 1. und 2. Grades im Bereich der Schulter und der linken Extremität sowie im gesamten Gesicht, insbesondere mit Betroffenheit der Augenlider, der Bindehaut und der Hornhaut diagnostiziert (Durchgangsarztbericht des Katharinenhospitals S. vom 30.08.1979; Augenarztbericht der Augenklinik des Katharinenhospitals vom 07.09.1979). Die schwere Verbrennung des rechten Auges führte zu Lidveränderungen, teilweisem Wimpernverlust, Einwärtskehrung des Oberlides und Bindehautnarben mit Verkürzung der Umschlagfalte bei völliger Überwachsung des Augapfels mit Bindehaut und einem Sehrest, der der Erblindung gleichzusetzen ist (augenärztliches Gutachten von Oberarzt Dr. J. vom 30.07.1980). Ab 24.03.1980 nahm der Kläger seine Beschäftigung bei der Firma B. wieder auf. Er übte nunmehr Aufsichtsarbeiten in der Späneaufbereitung und der Guss-Sortierung aus (Auskunft des Arbeitgebers vom 06.06.1980). Der Kläger wurde rechts mit einer Augenprothese versorgt, das linke Auge hatte nach Abheilung bei peripherer Netzhaut-Aderhautnarbe regelrechte Sehleistung (Universität-Augenklinik Tübingen vom 11.12.1980).

Auf der Grundlage des Rentengutachtens von Dr. J. vom 30.07.1980, der die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf augenärztlichen Gebiet mit 30 v.H. bewertete, und des unfallchirurgischen Gutachtens vom 15.08.1980, das die MdE mit unter 10 v.H. für die Unfallfolgen auf diesem Fachgebiet einschätzte, gewährte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden Beklagte) mit Bescheid vom 26.09.1980 vorläufige Rente nach einer MdE um 30 v.H. ab 24.03.1980. Im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs vom 30.09.1981 (Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 7 U 633/81 vor dem Sozialgericht Heilbronn – SG –) wurde die vorläufige Rente mit einer MdE von 35 v.H. bis 31.08.1981 gewährt.

Gestützt auf das augenärztliche Gutachten vom 30.06.1981 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27.07.1981 eine Dauerrente nach einer MdE um 30 v.H. und stellte als Unfallfolgen fest: am rechten Auge eine Herabsetzung des Sehvermögen auf die Wahrnehmung von Lichtschein und Handbewegungen und dadurch bedingter Verlust des räumlichen Sehens. Geringe Auswärtsschielstellung mit geringer Behinderung der Beweglichkeit. Verbrennungs- und Operationsnarben des Oberlides mit geringer Einwärtskehrung, Oberlideinkerbung, teilweisem Wimpernverlust und nicht ganz vollständigem Lidschluss. Strangförmige Verwachsungen zwischen Oberlid- und Augapfelbindehaut schläfenwerts oben reizfrei eingeheilte Mundchleimhauttransplantate, geringe Rötung der Bindehaut. Vernarbte, verdünnte, von Bindehaut gedeckte Hornhaut. Subjektive Beschwerden.

In der Folge kam es zu Nachuntersuchungen (augenärztliche Gutachten von Prof. Dr. T. vom 02.12.1983 und vom 27.12.1985), die eine fortbestehende MdE von 30 v.H. ergaben. Der Antrag des Klägers, ihm Sehhilfe für das linke Auge zu gewähren, wurde abgelehnt (Bescheid vom 17.01.2006/Widerspruchsbescheid vom 22.03.2006).

Mit Schreiben vom 24.05.2009 beantragte der Kläger die Erhöhung der Verletztenrente und bezog sich auf beigefügte Arztberichte (Bericht des Hautarztes Fies vom Mai 2009 – alte Narben nach Arbeitsunfall 1979 mit gelegentlich akneartiger Entzündungsneigung –; augenärztlicher Befundbericht von Dr. N. vom 20.01.2009 – Glasauge rechts nach Arbeitsunfall 1979, Oberlid-Entropium, Auge links Hyperopie, Presbyopie, chronische Blepharitis, Konjunktivitis sicca, Hornhautnarbe –).

Mit Bescheid vom 09.11.2009 lehnte die Beklagte die Erhöhung der Rente ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch am 09.12.2009 ein, den er zunächst mit der Verschlechterung der Sehfähigkeit am linken Auge, Hautveränderungen mit Verschlechterung der Tragfähigkeit der Augenprothese rechts und einer Fehlstellung der Halswirbelsäule aufgrund des einäugigen Sehens begründete (Schreiben des vormaligen Bevollmächtigten vom 27.01.2010). Nach Aufklärungsschreiben der Beklagten vom 09.02.2010 und 27.04.2010 wurde ergänzend vom Kläger zur Begründung vorgetragen, es bestehe auch eine Schädigung der Psyche und er habe einen Herzinfarkt erlitten. Verwiesen wurde auf die Arztbriefe der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 25.02.2010 und 01.07.2004 (Blatt 87 und 101 der Beklagtenakte III), wonach beim Kläger eine depressive Erkrankung mit überwiegend mittelgradigen depressiven Episoden seit ca. 1994 bekannt sei. Es bestehe eine beruflich ausgeprägte Mobbingsituation und außerdem leide er unter Kopfschmerzen, die aufhörten, wenn keine berufliche Tätigkeit ausgeübt werde. Vorgelegt wurde außerdem die ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin/Psychotherapie Dr. B. vom 13.05.2009 (Blatt 91 der Beklagtenakte III). Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2010 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Der Kläger erhob am 06.08.2010 Klage zum SG und begehrte eine Verletztenrente nach einer MdE um 45 v.H. Die bei ihm diagnostizierten depressiven Episoden seien unfallabhängig.

Das SG zog vom Radiologen Dr. M. Arztbriefe und von der Techniker Krankenkasse das Vorerkrankungsverzeichnis vom 01.12.2011 und 28.12.2011 bei und hörte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen (Aussagen von Dr. K. vom 23.11.2010, Hautarzt Fleischer vom 07.12.2010 und vom 14.09.2011, Orthopäde K. vom 09.12.2010 und vom 02.05.2011, Orthopäde Dr. S. vom 10.12.2010, Augenarzt Dr. N. vom 01.02.2011, Internist Dr. H. vom 20.04.2011).

In dem von Amts wegen eingeholten augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. L. vom 08.02.2012 mit Ergänzung vom 24.04.2012 – nach Einwendungen des Klägers (Schriftsatz vom 27.03.2012) – kam der Sachverständige zu der Einschätzung, die Unfallfolgen begründeten eine MdE um 30 v.H. Diese Einschätzung wurde in dem auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. R. vom 13.04.2013 bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 13.06.2013 machte der Kläger geltend, seit November 2012 sei er wegen seiner psychischen Probleme in Behandlung bei Diplom-Psychologin G., die diese auf seinen Arbeitsunfall zurückführe. Diese habe eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert (Schriftsatz vom 16.09.2013).

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG holte das SG von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, forensische Psychiatrie, Chefarzt der Klinik für Suchttherapie, Dr. H. das Gutachten vom 28.05.2014 ein. Er diagnostizierte eine depressive Erkrankung beim Kläger, wobei aktuell die Kriterien einer leichten depressiven Episode erfüllt seien. Eine auf die posttraumatische Belastungsstörung beziehbare Symptomatik habe sich nicht herausarbeiten lassen. Ebenso wenig ergäben sich Anhaltspunkte für eine Erkrankung aus dem Spektrum der somatoformen Störungen. Depressionen seien multifaktoriell bedingt. Der Kläger habe eine Reihe von belastenden familiären und auch beruflichen Lebensereignissen geschildert, es lasse sich aber weder inhaltlich noch zeitlich ein Zusammenhang mit dem Unfall vom 29.08.1979 herstellen.

Hiergegen machte der Kläger geltend, das Gutachten von Dr. H. sei nicht verwertbar, denn die Prüfung der diagnostischen Kriterien für eine posttraumatischen Belastungsstörung sei dem Gutachten nicht zu entnehmen. Auch sei das von dem Sachverständigen geschilderte Durchhaltevermögen unzutreffend eingeschätzt. Die von ihm erbetene Pause, die zur Unterbrechung der Untersuchung um eine halbe Stunde geführt habe, sei im Gutachten nicht erwähnt. Auf den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 15.07.2014 wird im Weiteren verwiesen. Vorgelegt wurde das vom Kläger veranlasste Gutachten von Diplom-Psychologin G., M.A. Psycholinguistik und Philosophie, klinische Psychologie, Psychotherapie, vom 13.07.2014. In dem Gutachten geht die Psychologin G. vom einer posttraumatischen Belastungsstörung im Zusammenhang mit dem Unfall von 1979 aus. Die Kriterien des DSM-IV 1998 für ein traumatisches Ereignis seien auch im Sinne einer Retraumatisierung erfüllt, wiederkehrende und eindringliche Erinnerungen lägen vor, eine intensive psychische Belastung bei Konfrontation mit Hinweisreizen und eine körperliche Reaktion bei der Konfrontation mit internalen und externalen Hinweisreizen seien gegeben. Auch eine anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma verbunden würden, läge vor.

Der Kläger hat ergänzend beantragt, von Prof. Dr. S. ein weiteres nervenärztliches Gutachten nach § 109 SGG einzuholen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2014 wies das SG die Klage ab. Eine Änderung der Verhältnisse, die der Dauerrentenbewilligung zu Grunde gelegen hätten, sei nicht eingetreten. Aus den schlüssigen Gutachten von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. R. ergebe sich, dass auf augenärztlichem Gebiet keine Änderung eingetreten sei. Der nach § 109 SGG gehörte Neurologe und Psychiater Dr. H. habe keine Unfallfolge auf seinem Fachgebiet, insbesondere keine posttraumatische Belastungsstörung, feststellen können. Das Gutachten der Diplom-Psychologin G. sei nicht überzeugend. Sie gehe von Umständen aus, die sich aus den in den Akten befindlichen Arztbriefen nicht entnehmen ließen. Ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG von einem Arzt mit dem gleichen Fachgebiet, auf dem bereits ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt worden ist, könne nicht begehrt werden.

Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 19.09.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 16.10.2014 Berufung (L 8 U 4313/14) eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Gericht habe nicht mit Gerichtsbescheid entscheiden dürfen, denn entgegen der Auffassung des SG sei der Sachverhalt hinsichtlich der unfallbedingten posttraumatischen Belastungsstörung nicht geklärt. Das Gericht hätte zu dieser Frage den Sachverständigen Prof. Dr. S. mit der Gutachtenserstattung beauftragen müssen, denn das Antragsrecht nach § 109 SGG sei nicht verbraucht. Das Gutachten von Dr. H. habe keinen Beweiswert. Dr. H. habe zweifelhafte Fachkenntnis für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es seien keine Veröffentlichungen von Dr. H. auf dem Gebiet bekannt. Unter Bezugnahme auf die Versorgungsmedizinverordnung rechtfertige auch die Augenerkrankung eine Erhöhung der MdE. Der Kläger hat den Entlassungsbrief der Klinik L. vom 10.03.2015 über eine schlafmedizinische Untersuchung vorgelegt.

Im nicht-öffentlichen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 17.04.2015 hat der Kläger weitere Angaben gemacht. Vorgelegt wurde die Äußerung von Prof. Dr. S. vom 11.09.2014. Im Termin am 17.04.2015 haben die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt. Mit am 20.04.2015 eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Kläger beantragt, das Verfahren für ruhend zu erklären, denn er habe am 20.04.2015 Prof. Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das er dem Gericht vorlegen werde.

Mit Urteil vom 24.04.2015 hat der Senat ohne mündliche Verhandlung die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der einseitige Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens stelle keine neue Prozesslage mit Wegfall der Wirksamkeit der Einverständniserklärungen der Beteiligten zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, sondern den prozessual unzulässigen einseitigen Widerruf der bindend abgegebenen Einverständniserklärung dar. Auch habe keine Veranlassung bestanden, eine weitere Frist zur ergänzenden Berufungsbegründung einzuräumen. Das Gericht müsse die Vorlage eines privaten Gutachtens nicht abwarten, auf dessen Erstattung nach § 109 SGG kein Anspruch besteht. In der Sache hat sich der Senat auf das Gutachten von Dr. H. gestützt.

Mit Bescheid vom 06.08.2015 hat die Beklagte 1. die Anerkennung der vom Kläger geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls, 2. die Gewährung von Leistungen aufgrund Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet, insbesondere Heilbehandlung sowie Geldleistungen wie Verletztengeld, Fahrtkostenerstattung und Gutachtenskosten und 3. Rente und sonstige Rehabilitationsleistungen aufgrund Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet abgelehnt. Zudem vorgelegt wurde der Widerspruchsbescheid vom 22.10.2015, mit dem der Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.08.2015 zurückgewiesen wurde. In dem hiergegen angestrengten Klageverfahren vor dem SG (S 13 U 3868/15) ist mit Beschluss vom 11.01.2016 das Ruhen angeordnet worden.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundessozialgericht (B 2 U 132/15 B) mit Beschluss vom 17.12.2015 das Urteil des Senats aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Baden-Württemberg zurückverwiesen. Mit dem Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, sei eine wesentliche Änderung in der bisherigen Prozesslage eingetreten. Die Einverständniserklärung der Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung habe damit ihre Wirksamkeit verloren. Das angefochtene Urteil des Senats könne auf dem Verfahrensfehler beruhen, es sei nicht auszuschließen, dass es nach Eingang des Gutachtens von Prof. Dr. S. zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

In dem fortgeführten Berufungsverfahren (L 8 U 423/16 ZVW) hat der Kläger das psychotraumatologisch-nervenfachärztliche Gutachten von Prof. Dr. S. vom 05.06.2015 mit ergänzender Äußerung vom 29.04.2016 (Bl. 12/41 und 53/55 der Senatsakte) vorgelegt. Darin wird ausgeführt, beim Kläger bestehe eine posttraumatische Belastungsstörung (chronifiziert) nach ICD-10 F 43.1, sonstige Reaktionen auf schwere Belastung nach ICD-10 F 43.8 und sonstige depressive Episoden (reaktiv und chronifiziert bei schwerer psychosozialer Belastung) nach ICD-10 F 32.8, die ohne jeden vernünftigen Zweifel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall von 1979 verursacht oder mitverursacht wurden. Die hierdurch verursachte seelische Störung bedinge ab 29.08.1979 eine MdE um 40 v.H., zusammen mit der Augenerkrankung ergebe sich eine MdE um 50 v.H.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.09.2014 sowie des Bescheids der Beklagten vom 09.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2010 die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.01.2005 Rente nach einer MdE in Höhe der vom Gericht nach billigem Ermessen bestimmten MdE, mindesten aber in Höhe von 50 v.H. zu gewähren; die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für erforderlich zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt zur Begründung vor, Prof. Dr. S. habe sich nicht mit den konkurrierenden Faktoren nämlich der erhöhten privaten und beruflichen Belastung auseinandergesetzt. Auch die Latenz des Auftretens von psychischen Gesundheitsstörungen widerspreche der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde auf Antrag des Klägers das Gutachten von Prof. Dr. S. verlesen. Außerdem hat der Kläger den unbedingten Beweisantrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass er durch den Arbeitsunfall vom 27.08.1979 an einer posttraumatischen Belastungsstörung erkrankt ist oder sich diese infolge des Arbeitsunfalls zu einem späteren Zeitpunkt herausgebildet hat, ein Sachverständigengutachten gemäß § 109 Abs. 1 SGG einzuholen, der Sachverständige werde noch benannt, hilfsweise, für den Fall dass nach Auffassung des Senats das Antragsrecht gemäß § 109 Abs. 1 SGG verbraucht sein solle, die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens von Amts wegen.

Nach Beratung im Senat ist der Beweisantrag mit im Termin verkündeten Beschluss abgelehnt und die Ablehnung begründet worden.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten (bis Bl. 1050), die Akten des Sozialgerichts S 7 U 2833/10 und die Akte des Bundessozialgerichts B 2 U 132/15 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallenen Akten im vorangegangenen und fortgeführten Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 16.09.2014 ist nicht zu beanstanden. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2010 ist nicht rechtswidrig, der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf höhere Verletztenrente zu. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, wie sie zum Zeitpunkt des Dauerrentenbescheids vom 27.07.1981 vorlagen, ist nicht eingetreten. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Abänderung eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes nach § 48 Abs. 1 SGB X verweist der Senat auf die zutreffende Darlegung im angefochtenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG; Seite 6 des Gerichtsbescheids).

Soweit der Klägerbevollmächtigte trotz richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung an der Antragstellung, Verletztenrente in Höhe der vom Gericht nach billigem Ermessen zu bestimmenden MdE zu gewähren, festgehalten hat, ist die Bedingung "nach billigem Ermessen" unwirksam und bindet den Senat nicht. § 287 Abs. 1 ZPO, auf den sich der Kläger berufen hat, ist nicht anwendbar. Die Gewährung der Verletztenrente ist eine gebundene Entscheidung, für die weder Ermessenserwägungen anzustellen sind noch Ermittlungen im Ermessen des Gerichts stehen. Die Bestimmung der MdE ist eine im Rahmen der Tatsachenfeststellung nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG zu treffende Schätzung (BSG Urt. vom 05.09.2009 – B 2 U 25/05R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 2), die uneingeschränkt der Amtsermittlungspflicht und der vollen richterlichen Überprüfbarkeit unterliegt. Nach Wegfall der unwirksamen Bedingung wäre ein etwa dann unbezifferter Leistungsantrag bereits unzulässig. Da der Kläger bereits Verletztenrente erhält, könnte der Leistungsantrag auch nicht als Antrag auf Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs. S.1 SGG ausgelegt werden. Der solchermaßen rechtlich unwirksame Antrag ist gleichwohl nicht unzulässig. Zu Gunsten des Klägers ist der Senat von einem noch bezifferten und damit zulässigen Leistungsantrag ausgegangen, da mit der Antragsbegrenzung, Verletztenrente mindestens nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren, nicht nur der Ausschluss einer Rente nach einer MdE um 40 v.H. sondern höhere Verletztenrente ab einer MdE um 50 v.H. begehrt wird. Der Antrag ist somit zulässig, aber unbegründet.

Beim Kläger besteht als Folge des Arbeitsunfalls am 27.08.1979 die Augenverletzung rechts, wie sie in den augenärztlichen Gutachten von Prof. Dr. L. und von Prof. Dr. R. übereinstimmend und auch für den Senat nachvollziehbar beschrieben ist. Hierzu hat der Kläger zuletzt auch keine Einwendungen mehr im Berufungsverfahren erhoben. Der Senat hatte mit Urteil vom 24.04.2015 in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"Bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem – auch nach Korrektur – Sehvermögen des zweiten Auges ist eine MdE von 25 v.H. anzunehmen. Ein Kunstauge oder gelegentliches Absondern klebriger Flüssigkeiten sind keine Komplikationen in diesem Sinne. Eine erhöhte Blendempfindlichkeit, der Verlust des räumlichen Sehens und etwaige Gesichtsfeldeinschränkungen sind bereits in der Tabelle für die Beurteilung der Sehschärfe enthalten und daher nicht gesondert zu bewerten. Mit der MdE um 30 v.H. werden Komplikationen als auch eine wahrscheinliche Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berücksichtigt (vgl. insgesamt hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 292f). Da das linke Auge des Klägers mit Korrekturhilfe über uneingeschränktes Sehvermögen verfügt, ist die MdE mit 30 v.H. beim Kläger nicht zu niedrig festgesetzt."

Hieran hält der Senat fest.

Weitere Unfallfolgen hat der Senat nicht feststellen können. Dass der Herzinfarkt Unfallfolge ist, konnte der Senat nicht feststellen. Eine höhere MdE wegen auf psychiatrischem Fachgebiet zu beschreibenden Gesundheitsstörungen des Klägers liegt nicht vor. Eine posttraumatische Belastungsstörung ist nicht nachgewiesen (Nr. 1). Ein wesentlicher unfallbedingter Zusammenhang psychischer Gesundheitsstörungen des Klägers ist nicht gegeben (Nr. 2).

Nr. 1.1

Der Senat stützt sich auf das überzeugende Gutachten von Dr. H. vom 28.05.2014, der eine Beschwerdesymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht hat diagnostizieren können und die psychische Erkrankung des Klägers als depressive Erkrankung, wobei die Kriterien einer leichten depressiven Episode vorgelegen haben, beschreibt, die auf unfallunabhängige Entstehungsursachen zurückzuführen ist. Dr. H. stimmt insoweit mit den Diagnosen der behandelnden Nervenärztin Dr. K. sowie den teilweise konsiliarisch hinzugezogenen Nervenärzten bzw. Fachärzten für Psychosomatik in dem 2007 durchgeführten Heilverfahren und der Behandlung ab 2009 im Krankenhaus B. überein. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten der Diplom-Psychologin G. vom 13.07.2014 und von Prof. Dr. S. vom 05.06.2015 mit ergänzender Äußerung vom 29.04.2016 konnten dem Senat nicht die volle Überzeugung davon vermitteln, dass entgegen dieser gutachtlichen Auffassung beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt.

Hierzu hat der Senat im Urteil vom 24.04.2015 ausgeführt:

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine erst längere Zeit nach dem geltend gemachten Unfallereignis diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung nicht allein wegen des Zeitablaufs als Folge des Unfalls zu verneinen. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine "verzögerte" posttraumatische Belastungsstörung als Gesundheitserstschaden eines Arbeitsunfalles nicht deshalb ausscheidet, weil eine wahrnehmbare Symptomatik erst längere Zeit nach dem die Erkrankung auslösenden Initialereignis aufgetreten ist. Ein Gesundheitsschaden kann entweder bereits mit dem Initialereignis eingetreten sein - Behandlungsbedürftigkeit ist keine zwingende Voraussetzung - oder die zum später auftretenden Gesundheitsschaden führende Kausalkette kann dadurch in Gang gesetzt worden sein. Die lange Latenz gibt jedoch Anlass zur Prüfung, ob neben dem Initialereignis mitwirkende, danach entstandene Bedingungen allein wesentliche Ursache für die Entstehung der Symptomatik, die medizinisch in Anwendung der Äquivalenztheorie (conditio sine qua non) die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung begründet, sein können (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013 – L 8 U 2652/12 –, juris).

Vorliegend ist jedoch bereits fraglich, ob eine psychische Einwirkung von Krankheitswert durch das Unfallereignis stattgefunden hat, die einen psychischen "Erstschaden" bewirkte, an der die später aufgetretene psychische Symptomatik anknüpft.

Gemäß § 548 Abs. 1 RVO (bzw. § 8 Abs. 1 SGB VII) ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer dem Versicherungsschutz nach einer der in §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO (bzw. §§ 2, 3 oder 6 SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) erleidet. Es muss ein kausaler Zusammenhang zwischen der im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall bestehen. Unfälle waren in ständiger Rechtsprechung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, jetzt § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheit(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheit(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).

Der Senat geht davon aus, dass durch den anerkannten Arbeitsunfall, der beim Kläger zur gravierenden Verletzungen mit Verlust der Sehkraft des rechten Auges führte, auch eine seelische Einwirkung des Unfallereignisses stattgefunden hat, die grundsätzlich sogar ohne eine physische Verletzung entstehen kann (BSG Urteile v. 09.05.2006, a.a.O.) und sich vorliegend in der Angst und Sorge um die Schwere der Verletzung, ihre wirtschaftlichen Folgen und die Zukunftsplanung geäußert haben mag.

Dagegen ist dem Senat die Feststellung nicht möglich, dass durch diese Einwirkungen ein psychischer Gesundheitserstschaden entstanden ist.

Gesundheitserstschaden ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, a.a.O. Rn. 21, 22; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20), was angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden psychischen Erkrankungen und möglicher Schulenstreite in der Medizin eine sichere und nachvollziehbare Diagnosestellung unter Verwendung der üblichen Diagnose-Manuale voraussetzt (BSG, a.a.O.).

Ein für den Senat ersichtlicher Gesundheitserstschaden ist durch die genannten Einwirkungen nicht erwiesen. Der Gesundheitserstschaden setzt, wie dargelegt, keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus. Auch Bagatellverletzungen (z.B. "blauer Fleck") sind regelwidrige Gesundheitszustände, die zwar einen Arbeitsunfall begründen, aber zumeist keine Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung auslösen. Zwar hat der Kläger einen somatischen Gesundheitsschaden davongetragen, jedoch ergibt sich weder aus seinem Vorbringen eine unmittelbar verursachte psychische Gesundheitsstörung noch findet sich dies in den zu den Akten der Beklagten gelangten Arztberichten, die unmittelbar nach dem Unfall 1979 im Zusammenhang mit der Akutbehandlung und auch in den nachgehenden Untersuchungen bis 1985 entstanden sind. Eine Diagnose über einen krankheitswertigen Zustand im unmittelbaren Anschluss an den Unfall, insbesondere eine akute Belastungsreaktion nach ICD-10 F43.0 (eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingen), wurde damals nicht gestellt, auch ist ein damit in Zusammenhang bringendes Krankheitsbild von keinem der damals den Kläger behandelnden Ärzten auch nicht andeutungsweise dokumentiert worden und von keinem der sich nachfolgend gutachterlich äußernden Ärzten überzeugend thematisiert oder durch eine eigene Diagnosestellung belegt."

Auch an diesen Ausführungen hält der Senat fest. Der Senat konnte weder feststellen, dass es beim Kläger in Folge des Unfalls vom 27.08.1979 zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen war, die durchgehend unterhalten worden war, noch, dass eine Retraumatisierung eine posttraumatische Belastungsstörung ausgelöst hat. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. S. und von Psychologin G. enthalten Unstimmigkeiten zur Aktenlage und nicht überzeugende gutachterliche Schlussfolgerungen, weshalb sie nicht zur vollen Überzeugung des Senats eine auf den Arbeitsunfall von 1979 zurückzuführende psychische Gesundheitsstörung als Unfallfolge belegen.

Prof. Dr. S., der als früherer Leiter der Sektion Psychotraumatologie der Universitätsklinik Heidelberg und Mitautor mehrerer wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Psychotraumatologie (vgl. dazu das Literaturverzeichnis zum Gutachten vom 05.06.2015) zwar grundsätzlich über besondere Sachkunde verfügt, hat dem Senat gleichwohl nicht nachvollziehbar vermitteln können, dass die von ihm erhobenen Befunde das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einen wesentlichen Zusammenhang der von ihm beim Kläger diagnostizierten psychischen Erkrankungen mit dem Unfall aufweisen. Soweit er die Sachkunde des Sachverständigen Dr. H. infrage stellt und dessen Gutachten als unzulänglich wertet, ist dies nicht überzeugend. Zum einen ist die Psychotraumatologie noch kein eigenständiges ärztliches Fachgebiet (vgl. Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 15.03.2006 i.d.F. vom 01.02.2016 und Richtlinien der Landesärztekammer Baden-Württemberg über den Inhalt der Weiterbildung vom 28.01.2015, www.aerztekammer-bw.de, Seite Weiterbildung), auch wenn sich dies Prof. Dr. S. wünscht, weshalb der von ihm bemühte Vergleich, eine neurochirurgische Fragestellung lasse man auch nicht von einem breitqualifizierten Allgemeinmediziner beantworten, unpassend ist. Die posttraumatische Belastungsstörung ist eine auf psychiatrischem Fachgebiet zu stellende Diagnose, eine andere medizinische Fachdisziplin ist hierzu derzeit noch nicht installiert, wenn auch besondere individuelle Spezialisierungen im Bereich der Psychotraumatologie möglich sind. Zum anderen ist Dr. H. als Chefarzt einer nervenärztlichen Landesklinik im Bereich der Suchttherapie weder für die Diagnose einer Depression noch für die Diagnosen etwaiger traumabedingter psychischer Erkrankungen ungeeignet, da ein Suchtverhalten durchaus auch als Folgeerscheinung eines Traumas auftreten kann (dazu vgl. z. B. Goddemeier, Sucht und Trauma: Herausforderung an eine integrative Behandlung, in: Ärzteblatt 2009, 448 ff.; oder www.trauma-und-sucht.de bzw. www.traumatherapie.de). So referiert Prof. Dr. S. in seinem Gutachten die Klägeräußerung, dass er Alkoholabstinenz nur dadurch aufrechterhalten könne, indem er keinen Alkohol im Hause habe (vgl. Seite 26 seines Gutachtens). Traumapatienten dürften Dr. H. daher nicht fremd sein.

Soweit der Kläger unter Berufung auf Prof. Dr. S. kritisiert, dass Dr. H. keine Veröffentlichungen zum Thema einer posttraumatischen Belastungsstörung aufzuweisen habe, belegt dies weder fehlende fachliche Fähigkeiten noch eine unzureichende Kompetenz als Gerichtsgutachter.

Im Gutachten vom 05.06.2015 stützt der Sachverständige seine Beurteilung darauf, dass beim Kläger eine infolge des Unfalls entstandene posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren sei, denn die nach den einschlägigen Diagnoseschlüsseln ICD-10 F 43.1 bzw. DSM-IV 309.81 Teil 1 und 2, deren Voraussetzungen im Gutachten (Seite 45-48 des Gutachtens, Bl. 34-35 der Senatsakte) dargelegt werden, geforderten Diagnosekriterien seien gegeben. Die Darstellung des Klägers des Unfallereignisses bei der Anamneseerhebung entspreche einem Traumaereignis im Sinne der Diagnosekriterien. Die Art der Schilderung habe eine peritraumatische Dissoziation ergeben, was als sicherer Prädiktor einer nachfolgenden posttraumatischen Belastungsstörung gelte. Es habe ein Vermeidungsverhalten vorgelegen, da der Kläger nicht mehr an seiner ehemaligen Arbeitsstelle gearbeitet habe. Auch das Erfordernis eines Hyperarousels nach dem Unfall mit Reizbarkeit oder Wutausbrüchen als Ausdruck der für Traumatisierte typischen "Entfremdung" von der Umwelt sowie Schlafstörungen lägen vor. Auch habe der Kläger Albträume angegeben, die nicht zwingend mit dem jeweiligen Traumaereignis korrelieren oder darauf bezogen sein müssten. Gleiches gelte für den Inhalt von Intrusionen.

Diese gutachterlichen Schlussfolgerungen werden jedoch allein auf die Angaben des Klägers in der gutachtlichen Exploration und auf die dort erzielten Testergebnisse gestützt, ohne den notwendigen Abgleich mit der Aktenlage durchzuführen. Ungereimtheiten zwischen aktuellen Angaben des Klägers und aktenkundigen Vorgängen oder früheren Angaben des Klägers werden nicht angesprochen und schon gar nicht medizinisch bewertet. Allein der im Allgemeinen bleibende Hinweis darauf, dass Traumaereignisse i.d.R. inkohärent berichtet würden und bei wiederholten Darstellungen in unterschiedlicher Art und Weise wiedergegeben würden aufgrund der physiologischen Prozesse der unter maximaler Angst beeinträchtigten Gedächtnisbildung, ist keine hinreichende Auseinandersetzung mit dem erhobenen Befund und der in mehreren Punkten widersprechenden Aktenlage. So hat Prof. Dr. S. - wie er selbst ausführt - auf eine biographische Anamnese verzichtet (Seite 16 des Gutachtens, dazu unten). Dabei hat er dann aber ohne dies medizinisch nachvollziehbar zu machen ohne Prüfung Konkurrenzursachen per se ausgeschlossen.

Nr. 1.2. Prof. Dr. S. und Dipl. Psychologin G. gehen übereinstimmend davon aus, dass bereits zum Unfallzeitpunkt das Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung vorgelegen habe, die Symptomatik - genannt werden u.a. das Vermeidungsverhalten, Merkmale des Hyperarousels - aber von den Ärzten nicht erkannt worden sei. Dies ist zur Überzeugung des Senats jedoch einerseits nur eine durch nichts belegte Unterstellung und andererseits erweisen sich einzelne hierfür genannte Anknüpfungspunkte als nicht mit dem tatsächlichen Geschehen vereinbar.

Der Senat hat zum Gesichtspunkt eines bereits zum Unfallzeitpunkt aufgetretenen psychischen Gesundheitserstschadens in seinem Urteil vom 24.04.2015 dargelegt:

Insoweit ist die Behauptung in der vom Kläger vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme der Psychologin G., eine Belastungsreaktion des Klägers habe in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Unfall vorgelegen, nicht nachvollziehbar. Die Psychologin G. legt nicht offen, woher sie diesen Befund hat. Ihrer gutachterlichen Stellungnahme ist auch nicht zu entnehmen, ob eine etwaige eigenanamnestische Angabe des Klägers medizinisch/psychologisch für einen solchen Befund zu verwerten ist.

Aus Sicht des Senats ist auch aus dem Verfahrensgang ableitbar, dass der Kläger keinen krankheitswertigen psychischen Gesundheitsschaden erlitten hat, denn der Erhöhungsantrag bei der Beklagten vom 24.05.2009 wurde zunächst allein mit den somatischen Beschwerden des Klägers (Augen- und Hautverletzung) begründet. Selbst im Widerspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten wurde erst nach Hinweis der Beklagten, dass die geltend gemachte Verschlimmerung der somatischen Unfallfolgen eine höhere MdE nicht begründen würde, zunächst ohne einen direkten Bezug zum Unfall darzulegen eine Depression als weitere Unfallfolge behauptet. Aus den vorgelegten Behandlungsberichten von Dr. K. und Dr. B. ergibt sich aber gerade, dass der Kläger selbst seine psychischen Beschwerden mit unfallunabhängigen psychischen Belastungen, wie Arbeitsplatzkonflikten et cetera, und nicht mit dem über ein Jahrzehnt zurückliegenden Unfall von 1979 in Verbindung gebracht hat. Die behandelnden Ärzte, auf die der Kläger sich zur Diagnose der Depression berief, haben aus ihrer fachlichen Kompetenz heraus ebenso keinerlei Anlass gesehen, trotz der ihnen bekannten und auch sonst ersichtlichen Augenverletzung, einen Zusammenhang der psychischen Beschwerden mit dem Arbeitsunfall herzustellen.

Darüber hinaus ist nach den auch den Senat überzeugenden medizinischen Unterlagen der behandelnden Ärzte und nach dem Gutachten von Dr. H. die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung auch nicht im Vollbeweis gesichert. Vielmehr ist die gutachterliche Darlegung von Dr. H., dass eine solche Diagnose auszuschließen ist, für den Senat ebenso wie für das SG überzeugend. Dies wird letztlich auch durch die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. S. vom 11.09.2014 bestätigt, der in Auswertung der Gutachten von Dr. H. und Psychologin G. ausführt, das Vollbild einer posttraumatischen Belastungsstörung scheine nicht vorzuliegen.

Dies ergibt sich wie von Dr. H. dargelegt bereits aus dem Beschwerdeverlauf. Psychische Beschwerden, die von allen Ärzten als Erkrankung mit depressiven Episoden diagnostiziert wurde, traten erstmals 1994 auf, wie sich aus dem Arztbrief der Nervenärztin Dr. K. vom 25.02.2010 bzw. 01.07.2004 (Blatt 87 bzw. 101 der Beklagten Akte) sowie aus ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 23.11.2010 ergibt. Dr. B. datiert das erstmalige Auftreten depressiver Störungen auf das Jahr 1996 (ärztliche Bescheinigung vom 13.05.2009) und bringt dies, wie auch Dr. K., mit Arbeitsplatzschwierigkeiten im Sinne von Mobbing in Verbindung. Dies passt auch zu den Angaben des Klägers bei Dr. H., wonach das Mobbing 1994 begonnen habe. Damit übereinstimmend bestätigt Dr. H. aufgrund seiner ausführlichen Exploration das Krankheitsbild einer depressiven Störung und beschreibt die vom Kläger geschilderten psychischen Belastungen. Dabei hat der Kläger zwar auch den streitigen Arbeitsunfall von 1979 angegeben, aber im Vordergrund und zu Beginn seiner Beschwerdeschilderung, die Dr. H. in seinem Gutachten ausdrücklich am Eingang dieses Gutachtensabschnitts mit wörtlicher Rede kennzeichnet (Seite 12 des Gutachtens vom 28.05.2014), steht die Beziehungsproblematik aufgrund der durchlebten Scheidung und der Probleme mit den nachfolgenden Partnerinnen und das 1994 begonnene Mobbing am Arbeitsplatz. Die Arbeitsplatzproblematik hat keinerlei Verbindung zu dem Unfallereignis oder den körperlichen Unfallfolgen. Geschildert werden die Schwierigkeiten mit seinem damaligen Chef, der sein früherer Freund gewesen sei, und der das Interesse an der gleichen Frau gehabt habe; geschildert werden Überlastungsprobleme durch nicht lösbare berufliche Aufgaben sowie auch Unfälle in den Beschäftigungsbetrieben, die Kollegen getroffen hätten, und die mangelnde Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften. Auf ausdrückliche Frage des Sachverständigen Dr. H., inwieweit er mit den geschilderten psychischen Problemen einen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen sehe, äußerte der Kläger, dass er vor dem Unfall zwei Autos gehabt und ein angenehmes Leben geführt und sich etwas gegönnt habe. Die Autos stünden aber seit 1984 in der Garage und er habe sie nicht mehr angeschaut. Selbst in der gutachterlichen Darstellung, dass der Kläger spontan noch Einzelheiten zum Unfall vorgetragen hatte, weil er nach seinem Verständnis zum Unfall noch gar nicht befragt worden sei (vgl. Seite 14 des Gutachtens vom 28.05.2014), sind keine typischen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung erkennbar geworden. Er hat Einzelheiten des Unfallherganges geschildert und betont, dass er in eineinhalb Jahren 6 Augenoperationen gehabt habe, sich ein halbes Jahr später noch einmal ein schwerer Betriebsunfall ereignet habe, bei dem ein Kollege einen Fuß verloren habe, und hat Einzelheiten zum mangelnden Arbeitsschutz im dortigen Betrieb dargelegt. Die von Psychologin G. mitgeteilten Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung nach DSM-IV sind bei dieser Beschwerdeschilderung nicht deutlich geworden. Soweit der Kläger in seiner "Spontanangabe" auch von Albträumen erzählt (Seite 16 des Gutachtens vom 28.05.2014), bezieht er dies zunächst auf die vorangegangene Schilderung, dass er von einem Vorstandsmitglied des Betriebes mit dem Vornamen angesprochen worden sei und dies, wenn es von den Kollegen bemerkt worden wäre, ihn in deren Augen zum Spitzel qualifiziert hätte. Er träume vom Betriebsunfall, aber auch von den anderen berichteten Vorfällen, auf die er seinen schlechten Nachtschlaf zurückführt. Spezifische Albträume zum typischen Wiedererleben des Initialtraumas ergeben sich aus dieser von Dr. H. auch in Einzelheiten wiedergegebenen Beschwerdeschilderung nicht.

Die gutachterliche Schlussfolgerung von Dr. H., dass eine auf eine posttraumatische Belastungsstörung beziehbare Symptomatik sich nicht habe herausarbeiten lassen, ist für den Senat daher nachvollziehbar."

Hieran hält der Senat auch nach Vorlage des Gutachtens von Prof. Dr. S. trotz der darin enthaltenen Kritik am Gutachten von Dr. H. fest. Die Kritik, dass Dr. H. keine standardisierten Interviews bzw. Testverfahren angewendet habe, macht dessen Gutachten nicht unverwertbar. Es ist dem Sachverständigen unbenommen, außerhalb standardisierter Testfragen zunächst die spontane Beschwerdeschilderung des Betreffenden, gegebenenfalls durch anlassbezogene Rückfragen, anamnestisch zu erheben und aus gutachterlicher-fachlicher Sicht auf der Grundlage dieser Exploration die Diagnosekriterien für psychiatrische Krankheitsbilder zu überprüfen. Soweit der Kläger gegen das Gutachten eingewandt hat, Dr. H. habe sein Durchhaltevermögen unrichtig bewertet, denn eine von ihm beanspruchte Pause sei weder im Gutachten erwähnt noch gutachterlich bewertet worden, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 24.04.2015 hierzu Stellung genommen und bezieht sich auf die dortigen Ausführungen:

"Dr. H. als Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie ist dem Senat und dem Gericht als Sachverständiger in vielen Rechtsstreitigkeiten auch außerhalb des Unfallversicherungsrechts bekannt. Dass eine für die Beurteilung belangvolle Begebenheit während der Untersuchung gutachterlich von dem erfahrenen Sachverständigen Dr. H. weder erwähnt noch bewertet wird, erscheint dem Senat wenig glaubhaft. Wenn überhaupt eine Pause, wie behauptet, stattgefunden hat, war sie für Dr. H. nicht aus Gründen erforderlich, die auf ein mangelndes Durchhaltevermögen, themenbedingtes Vermeiden bestimmter Lebensereignisse oder auf eine sonst psychiatrisch relevante Symptomatik zurückzuführen war. Solche Aspekte hat Dr. H. in seinem Gutachten auch als unauffällig angesprochen, denn die Stimmungslage war zwar leicht gedrückt, themenabhängig ist es aber sogar zu einer deutlichen Auflockerung und einem Lächeln und Lachen bei der Exploration gekommen. Die affektive Schwingungsfähigkeit war nur diskret reduziert, die Psychomotorik war ausreichend lebhaft (vgl. Seite 18 des Gutachtens vom 28.05.2014). Bezogen auf die Konkretisierung des Unfallereignisses in der Beschwerdeschilderung werden daher keine psychisch auffälligen Reaktionen des Klägers in der Untersuchungssituation von Dr. H. wiedergegeben."

Außerdem hatte der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen Gelegenheit nach der Pause über seine Probleme zu sprechen, was er auch in der nicht-öffentlichen Sitzung am 17.04.2015 bestätigt hatte. Gleichwohl ist im Hinblick auf Vermeidungsverhalten, Intrusionen, Nachhallerinnerungen wenig oder nichts Spezifisches in der fortgesetzten Untersuchung zur Sprache kommen, was der Senat auch in seinem Urteil vom 24.04.2015 ausgeführt hatte.

Hiervon ausgehend ist die Auffassung von Prof. Dr. S. und Dipl. Psychologin G., das unerkannt gebL.ene klinische Bild einer posttraumatischen Belastungsstörung habe schon zum Unfallzeitpunkt vorgelegen, spekulativ. Einzelne Symptome, die der Kläger in der Untersuchung bei Prof. Dr. S. bzw. Psychologin G. geschildert hat, widersprechen sogar der insoweit eindeutigen Aktenlage. Der von Prof. Dr. S. und Psychologin G. als Vermeidungsverhalten gedeutete Umstand, dass der Kläger mit Arbeitsaufnahme am 24.03.1980 im Unfallbetrieb nicht wieder an seinen alten Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, beruht nach Aktenlage gerade nicht auf einer Intervention des Klägers, der an das Unfallgeschehen nicht mehr erinnert werden wollte, sondern beruhte auf den von den behandelnden Ärzten geäußerten Sicherheitsbedenken, die einen Arbeitsplatzwechsel wegen der unfallbedingten Einäugigkeit und dem geminderten räumlichen Sehen angeraten hatten (vgl. Formulargutachten von Dr. J. vom 30.07.1980 für die Beklagte, Bl. 99 R der Beklagtenakte Bd. I).

Die von Prof. Dr. S. außerdem als Merkmale einer posttraumatische Belastungsstörung angegebenen Symptome der Schlafstörung (Bl. 30 des Gutachtens, Bl. 26 R der Senatsakte) oder von Albträumen (Bl. 49 des Gutachtens, Bl. 36 der Senatsakte) sind in seinem Gutachten nicht überzeugend auf das von ihm angenommene Traumaereignis bezogen worden. Prof. Dr. S. übernimmt ungeprüft die Behauptung des Klägers, Schlafstörungen seien ab dem Unfallereignis aufgetreten, was mit der ermittelten Befundlage aber nicht in Einklang steht. Ein- und Durchschlafstörungen sind im Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad D. vom 20.12.2007 erstmals dokumentiert und werden im weiteren Zusammenhang dort mit dem Beginn der depressiven Beschwerden ab Beginn der Neunzigerjahre in Verbindung gebracht. In der sachverständigen Zeugenaussage der Nervenärztin Dr. K. vom 23.11.2010 an das SG (Bl. 42/43 der SG Akten) werden die ab Februar 2007 erhobenen Befunde mitgeteilt, Schlafstörungen werden erst bei einer Konsultation im Januar 2009 geltend gemacht. Soweit der Kläger bei Prof. Dr. S. angegeben hat, wegen seiner Schlafstörungen habe er nach dem Unfall keine Schichtarbeit mehr ausgeübt, ist den Akten zwar zu entnehmen, dass der Kläger nach dem Unfall im Unfallbetrieb tatsächlich keine Schichtarbeit mehr ausgeübt hat. Dass dies wegen Schlafstörungen der Fall war, ist jedoch nicht belegt. So ist im Arztbrief von Dr. J. vom 23.03.1980, der dann später wegen der Einäugigkeit den Arbeitsplatzwechsel angeraten hatte, erwähnt, es seien Büroarbeiten beabsichtigt. Die ab 24.03.1980 aufgenommene Arbeit wird als Aufsichtsarbeit mit Späneaufbereitung und Guss-Sortierung in der Auskunft des Arbeitgebers vom 06.06.1980 (Bl. 81 der Beklagtenakte Bd. I) beschrieben. Im Widerspruchsschreiben des damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers vom 28.10.1980 wird zur Begründung der geltend gemachten höheren MdE schließlich ausdrücklich in Frage gestellt, dass überhaupt künftig Schichtbetrieb möglich sein werde, eine hierfür verantwortliche Schlafstörung wird dagegen nicht angeführt, was hinsichtlich sich funktionell auswirkender Unfallfolgen zur Begründung einer höheren MdE aber nahe gelegen hätte anstatt auf den künftigen Minderverdienst abzustellen.

Albträume werden im Gutachten von Prof. Dr. S. als anamnestische Angaben referiert, zu ihrem Inhalt finden sich keine näheren Angaben. Dass Albträume seit dem Unfall durchgehend vorliegen, ist ärztlich nicht dokumentiert. Prof. Dr. S. führt aus, es sei ein Irrtum zu glauben, dass die Albträume Inhalte des jeweiligen Traumaereignisses enthalten müssten, spezifische Albträume und Intrusionen müssten nicht zwingend mit dem Initialereignis korrelieren. Dies widerspricht einerseits den Diagnosekriterien, die Prof. Dr. S. in seinem Gutachten selbst angeführt hat, denn dort werden eine Anknüpfung an das Ereignis hinsichtlich belastender Erinnerungen, wiederkehrende Träume, Handeln und Fühlen sowie intensive psychische Belastung und körperliche Reaktionen (diagnostische Kriterien für DSM-IV 309.81 Teil 1 B, vgl. Bl. 47 des Gutachtens) bzw. anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch u.a. sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen (ICD-10 F 43.1 Bl. 46 des Gutachtens) gefordert und lässt andererseits eine Symptomatik außer Betracht, bei der andere psychisch belastende Ereignisse ebenso für das Auftreten von sich wiederholenden Albträumen verantwortlich sein können. Insbesondere bei depressiv Erkrankten mit einer resignativen Weltsicht, wie im Folgenden auszuführen ist, sind Albträume als Ausdruck seelischer Verarbeitung von früheren und aktuellen Konflikten nicht ungewöhnlich. Gerade Albträume mit verschiedenen Inhalten sind bei der Untersuchung durch Dr. H. vom Kläger angegeben worden. Inwieweit die Albträume des Klägers in einem nur für ihn verständlichen Bezug zum Unfall stehen, ist dem Gutachten von Prof. Dr. S. wie auch dem Gutachten von Psychologin G. nicht zu entnehmen. Prof. Dr. S. teilte insoweit keine Inhalte mit und diskutiert etwaige nur subjektiv verständliche Unfallbezüge nicht. Ebensowenig diskutiert er biographische Einflüsse.

Soweit im Gutachten vom 05.06.2015 außerdem davon ausgegangen wird, dass die Schwere der Verletzungen mit Verbrennungen und dem Verlust des rechten Auges sowie die Umständen des Unfalls ohne betrieblich organisierte Unfallabwicklung ausreichen, um ein unmittelbar eingetretenes Unfalltrauma beim Kläger anzunehmen - nach seiner Auffassung wäre nach der "fachspezifischen Datenlage eher erklärungsbedürftig, wenn sich keine Traumafolgestörung entwickelt hätte" (Bl. 14 des Gutachtens, 18 R der Senatsakte) –, ist dies für die Annahme einer pathologischen Erlebnisverarbeitung – eine zumindest vorübergehende psychische Betroffenheit ist angesichts des Unfallgeschehens eine noch normale Reaktion – nicht zwingend. Auch wenn Traumasymptome vom Betroffenen in der Regel nicht spontan angegeben werden, was nach Prof. Dr. S. erkläre, weshalb keine psychiatrischen Befunde in zeitlicher Nähe zum Unfall erhoben worden seien, ist dies vor dem Hintergrund der oben zitierten Ausführungen des Senats, dass die Aktenlage bis zum Zeitpunkt des Widerspruchsverfahrens im Jahr 2010 mit Vorlage der nervenärztlichen Befunde vom 25.02.2010 und 01.07.2004 keine psychisch relevanten Störungen aufwies, spekulativ, zumal noch in der Psychosomatik-Abteilung des Rehazentrums Bad D., wo der Kläger vom 30.11.2007 bis 11.12.2007 behandelt worden ist, eine unfallbezogene psychiatrische Diagnose nicht gestellt wurde (Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad D. vom 20.12.2007, Bl. 423-431 der Beklagtenakte). Eine posttraumatische Belastungsstörung wurde vielmehr erstmals durch Diplom-Psychologin G. im Jahr 2012 diagnostiziert. Außerdem ist eine in der Rückschau vorgenommene Bewertung der psychischen Befundlage zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls 1979 anhand der Untersuchungssituation im Mai 2015 nicht ohne weiteres überzeugend. Dies wird von Prof. Dr. S. nur wenig überzeugend damit erklärt, dass Traumasymptome abgefragt werden müssten, was seit 2002 in den einschlägigen Veröffentlichungen propagiert werde. Andererseits ist die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und die Umschreibung eines Traumaereignisses mit Beginn der Neunzigerjahre im Diagnosemanual ICD-10 (Ausgabe 1992 bzw, 1991, vgl. Gutachten von Prof. Dr. S., S. 3 = Bl. 13 der Senatsakte) bereits enthalten gewesen, die ab 2004 erstatteten Arztbriefe auf unterschiedlichen Facharztgebieten an die behandelnden Hausärzte Dres. S.-C./C. bzw. deren Praxisnachfolger Dres. Sp./H.T. zumeist als Nebendiagnose die Umschreibung der traumabedingten Augenverletzung rechts, die zudem auch äußerlich für die Ärzte erkennbar war, weshalb der ab 2004 in die Behandlung involvierten Nervenärztin Dr. K. eine solche medizinisch diskussionswürdige Problematik nicht verborgen gebL.en sein kann (vgl. Arztbrief von Dr. K. vom 01.07.2004 an Dres. S.-C./C., Arztbrief des Orthopäden K. vom 02.02.2009 an Dres. S./H. unter Bezugnahme auf den Arztbrief von Dr. K. vom 15.01.2009, vgl. Seite 101 und 85/86 der Beklagtenakte Bd. III).

Für den Senat ist daher nicht nachgewiesen, dass die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung zum Unfallzeitpunkt, wovon Prof. Dr. S. und Psychologin G. ausgehen, vorgelegen hat.

Nr. 1.3

Darüber hinaus ist für den Senat auch nicht mit der erforderlichen richterlichen Überzeugungsgewissheit aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. S. und Psychologin G. festzustellen, dass die beim Kläger später aufgetretene, in den Jahren ab 1994 vorliegende Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung zugeordnet werden kann. Für die nach den Diagnosemanualen erforderlichen Symptome eines Vermeidungsverhaltens (Kriterium C nach ICD-10 F43.1 und DSM-IV 309.81) und der Nachhallerinnerungen (Kriterium B nach ICD-10 und DSM-IV) kann auf die obigen Ausführungen zu den Ursachen des Arbeitsplatzwechsels nach dem Unfall und zu den intrusiven Albträumen Bezug genommen werden.

Auch die von Prof. Dr. S. angenommenen Symptome eines Hyperarousels nach DSM-IV Kriterium D, entsprechend ICD-10 Kriterium D Nr. 2 betreffend die erhöhte Reizbarkeit nach dem Unfall (Seite 22 des Gutachtens), kein Empfinden nach dem Unfall zu haben (Seite 27 des Gutachtens) und die Neigung zu Selbstbezichtigungen und Selbstbeschuldigungen (Seite 29 des Gutachtens), letztlich auch zum Vermeidungsverhalten, wonach bei Wiederaufnahme der Tätigkeit im Betrieb der Unfallort gemieden worden sei, stützt der Gutachter allein auf die Angaben des Klägers, ohne dass seinem Gutachten eine überzeugende Prüfung der Validität dieser Angaben entnommen werden kann. Hierzu hätte aber Anlass bestanden.

Ausweislich des vorgelegten Gutachtens der Psychologin G. vom 13.07.2014 war der Kläger 2013 von ihr einem Testverfahren unterzogen worden und zwar wegen aufgetretener starker Kopfschmerzen, Herzrasen und Atemschwierigkeiten in drei Untersuchungsterminen. Eine solche Symptomatik wird von Prof. Dr. S., der ebenfalls den Unfallhergang hat schildern lassen und spezifische Testverfahren angewendet hat, dagegen nicht geschildert. Bei Psychologin G. sind die Symptomkataloge der posttraumatischen Belastungsstörung abgefragt worden. Bereits zu diesem Gutachten hatte, wie oben dargelegt, Prof. Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 11.09.2014 sich kritisch geäußert, weil eine Befunderhebung sich nicht allein auf die standardisierte Fragebögen oder Selbsteinschätzungskriterien stützen dürfe. Außerdem ist die Verwendung der Standardfragen außerhalb einer therapeutischen Untersuchung mit der Gefahr verbunden, dass Symptome in den Probanden, der ein Leistungsbegehren verfolgt, hinein gefragt werden. Auf diese methodischen Bedingungen wird im Gutachten von Prof. Dr. S. auch ausdrücklich hingewiesen, der suggestive Fragen für seine Testfragen ausdrücklich ausgeschlossen hat (vgl. Seite 24 seines Gutachtens). Dass solche Fragen auch von Psychologin G. nicht verwendet wurden, ergibt sich aus ihrem Gutachten nicht. Nicht berücksichtigt sind dagegen von Prof. Dr. S. der Verfahrensgang und die bis zu seiner gutachterlichen Untersuchung mehrfach zu unterschiedlichen Anlässen erfolgte Diskussion der Beschwerdesymptomatik. So war nach Erstattung des für den Kläger im Ergebnis negativen Gutachtens von Dr. H. bei der bis dahin behandelnden Psychologin G., die das Gutachten von Dr. H. sowie das Ziel des klägerischen Klageverfahrens kannte, das Gutachten vom 13.07.2014 veranlasst worden, deren Differenzialdiagnostik (Seite 9 ihres Gutachtens) zeitlich nach dem Gutachten von Dr. H. mit dem dortigen Hinweis der fehlenden Beschwerdesymptomatik erstellt worden ist. Auf die Diskrepanz, dass die Symptomatik in Testverfahren von 2013 bereits thematisiert worden war und 2014 bei der Untersuchung durch Dr. H., der ausdrücklich an den Kläger die Frage gestellt hatte, was die bisher geschilderte Beschwerden mit seinem Unfall zu tun hätten, nicht angegeben worden sind, ist bereits oben unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 24.04.2015 verwiesen worden. Bei der Untersuchung durch Dr. H. wurden daher auch offene Fragen gestellt, auch waren Spontanangaben des Klägers möglich. Von Prof. Dr. S. wurde überdies sogar völlig außer Acht gelassen, dass nur wenige Tage vor seiner Untersuchung am 04.05.2015 und 27.05.2015 in der nicht-öffentlichen Sitzung vor dem Senat am 17.04.2015 das Gutachten von Dr. H. mit den Beteiligten erörtert worden ist. In diesem Termin war zunächst ein Vergleich über die Herbeiführung einer Entscheidung der Beklagten über psychische Unfallfolgen mit gegebenenfalls medizinischer Aufklärung diskutiert worden und die Diagnosekriterien der Beschwerdesymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung im Einzelnen angesprochen worden. (vgl. Sitzungsniederschrift vom 17.04.2015). Daraufhin war das Privatgutachten am 20.04.2015 in Auftrag gegeben worden (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 20.04.2015). Außerdem lag bei der Begutachtung durch Prof. Dr. S. zwischenzeitlich das dem Klägerbevollmächtigte am 29.04.2015 zugestellte Urteil des Senats vom 24.04.2015 vor. Die von Prof. Dr. S. in seinem Gutachten dargelegte Plausibilitätsprüfung der Beschwerdeschilderung des Klägers, nämlich er habe nur "offene" Fragen gestellt bzw. es seien Spontan-Aussagen gewesen, ist daher nicht überzeugend.

Darüber hinaus ergeben sich auch aus den von Prof. Dr. S. mitgeteilten Befunderhebungen nicht lösbare Widersprüche, die von Prof. Dr. S. nicht thematisiert werden oder seiner generellen Einschätzung unterzogen werden, eine "inkohärente" Darstellung sei bei traumatisierten Personen nicht ungewöhnlich.

In den von Prof. Dr. S. referierten Testfragen sind bereits Unvereinbarkeiten verschiedener Angaben enthalten, wie z.B. in den letzten zwei Wochen vor der Untersuchung jeden Tag Müdigkeit oder das Gefühl, keine Energie zu haben, empfunden zu haben, was nicht ohne weiteres mit der Angabe korreliert, in den letzten vier Wochen vor der Untersuchung sei beinahe jeden Tag mehr als die Hälfte der Tage Rastlosigkeit, so dass das Stillsitzen schwerfällt, aufgetreten. Auch nicht verständlich ist die Angabe in den letzten vier Wochen vor der Untersuchung Schwierigkeiten mit dem Ehepartner, der Lebensgefährtin oder der Freundin gehabt zu haben, wenn andererseits angegeben worden ist, seit der letzten Beziehung in den Jahren 2011/2012 alleine und sehr zurückgezogen zu leben. Die gutachterliche Feststellung von Prof. Dr. S., eine Aggravation oder Simulation habe er beim Kläger nicht feststellen können, ist auch vor diesem Hintergrund nicht plausibel. Insbesondere scheint diese gutachterliche Bewertung maßgebend auf dem von Prof. Dr. S. durchgeführten Ray Memory Test (vgl. Seite 41 und 42 seines Gutachtens) zu beruhen, der die demonstrierte Gedächtnisleistung unter vorgegebenen angeblich hohen Testanforderungen bei tatsächlich abgefragter leichter Gedächtnisleistungen wertet. Abgesehen davon, dass nicht allein ein Einzeltest, sondern die gesamte Untersuchungssituation inklusive früheren Angaben Grundlage der Validitätsprüfung der Klägerangaben sein muss, ist das Gedächtnis auch für den Kläger nicht der erkennbare Schwerpunkt der Zusammenhangsbegutachtung hinsichtlich einer posttraumatischen Belastungsstörung. Insofern ist dem Senat nicht verständlich, wieso unauffällige Gedächtnisleistungen Hinweise auf fehlende Aggravation sein sollen.

Auch die im Gutachten von Psychologin G. und Prof. Dr. S. geschilderten affektiven Reaktionen des Klägers bei der Konfrontation mit dem Arbeitsunfall 1979 sind von Prof. Dr. S. nicht überzeugend als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mit diesem Krankheitsbild medizinisch in Einklang gebracht worden, zumal der Senat in der mündlichen Verhandlung solche Reaktionen gerade nicht erkennen konnte.

Mit den in Betracht kommenden alternativen Erklärungen für die von ihm gefundenen Befunde hat sich Prof. Dr. S. nicht näher beschäftigt, wie ausdrücklich in seinem Gutachten ausgeführt. Da nach Prof. Dr. S. eine die beim Kläger zu beschreibende Symptomatik unterhaltende Konfliktdynamik nicht zu erkennen gewesen sei, sei die Erhebung einer biografischen Anamnese nicht erforderlich gewesen (vgl. Seite 16 seines Gutachtens). Prof. Dr. S. unterstellt, dass die von ihm diagnostizierte Persönlichkeitsänderung des Klägers auf die bei Traumatisierten häufig anzutreffende Entfremdung zurückzuführen sei und daher die sich entwickelnden Konflikte mit Beziehungsproblematik und Arbeitsplatzschwierigkeiten Folge der klinisch in Erscheinung getretenen posttraumatische Belastungsstörung seien. Eine für den Senat überzeugenden Auseinandersetzung mit den von Dr. H. dargelegten Konfliktkonstellationen, die Dr. H. für die psychischen Störungen als allein wesentliche Ursachen klassifiziert hat, fand nicht statt.

Die von Dr. H. diagnostizierte Depression äußerte sich auch nach dem Bericht des Reha-Zentrums Bad D. vom 20.12.2007 unter der dortigen Diagnose einer Dysthymie in einem deutlich herabgesetzten Selbstwertgefühl, da der Kläger sich immer wieder abgewertet, schlecht behandelt und missachtet gefühlt hat und er sich seit Jahren als Opfer verschiedenster Personen gesehen habe. Das geminderte Selbstwertgefühl, nach Prof. Dr. S. das Ergebnis des traumatisch bedingt einsetzenden Entfremdungsgefühls, ist nach dem Entlassungsbericht vom 20.12.2007 Ergebnis einer sich wiederholenden familiären Situation, in der sich der Kläger vom Vater massiv kritisiert und abgewertet erlebte, was zu einem psychodynamischen Selbstwertkonflikt führte. Dies ist eindeutig keine Folge des Arbeitsunfalls, da sich die Kritik des Vaters mit etwaigen Schuldvorwürfen, die mit einer der von Prof. Dr. S. dargelegten Triggerfunktion zu vergleichen wäre, nicht auf das Unfallgeschehen bezogen haben kann, weil der Vater bereits vor dem Unfall, nämlich im Februar 1976, gestorben war. Bereits in dem 2007 durchgeführten Heilverfahren hatte der Kläger in seiner Beschwerdeschilderung angegeben, psychisch sei bei ihm das Weltbild zerrissen, zuerst durch den Augenverlust, dann durch Mobbing in der Firma, das die letzten 5 bis 6 Jahre bis 2003/2004 gedauert habe. In Übereinstimmung mit Dr. H. ist von den Ärzten des Heilverfahrens diese rückschauende resignative Bewertung des eigenen Lebensweges der depressiven Belastung unter ihrer Diagnose der Dysthymie zugeschrieben worden, was den Senat überzeugt, denn nach dem verständlichen Erklärungsbedürfnis des Klägers sind hierbei die dem Unfall vorausgegangenen ebenso psychisch belastenden Lebensumstände, wie der Vater-Sohn-Konflikt oder die Ehekrise, dazu siehe unten, ausgeblendet worden. Aber festzuhalten ist, dass der Kläger eine Reihe von Ereignissen und nicht ein einzelnes Ereignis für seine psychischen Probleme verantwortlich gemacht hat, was nach den gutachterlichen Bewertungen der ihn behandelnden Ärzte und von Dr. H. auch medizinisch zutrifft.

In diesem Zusammenhang stehen auch die von Prof. Dr. S. und Psychologin G. mitgeteilten Weinkrämpfe des Klägers während der Schilderung des Arbeitsunfalls, die nach Würdigung der Beweislage durch den Senat sich nicht eindeutig als Hyperarousel-Merkmal nach DSM-IV Kriterium B Nr. 4 medizinisch feststellen lassen.

Zum einen hat der Kläger auch bei der Untersuchung durch Dr. H. den Unfallvorgang geschildert, jedoch ohne affektive Auffälligkeit. Weinkrämpfe, wie von Prof. Dr. S. dargestellt, sind dort nicht aufgetreten. Auch in der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger über mehr als 2 Stunden erneut einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Unfallgeschehen und Triggerbegriffen ausgesetzt war, konnte der Senat derartige emotionale Reaktionen nicht erkennen. So war der Kläger durchgehend gefasst, konzentriert und ohne Tränen in den Augen.

Der Senat konnte trotz der mehrstündigen Verlesung des Gutachtens von Prof. Dr. S. beim Kläger weder Konzentrationsverluste, Einschränkungen des Durchhaltevermögens erkennen, noch eine sichtbare Reaktion auf die von Prof. Dr. S. mitgeteilten Reiz-/Triggerbegriffe beobachten.

Auch bei Dr. H. hatte der Kläger den Unfallhergang mit Einzelheiten geschildert. Ausweislich des Entlassungsberichtes vom 20.12.2007 ist auch davon auszugehen, dass der Arbeitsunfall und seine Umstände im Rahmen der Anamnese angesprochen worden sind. Der Arbeitsunfall 1979, bei dem er Opfer eine Aluminiumexplosion gewesen sei und er das Auge verloren habe und aus seiner Sicht seither die Welt zusammengebrochen sei, sind im Arztbrief dort unter Anamnese und auch im Folgenden in dem für die Zwecke eines Arztbriefes angemessenem Umfang erwähnt. Weder bei der Untersuchung durch Dr. H. noch in der ausführlichen Darstellung der Gemütslage des Klägers während des mehrwöchigen Heilverfahrens werden Weinkrämpfe geschildert. Aus Sicht des Senats ergibt sich hieraus, dass die affektive Reaktion mit Weinen die bei depressiv Erkrankten typische Abhängigkeit von der jeweiligen Stimmungslage aufweist und nicht anlassbezogen ist. Hierfür spricht, dass Prof. Dr. S. den Kläger bei seiner Untersuchung als sehr depressiv erlebte, mit Antriebsstörungen, extremer Niedergeschlagenheit, Todessehnsucht, früher unbekannter Inaktivität und Unentschlossenheit (vgl. Seite 28 seines Gutachtens), dagegen Dr. H. aufgrund seiner Untersuchung den Kläger nur als leicht gedrückt beschrieb, mit diskret reduziert affektiver Schwingungsfähigkeit ohne eindeutige Störung des Antriebs, nur subjektiv geklagter Lustlosigkeit, weshalb er auch aktuell nur eine leichte depressive Episode diagnostizierte. Der insoweit vergleichbare Befund für eine aktuell nicht stärker ausgeprägte depressive Stimmungslage ergibt sich auch aus dem Reha-Entlassungsbericht vom 20.12.2007, wonach die singuläre Depressionstestung zwar einen auffällig hohen Wert ergab, der sich aber in der Symptomcheckliste so nicht widerspiegelte (vgl. im Bericht den Abschnitt Diagnostik, dort die Zusammenfassung). Zu diesen je nach Untersuchungssituation sich ergebenden unterschiedlichen Befunden gehören auch die bereits oben angesprochenen, von Psychologin G. beschriebenen Symptome von Kopfschmerzen, Herzrasen und Atemschwierigkeiten – wobei der Kläger nach seinem 2009 erlittenen Herzinfarkt mit Stentimplantation (Entlassungsbericht Krankenhaus Bietigheim vom 20.02.2009, Bl. 97 der SG-Akt) wegen fortbestehender Herzbeschwerden auch 2010 und 2011 die Notfallambulanz des Krankenhauses Bietigheim aufgesucht hat (Berichte des Klinikums vom 08.05.2010 und 11.02.2011, Bl. 117/120 u. 112/116 der SG-Akte). Diese Symptome traten aber bei vergleichbarer Untersuchungssituation bei Prof. Dr. S. nicht auf. Aber auch die von Prof. Dr. S. als unfallbedingt gewerteten Konzentrationsstörungen und Gedächtnisstörungen, konnte Dr. H. bei seiner Untersuchung nicht finden. Dort waren die Auffassung, die Konzentration und das Durchhaltevermögen ohne Einschränkungen vorhanden. Auch mnestische Störungen haben sich nicht nachweisen lassen. Dies entspricht wiederum dem Befund im Heilverfahren des Klägers im Jahr 2007, wo für den Aufnahmebefund festgehalten ist: Keine Hinweise auf Störungen mnestischer Fähigkeiten, auf Störungen der Kritikfähigkeit, der Konzentration, des Urteilsvermögens bei selbst geklagter subjektiver Vergesslichkeit und Aufmerksamkeitsstörungen. Andererseits ergaben sich in der Testung eine leichte Aufmerksamkeitsstörung und eine auffällige Einschränkung der Denkfähigkeit hinsichtlich prämorbider und jetziger Intelligenzschätzung, was dort primär als Ausdruck der emotionalen Belastungen durch Ängste und Depressivität gedeutet worden ist.

Auch die von Prof. Dr. S. beschriebene Dissoziation des Klägers bei der Unfallschilderung, was aus seiner Sicht ein typisches Merkmal einer Traumatisierung ist, ist für den Senat vor dem Hintergrund, dass die Befragung des Klägers annähernd 37 Jahre nach dem Unfall stattfand, nicht überzeugend. Merkmale des Verdrängungsprozesses als Vermeidungsverhalten seiner posttraumatischen Belastungsstörung sind damit nicht hinreichend belegt. Der Kläger hat bei Prof. Dr. S. das Kerngeschehen des Unfalls detailreich geschildert, u.a. dass drei Mitarbeiter für die Arbeit nötig gewesen seien, einer sei ersatzweise eingesprungen, habe keine Schutzbrille und keinen Helm getragen, am ersten Ofen sei alles wie geplant gelaufen, ein zweiter Ofen sei mit Aluminiumschrott befüllt worden, ein Kollege sei geschickt worden, um Aluminium zu holen, wegen des angelieferten wohl fremdkörperbehafteten Aluminiumblocks mit der Größe 800 × 400 × 250 mm habe es eine Explosion gegeben, er habe die Hand vor das Gesicht gehalten, ein Aluminium-Partikel sei ins Auge eingedrungen, er sei weggelaufen, habe sich Wasser ins Gesicht gefächelt, seine brennende Kleidung sei von Kollegen gelöscht worden, er sei 120 m gelaufen in ein anderes Gebäude, um zu telefonieren. Auch an die Ankunft des Krankenwagens und dass er Hilfe abgewimmelt habe, sich selbst habe hinlegen wollen, keine Schmerzen gehabt habe und er auf der Fahrt ins Katharinenhospital in S. noch ärztlich versorgt worden sei, hat sich der Kläger erinnert. Im Gutachten kenntlich gemachte Erinnerungslücken haben für die Fahrt zum Arbeitsplatz am Unfalltag, für das Ende der Aufzugsfahrt im Krankenhaus und für den Zeitpunkt des späteren Aufwachens im Krankenzimmer bestanden, was die weniger belastenden Rahmenbedingungen des Ereignisses betrifft. Diese fehlende Erinnerung ist daher auch allein durch den Zeitablauf erklärbar, jedenfalls wird von Prof. Dr. S. nicht überzeugend erläutert, weshalb der Verdrängungsmechanismus vorrangig peripheres Geschehen und nicht das postulierte Traumageschehen betroffen haben soll.

Auch nach dem vom Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck ließen sich die von Prof. Dr. S. genannten affektiven Reaktionen z. B. auf die Reizwörter "Aluminium" und "Metallschmelze" nicht reproduzieren. Bei Prof. S. hatte der Kläger auf die unerwartete Konfrontation mit diesen Reizwörtern verstärkt mit dissoziativen Einbrüchen sowie einer starken situativen emotionalen Berührtheit reagiert. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat war seitens der Richterbank mit Bedacht auf die etwaigen Reaktionen des in der jeweiligen Situation dem Verhandlungsverlauf aufmerksam folgenden Klägers geachtet worden, etwa wenn im Sachbericht oder bei der vom Klägerbevollmächtigten beantragten Verlesung des Gutachtens von Prof. Dr. S. diese Reizwörter verständlich und mit besonderer Betonung genutzt worden sind oder auch die ausführliche Unfallschilderung im Gutachten von Prof. Dr. S. vorgetragen worden ist. Eine irgendwie geartete besondere Reaktion des Klägers war vom Senat in diesen Zusammenhängen jedoch nicht festzustellen.

Auch wenn Prof. Dr. S. in einem anderen Zusammenhang, nämlich hinsichtlich des häufigen Therapieabbruchs traumatisierter Menschen, davon spricht, dass Einzelbefunde nicht allein maßgebend sind, sondern diagnostisch verwertbare Einzelbefunde als Mosaiksteinchen zu dem Krankheitsbild zusammenzusetzen sind, kann dies nur dafür gelten, dass einerseits die einzelnen Mosaiksteine zuverlässig ermittelt sind und andererseits das Gesamtbild nicht auch medizinisch einer anderen Diagnose zuführbar ist. Das ist aber vorliegend der Fall.

Wie dargelegt sprechen nach Dr. H. die im Leben des Klägers bis zur Erstmanifestation psychischer Erkrankungen zahlreich auftretende Belastungsfaktoren als "Mosaiksteine" für eine unfallunabhängige Erkrankung und gegen eine posttraumatische Belastungsstörung. So liegt beim Kläger ein in der Kinder- und Jugendzeit erworbener persönlichkeitsprägender Konflikt mit dem Vater, eine für den Kläger aufgezwungene Schwangerschaft und Heirat mit einer Frau, die nicht erst nach der Eheschließung straffällig geworden war, ein Verlust mehrerer nahestehenden Personen innerhalb weniger Wochen (vgl. Rehabericht 2007) und das Auseinanderbrechen der Freundschaft mit der Folge von Mobbing am Arbeitsplatz, vor. Dies mag zwar für eine erhebliche psychische Belastung des Klägers sprechen, jedoch konnten im Zusammenhang mit den insoweit erfolgten ärztlichen Behandlungen über den konkreten Behandlungsfall hinausgehende grundlegende und überdauernde Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht festgestellt werden.

Darüber hinaus konnte der Senat in dem von Prof. Dr. S. geschilderten Engagement für die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften und für Gerechtigkeit für seine Kollegen beim Kläger kein krankhaftes Verhalten feststellen. So ist es eine verständliche, nicht krankheitswertige Reaktion eines selbst Unfallbetroffenen, wenn nach eigener Erfahrung und mangels Schutzkleidung erlittenem Schaden, andere vor drohendem Schaden bei Missachtung von Sicherheitsvorschriften bewahrt werden sollen, und dies auch mit Nachdruck verfolgt wird.

Auch konnte der Senat durch die Exposition gegenüber anderen Arbeitsunfällen, Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften usw. beim Kläger keine krankhaften Reaktionen oder Retraumatisierungen feststellen. Denn der Kläger war zwar auf die strikte Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften bedacht und hat sich insoweit bei seinem Arbeitgeber und den Kollegen eingesetzt, doch ist dieses Verhalten nicht krankhaft. Auch sonstige krankhafte Reaktionen oder Zusammenbrüche als Folge der genannten Situationen konnte der Senat nicht feststellen; solche hat der Kläger auch Frau G. und Prof. Dr. S. nicht mitgeteilt.

Nr.2 Doch selbst unterstellt, beim Kläger ist medizinisch eine posttraumatische Belastungsstörung als Diagnose gesichert - etwa weil aus medizinischer Sicht allein eine einfache Kausalität, vergleichbar der Äquivalenztheorie, ausreichend wäre - eine solche später ausgebrochen wäre oder eine depressive Erkrankung vorläge -, so ist aus Sicht des Senats der wesentliche Zusammenhang dieser Erkrankungen mit dem Unfall auch nach dem Gutachten von Prof. Dr. S. nicht hinreichend wahrscheinlich.

Insoweit verweist der Senat zunächst auf seine nachstehenden zitierten Ausführungen im Urteil vom 24.04.2015, die er sich wieder zu Eigen macht. Ein klinisches Bild einer posttraumatischen Belastungsstörung lag zum Unfallzeitpunkt, wie dargelegt, nicht gesichert vor. Der wesentliche Zusammenhang des später aufgetretenen – unterstellten – klinischen Erscheinungsbilds einer posttraumatischen Belastungsstörung ist jedoch nicht feststellbar.

"Daher kann der Senat auch offen lassen, ob ein wesentlicher Zusammenhang durch Aktivierung einer latenten, bislang noch beherrschbaren, durch den Unfall 1979 verursachten Angstsymptomatik deshalb anzunehmen ist, weil den nachfolgenden schweren Arbeitsunfällen von Kollegen des Klägers insoweit eine Triggerfunktion zukommt – wovon anscheinend die Psychologin G. mit Hinweis auf eine Retraumatisierung ausgeht – oder es sich ohne Bezüge zum streitgegenständlichen Unfall bei der Beobachtung der Arbeitsunfälle der Kollegen insoweit um die eigentlichen Initialereignisse handelt. Symptomatische Parallelen zum Unfall von 1979 (z.B. intrusive Nachhallerinnerungen) sind bei der ausführlichen Exploration durch Dr. H. in der Schilderung des Klägers zu diesen Kollegenunfällen nicht deutlich geworden. Jedenfalls kommt dem jetzt zu diagnostizierenden Krankheitsbild nach Dr. H. eine typische Beschwerdesymptomatik einer posttraumatische Belastungsstörung nicht zu. Eine solche ist auch nicht dem vom Kläger vorgelegten Befundbericht der Klinik L., Zentrum für Pneumologie, Thorax- und Gefäßchirurgie, vom 10.03.2015 zu entnehmen. Dort wird nur anamnestisch eine posttraumatische Belastungsstörung unter den Diagnosen wiedergegeben. Dem Bericht ist nicht zu entnehmen, dass eine eigenständige psychiatrische Untersuchung erfolgt ist. Es handelt sich um einen Bericht über eine schlafmedizinische Untersuchung im Schlaflabor der Klinik, die einen gestörten Schlafprozess ohne relevante Schlafapnoe ergab. Die Beeinträchtigung der Schlafhygiene wird bei der anamnestische Symptomatik mit Durchschlafstörung, Albträumen, morgendlicher Müdigkeit, Husten, Auswurf und Sodbrennen unspezifisch auf unregelmäßige Bettzeiten und einen Tagesschlaf von mehr als 30 min bezogen.

Die Beurteilung von Dr. H., dass die von ihm in Übereinstimmung mit der behandelnden Nervenärztin Dr. K. diagnostizierten rezidivierenden depressiven Episoden des Klägers nicht unfallbedingt sind, ist auch für den Senat überzeugend. Im Hinblick auf den in der Exploration des Klägers und im Verfahrensgang erkennbar gewordenen Stellenwert, den er selbst dem Unfall von 1979 einräumt, ergibt sich, dass neben den ganz im Vordergrund stehenden sonstigen psychisch belastenden Ereignissen, wie die Arbeitsplatzkonflikte, die berufliche Überlastung, die Partnerschaftskonflikte, u.a. mit Scheidung, Unterhaltsstreitigkeiten und der Konflikt mit der Tochter, dem Unfall von 1979 und seinen körperlichen Folgen bei der erstmals 1994 gesicherten psychischen Problematik eine, wenn überhaupt, nur zu vernachlässigende Rolle zukommt."

Soweit der Kläger nach Prof. Dr. S. bei der Anamneseerhebung insbesondere bei der Unfallschilderung dissoziative Erlebnisweisen und die übrigen Diagnosemerkmale einer posttraumatischen Belastungsstörung habe erkennen lassen, mag dies für die medizinische Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung eine hinreichende Symptomatik sein, ist aber für die juristische Zuordnung, dass diese Gesundheitsstörung noch vom Versicherungsfall wesentlich verursacht wurde, nicht allein ausschlaggebend. Wenn ein bislang hinreichend psychisch verarbeiteter Arbeitsunfall durch danach aufgetretene unfallunabhängige Faktoren mitursächlich für das Entstehen einer psychischen Erkrankung wird, muss für den Unfallzusammenhang der Arbeitsunfall -noch- wesentlicher (Mit-)Faktor sein.

Eine durch Beziehungs- und Arbeitsplatzkonflikte und damit einhergehende wirtschaftliche Sorgen und Zukunftsängste verursachte depressive Entwicklung mit beeinträchtigtem Selbstwertgefühl ist nach den Darlegungen von Dr. H. eine psychiatrisch hinreichende Befundlage für die beim Kläger aufgetretenen psychischen Störungen. Wenn in der biografischen resignativen Rückschau dem Unfallereignis nachträglich ein Stellenwert eingeräumt wird, den es bis dahin nicht hatte, wird der Unfall nicht deshalb zur wesentlichen Mitursache. Die Zuschreibung ist dann allenfalls eine Folge der unfallunabhängig aufgetretenen späteren Erkrankung, d.h. Symptom der Depression.

In der Fallkonstellation, dass die bislang erfolgreichen Bewältigungsstrategien durch die späteren psychisch beeinträchtigenden Ereignisse entfallen sind und der Unfall teilweise mit der Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung psychisch akut geworden ist, begründet dies allein ebenfalls nicht einen unfallbedingten wesentlichen Ursachenfaktor. Auch hier ist maßgebend die wertende Bedeutung der Ursachenfaktoren, wobei auch für später aufgetretene mittelbare unfallbedingte Faktoren eine Bewertung stattzufinden hat. Dem geht voraus, dass eine Unfallbezogenheit dieser Faktoren festzustellen ist. Außerdem müssen die von Prof. Dr. S. geltend gemachten Trigger, die die Chronifizierung der Störung ausgelöst haben – im Verständnis des Senats das Akutwerden der latenten Störung –, unabhängig davon auch den Unfall als noch wesentlich Mitursache bestehen lassen.

Der von Prof. Dr. S. thematisierte Chronifizierungseffekt durch das wiederholte "Ohnmachtserleben" als Triggerfunktion (Seite 7 des Gutachtens), wie dies erstmals bei dem Arbeitsunfall 1979 aufgetreten sei infolge der unter Narkose durchgeführten Augenoperationen und die hierdurch verursachte Abhängigkeit von der Pflege durch andere Menschen (Bl. 24 des Gutachtens, Bl. 23R der Senatsakte), ist für die Zusammenhangsbeurteilung durch das Gutachten nicht hinreichend überzeugend belegt. Nach Prof. Dr. S. kommen als Trigger ebenfalls in Betracht die Diskussion und Auseinandersetzung um finanzielle und soziale Anerkennung oder gar Schuldvorwürfe. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 17.05.2013 – L U 2652/12 – (veröffentlicht in juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) hinsichtlich der verzögert aufgetretenen posttraumatischen Belastungsstörung eine unfallbedingte Kausalität auch unter dem Kausalverlauf angenommen, dass das Unfallereignis zunächst keinen Gesundheitsschaden, aber eine zu einem Gesundheitsschaden führende Kausalkette wesentlich in Gang gesetzt hat. Das setzt den Eintritt der Erkrankung, somit das klinische Bild der Beschwerdesymptomatik, als Folge der nachträglichen Wirkursache in einem hinreichend gesichertem Zusammenhang voraus. Aufgabe des medizinischen Sachverständigen ist, die wesentlichen Ursachenfaktoren dem Gericht plausibel zu machen. Prof. Dr. S. hat in seiner Diskussion die Triggerfunktion der im August 1979 bis Oktober 1980 durchgeführten Operationen hervorgehoben (Bl. 23-24 des Gutachtens). Ebenso wie bei dem Initialereignis 1979 finden sich aber auch ab 1980 keine ärztlichen Befunde über psychische Auffälligkeiten des Klägers, die in irgendeiner Form Behandlungsbedürftigkeit verursacht hätten. Dies gilt auch für die von Prof. Dr. S. in anderem Zusammenhang als Anknüpfung für traumatypische Intrusionen, dem Wiedererleben des Traumaereignisses, angeführte Symptomatik, Unglücke oder Situation, die ganz andere Menschen betreffen, mit dem eigenen Unfall in Verbindung zu bringen. Soweit bei Diplom-Psychologin G. und auch bei Dr. H. sich hierzu Ausführungen zu Unfällen von Arbeitskollegen finden, lägen diese als Trigger oder für eine Retraumatisierung in Betracht kommende Erlebnisse noch im Unfalljahr bzw. im Jahr 1990. Es handelte sich um den Arbeitsunfall eines Kollegen im Unfalljahr, dem ein Fuß durch eine Traverse abgetrennt worden sei bzw. 1990 um einen Bekannten, der am Härteofen einer Explosion ausgesetzt gewesen sei. Auch für diesen Zeitraum sind keine zeitnah erstellten psychischen Befunde oder krankhafte Reaktionen des Klägers den Akten zu entnehmen.

Außerdem ist dem Gutachten von Prof. Dr. S. nicht zu entnehmen, dass diese Ereignisse überhaupt eine spezifische Reaktion ausgelöst haben, die über das normale Erinnern eines Menschen an das ihm widerfahrene Unglück in einer mit dieser Erfahrung vergleichbaren Situation hinausgeht, insbesondere das Auftreten intrusiver Nachhallerinnerungen. Zu dem Phänomen der Intrusion im Sinne des Nacherlebens des Initialereignisses einer posttraumatischen Belastungsstörung finden sich im Gutachten von Prof. Dr. S. keine Ausführungen. Andererseits finden sich auch hier wiederum Widersprüche, die im Gutachten von Prof. Dr. S. nicht geklärt sind. Das Mobbing am letzten Arbeitsplatz des Klägers wird im Gutachten von Prof. Dr. S. deshalb mit dem Unfall in Verbindung gebracht, weil der Kläger Unregelmäßigkeiten in der Firma aufgedeckt habe, insbesondere wenn Mitarbeiter sich nicht an Unfallverhütungsvorschriften gehalten hätten, hätte er sich deshalb engagiert, weshalb man sich von ihm abgewandt habe. Dies widerspricht den im Gutachten von Dr. H. wiedergegebenen Ausführungen des Klägers zum Mobbing, wonach es zu einer Konkurrenzsituation mit einem früheren Kollegen und jetzigen Vorgesetzten um die gleiche Frau gekommen ist.

Ein Beziehungskonflikt mit der Ehefrau hat nach den Angaben des Klägers bei Dr. H. schon vor dem Unfall bestanden, denn bereits 1979 sei die Scheidung von seiner ersten Ehefrau bei Gericht beantragt gewesen und nur wegen des Unfalls habe man die Ehe zunächst fortgesetzt. Bei Prof. Dr. S. hat der Kläger hierzu nur lapidar angegeben, die Scheidung sei vor dem Unfall erwogen worden, womit die Tatsache unterschlagen wird, dass aus der damaligen Sicht die Ehe bereits gescheitert war, was mit dem Scheidungsantrag zum Ausdruck gebracht war. Insoweit galt nach Art. 12 Nr. 3 des 1. EheRG bereits das neue Scheidungsrecht (§ 1565 BGB), wonach die Ehe bei der Scheidung gescheitert sein musste, was der Fall war, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und die Wiederherstellung nicht zu erwarten war (vgl. BGH 27.06.1979 - IVZR 185/77 -juris).

Außerdem sind unfallunabhängige Ereignisse, insbesondere nicht die von Prof. Dr. S. postulierte unfallbedingte Persönlichkeitsänderung des Klägers, für das Scheitern der Beziehungen des Klägers bei Dr. H. angeführt worden. Der Kläger hat darauf verwiesen, dass bei seiner ersten Frau sich alsbald nach der Hochzeit Probleme ergeben haben, weil sie häufig wegen Ladendiebstähle von der Polizei aufgesucht worden sei, was letztlich zur Trennung 1985 geführt habe. Auch die Heirat 1993 sei wegen des sexuellen Missbrauchs der Kinder aus erster Ehe seiner Ehefrau durch den vorherigen Ehemann problematisch gewesen mit Suizidalität und Essstörungen der Kinder. Auch sei seine neue Ehe durch eine außereheliche Beziehung seiner Ehefrau belastet gewesen (vgl. Bl. 7 des Gutachtens von Dr. H., Bl. 244 der SG-Akte). Inwieweit die vom Kläger dargestellten Umstände, die zum Mobbing am Arbeitsplatz geführt haben, die nach seinen Ausführungen aus dem Konflikt mit einem Freund und Kollegen in der Konkurrenzsituation um eine Frau entstanden seien, die Interpretation von Prof. Dr. S. zu lassen, ist für den Senat daher nicht ohne weiteres ersichtlich.

Darüber hinaus ist entgegen der von Prof. Dr. S. unterstellten zwangsläufigen Entwicklung bei einer verzögert aufgetretenen posttraumatischen Belastungsstörung ein wesentlicher Zusammenhang mit dem Initialereignis, hier dem Arbeitsunfall 1979, vorliegend nicht gleichzusetzen mit einer solchen nach Prof. Dr. S. häufig in der Traumatologie beobachteten Entwicklung, bei der das im Privatleben oder Berufsleben auftretende belastende Trigger-Ereignis eine so minimale Ausprägung hat, dass es nur beim vorbelasteten Traumatisierten zu dem Krankheitsbild hat kommen können, wie die Beispiele im Gutachten von Prof. Dr. S. für traumatisierte Soldaten, mit Befürchtungen um den möglichen grausamen Unfalltod der Kinder beruhend auf erlebten Vernichtungssituationen im Kriegsgeschehen zeigen. Dann ist die durch den Arbeitsunfall verursachte latente psychische Störung so leicht ansprechbar gewesen, dass sie jederzeit hätte zum Ausbruch kommen können und dem Arbeitsunfall deshalb überragende Bedeutung gegenüber den später aufgetretenen Mitfaktoren zukommt. Vorliegend sind aber solche Mitursachen nicht belegt. Eine Unfallbezogenheit der genannten Triggerfunktion ist, wie oben dargelegt, nicht hinreichend nachgewiesen. Außerdem sind die von Prof. Dr. S. nicht in seine Erwägungen einbezogenen Lebensumstände des Klägers bereits für sich geeignet, die Beschwerdesymptomatik zu verursachen, denn, wie dargelegt, das Beschwerdebild einer Depression deckt sich nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. H. mit dem von Prof. Dr. S. dargelegten Beschwerdebild einer posttraumatischen Belastungsstörung. Insbesondere ist soweit Prof. Dr. S. auf das Erleben eines Auslöschungsereignisses (Seite 5 seines Gutachtens) aufgrund des Gesamtbildes seiner Beobachtungen abstellt und hieran die Chronifizierung von Traumafolgestörungen knüpft (Seite 24 seines Gutachtens), in der Wertigkeit dies bereits fraglich. Nach den Umständen des Unfalls musste der Kläger keine Todesangst erleiden. Unabhängig davon werden die anderen schicksalhaft aufgetretenen seelischen Belastungen des Klägers, darunter auch der bei der Begutachtung durch Dr. H. angegebene, im Februar 2009 erlittene Herzinfarkt, welche jedenfalls auch mit Todesangst hatte verbunden sein können und auch im Gutachten von Prof. Dr. S. unter Bezugnahme auf die angegebene Vorerkrankungen im Gutachten von Dr. H. Erwähnung findet, von Prof. Dr. S. nicht erwähnt. Zudem wurden die dem Unfall nachgehenden späteren Ereignissen ihrerseits "traumatisierend" erlebt. Der Kläger hat für seine psychischen Beschwerden, wie bereits dargelegt, vorrangig diese Erlebnisse geltend gemacht. Nach diesem Kausalverlauf ist die latente psychische Ausgangslage des Klägers nach dem Arbeitsunfall, die ohne nachgewiesene psychische Erkrankung gebL.en ist, nur Mitwirkungsfaktor für die psychische Erkrankung, die aber ohne den Unfall auch entstanden wäre und in ihrem Krankheitsbild und Ausprägungsgrad dem gleich zu erachten ist. Allein wesentliche Wirkursachen sind daher die später aufgetretenen, von Dr. H. beschriebenen Ereignisse. Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass der Unfall hinreichend wahrscheinlich wesentliche (Mit-)Ursache des vom Senat zu beurteilenden Gesundheitszustandes ist.

Eine unfallbedingte MdE wegen psychischer Störungen liegt daher auch nicht vor.

Eine Erhöhung der Verletztenrente kann der Kläger nicht begehren.

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag des Klägers war mit Haupt- und Hilfsantrag abzulehnen. Dem Antrag nach § 109 SGG, einen noch zu benennenden anderen Arzt als Gutachter zu hören, musste der Senat nicht stattgeben. Der Antrag nach § 109 SGG war mangels konkreter Arztbezeichnung nicht entscheidungsreif und entsprach auch nicht den Anforderungen eines ordnungsgemäßen Beweisantrags, da zum Sachverständigenbeweis, auch eines nach § 109 SGG, die Benennung des Sachverständigen gehört. Der Antrag ist auch nicht so zu verstehen gewesen, dass der frühere Antrag auf Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. S. nach § 109 SGG wiederholt worden ist. Einerseits ist das Gutachten von Prof. Dr. S. als Privatgutachten vorgelegt worden, andererseits ist ausdrücklich die Nachbenennung eines Arztes angekündigt worden, weshalb nach objektivem Verständnis und auch aus Sicht des Klägers der frühere Antrag nach § 109 SGG sich erledigt hatte und nicht nochmals gestellt worden ist. Nach Ablehnung des unbedingt gestellten Beweisantrags durch verkündeten Beschluss in der mündlichen Verhandlung ist auch kein weiterer Antrag mit Benennung eines Sachverständigen gestellt worden. Der Antrag nach § 109 SGG war darüber hinaus auch verspätet im Sinne von § 109 Abs. 2 SGG, was auch auf einen etwaigen vervollständigten Antrag zugetroffen hätte, da er zur Überzeugung des Senats aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Eine Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede zur ordnungsgemäßen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn nicht getan wird, was jedem einleuchten muss. Es entspricht keiner ordnungsgemäßen Prozessführung, wenn ein Beteiligter erkennen muss, dass vom Gericht keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen durchgeführt werden, er gleichwohl nicht innerhalb einer Frist von einem Monat, was in der Regel als angemessene Überlegungsfrist anzusehen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 109 Anm. 11), einen ordnungsgemäßen Antrag nach § 109 SGG stellt. Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Dem Klägerbevollmächtigten war mit richterlicher Verfügung vom 12.05.2015 mitgeteilt worden, dass der Rechtsstreit als entscheidungsreif beurteilt werde, und weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Die Terminsbestimmung ist dem Klägerbevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses bereits am 10.06.2016 zugegangen (Bl. 57a d. LSG-Akte), weshalb die vom Senat erkennbar angenommene Entscheidungsreife des Rechtsstreits eine alsbaldige Antragstellung, spätestens innerhalb eines Monats erfordert hätte. Der erst in der mündlichen Verhandlung am 22.07.2016 gestellte Antrag nach § 109 SGG war daher schuldhaft verspätet und hätte den Rechtsstreit verzögert.

Der Senat musste sich auch nicht gedrängt sehen von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Hilfsbeweisantrag des Klägers - im Rahmen der mündlichen Verhandlung noch vor der Schlussberatung über die Sachanträge -, wobei der Senat die Zulässigkeit der klägerischen Abstufung der Beweisanträge dahinstehen lässt, lagen zwei Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet vor, die alle für den Senat erkennbaren medizinischen Fragen abgehandelt haben, wenn auch in kontroverser gutachterlicher Sichtweise; Anspruch auf ein Obergutachten besteht aber auch in einer solchen Situation nicht (BSG 23.05.2006 - B 13 RJ 272/05 B). Weitere Ermittlungen waren weder zu diesem Verfahrensstand noch nach der Schlussberatung des Senats geboten. Ausgehend von den den Senat überzeugenden medizinischen Befunden der Nervenärztin Dr. K., der überzeugenden Befunde im Entlassungsbericht vom 20.12.2007 und des Gutachtens von Dr. H. aber auch der Mitteilungen von Prof. Dr. S. und Frau G. hat der Senat auch zuletzt keine Veranlassung gesehen, weitere medizinische Ermittlungen anzustellen. Welche konkreten Fragen in den vorliegenden Gutachten nicht hinreichend angesprochen worden oder offen gebL.ene sind, hat auch der Kläger nicht vorgetragen. Der Sachverhalt ist geklärt, die Gutachter haben dem Senat die medizinische Grundlage für die von ihm zu treffende rechtliche Bewertung geboten.

Der Senat war an seiner Entscheidung auch nicht durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 06.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2015 gehindert. Bei diesem Bescheid handelt es sich um eine neue Entscheidung der Beklagten, die den vorliegenden streitgegenständlichen Bescheid vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.07.2010, mit dem die Erhöhung der Verletztenrente abgelehnt worden ist, weder abändert noch ersetzt (§ 96 Abs. 1 SGG). Der Bescheid ist daher nicht von Gesetzes wegen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Die Ablehnung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge mit Bescheid vom 06.08.2015 ist auch nicht bestandskräftig, weshalb im vorliegenden Verfahren auch noch keine Bindungswirkung unter den Beteiligten entstanden ist. Im Übrigen haben die Beteiligten ausdrücklich im Hinblick auf das vorliegende Berufungsverfahren das Ruhen des Rechtsbehelfsverfahrens vor dem SG beantragt. Im Übrigen ergäbe sich auch unter Einbeziehung dieses Bescheids in das vorliegende Verfahren sachlich keine andere Entscheidung, da er sich hinsichtlich der Ablehnung der Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. anderer psychischer Erkrankungen als Unfallfolgen sowie der Ablehnung einer Verletztenrente nach den vorstehenden Ausführungen in vollem Umfang als rechtmäßig erweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Einer Bestimmung zur Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Kläger-Vertreters als Bevollmächtigten des Klägers bedurfte es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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