L 9 R 695/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 5646/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 695/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. einer Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau.

Der 1958 in Polen geborene Kläger absolvierte dort von September 1973 bis Juni 1976 eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker und war anschließend in diesem Beruf, als Kraftfahrer und von Januar 1980 bis August 1981 als Kranführer im Steinkohlebergwerk G. tätig. Zwischendurch leistete er von Oktober 1977 bis Oktober 1979 seinen Grundwehrdienst. Im August 1981 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland und war von März 1982 bis Oktober 1984 als Maschinenarbeiter, im April 1986 als Wachmann, von Juni 1986 bis April 1987 als Platzwart eines Tennisclubs, im Februar 1988 im Holz- und Bautenschutz sowie von Dezember 1988 bis September 1989 als Wachmann tätig. Seither ist er ohne Arbeit und bezog Sozialhilfe, seit 01.01.2005 Arbeitslosengeld II.

Nach einem früheren erfolglosen Rentenantrag beantragte der Kläger 2004 erneut Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung mit der Begründung, er könne aufgrund eines Bandscheibenleidens, eines Herzinfarkts mit Herzbeutelentzündung, Migräne, Depressionen und Mandel-OP mit Komplikationen bereits seit 1991 keinerlei Tätigkeiten mehr ausüben. Dieser Antrag wurde unter Hinweis auf das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt.

Am 12.05.2011 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er wiederum an, wegen eines Bandscheibenvorfalls, Depressionen, Angstzuständen und einer Herzerkrankung keine Arbeit mehr verrichten zu können.

Die Beklagte zog daraufhin Befundunterlagen bei und veranlasste eine Begutachtung durch die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. Diese stellte zunächst in ihrem Gutachten vom 05.08.2011 die Diagnosen "schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, Panikstörung, Fuß- und Zehenheberparese rechts nach NPP 2005 und rezidivierende Lumboischialgien rechts". Durch die Fuß- und Zehenheberparese seien Einschränkungen qualitativer Natur bedingt. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankungen sei die Leistungsfähigkeit des Klägers aufgehoben. Es bestehe eine suffiziente psychiatrische und psychoparmakologische Therapie, bislang jedoch ohne nachhaltige und durchgreifende Besserung. Eine solche könne im Verlauf eines Jahres unter Fortsetzung der Therapie eintreten. Dann sollte eine erneute Begutachtung erfolgen. Im Nachgang hierzu teilte sie ebenfalls unter dem Gutachtensdatum 05.08.2011 neben den oben genannten Diagnosen die weitere Diagnose "Benzodiazepinabusus, anamnestisch abstinent" mit. Zum Leistungsvermögen des Klägers führte sie aus, dieses sei gegenwärtig reduziert, gemäß dem Motto Reha vor Rente empfehle sie daher dringend die Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitation. Dabei sei die Prognose als zumindest vorsichtig günstig zu erachten. Unter Annahme eines positiven Rehabilitationsverlaufs seien dem Kläger aus nervenärztlicher Sicht leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne Zeitdruck und ohne gehäuften Schichtdienst oder Nachtschichten sechs Stunden und mehr täglich zuzumuten.

Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger eine stationäre medizinische Rehabilitation in der R.-Klinik in Bad D., welche der Kläger am 03.01.2012 antrat und am 08.01.2012 vorzeitig ohne ärztliches Einverständnis beendete. Laut Entlassungsbericht vom 06.02.2012 wurden die Diagnosen Angst und Depression, gemischt, bekannter Bandscheibenvorfall L5/S1 und Z.n. Benzodiazepinmissbrauch DD: Benzodiazepinabhängigkeit gestellt. Der Kläger wurde als arbeitsfähig für eine Tätigkeit als ungelernter Arbeiter entlassen. Für mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Nachtschicht, ohne ständiges Heben und Tragen von schweren Lasten, Rumpfzwangshaltungen, Überkopfarbeiten, ständiges Knien, einseitige Belastung der WS bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Mit Bescheid vom 19.06.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2012 zurück. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bestehe nicht, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, ein Anspruch auf Rente für Bergleute bestehe nicht, weil der Kläger die Mindestversicherungszeit für diese Rente nicht erfülle.

Hiergegen hat der Kläger am 15.11.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgebracht, er sei schwer krank, könne nicht mehr arbeiten und sei nicht einverstanden mit den Diagnosen der Ärzte in der Reha, da diese nach dreiminütigem Gespräch nicht entscheiden könnten, ob er gesund sei und arbeiten könne oder nicht.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen befragt:

Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin, Verkehrsmedizin M. hat unter dem 13.04.2013 angegeben, den Kläger zweimal im März 2011 und je einmal im September 2011 und im März 2012 behandelt zu haben. Im Dezember 2012 habe sie ihm ein Rezept ausgestellt. Weitere Termine seien nicht zustande gekommen. Beim Erstkontakt habe sie eine Dysthymia, eine Agoraphobie mit Angabe einer Panikstörung, soziale Phobien, den Verdacht auf eine schizoide Störung und abhängige (asthenische) Persönlichkeitszüge diagnostiziert. Während der sporadischen Folgetermine habe sich keine wesentliche Änderung des Zustands gezeigt. Unter der verordneten Medikation habe sich lediglich eine leichte Besserung der unspezifischen Anspannung und Besserung des Schlafs gezeigt. Der Kläger habe im Auftreten verschroben und eigenbrötlerisch gewirkt. Im Kontaktverhalten habe sie ihn als ängstlich, klagsam, verschlossen, affektiv wenig schwingungsfähig und depressiv herabgestimmt erlebt. Wahnhafte Symptomatik sei nicht eruierbar gewesen, jedoch hätten die beschriebenen Symptome und das ausgeprägte einzelgängerische Verhalten den Verdacht auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung entstehen lassen. Sie habe ihm wegen des nicht zufriedenstellenden Verlaufs und der Notwendigkeit einer fundierten diagnostischen Abklärung dringend geraten, sich in eine stationäre psychiatrische Behandlung zu begeben. Nachdem er sich durch das von der Beklagten vorgeschlagene Heilverfahren überfordert gefühlt habe, habe sie für ihn einen Termin in der psychiatrischen Institutsambulanz vereinbart, um eine stationäre oder zumindest teilstationäre Behandlung möglichst bald in die Wege zu leiten. Auch dies sei nicht zustande gekommen, weil der Kläger auch den Aufenthalt im stationären Setting als ängstigend und überfordernd erlebt habe. Sie halte den Kläger für eingeschränkt belastbar. Einen Einsatz auf dem ersten Arbeitsmarkt halte sie für kaum vorstellbar. Allerdings solle eine endgültige Einschätzung erst nach einer stationären Behandlung erfolgen.

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. L. hat unter dem 15.04.2013 angegeben, den Kläger nur einmalig am 18.02.2010 behandelt zu haben. Hierbei habe der Kläger über seit Jahren bestehende Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und Parästhesien des rechten Beines geklagt. Er habe eine Spondylolisthesis L5/S1, den Verdacht auf eine Spinalkanalstenose und ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert. Er hat den Bericht über ein MRT der LWS vom 19.02.2010 mitvorgelegt.

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G. hat unter dem 14.04.2013 über die hausärztliche Betreuung des Klägers in der Zeit vom 13.09.2009 bis 04.09.2012 berichtet. Seither sei der Kläger nicht mehr in der Sprechstunde erschienen. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers sei nicht zu verzeichnen, allenfalls eine tendenzielle Verschlechterung mit immer wieder auftretenden psychosomatischen Beschwerden, die notfallmäßige stationäre Aufenthalte bewirkten. Da der Kläger aber nicht kontinuierlich, sondern oft monatelang nicht erschienen sei, könne eine eindeutige Einschätzung nicht abgegeben werden. Für die Leistungsfähigkeit des Klägers dominierend sei das psychiatrische und psychosomatische Fachgebiet. Die körperlichen Beschwerden hätten nur teilweise organische Ursachen und seien größtenteils Folgen der psychischen Störung.

Der Hautarzt Dr. W. hat unter dem 20.04.2013 angegeben, dass der Kläger an einer Psoriasis vulgaris mit Nagelbeteiligung und Beteiligung der Beugelokalisationen (Psoriasis inversa) leide. Eine wesentliche Änderung im Verlauf sei nicht festzustellen. Er habe keine Befunde erhoben, die der Ausübung einer leichten vollschichtigen Tätigkeit entgegen stehen würden.

Der Arzt für Innere Medizin und Kardiologie Dr. H. hat unter dem 26.04.2013 über die Behandlung des Klägers seit 2005 berichtet. Der Kläger beklage seit Jahren unverändert atypische (nicht typisch für eine koronare Herzerkrankung) Beschwerden im Bereich des linken Brustkorbs. Es seien mehrfach Belastungs-EKGs durchgeführt worden, hierbei habe sich nie ein Hinweis für eine Durchblutungsstörung des Herzens gefunden. Körperlich leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeiten im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche sechs Stunden täglich könnten von kardialer Seite aus ausgeübt werden. Nach seiner Ansicht handle es sich eher um funktionelle Beschwerden, somit um ein psychosomatisches Krankheitsbild.

Der Arzt für Orthopädie Dr. S. hat unter dem 16.05.2013 und 13.02.2014 angegeben, dass sich der Kläger am 31.03.2010, 31.08.2010, 08.12.2010, 10.03.2011, 14.11.2011 und zuletzt am 06.09.2012 vorgestellt habe, regelmäßig mit Beschwerden im LWS- und HWS-Bereich und Schmerzen. Es bestünden ein bekannter Bandscheibenvorfall L5/S1, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom im HWS-Bereich sowie rezidivierende Blockierungen im BWS-Bereich. Wesentliche Änderungen im Verlauf seien nicht festzustellen gewesen. Körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger noch vollschichtig ausüben.

Die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. hat unter dem 14.05.2013 angegeben, den Kläger lediglich zweimal im Februar 2011 behandelt zu haben. Sie habe eine schwere depressive Episode, eine generalisierte Angststörung, Panikattacken, eine Insomnie, Nephrolithiasis, labile arterielle Hypertonie und ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert und habe ihn am 02.02.2011 in die Psychiatrische Klinik der Universität W. eingewiesen. Er habe sich dann nochmals am 10.02.2011 in der Praxis vorgestellt.

Das SG hat daraufhin ein Gutachten bei dem Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 13.06.2014 die Diagnosen "akzentuierte Persönlichkeitszüge bzw. Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und ängstlich-abhängigen/asthenischen Anteilen, anamnestisch Angst- und Panikstörung, gegenwärtig ohne ausgeprägte Symptomatik, anamnestisch rezidivierende depressive Episoden, aktuell remitiert, blande Polyneuropathie unklarer Ursache ohne relevante Funktionsbeeinträchtigungen, leichtgradige Fuß- und Zehenheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall 2005, WS-Syndrom und Fettstoffwechselstörung, medikamentös behandelt" gestellt. Im Vordergrund des Beschwerdebildes auf neurologischem Fachgebiet stehe die Fußheber- und Zehenheberparese rechts, diese sei leichtgradig ausgeprägt. Auf psychiatrischem Gebiet sei die Persönlichkeitsakzentuierung bzw. -störung vorherrschend. Der Ausprägungsgrad der psychischen Symptomatik sei insgesamt als leicht bis mittel einzustufen. Der Kläger könne leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne vermehrte Belastungen der WS und des rechten Beines in Tagesschicht oder Früh-/Spätschicht verrichten. Tätigkeiten mit vermehrten psychischen Belastungen seien nicht vertretbar. Dieser Zustand bestehe bereits seit der Rentenantragstellung im Mai 2011. Für eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes bzw. des Leistungsvermögens im laufenden Verwaltungs- und Klageverfahren ergebe sich kein ausreichender Anhalt. Leidensgerechte Tätigkeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr ausüben.

Weiter hat das SG eine Liste der Arbeitgeber des Klägers seit seiner Übersiedlung in die BRD angefordert. Eine Anfrage an den letzten Arbeitgeber blieb erfolglos, da der Betrieb ohne Nachfolgebetrieb ruhend gestellt ist.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.01.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe keine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) zu. Aus den vorliegenden Gesundheitsstörungen leiteten sich die von Dr. S. im Einzelnen aufgezählten qualitativen Einschränkungen ab, nicht aber auch eine quantitative Leistungseinschränkung. Auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI bestehe nicht. Der zuletzt ausgeübte Beruf des Wachmanns sei als angelernte Tätigkeit des unteren Bereichs einzustufen, so dass der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Ein Anspruch auf Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau gemäß § 45 SGB VI bestehe ebenfalls nicht, da der Kläger die erforderliche Wartezeit in der knappschaftlichen Versicherung nicht erfüllt habe.

Gegen den ihm am 29.01.2015 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 26.02.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung verweist der Kläger erneut auf die bereits angegebenen Leiden. Er habe seine gesundheitliche Situation dem Arzt in Mannheim geschildert und dieser habe ihm nach gründlicher Untersuchung versichert, dass er erwerbsgemindert sei. Das SG habe in Abweichung hiervon ohne mündliche Verhandlung seine Klage abgewiesen.

Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage hat der Kläger nochmals sein Vorbringen wiederholt und vertieft. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 21.01.2016 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 zu verurteilten, ihm ab Mai 2011 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsunfähigkeit im Bergbau zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Kläger ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger weder einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung noch auf Gewährung einer Rente für Bergleute hat.

1. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften ist der Kläger nach Gesamtwürdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Zu dieser Überzeugung kommt der Senat insbesondere aufgrund des Gutachtens des Dr. S.

Der Kläger leidet auf orthopädischen und neurologischen Fachgebiet an einem Wirbelsäulensyndrom, einer Fuß- und Zehenheberparese rechts nach Bandscheibenvorfall und einer blanden Polyneuropathie unklarer Ursache. Aus diesen Erkrankungen resultieren qualitative Einschränkungen für mittelschwere und schwere Tätigkeiten sowie für Tätigkeiten mit vermehrter Belastung der Wirbelsäule und des rechten Beines. Eine quantitative Leistungseinschränkung hingegen folgt aus diesen Erkrankungen nicht. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten von Dr. S. sowie die sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Orthopäden Dr. S. Deren Beurteilung, dass aus den Erkrankungen auf orthopädischem bzw. neurologischem Fachgebiet jedenfalls für körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes keine zeitliche Leistungseinschränkung resultiert, ist anhand der von diesen erhobenen Befunde auch für den Senat nachvollziehbar und überzeugend. Auch aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Orthopäden Dr. L. gegenüber dem SG, der den Kläger lediglich einmalig im Februar 2010 behandelt und keine Angaben zu dessen Leistungsvermögen gemacht hat, ergibt sich nichts anderes. Es bestehen auch weder nach dem Vortrag des Klägers noch dem Akteninhalt Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche relevante Verschlechterung dieser Erkrankung. Vielmehr hat der Kläger im durchgeführten Termin zur Erörterung des Sach- und Rechtsverhältnisses am 21.01.2016 angegeben, dass eine fachorthopädische Behandlung nicht stattfinde, er insoweit nicht einmal einen Behandler benennen könne.

Bei dem Kläger liegen auch keine Erkrankungen auf internistischem, insbesondere kardiologischem Fachgebiet vor, die zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung führen würden. Dies steht für den Senat aufgrund des Gutachtens des Dr. S. sowie der sachverständigen Zeugenauskunft des Internisten und Kardiologen Dr. H. gegenüber dem SG fest. Zwar beklagt der Kläger bereits seit Jahren atypische Beschwerden im linken Brustkorb, allerdings haben sich auch bei mehrfachen Belastungs-EKGs keine Hinweise für eine Durchblutungsstörung des Herzens gefunden, wie Dr. H. berichtet hat. Auch Dr. S. konnte auf internistischem Gebiet lediglich eine Fettstoffwechselstörung feststellen, die aber medikamentös behandelt ist und keine Auswirkungen auf die zeitliche Leistungsfähigkeit des Klägers hat.

Der Kläger leidet an einer Hauterkrankung, welche der Ausübung leichter körperlicher Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ebenfalls nicht entgegensteht. Insoweit stützt sich der Senat auf die Angaben des Dr. W. gegenüber dem SG.

Im Vordergrund stehen bei dem Kläger Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet. Bei ihm bestehen akzentuierte Persönlichkeitszügen bzw. eine Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und ängstlich-abhängigen/asthenischen Anteilen sowie eine anamnestisch angegebene Angst- und Panikstörung und anamnestisch angegebene rezidivierende depressive Episoden, wobei die Persönlichkeitsstörung im Vordergrund steht. Sie ist leicht bis mittelgradig ausgeprägt und bedingt, dass dem Kläger Tätigkeiten mit vermehrten psychischen Belastungen nicht mehr zumutbar sind. Aber weder für sich alleine betrachtet noch in der Gesamtschau aller Erkrankungen bedingt diese Erkrankung eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Insoweit stützt sich der Senat maßgeblich auf das Gutachten des Dr. S. Dieser ist schlüssig von einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen des Klägers für körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen. Den Erkrankungen des Klägers kann hinreichend durch die Berücksichtigung qualitativer Leistungseinbußen begegnet werden. So sind ihm lediglich noch körperlich leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken sowie Heben und Tragen schwerer Gegenstände, ohne besondere Ansprüche an die psychische Belastbarkeit gesundheitlich möglich. Eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens auch für körperlich leichte Arbeiten unter Berücksichtigung der oben genannten qualitativen Einschränkungen ließ sich nicht nachweisen. Diese wird auch bestätigt durch den Entlassungsbericht über die vorzeitig beendete stationäre medizinische Rehabilitation in der R.-Klinik Bad D. vom 06.02.2012.

Soweit hingegen die im Verwaltungsverfahren tätige Sachverständige Dr. B. in deren Gutachten vom 05.08.2011 vom Vorliegen einer schweren depressiven Episode und einem reduzierten bzw. aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers ausgeht und auch Dr. K. mit einer sachverständigen Zeugenauskunft eine solche Diagnose mitgeteilt hat, führt dies nicht zum Nachweis des Vorliegens einer mittel- oder gar schwergradigen depressiven Erkrankung. Zunächst lässt sich aus dem von beiden als Episode beschriebenen Zustand eine länger als sechs Monate andauernde Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht begründen. Außerdem teilt Dr. K. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft keine Befunde mit, auf die sich die von ihr gestellten Diagnosen stützen, sondern lediglich die Diagnosen als solche. Auch gibt sie an, den Kläger nur zweimal im Februar 2011 behandelt zu haben und damit gerade keinen längeren Zustand erhoben zu haben. Die Beurteilung der Dr. B. ist für den Senat bereits deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Beklagte einerseits mit ihrer Verwaltungsakte (Bl. 120-123 des Aktenteils "Ärztl. Gutachten), anderseits im Berufungsverfahren (Bl.17-28 der Berufungsakte) zwei unterschiedliche Versionen des Gutachtens vom 05.08.2011 vorgelegt hat, in denen die Gutachterin aufgrund ein und derselben Untersuchung des Klägers vom 05.08.2011 zu voneinander abweichenden Leistungseinschätzungen und einer teilweise unterschiedlichen Diagnosestellung gelangt ist. Zum anderen stützen die von Dr. B. erhobenen Befunde sowie das Gutachten insgesamt jedenfalls nicht die Annahme einer auch zeitlichen Leistungseinschränkung. Ein psychiatrischer Befund ist lediglich in der im Berufungsverfahren vorgelegten Version des Gutachtens enthalten und darin äußerst knapp gefasst. Dr. B. führt insoweit zwar Einschränkungen, z.B. Konzentrationsstörungen im Untersuchungsverlauf auf, allerdings ohne diese näher zu beschreiben, so dass diese nicht nachvollziehbar sind. Auch stützt sie ihre Leistungsbeurteilung maßgeblich auf die anamnestischen Angaben des Klägers, ohne sich kritisch mit diesen auseinanderzusetzen. So geht sie davon aus, dass eine suffiziente psychiatrische und psychopharmakologische Therapie stattfinde, sich aber gleichwohl noch keine nachhaltige und durchgreifende Besserung gezeigt habe und stützt ihrer Leistungseinschätzung auch auf den bisherigen klinischen Verlauf. Allerdings stimmen die ihr gegenüber gemachten Angaben des Klägers, er befinde sich 1 bis 2 mal pro Quartal in Behandlung bei der Psychiaterin Müller-Wulf, nicht mit deren Angaben in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 13.04.2013 überein, wonach der Kläger sie vor der Untersuchung durch Dr. B. lediglich zweimal im März 2011 aufgesucht hatte und auch danach bis zum Zeitpunkt ihrer sachverständigen Zeugenauskunft lediglich noch einmal 2011 und einmal 2012 eine Behandlung des Klägers bei Frau M. stattgefunden hat.

Nichts anderes ergibt sich auch unter Berücksichtigung der sachverständige Zeugenauskunft der behandelnden Fachärztin M. Zwar hat Frau M. mit ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 13.04.2013 angegeben, sie halte den Kläger für nur eingeschränkt belastbar und seinen Einsatz auf dem ersten Arbeitsmarkt halte sie für kaum vorstellbar. Gleichzeitig hat sie aber auch angegeben, dass sie den Kläger in den zwei Jahren vor Erstattung ihrer Auskunft insgesamt nur viermal, das letzte Mal über ein Jahr zuvor, gesehen habe und sowohl für eine fundierte diagnostische Abklärung als auch eine endgültige Einschätzung des Leistungsvermögens eine stationäre Behandlung für erforderlich erachte, welche bislang nicht stattgefunden hat.

Der von Dr. S. festgestellte Gesundheitszustand besteht auch bereits seit mindestens Mai 2011. Dies hat Dr. S. für den Senat nachvollziehbar dargestellt, indem er Anhaltspunkte für wesentliche Veränderungen seit der Rentenantragstellung auch unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen aus diesem Zeitraum verneint hat. Schließlich ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine nach Abschluss der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S. eingetretene Verschlechterung der Erkrankungen des Klägers. Er hat selbst im durchgeführten Erörterungstermin nochmals darauf hingewiesen, dass seine Gesundheitsstörungen im Wesentlichen bereits seit vielen Jahren vorlägen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor.

Ob der Kläger mit den oben genannten Einschränkungen auch seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Wachmann noch in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich gesundheitlich zumutbar auszuüben imstande ist, kann offen bleiben. Denn soweit aufgrund des Geburtstages des Klägers vor dem 02.01.1961 auch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI zu prüfen war, ergibt sich hieraus nichts anderes. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers stellt nämlich eine ungelernte Arbeit oder allenfalls eine Tätigkeit mit einer kurzen Anlernzeit dar und vermittelt somit keinen Berufsschutz. Er ist somit auf alle ungelernten Arbeiten breit verweisbar und somit auch auf körperlich leichte Arbeiten, die ihm noch zeitlich uneingeschränkt möglich sind. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht demnach nicht.

2. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Rente für Bergleute bei verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau gemäß § 45 SGB VI zu, da er bereits nicht die allgemeine Wartezeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung erfüllt.

Daher ist die Berufung insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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