Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 1368/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2601/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16.05.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehenden Übergangsleistungen streitig.
Der 1946 geborene Kläger war von 1981 bis 1989 in Vollzeit bei einem Baustoffhandel als Lagerist beschäftigt. Am 28.02.2001 wurde der Beklagten durch Dr. G. (Südbadischer arbeitsmedizinischer Dienst GmbH) wegen eines lumbalen Bandscheibenvorfalls L5/S1 das Bestehen einer Berufskrankheit des Klägers angezeigt.
Am 01.12.1999 übte der Kläger seine Tätigkeit das letzte Mal aus. Anschließend war er arbeitsunfähig. Für den Zeitraum vom 01.12.1998 bis 31.11.1999 bescheinigte die Arbeitgeberin des Klägers steuerpflichtiges Bruttoentgelt i.H.v. 27.210,94 EUR und ein Nettoentgelt i.H.v. 15.893,91 (Bl. 737, 738 der VA).
Seit 02.12.1999 bis 09.05.2001 war der Kläger aufgrund der Diagnose Lumboischialgie arbeitsunfähig krank. Er bezog von seiner Krankenkasse AOK in der Zeit vom 13.01.2000 bis 27.01.2000 und vom 04.03.2000 bis 09.05.2001 Krankengeld i.H.v. 37,12 EUR brutto, 31,82 EUR netto. Vom 28.01.2000 bis 03.03.2000 führte der Kläger ein Heilverfahren zulasten der Deutschen Rentenversicherung durch (Bericht B. Klinik 14.03.2000, Bl. 156 ff. der VA). In der Zeit vom 14.05.2001 bis 30.05.2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld i.H.v. 862,75 DM (441,12 EUR). Ferner bezog er Arbeitslosengeld vom 31.05.2001 bis 31.12.2001 i.H.v. 355,25 DM wöchentlich, vom 01.01.2002 bis 09.05.2002 i.H.v. 181,65 EUR wöchentlich, vom 10.05.2002 bis 31.12.2002 i.H.v. 183,96 EUR wöchentlich und vom 01.01.2003 des 02.07.2003 i.H.v. 182,77 EUR wöchentlich. Anschließend bezog er Arbeitslosenhilfe i.H.v. 15,96 EUR wöchentlich für die Zeit vom 03.07.2003 bis 31.12.2003, i.H.v. 17,71 EUR wöchentlich vom 01.01.2004 bis 02.07.2004 und i.H.v. 14,07 EUR vom 03.07.2004 bis 01.12.2004 (Bl. 830 VA). Ab 01.06.2001 war der Kläger geringfügig als Schulbusfahrer zu einem Verdienst von monatlich 161,05 EUR im Jahr 2001 und in der Folge von monatlich 162,00 EUR beschäftigt (Bl. 1056/1059 der VA).
Mit Bescheid vom 11.12.2002 lehnte die Beklagte zunächst die Feststellung von Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2003 zurück. Nachdem das dagegen geführte Klageverfahren erfolglos geblieben war, einigten sich die Beteiligten im Rahmen des Berufungsverfahrens L 1 U 1283/05 vergleichsweise auf die Feststellung der vorliegenden Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 10 v.H. durch die Beklagte.
Am 08.03.2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV.
Mit Bescheid vom 27.08.2007 stellte die Beklagte das Bestehen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten fest, anerkannte ab 02.12.1999 das Bestehen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und gewährte dem Kläger ab 31.05.2001 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 10 v.H. Gleichzeitig beauftragte die Beklagte die AOK, dem Kläger für die Zeiträume vom 13.01.2000 bis 30.05.2001 Verletztengeld (unter Berücksichtigung des für die Zeit vom 28.01.2000 bis 03.03.2000 von der Deutschen Rentenversicherung gezahlten Übergangsgeldes und des für die Zeit vom 10.05.2001 bis 30.05.2001 von der Agentur für Arbeit gezahlten Arbeitslosengeldes) auszuzahlen. Die AOK zahlte dem Kläger Verletztengeld vom 13.01.2000 bis 27.01.2000 und vom 04.03.2000 bis 09.05.2001 unter Berücksichtigung eines Tagesbetrages von 40,99 EUR (Bl. 905 VA).
Mit Bescheid vom 24.09.2007 (Bl. 780/781 VA) gewährte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss i.H.v. 500,00 EUR auf die Übergangsleistungen, über die nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen noch nicht endgültig entschieden werden könne, der vorliegende Sachverhalt jedoch erwarten lasse, dass Übergangsleistungen zu erbringen seien. Die Übergangsleistung könne als Einmalzahlung oder als wiederkehrende Zahlung festgestellt werden. Im letzteren Fall sei sie begrenzt auf max. 5 Jahre. Der Minderverdienst und die wirtschaftlichen Nachteile würden dann im ersten Jahr nach der Tätigkeitsaufgabe im Allgemeinen voll ersetzt werden, im zweiten Jahr zu 4/5, im dritten Jahr zu 3/5, im vierten Jahr zu 2/5 und im fünften Jahr zu 1/5. Gleichzeitig forderte die Beklagte den Kläger zur Mitteilung auf, mit welchem Verkehrsmittel er den Arbeitsweg zur bisherigen und zur neuen Arbeitsstelle zurückgelegt habe bzw. zurücklege, welche Entfernung er dabei zurückgelegt habe bzw. zurücklege und welche Leistungen er im Zeitraum vom 31.05.2001 bis 01.12.2004 bezogen habe.
Dagegen legte der Kläger am 28.09.2007 Widerspruch ein. Dieser richte sich gegen die Regelung im Hinblick auf die Fünftelung der Geldzahlung. Ausgehend von dem Umstand, dass die Beklagte vom 01.06.2001 bis 31.05.2006 entsprechende Übergangsleistungen zahlen werde, werde darauf hingewiesen, dass eine vollständige und totale Einkommenslücke für den Zeitraum von mindestens 2 Jahren von 2003 bis 2005 bestanden habe, da es nicht möglich gewesen sei, eine Erwerbsminderungsrente durchzusetzen.
Am 09.10.2007 teilte der Kläger telefonisch mit (Bl. 799 VA), dass die Entfernung zum ehemaligen Arbeitgeber 32 km, welche er mit dem PKW zurückgelegt habe, betragen habe. Die Entfernung zu seiner jetzigen Arbeitsstelle betrage 5 km, die er ebenfalls mit dem PKW zurücklege. Er übe seit 2001 eine Busfahrer-Nebentätigkeit aus, nachdem er Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II bezogen habe.
Mit Bescheid vom 22.12.2011 (Bl. 1070 VA) rechnete die Beklagte die Übergangsleistungen für das 1. bis 5. Jahr nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit ab. In der Zeit vom 02.12.1999 bis 12.01.2000 habe der Kläger Entgeltfortzahlung erhalten. Für die Zeit vom 13.01.2000 bis 01.12.2004 sei grundsätzlich ein Anspruch auf Übergangsleistungen zu prüfen. Für die Zeit vom 13.01.2000 bis 31.12.2000 (1. Jahr nach Tätigkeitsaufgabe) hätte der Kläger bei Weiterbeschäftigung ein Nettoentgelt i.H.v. 15.572,64 EUR erhalten. Tatsächlich habe er Brutto-Verletztengeld i.H.v. 14.313,01 EUR erhalten. Durch die Aufgabe der Tätigkeit habe er wirtschaftliche Vorteile in Form einer Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2445,21 EUR, was sich aus einer einfachen Fahrtstrecke von 32 km durchschnittlich an 18 Tagen im Monat (unter Berücksichtigung von Urlaub) und einer Pauschale von 0,20 EUR pro Kilometer ergebe. Ein Minderverdienst im 1. Jahr nach Tätigkeitsaufgabe sei somit nicht eingetreten. Für die Zeit vom 01.01.2001 bis eine 30.12.2001 berücksichtigte die Beklagte ein fiktives Nettoentgelt bei Weiterbeschäftigung von 16.187,13 EUR abzüglich Brutto-Verletztengeld, Arbeitslosengeld, Arbeitsentgelt und einer Fahrtkostenersparnis von 2512,80 EUR unter Berücksichtigung des Fahrtkostenaufwandes ab 01.06.2001 und ermittelte einen Minderverdienst von 791,73 EUR, für welchen sie einen Ausgleich zu 4/5 i.H.v. 633,38 EUR festsetzte. Für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2002 ermittelte sie ausgehend von einem fiktiven Nettoentgelt bei Weiterbeschäftigung von 16.444,95 EUR abzüglich Arbeitslosengeld, Arbeitsentgelt und einer Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2332,80 EUR einen Minderverdienst von 2618,52 EUR, den sie zu 3/5 mit 1571,11 EUR entschädigte. Für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2003 setzte die Beklagte ein fiktives Nettoentgelt i.H.v. 16.788,65 EUR an, wovon sie Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, Arbeitsentgelt und eine Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2332,80 EUR absetzte und einen Minderverdienst von 7318,76 EUR sowie einen Ausgleich zu 2/5 i.H.v. 2997,50 EUR ermittelte. Für die Zeit vom 01.01.2004 bis 01.12.2004 ermittelte die Beklagte einen Minderverdienst von 12.029,57 EUR ausgehend von einem fiktiven Nettoentgelt i.H.v. 17.077,41 EUR, erhaltener Arbeitslosenhilfe und einer Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2332,80 EUR, für den sie einen Ausgleich zu 1/5 i.H.v. 2405,91 EUR festsetzte. Nach den Gesamtumständen und unter Würdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor und nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit werde durch die Berechnungsweise und dem dadurch errechneten Betrag dem Sinn und Zweck des Minderverdienstausgleichs angemessen Rechnung getragen. Die Grenzen des Ermessens würden eingehalten. Es ergebe sich unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Vorschusses i.H.v. 500,00 EUR ein Gesamtbetrag i.H.v. 7037,90 EUR.
Mit Schreiben vom 10.01.2012 bat der Kläger um Abfassung der Rechtsauffassung der Beklagten in Form eines Widerspruchsbescheides. Die Fahrtkostenersparnis sei kein Einkommen, sondern etwas, was nicht ausgegeben worden sei. Wenn die Beklagte die Ausgaben, die bei der Tätigkeit erfolgten, im Vorfeld bei entsprechendem Nettoeinkommen berechne, dann müsse sie beim Nettoeinkommen diese Fahrtkosten, die ausgegeben worden seien, zwingend logisch hinzuaddieren und das Nettoeinkommen um diesen Betrag erhöhen. Damit werde dies dann zu einem Durchlaufposten. Was die Beklagte getan habe, überschreite jeden möglichen Findungsreichtum, den man noch für denkbar halte. Die Beträge, die die Beklagte als Fahrtkostenersparnis berechnet habe, werde sie auszugleichen haben. Ferner werde sie die Fünftelung zurückzunehmen haben, weil eine Anpassung an eine veränderte Situation nicht mehr möglich gewesen sei, weil eine völlige Erwerbsminderung eingetreten sei und eine vorzeitige Tätigkeitsaufgabe für alle Zeiten habe erfolgen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2012 (Bl. 1077/1079 VA) wies die Beklagte den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 24.09.2007 und gegen den als mitangefochten geltenden Bescheid vom 22.12.2011" zurück. Im Fall des Unterlassens gefährdender Tätigkeiten hätten Versicherte zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile einen Anspruch auf Übergangsleistungen. Die Übergangsleistung diene weiter dazu, dem Versicherten zu ermöglichen, sich – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – nach der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit der geänderten wirtschaftlichen Situation anzupassen und einen allmählichen Übergang auf das nun niedrigere wirtschaftliche Niveau zu erreichen. Ein plötzlich eintretender erheblicher wirtschaftlicher Einschnitt solle damit vermieden werden. Die Staffelung werde regelmäßig angewandt und sei zwischenzeitlich von der Rechtsprechung mehrfach bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens bestätigt worden. Besondere Umstände, die im Fall des Klägers eine andere Vorgehensweise oder ein Abgehen von dieser üblichen Verfahrensweise begründen würden, sei nicht erkennbar gewesen. Auch bezwecke § 3 Abs. 2 BKV keinen vollständigen Schadensausgleich. Wie bereits vom Kläger selbst festgestellt, hätten die Fahrtkosten zur Zeit der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit einen wirtschaftlichen Aufwand dargestellt, der durch den Kläger selbst zu tragen gewesen sei. Durch die Tätigkeitsaufgabe seien diese Aufwendungen entfallen und es sei ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden, der bei der Berechnung zu berücksichtigen gewesen sei. Der Aufwand für Fahrtkosten ab dem 01.06.2001 sei gegengerechnet und die Fahrtkostenersparnis ab diesem Zeitpunkt vermindert.
Am 16.03.2012 (11:07 Uhr) erhob der Kläger "gegen den Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012" Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG – S 11 U 1368/12). Mit einer weiteren am 16.03.2012 (11:09 Uhr) erhobenen Klage richtete sich der Kläger gegen den Bescheid vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 (S 11 U 1362/12).
Im Verfahren S 11 U 1362/12 wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 ab. Der Bescheid vom 20.12.2011 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtswidrig. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sah das SG unter Verweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides ab.
Im Verfahren S 11 U 1368/12 wies das SG die Klage ebenfalls mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 ab. Die Klage sei wegen der bereits gegebenen Rechtshängigkeit im Verfahren S 11 U 1362/12 unzulässig.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 im Verfahren S 11 U 1368/12 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Gerichtsbescheid sei nicht ganz schlüssig. Im Verfahren S 11 U 1362/12 heiße es, die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Dann heißt es dort, dass der Bescheid vom 20.12.2011 angeblich Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei. De facto sei es so, dass beide Verfahren über eine formale Begründung abgelehnt worden seien, aber im Ergebnis materiell-rechtlich orientiert nicht entschieden worden sei. Im Hintergrund stehe der Abzug von Fahrtkosten, die der Kläger nicht mehr gehabt haben solle im Zeitpunkt der Übergangsleistung, weil er keinen Weg zur Arbeitsstelle mehr hatte. Dies sei nicht zutreffend, denn es werde durch § 3 BKVO nicht irgendein Netto ausgeglichen oder irgendwelche Kosten, die jemand habe, sondern es habe ein Entgeltausgleich zu erfolgen. In diesem Zusammenhang habe niemand darüber zu befinden, was mit diesem Bruttoentgeltausgleich, d.h. der Anpassung an die veränderte soziale Welt des Berufskranken zu geschehen habe. Die Fahrtkostenerstattung sei auf keinen Fall abzugsfähig. Die Beklagte ziehe eindeutig dem Kläger de facto zweimal die Fahrtkosten ab. Das Nettoentgelt sei steuerlich ermittelt worden, indem die Fahrtkosten als Werbungskosten vom Bruttoentgelt abgezogen worden seien. Das Nettoentgelt sei damit bereits bereinigt um die entsprechenden Kosten. Ferner gehe es um die Abfünftelung der Geldleistung. Ferner gehe es noch darum, dass von einem entgangenen Nettoentgelt ausgegangen worden sei, aber Bruttoverletztengeld gegengerechnet worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 zu verurteilen, höhere Übergangsleistungen im Rahmen des § 3 BKV zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verkenne, dass Werbungskosten nicht brutto für netto das Einkommen veränderten. Vielmehr verringerten Werbungskosten allenfalls das zu versteuernde Einkommen. Von einem zweimaligen Abzug könne insofern keinesfalls – auch wenn man eine steuerliche Geltendmachung unterstelle – die Rede sein. Ob der Kläger seine Werbungskosten in Bezug auf die Entfernungs- bzw. Pendlerpauschale geltend mache, sei nicht belegt. Einen entsprechenden Nachweis habe er nicht erbracht. Dass eine Fahrtkostenersparnis gegeben gewesen sei, bestätige der Kläger somit im Ergebnis letztlich auch durch seinen eigenen Vortrag. Genau für derartige Sachverhalte müsse dem Unfallversicherungsträger möglich sein, auch gewisse pauschalisierte Lösungen für die Ermittlungen des Minderverdienstes zu finden. Es sei somit auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Grenzen ihres Ermessens bei der Entscheidung überschritten habe.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 im Verfahren S 11 U 1362/12 hat der Kläger ebenfalls Berufung zum LSG eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 8 U 2613/14 geführt wird.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30.06.2016; Schriftsatz der Beklagten vom 11.07.2016).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf sechs Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das SG hat die Klage allerdings zu Unrecht als unzulässig erachtet, denn doppelte Rechtshängigkeit lag nicht vor. Die Klage ist ausweislich des Faxempfangsvermerks um 11:07 Uhr und damit zeitlich vor der Klage mit dem Aktenzeichen S 11 U 1362/12, die um 11:09 Uhr beim SG einging, eingegangen, so dass doppelte Rechtshängigkeit nicht vorlag. Gleichwohl ist die Berufung unbegründet. Denn der Bescheid vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zwar hat der Kläger die Klage ausdrücklich gegen den Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 gerichtet. Der Bescheid vom 24.09.2007, mit welchem die Beklagte einen Vorschuss auf Übergangsleistungen gewährt hat, hat sich jedoch kraft Gesetzes erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), als die Beklagte unter Anrechnung des Vorschusses (§ 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I) die Übergangsleistungen mit Bescheid vom 22.12.2011 bewilligt hat (BSG, Urteil vom 31.05.1989 – 4 RA 19/88, SozR 1200 § 42 Nr. 4). Insoweit ist die regelnde Rechtswirkung des Bescheids vom 24.09.2007 entfallen, denn der Bescheid vom 22.12.2011 richtet sich gegen den gleichen Adressaten, regelt den gleichen Zahlungszeitraum und bezieht die bisherige Vorschussleistung in die Leistungshöhe ein. Der Bescheid vom 22.12.2011 hat damit den Bescheid vom 24.09.2007 ersetzt und ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden (§ 86 SGG). Nur der Bescheid vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 ist danach noch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Übergangsleistungen.
Nach § 3 Abs. 1 BKV haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen (§ 3 Abs. 2 S. 1 BKV). Als Übergangsleistung wird entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von 5 Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 S. 2 BKV).
Übergangsleistung sind keine Entschädigungsleistungen für den eingetretenen Minderverdienst, sondern sollen als unterstützende Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung dienen, was das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nicht voraussetzt (BSG, Urteil vom 29.05.1963 – 2 RU 269/59, juris Rn. 35, BSGE 19, 157). Die Übergangsleistung hat grundsätzlich den Zweck, den Versicherten im Zuge der Entwicklung eines langwierigen Krankheitsgeschehens zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu bewegen (BSGE 40, 146; 50, 40). Die Anwendung des § 3 BKV setzt nicht zwingend voraus, dass der Versicherte nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit wieder berufstätig wird (BSGE 50, 40). Innerhalb des in der BKV genannten Rahmens entscheidet der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls über Art, Dauer und Höhe der Leistung (BSGE 78, 261). Der auszugleichende Verdienstausfall ergibt sich aus dem Vergleich des tatsächlich erzielten Nettoentgelts oder Nettoeinkommens (§§ 14, 15 SGB IV), das der Versicherte nach dem Wechsel der Tätigkeit erzielt, mit dem fiktiven Einkommen, das er bei seiner bisherigen, dem Unterlassungszwang unterliegenden Tätigkeit erzielt hätte. Zum Nettolohn, der nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bezogen wird, rechnen auch Leistungen mit Entgeltersatzfunktion. Hierzu zählen auch Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, jedenfalls sofern sie auf denselben Gesundheitsstörungen beruhen, die den Zwang zur Tätigkeitsaufgabe bedingt haben (BSG SozR 3-5670 § 3 Nr. 3). Die finanziellen Einbußen, die der Bezieher von Krankengeld oder Verletztengeld dadurch erleiden, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von ihnen zu tragen sind, können nicht als Minderverdienst im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 25.02.1993 – 2 RU 6/92, juris, HV-Info 1993, 1150). Mit dem Sinn der Übergangsleistung nach § 3 BKV ist es vereinbar, den Versicherten allmählich auf die geänderte wirtschaftliche Situation hinzuführen, indem die Leistung während ihrer Laufzeit stufenweise verringert wird (BSGE 50, 40). Es entspricht gängiger Verwaltungspraxis, eine Staffelung des Ausgleichs des tatsächlichen Minderverdienstes mit 5 Fünftel im ersten Jahr, d.h. voller Ausgleich des Minderverdienstes, bis zu einem Fünftel des Minderverdienstes im 5. Jahr vorzunehmen, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung oder ein Absehen von der sonst gerechtfertigten allgemeinen Praxis erfordern (BSG, Urteil vom 11.10.1973 – 8/7 RU 51/72, Breithaupt 1974, 314).
Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 25.04.2014 – L 8 U 3744/13) ist der angefochtenen Bewilligungsbescheid zur Gewährung von Übergangsleistung nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Minderverdienstes nicht unter Ansatz des entgangenen Bruttoentgeltes zu berechnen. Vielmehr ist bei der Ermittlung eines etwaigen Minderverdienstes von dem Unterschied zwischen den tatsächlichen und mutmaßlich künftigen Nettoverdiensten aus der bisherigen und den Nettoeinkünften aus einer neuen Beschäftigung des Versicherten auszugehen (BSG, Urteil vom 23.06.1983 – 2 RU 57/82, SozR 5677 § 3 Nr. 3, Rn. 13 m.w.N.). Die Zugrundelegung des nach den Angaben der Arbeitgeberin des Klägers zuletzt erzielten Nettoarbeitsentgeltes jeweils unter Berücksichtigung des Rentenanpassungsfaktors als mutmaßlich künftige Nettoverdienste aus der bisherigen Beschäftigung durch die Beklagte ist danach nicht zu beanstanden. Inwieweit das angesetzte mutmaßliche künftige Nettoarbeitsentgelt aus der bisherigen Beschäftigung nicht zutreffend sein sollte, wurde vom Kläger nicht dargelegt und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
Des Weiteren hat die Beklagte zutreffend das vom Kläger tatsächlich erzielte Einkommen in Form des Nettoarbeitsentgeltes aus der geringfügigen Beschäftigung sowie Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zur Ermittlung des Minderverdienstes von dem mutmaßlichen Nettoverdienst aus der bisherigen Beschäftigung abgesetzt. Nicht zu beanstanden ist des Weiteren der Abzug von erhaltenem Kranken- bzw. Verletztengeld mit dem Bruttobetrag sowie der Abzug von ersparten Fahrtkosten.
Das Verletztengeld ist mit dem Bruttobetrag zu berücksichtigen, weil die Berücksichtigung des Nettoverletztengeldes (oder Nettokrankengeldes) zu einer systemwidrigen und nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen würde. Ein Geltendmachung der von an einer Berufskrankheit erkrankten Bezieher von Krankengeld oder Verletztengeld zu tragenden Beitragsanteile zur Sozialversicherung als Minderverdienst oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteil im Sinne des § 3 Abs. 2 BKV würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von unfallverletzten Beziehern von Verletztengeld führen. Während der unfallverletzte Bezieher von Verletztengeld Beitragsanteile nach § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) SGB VI und § 347 Nr. 5 SGB III zu tragen hätte, käme bei einem an einer Berufskrankheit erkrankten Bezieher von Krankengeld bzw. Verletztengeld ein "Ausgleich" der Beitragslast über § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV in Betracht. Dies entspräche nicht dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 BKV (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.1993 a.a.O.). Im Übrigen ist nicht jeder geringfügige Minderverdienst, der sich beim Vergleich von Lohnersatzleistungen, hier dem Verletztengeld, und dem fiktiven Arbeitsentgelt, das bei Fortführung der aufgegebenen Tätigkeit erzielt worden wäre, ergibt, durch Zahlung von Übergangsleistungen auszugleichen, denn die Anreizfunktion für die Unterlassung der gesundheitsgefährdenden Tätigkeit erfordert nach der Rechtsprechung gerade keinen vollumfänglichen Schadensersatz.
Der Kläger geht auch fehl in der Annahme, dass die Beklagte zu Unrecht die Fahrtkostenersparnis berücksichtigt hätte. Der Wegfall von Fahrtkosten zum bisherigen Arbeitsplatz nach Aufgabe der Tätigkeit bzw. die Verminderung der Fahrtkosten zu einem nun näher gelegenen neuen Arbeitsplatz stellen einen wirtschaftlichen Vorteil der Berufsaufgabe bzw. des Berufswechsels dar, die der Versicherungsträger berücksichtigen darf (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.1963 – 2 RU 269/59, BSGE 19, 157-160, SozR Nr. 2 zu § 5 3. BKVO, Rn. 37). Die Fahrtkosten werden vorliegend auch nicht doppelt in Abzug gebracht. Das von der Beklagten berücksichtigte mutmaßlich entgangene Nettoarbeitsentgelt aus der bisherigen Beschäftigung des Klägers wurde aus dem von der Arbeitgeberin bisher gezahlten Nettoarbeitsentgelt ermittelt. Steuerrechtliche Vorschriften wurden dabei – entgegen der Behauptung des Klägers – nicht angewandt, insbesondere keine Werbungskosten in Abzug gebracht. Eine doppelte Berücksichtigung der Fahrtkosten ist daher nicht erfolgt.
Im Übrigen sind Umstände, die eine Abweichung von den dargelegten Grundsätzen bedingen könnten und von der Beklagten ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind, nicht dargelegt oder ersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass besondere Umstände vorlägen, die eine Abweichung von der gängigen Verwaltungspraxis, eine Staffelung des Ausgleichs des tatsächlichen Minderverdienstes mit 5 Fünftel im ersten Jahr bis zu einem Fünftel des Minderverdienstes im 5. Jahr vorzunehmen, erfordern würden. Dass es dem Kläger nicht gelungen ist, eine Rente wegen Erwerbsminderung gegenüber dem Rentenversicherungsträger durchzusetzen, stellt keinen hinreichenden Grund für eine andere Beurteilung dar. Die Beurteilung des Vorliegens einer – vom Kläger behaupteten – vollen Erwerbsminderung liegt im Verantwortungsbereich des Rentenversicherungsträgers. Es ist nicht Aufgabe der Übergangsleistungen nach § 3 BKV, gegebenenfalls zu Unrecht von dem Rentenversicherungsträger verweigerte Rentenleistungen auszugleichen. Erst recht kann nicht "über die Hintertür" der Übergangsleistungen eine nach den subjektiven Vorstellungen des Versicherten bestehende, jedoch objektiv nicht feststellbare rentenberechtigende Erwerbsminderung zu rentenersetzenden Leistungen des Unfallversicherungsträger führen. Gerade auch bei Nichtbestehen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung ist es zweckmäßig, einen Versicherten an die neue wirtschaftliche Situation stufenweise heranzuführen, um ein übergangsloses Absinken im wirtschaftlichen Status zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehenden Übergangsleistungen streitig.
Der 1946 geborene Kläger war von 1981 bis 1989 in Vollzeit bei einem Baustoffhandel als Lagerist beschäftigt. Am 28.02.2001 wurde der Beklagten durch Dr. G. (Südbadischer arbeitsmedizinischer Dienst GmbH) wegen eines lumbalen Bandscheibenvorfalls L5/S1 das Bestehen einer Berufskrankheit des Klägers angezeigt.
Am 01.12.1999 übte der Kläger seine Tätigkeit das letzte Mal aus. Anschließend war er arbeitsunfähig. Für den Zeitraum vom 01.12.1998 bis 31.11.1999 bescheinigte die Arbeitgeberin des Klägers steuerpflichtiges Bruttoentgelt i.H.v. 27.210,94 EUR und ein Nettoentgelt i.H.v. 15.893,91 (Bl. 737, 738 der VA).
Seit 02.12.1999 bis 09.05.2001 war der Kläger aufgrund der Diagnose Lumboischialgie arbeitsunfähig krank. Er bezog von seiner Krankenkasse AOK in der Zeit vom 13.01.2000 bis 27.01.2000 und vom 04.03.2000 bis 09.05.2001 Krankengeld i.H.v. 37,12 EUR brutto, 31,82 EUR netto. Vom 28.01.2000 bis 03.03.2000 führte der Kläger ein Heilverfahren zulasten der Deutschen Rentenversicherung durch (Bericht B. Klinik 14.03.2000, Bl. 156 ff. der VA). In der Zeit vom 14.05.2001 bis 30.05.2001 bezog der Kläger Arbeitslosengeld i.H.v. 862,75 DM (441,12 EUR). Ferner bezog er Arbeitslosengeld vom 31.05.2001 bis 31.12.2001 i.H.v. 355,25 DM wöchentlich, vom 01.01.2002 bis 09.05.2002 i.H.v. 181,65 EUR wöchentlich, vom 10.05.2002 bis 31.12.2002 i.H.v. 183,96 EUR wöchentlich und vom 01.01.2003 des 02.07.2003 i.H.v. 182,77 EUR wöchentlich. Anschließend bezog er Arbeitslosenhilfe i.H.v. 15,96 EUR wöchentlich für die Zeit vom 03.07.2003 bis 31.12.2003, i.H.v. 17,71 EUR wöchentlich vom 01.01.2004 bis 02.07.2004 und i.H.v. 14,07 EUR vom 03.07.2004 bis 01.12.2004 (Bl. 830 VA). Ab 01.06.2001 war der Kläger geringfügig als Schulbusfahrer zu einem Verdienst von monatlich 161,05 EUR im Jahr 2001 und in der Folge von monatlich 162,00 EUR beschäftigt (Bl. 1056/1059 der VA).
Mit Bescheid vom 11.12.2002 lehnte die Beklagte zunächst die Feststellung von Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2003 zurück. Nachdem das dagegen geführte Klageverfahren erfolglos geblieben war, einigten sich die Beteiligten im Rahmen des Berufungsverfahrens L 1 U 1283/05 vergleichsweise auf die Feststellung der vorliegenden Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 10 v.H. durch die Beklagte.
Am 08.03.2007 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV.
Mit Bescheid vom 27.08.2007 stellte die Beklagte das Bestehen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten fest, anerkannte ab 02.12.1999 das Bestehen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und gewährte dem Kläger ab 31.05.2001 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 10 v.H. Gleichzeitig beauftragte die Beklagte die AOK, dem Kläger für die Zeiträume vom 13.01.2000 bis 30.05.2001 Verletztengeld (unter Berücksichtigung des für die Zeit vom 28.01.2000 bis 03.03.2000 von der Deutschen Rentenversicherung gezahlten Übergangsgeldes und des für die Zeit vom 10.05.2001 bis 30.05.2001 von der Agentur für Arbeit gezahlten Arbeitslosengeldes) auszuzahlen. Die AOK zahlte dem Kläger Verletztengeld vom 13.01.2000 bis 27.01.2000 und vom 04.03.2000 bis 09.05.2001 unter Berücksichtigung eines Tagesbetrages von 40,99 EUR (Bl. 905 VA).
Mit Bescheid vom 24.09.2007 (Bl. 780/781 VA) gewährte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss i.H.v. 500,00 EUR auf die Übergangsleistungen, über die nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen noch nicht endgültig entschieden werden könne, der vorliegende Sachverhalt jedoch erwarten lasse, dass Übergangsleistungen zu erbringen seien. Die Übergangsleistung könne als Einmalzahlung oder als wiederkehrende Zahlung festgestellt werden. Im letzteren Fall sei sie begrenzt auf max. 5 Jahre. Der Minderverdienst und die wirtschaftlichen Nachteile würden dann im ersten Jahr nach der Tätigkeitsaufgabe im Allgemeinen voll ersetzt werden, im zweiten Jahr zu 4/5, im dritten Jahr zu 3/5, im vierten Jahr zu 2/5 und im fünften Jahr zu 1/5. Gleichzeitig forderte die Beklagte den Kläger zur Mitteilung auf, mit welchem Verkehrsmittel er den Arbeitsweg zur bisherigen und zur neuen Arbeitsstelle zurückgelegt habe bzw. zurücklege, welche Entfernung er dabei zurückgelegt habe bzw. zurücklege und welche Leistungen er im Zeitraum vom 31.05.2001 bis 01.12.2004 bezogen habe.
Dagegen legte der Kläger am 28.09.2007 Widerspruch ein. Dieser richte sich gegen die Regelung im Hinblick auf die Fünftelung der Geldzahlung. Ausgehend von dem Umstand, dass die Beklagte vom 01.06.2001 bis 31.05.2006 entsprechende Übergangsleistungen zahlen werde, werde darauf hingewiesen, dass eine vollständige und totale Einkommenslücke für den Zeitraum von mindestens 2 Jahren von 2003 bis 2005 bestanden habe, da es nicht möglich gewesen sei, eine Erwerbsminderungsrente durchzusetzen.
Am 09.10.2007 teilte der Kläger telefonisch mit (Bl. 799 VA), dass die Entfernung zum ehemaligen Arbeitgeber 32 km, welche er mit dem PKW zurückgelegt habe, betragen habe. Die Entfernung zu seiner jetzigen Arbeitsstelle betrage 5 km, die er ebenfalls mit dem PKW zurücklege. Er übe seit 2001 eine Busfahrer-Nebentätigkeit aus, nachdem er Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II bezogen habe.
Mit Bescheid vom 22.12.2011 (Bl. 1070 VA) rechnete die Beklagte die Übergangsleistungen für das 1. bis 5. Jahr nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit ab. In der Zeit vom 02.12.1999 bis 12.01.2000 habe der Kläger Entgeltfortzahlung erhalten. Für die Zeit vom 13.01.2000 bis 01.12.2004 sei grundsätzlich ein Anspruch auf Übergangsleistungen zu prüfen. Für die Zeit vom 13.01.2000 bis 31.12.2000 (1. Jahr nach Tätigkeitsaufgabe) hätte der Kläger bei Weiterbeschäftigung ein Nettoentgelt i.H.v. 15.572,64 EUR erhalten. Tatsächlich habe er Brutto-Verletztengeld i.H.v. 14.313,01 EUR erhalten. Durch die Aufgabe der Tätigkeit habe er wirtschaftliche Vorteile in Form einer Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2445,21 EUR, was sich aus einer einfachen Fahrtstrecke von 32 km durchschnittlich an 18 Tagen im Monat (unter Berücksichtigung von Urlaub) und einer Pauschale von 0,20 EUR pro Kilometer ergebe. Ein Minderverdienst im 1. Jahr nach Tätigkeitsaufgabe sei somit nicht eingetreten. Für die Zeit vom 01.01.2001 bis eine 30.12.2001 berücksichtigte die Beklagte ein fiktives Nettoentgelt bei Weiterbeschäftigung von 16.187,13 EUR abzüglich Brutto-Verletztengeld, Arbeitslosengeld, Arbeitsentgelt und einer Fahrtkostenersparnis von 2512,80 EUR unter Berücksichtigung des Fahrtkostenaufwandes ab 01.06.2001 und ermittelte einen Minderverdienst von 791,73 EUR, für welchen sie einen Ausgleich zu 4/5 i.H.v. 633,38 EUR festsetzte. Für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.12.2002 ermittelte sie ausgehend von einem fiktiven Nettoentgelt bei Weiterbeschäftigung von 16.444,95 EUR abzüglich Arbeitslosengeld, Arbeitsentgelt und einer Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2332,80 EUR einen Minderverdienst von 2618,52 EUR, den sie zu 3/5 mit 1571,11 EUR entschädigte. Für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2003 setzte die Beklagte ein fiktives Nettoentgelt i.H.v. 16.788,65 EUR an, wovon sie Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, Arbeitsentgelt und eine Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2332,80 EUR absetzte und einen Minderverdienst von 7318,76 EUR sowie einen Ausgleich zu 2/5 i.H.v. 2997,50 EUR ermittelte. Für die Zeit vom 01.01.2004 bis 01.12.2004 ermittelte die Beklagte einen Minderverdienst von 12.029,57 EUR ausgehend von einem fiktiven Nettoentgelt i.H.v. 17.077,41 EUR, erhaltener Arbeitslosenhilfe und einer Fahrtkostenersparnis i.H.v. 2332,80 EUR, für den sie einen Ausgleich zu 1/5 i.H.v. 2405,91 EUR festsetzte. Nach den Gesamtumständen und unter Würdigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor und nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit werde durch die Berechnungsweise und dem dadurch errechneten Betrag dem Sinn und Zweck des Minderverdienstausgleichs angemessen Rechnung getragen. Die Grenzen des Ermessens würden eingehalten. Es ergebe sich unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Vorschusses i.H.v. 500,00 EUR ein Gesamtbetrag i.H.v. 7037,90 EUR.
Mit Schreiben vom 10.01.2012 bat der Kläger um Abfassung der Rechtsauffassung der Beklagten in Form eines Widerspruchsbescheides. Die Fahrtkostenersparnis sei kein Einkommen, sondern etwas, was nicht ausgegeben worden sei. Wenn die Beklagte die Ausgaben, die bei der Tätigkeit erfolgten, im Vorfeld bei entsprechendem Nettoeinkommen berechne, dann müsse sie beim Nettoeinkommen diese Fahrtkosten, die ausgegeben worden seien, zwingend logisch hinzuaddieren und das Nettoeinkommen um diesen Betrag erhöhen. Damit werde dies dann zu einem Durchlaufposten. Was die Beklagte getan habe, überschreite jeden möglichen Findungsreichtum, den man noch für denkbar halte. Die Beträge, die die Beklagte als Fahrtkostenersparnis berechnet habe, werde sie auszugleichen haben. Ferner werde sie die Fünftelung zurückzunehmen haben, weil eine Anpassung an eine veränderte Situation nicht mehr möglich gewesen sei, weil eine völlige Erwerbsminderung eingetreten sei und eine vorzeitige Tätigkeitsaufgabe für alle Zeiten habe erfolgen müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2012 (Bl. 1077/1079 VA) wies die Beklagte den Widerspruch "gegen den Bescheid vom 24.09.2007 und gegen den als mitangefochten geltenden Bescheid vom 22.12.2011" zurück. Im Fall des Unterlassens gefährdender Tätigkeiten hätten Versicherte zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile einen Anspruch auf Übergangsleistungen. Die Übergangsleistung diene weiter dazu, dem Versicherten zu ermöglichen, sich – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – nach der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit der geänderten wirtschaftlichen Situation anzupassen und einen allmählichen Übergang auf das nun niedrigere wirtschaftliche Niveau zu erreichen. Ein plötzlich eintretender erheblicher wirtschaftlicher Einschnitt solle damit vermieden werden. Die Staffelung werde regelmäßig angewandt und sei zwischenzeitlich von der Rechtsprechung mehrfach bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens bestätigt worden. Besondere Umstände, die im Fall des Klägers eine andere Vorgehensweise oder ein Abgehen von dieser üblichen Verfahrensweise begründen würden, sei nicht erkennbar gewesen. Auch bezwecke § 3 Abs. 2 BKV keinen vollständigen Schadensausgleich. Wie bereits vom Kläger selbst festgestellt, hätten die Fahrtkosten zur Zeit der Ausübung der gefährdenden Tätigkeit einen wirtschaftlichen Aufwand dargestellt, der durch den Kläger selbst zu tragen gewesen sei. Durch die Tätigkeitsaufgabe seien diese Aufwendungen entfallen und es sei ein wirtschaftlicher Vorteil entstanden, der bei der Berechnung zu berücksichtigen gewesen sei. Der Aufwand für Fahrtkosten ab dem 01.06.2001 sei gegengerechnet und die Fahrtkostenersparnis ab diesem Zeitpunkt vermindert.
Am 16.03.2012 (11:07 Uhr) erhob der Kläger "gegen den Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012" Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG – S 11 U 1368/12). Mit einer weiteren am 16.03.2012 (11:09 Uhr) erhobenen Klage richtete sich der Kläger gegen den Bescheid vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 (S 11 U 1362/12).
Im Verfahren S 11 U 1362/12 wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 ab. Der Bescheid vom 20.12.2011 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Die angefochtenen Bescheide seien nicht rechtswidrig. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sah das SG unter Verweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides ab.
Im Verfahren S 11 U 1368/12 wies das SG die Klage ebenfalls mit Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 ab. Die Klage sei wegen der bereits gegebenen Rechtshängigkeit im Verfahren S 11 U 1362/12 unzulässig.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 im Verfahren S 11 U 1368/12 hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Der Gerichtsbescheid sei nicht ganz schlüssig. Im Verfahren S 11 U 1362/12 heiße es, die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Dann heißt es dort, dass der Bescheid vom 20.12.2011 angeblich Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei. De facto sei es so, dass beide Verfahren über eine formale Begründung abgelehnt worden seien, aber im Ergebnis materiell-rechtlich orientiert nicht entschieden worden sei. Im Hintergrund stehe der Abzug von Fahrtkosten, die der Kläger nicht mehr gehabt haben solle im Zeitpunkt der Übergangsleistung, weil er keinen Weg zur Arbeitsstelle mehr hatte. Dies sei nicht zutreffend, denn es werde durch § 3 BKVO nicht irgendein Netto ausgeglichen oder irgendwelche Kosten, die jemand habe, sondern es habe ein Entgeltausgleich zu erfolgen. In diesem Zusammenhang habe niemand darüber zu befinden, was mit diesem Bruttoentgeltausgleich, d.h. der Anpassung an die veränderte soziale Welt des Berufskranken zu geschehen habe. Die Fahrtkostenerstattung sei auf keinen Fall abzugsfähig. Die Beklagte ziehe eindeutig dem Kläger de facto zweimal die Fahrtkosten ab. Das Nettoentgelt sei steuerlich ermittelt worden, indem die Fahrtkosten als Werbungskosten vom Bruttoentgelt abgezogen worden seien. Das Nettoentgelt sei damit bereits bereinigt um die entsprechenden Kosten. Ferner gehe es um die Abfünftelung der Geldleistung. Ferner gehe es noch darum, dass von einem entgangenen Nettoentgelt ausgegangen worden sei, aber Bruttoverletztengeld gegengerechnet worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 zu verurteilen, höhere Übergangsleistungen im Rahmen des § 3 BKV zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verkenne, dass Werbungskosten nicht brutto für netto das Einkommen veränderten. Vielmehr verringerten Werbungskosten allenfalls das zu versteuernde Einkommen. Von einem zweimaligen Abzug könne insofern keinesfalls – auch wenn man eine steuerliche Geltendmachung unterstelle – die Rede sein. Ob der Kläger seine Werbungskosten in Bezug auf die Entfernungs- bzw. Pendlerpauschale geltend mache, sei nicht belegt. Einen entsprechenden Nachweis habe er nicht erbracht. Dass eine Fahrtkostenersparnis gegeben gewesen sei, bestätige der Kläger somit im Ergebnis letztlich auch durch seinen eigenen Vortrag. Genau für derartige Sachverhalte müsse dem Unfallversicherungsträger möglich sein, auch gewisse pauschalisierte Lösungen für die Ermittlungen des Minderverdienstes zu finden. Es sei somit auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Grenzen ihres Ermessens bei der Entscheidung überschritten habe.
Gegen den Gerichtsbescheid vom 16.05.2014 im Verfahren S 11 U 1362/12 hat der Kläger ebenfalls Berufung zum LSG eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 8 U 2613/14 geführt wird.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30.06.2016; Schriftsatz der Beklagten vom 11.07.2016).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf sechs Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das SG hat die Klage allerdings zu Unrecht als unzulässig erachtet, denn doppelte Rechtshängigkeit lag nicht vor. Die Klage ist ausweislich des Faxempfangsvermerks um 11:07 Uhr und damit zeitlich vor der Klage mit dem Aktenzeichen S 11 U 1362/12, die um 11:09 Uhr beim SG einging, eingegangen, so dass doppelte Rechtshängigkeit nicht vorlag. Gleichwohl ist die Berufung unbegründet. Denn der Bescheid vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zwar hat der Kläger die Klage ausdrücklich gegen den Bescheid vom 24.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 gerichtet. Der Bescheid vom 24.09.2007, mit welchem die Beklagte einen Vorschuss auf Übergangsleistungen gewährt hat, hat sich jedoch kraft Gesetzes erledigt (§ 39 Abs. 2 SGB X), als die Beklagte unter Anrechnung des Vorschusses (§ 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I) die Übergangsleistungen mit Bescheid vom 22.12.2011 bewilligt hat (BSG, Urteil vom 31.05.1989 – 4 RA 19/88, SozR 1200 § 42 Nr. 4). Insoweit ist die regelnde Rechtswirkung des Bescheids vom 24.09.2007 entfallen, denn der Bescheid vom 22.12.2011 richtet sich gegen den gleichen Adressaten, regelt den gleichen Zahlungszeitraum und bezieht die bisherige Vorschussleistung in die Leistungshöhe ein. Der Bescheid vom 22.12.2011 hat damit den Bescheid vom 24.09.2007 ersetzt und ist Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden (§ 86 SGG). Nur der Bescheid vom 22.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2012 ist danach noch Gegenstand des Klageverfahrens geworden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Übergangsleistungen.
Nach § 3 Abs. 1 BKV haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen (§ 3 Abs. 2 S. 1 BKV). Als Übergangsleistung wird entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von 5 Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 S. 2 BKV).
Übergangsleistung sind keine Entschädigungsleistungen für den eingetretenen Minderverdienst, sondern sollen als unterstützende Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung dienen, was das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nicht voraussetzt (BSG, Urteil vom 29.05.1963 – 2 RU 269/59, juris Rn. 35, BSGE 19, 157). Die Übergangsleistung hat grundsätzlich den Zweck, den Versicherten im Zuge der Entwicklung eines langwierigen Krankheitsgeschehens zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu bewegen (BSGE 40, 146; 50, 40). Die Anwendung des § 3 BKV setzt nicht zwingend voraus, dass der Versicherte nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit wieder berufstätig wird (BSGE 50, 40). Innerhalb des in der BKV genannten Rahmens entscheidet der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls über Art, Dauer und Höhe der Leistung (BSGE 78, 261). Der auszugleichende Verdienstausfall ergibt sich aus dem Vergleich des tatsächlich erzielten Nettoentgelts oder Nettoeinkommens (§§ 14, 15 SGB IV), das der Versicherte nach dem Wechsel der Tätigkeit erzielt, mit dem fiktiven Einkommen, das er bei seiner bisherigen, dem Unterlassungszwang unterliegenden Tätigkeit erzielt hätte. Zum Nettolohn, der nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bezogen wird, rechnen auch Leistungen mit Entgeltersatzfunktion. Hierzu zählen auch Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, jedenfalls sofern sie auf denselben Gesundheitsstörungen beruhen, die den Zwang zur Tätigkeitsaufgabe bedingt haben (BSG SozR 3-5670 § 3 Nr. 3). Die finanziellen Einbußen, die der Bezieher von Krankengeld oder Verletztengeld dadurch erleiden, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von ihnen zu tragen sind, können nicht als Minderverdienst im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV geltend gemacht werden (BSG, Urteil vom 25.02.1993 – 2 RU 6/92, juris, HV-Info 1993, 1150). Mit dem Sinn der Übergangsleistung nach § 3 BKV ist es vereinbar, den Versicherten allmählich auf die geänderte wirtschaftliche Situation hinzuführen, indem die Leistung während ihrer Laufzeit stufenweise verringert wird (BSGE 50, 40). Es entspricht gängiger Verwaltungspraxis, eine Staffelung des Ausgleichs des tatsächlichen Minderverdienstes mit 5 Fünftel im ersten Jahr, d.h. voller Ausgleich des Minderverdienstes, bis zu einem Fünftel des Minderverdienstes im 5. Jahr vorzunehmen, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung oder ein Absehen von der sonst gerechtfertigten allgemeinen Praxis erfordern (BSG, Urteil vom 11.10.1973 – 8/7 RU 51/72, Breithaupt 1974, 314).
Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 25.04.2014 – L 8 U 3744/13) ist der angefochtenen Bewilligungsbescheid zur Gewährung von Übergangsleistung nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Minderverdienstes nicht unter Ansatz des entgangenen Bruttoentgeltes zu berechnen. Vielmehr ist bei der Ermittlung eines etwaigen Minderverdienstes von dem Unterschied zwischen den tatsächlichen und mutmaßlich künftigen Nettoverdiensten aus der bisherigen und den Nettoeinkünften aus einer neuen Beschäftigung des Versicherten auszugehen (BSG, Urteil vom 23.06.1983 – 2 RU 57/82, SozR 5677 § 3 Nr. 3, Rn. 13 m.w.N.). Die Zugrundelegung des nach den Angaben der Arbeitgeberin des Klägers zuletzt erzielten Nettoarbeitsentgeltes jeweils unter Berücksichtigung des Rentenanpassungsfaktors als mutmaßlich künftige Nettoverdienste aus der bisherigen Beschäftigung durch die Beklagte ist danach nicht zu beanstanden. Inwieweit das angesetzte mutmaßliche künftige Nettoarbeitsentgelt aus der bisherigen Beschäftigung nicht zutreffend sein sollte, wurde vom Kläger nicht dargelegt und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.
Des Weiteren hat die Beklagte zutreffend das vom Kläger tatsächlich erzielte Einkommen in Form des Nettoarbeitsentgeltes aus der geringfügigen Beschäftigung sowie Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe zur Ermittlung des Minderverdienstes von dem mutmaßlichen Nettoverdienst aus der bisherigen Beschäftigung abgesetzt. Nicht zu beanstanden ist des Weiteren der Abzug von erhaltenem Kranken- bzw. Verletztengeld mit dem Bruttobetrag sowie der Abzug von ersparten Fahrtkosten.
Das Verletztengeld ist mit dem Bruttobetrag zu berücksichtigen, weil die Berücksichtigung des Nettoverletztengeldes (oder Nettokrankengeldes) zu einer systemwidrigen und nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung führen würde. Ein Geltendmachung der von an einer Berufskrankheit erkrankten Bezieher von Krankengeld oder Verletztengeld zu tragenden Beitragsanteile zur Sozialversicherung als Minderverdienst oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteil im Sinne des § 3 Abs. 2 BKV würde zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von unfallverletzten Beziehern von Verletztengeld führen. Während der unfallverletzte Bezieher von Verletztengeld Beitragsanteile nach § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) SGB VI und § 347 Nr. 5 SGB III zu tragen hätte, käme bei einem an einer Berufskrankheit erkrankten Bezieher von Krankengeld bzw. Verletztengeld ein "Ausgleich" der Beitragslast über § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV in Betracht. Dies entspräche nicht dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 2 BKV (vgl. BSG, Urteil vom 25.02.1993 a.a.O.). Im Übrigen ist nicht jeder geringfügige Minderverdienst, der sich beim Vergleich von Lohnersatzleistungen, hier dem Verletztengeld, und dem fiktiven Arbeitsentgelt, das bei Fortführung der aufgegebenen Tätigkeit erzielt worden wäre, ergibt, durch Zahlung von Übergangsleistungen auszugleichen, denn die Anreizfunktion für die Unterlassung der gesundheitsgefährdenden Tätigkeit erfordert nach der Rechtsprechung gerade keinen vollumfänglichen Schadensersatz.
Der Kläger geht auch fehl in der Annahme, dass die Beklagte zu Unrecht die Fahrtkostenersparnis berücksichtigt hätte. Der Wegfall von Fahrtkosten zum bisherigen Arbeitsplatz nach Aufgabe der Tätigkeit bzw. die Verminderung der Fahrtkosten zu einem nun näher gelegenen neuen Arbeitsplatz stellen einen wirtschaftlichen Vorteil der Berufsaufgabe bzw. des Berufswechsels dar, die der Versicherungsträger berücksichtigen darf (vgl. BSG, Urteil vom 29.05.1963 – 2 RU 269/59, BSGE 19, 157-160, SozR Nr. 2 zu § 5 3. BKVO, Rn. 37). Die Fahrtkosten werden vorliegend auch nicht doppelt in Abzug gebracht. Das von der Beklagten berücksichtigte mutmaßlich entgangene Nettoarbeitsentgelt aus der bisherigen Beschäftigung des Klägers wurde aus dem von der Arbeitgeberin bisher gezahlten Nettoarbeitsentgelt ermittelt. Steuerrechtliche Vorschriften wurden dabei – entgegen der Behauptung des Klägers – nicht angewandt, insbesondere keine Werbungskosten in Abzug gebracht. Eine doppelte Berücksichtigung der Fahrtkosten ist daher nicht erfolgt.
Im Übrigen sind Umstände, die eine Abweichung von den dargelegten Grundsätzen bedingen könnten und von der Beklagten ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt worden sind, nicht dargelegt oder ersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass besondere Umstände vorlägen, die eine Abweichung von der gängigen Verwaltungspraxis, eine Staffelung des Ausgleichs des tatsächlichen Minderverdienstes mit 5 Fünftel im ersten Jahr bis zu einem Fünftel des Minderverdienstes im 5. Jahr vorzunehmen, erfordern würden. Dass es dem Kläger nicht gelungen ist, eine Rente wegen Erwerbsminderung gegenüber dem Rentenversicherungsträger durchzusetzen, stellt keinen hinreichenden Grund für eine andere Beurteilung dar. Die Beurteilung des Vorliegens einer – vom Kläger behaupteten – vollen Erwerbsminderung liegt im Verantwortungsbereich des Rentenversicherungsträgers. Es ist nicht Aufgabe der Übergangsleistungen nach § 3 BKV, gegebenenfalls zu Unrecht von dem Rentenversicherungsträger verweigerte Rentenleistungen auszugleichen. Erst recht kann nicht "über die Hintertür" der Übergangsleistungen eine nach den subjektiven Vorstellungen des Versicherten bestehende, jedoch objektiv nicht feststellbare rentenberechtigende Erwerbsminderung zu rentenersetzenden Leistungen des Unfallversicherungsträger führen. Gerade auch bei Nichtbestehen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung ist es zweckmäßig, einen Versicherten an die neue wirtschaftliche Situation stufenweise heranzuführen, um ein übergangsloses Absinken im wirtschaftlichen Status zu vermeiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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