Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 13 KR 1644/15
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
SOZIALGERICHT ALTENBURG IM NAMEN DES VOLKES Urteil In dem Rechtsstreit , , ... - Klägerin - Prozessbevollm.:., ,. gegen ... ,., ... - Beklagte - hat die 13. Kammer des Sozialgerichts Altenburg auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2016 durch Richterin am Sozialgericht Lindemann als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin Hildebrandt und den ehrenamtlichen Richter Steinmüller für R e c h t erkannt: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 verurteilt, der Klägerin von den für die Liposuktionsoperationen entstandenen Kosten insgesamt 16.904,36 Euro zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt 90 % der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit bereits durchgeführten Liposuktionen an beiden Armen, Unterschenkeln, Oberschenkelvorderseiten und Oberschenkelrückseiten.
Sie ist bei der beklagten Krankenkasse versichert und beantragte am 8. Dezember 2014 unter Vorlage einer gutachtlichen Befürwortung der Dres. O. und H. von der Praxis " " in E. vom 4. Dezember 2014 die Übernahme der Kosten für vier " ambulante " Liposuktionen in Höhe von jeweils 3.995,00 Euro zuzüglich eines allgemeinen Pflegesatzes in Höhe von 231,09 Euro für die " stationäre " Überwachung bis zum Tag nach der Operation in einer Anästhesiologischen Tagesklinik. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 mit, sie müsse die Meinung eines medizinischen Sachverständigen einholen, und forderte bei ihr mit Schreiben vom 23. Januar 2015 weitere Unterlagen an. Die Klägerin machte daraufhin mit Schreiben vom 27. Januar 2015 geltend, die Frist von fünf Wochen nach § 13 Abs. 3a S. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seit 26. Februar 2013 geltenden Fassung sei bereits am 12. Januar 2015 abgelaufen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. verneinte sodann am 26. Februar 2015 die medizinische Notwendigkeit der begehrten Operationen. Die Beklagte lehnte daher mit Bescheid vom 10. März 2015 die Übernahme der Kosten ab. Die Klägerin legte dagegen mit am 19. März 2015 eingegangenem Schreiben Widerspruch ein und stützte diesen unter anderem erneut auf den Fristablauf. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 29. Mai 2015 zurück.
Die Klägerin hat am 17. Juni 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei bereits wegen des Fristablaufes zur Erstattung der im Zusammenhang mit den Operationen am 13. Mai 2015, 19. Juni 2015, 31. August 2015 und 12. Oktober 2015 entstandenen Kosten für die ärztlichen Leistungen sowie für die Fahrten nach bzw. die Übernachtungen in E. (bzw. M./R.), für Arznei- und Heilmittel sowie für Laborleistungen in Höhe von insgesamt 19.036,27 Euro verpflichtet. Sie macht zudem geltend, es habe sich angesichts der postoperativen Überwachungen um eine stationäre Leistungserbringung gehandelt. Nach § 137c Abs. 3 S. 2 SGB V in der seit dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wie die Liposuktion im Rahmen einer Krankenhausbehandlung erbracht werden, wenn für sie noch kein Überprüfungsantrag nach Abs. 1 S. 1 gestellt wurde bzw. die Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 zu verurteilen, ihr die für die Liposuktionoperationen entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 19.036,27 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, weder die Regelung des § 13 Abs. 3a noch die des § 137c Abs. 3 SGB V sei vorliegend einschlägig. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V gelte ihres Erachtens nicht für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und die Neuregelung in § 137c Abs. 3 SGB V sei erst nach Durchführung der ersten beiden Operationen in Kraft getreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat gemäß § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V in der seit 26. Februar 2013 geltenden Fassung (lediglich) Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten bis zu einem Betrag in Höhe von 16.904,36 Euro (4 x (3.995,00 Euro+231,09 Euro)).
Grundvoraussetzung eines Erstattungsanspruchs für eine nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V aufgrund Genehmigungsfiktion ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs. 3a S. 6 SGB V). Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Binnensystem der Norm, ihrer Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion ist in der Erstattungsregelung verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht gemäß § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion vielmehr voraus, dass die Krankenkasse keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilt. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung verlangen. Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der Krankenkassen zu beschleunigen, zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, tagegenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die Krankenkasse zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion hinreichende Gründe mit der geänderten tagegenauen Prognose erneut – gegebenenfalls wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 20, zitiert nach juris).
Die von der Klägerin beantragten Leistungen galten in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt.
Die Klägerin ist bei der Beklagten versichert und damit grundsätzlich leistungsberechtigt.
Sie stellte einen Antrag auf Kostenübernahme für " ambulante Liposuktionen mit stationärer Überwachung in einer Tagesklinik ", welche sie angesichts der befürwortenden Stellungnahme ihrer behandelnden Ärzte sowie des im Mai 2014 beim Gemeinsamen Bundesausschuss eingeleiteten Verfahrens für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen. Dies gilt sowohl für ambulante als auch für (teil-) stationäre Liposuktionen, wie die Vielzahl der dazu allein in juris veröffentlichten Entscheidungen belegt.
Die Gesetzesregelung ordnet letztere Einschränkung der Leistungsberechtigung für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszu-sammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht. Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann. Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine " erforderliche " Leistung selbst beschaffen. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die Krankenkasse auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl. Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 25f, zitiert nach juris).
Die Beklagte beschied den am 8. Dezember 2014, einem Montag, eingegangenen Antrag nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 2. Alt. SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für das sowie vor dem Überschreiten der Frist mitzuteilen. Die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V begann am 9. Dezember 2014 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, den 12. Januar 2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).
Damit eine Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a Ver-waltungsverfahrensgesetz (VwVfG) normierten Grundsätzen gilt "eine beantragte Genehmigung ( ) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt ( ), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinreichend bestimmt ist (vgl. Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 23, zitiert nach juris).
Der Antrag der Klägerin war in diesem Sinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.
Die Klägerin beschaffte sich die Liposuktionen selbst, nachdem sie in der beantragten Form als genehmigt galten. Hierdurch entstanden erforderliche Kosten bis zu einem Betrag in Höhe von 16.904,36 Euro.
Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Auch eine fingierte Genehmigung bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X sowie Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 31, zitiert nach juris). Der angefochtene Bescheid der Beklagten lässt die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt, da die Ablehnung der Leistung weder ausdrücklich noch sinn-gemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung regelt (vgl. hierzu §§ 45, 47 SGB X sowie vgl. Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 32, zitiert nach juris).
Die Klage war hinsichtlich der weiteren Kosten abzuweisen, weil die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen im Zeitpunkt der Beschaffung nicht in vollem Umfang erforderlich waren. Denn die Klägerin beachtete Art und Umfang der fingierten Genehmigung nicht.
Die Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V ist schließlich hinsichtlich der am 13. Mai sowie 19. Juni 2015 durchgeführten Liposuktionen bereits nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich nicht einschlägig. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen sprechen zudem angesichts der für ein Krankenhaus typischen personellen und sachlichen Mittel (vgl. dazu die Definition in § 107 Abs. 1 SGB V) gegen eine Leistungserbringung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung, welche nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V in der Regel vollstationär (vgl. dazu Urteil des BSG vom 19. September 2013, Az.: B 3 KR 34/12 R, Rn. 13f., zitiert nach juris) oder aber teilstationär und nur unter den Voraussetzungen der §§ 115a, 115b SGB V ambulant erbracht werden kann. Dies gilt erst recht für die Quittungen des Dr. C. (Anästhesie/Schmerztherapie/ Ambulante Operationen) bezüglich der am 31. August sowie 12. Oktober 2015 vorgenommenen Liposuktionen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung gegen dieses Urteil ist von Gesetzes wegen gemäß den §§ 143, 144 SGG ohne besonderen Beschluss der Kammer zulässig.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung sämtlicher Kosten im Zusammenhang mit bereits durchgeführten Liposuktionen an beiden Armen, Unterschenkeln, Oberschenkelvorderseiten und Oberschenkelrückseiten.
Sie ist bei der beklagten Krankenkasse versichert und beantragte am 8. Dezember 2014 unter Vorlage einer gutachtlichen Befürwortung der Dres. O. und H. von der Praxis " " in E. vom 4. Dezember 2014 die Übernahme der Kosten für vier " ambulante " Liposuktionen in Höhe von jeweils 3.995,00 Euro zuzüglich eines allgemeinen Pflegesatzes in Höhe von 231,09 Euro für die " stationäre " Überwachung bis zum Tag nach der Operation in einer Anästhesiologischen Tagesklinik. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 mit, sie müsse die Meinung eines medizinischen Sachverständigen einholen, und forderte bei ihr mit Schreiben vom 23. Januar 2015 weitere Unterlagen an. Die Klägerin machte daraufhin mit Schreiben vom 27. Januar 2015 geltend, die Frist von fünf Wochen nach § 13 Abs. 3a S. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seit 26. Februar 2013 geltenden Fassung sei bereits am 12. Januar 2015 abgelaufen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. verneinte sodann am 26. Februar 2015 die medizinische Notwendigkeit der begehrten Operationen. Die Beklagte lehnte daher mit Bescheid vom 10. März 2015 die Übernahme der Kosten ab. Die Klägerin legte dagegen mit am 19. März 2015 eingegangenem Schreiben Widerspruch ein und stützte diesen unter anderem erneut auf den Fristablauf. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 29. Mai 2015 zurück.
Die Klägerin hat am 17. Juni 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei bereits wegen des Fristablaufes zur Erstattung der im Zusammenhang mit den Operationen am 13. Mai 2015, 19. Juni 2015, 31. August 2015 und 12. Oktober 2015 entstandenen Kosten für die ärztlichen Leistungen sowie für die Fahrten nach bzw. die Übernachtungen in E. (bzw. M./R.), für Arznei- und Heilmittel sowie für Laborleistungen in Höhe von insgesamt 19.036,27 Euro verpflichtet. Sie macht zudem geltend, es habe sich angesichts der postoperativen Überwachungen um eine stationäre Leistungserbringung gehandelt. Nach § 137c Abs. 3 S. 2 SGB V in der seit dem 23. Juli 2015 geltenden Fassung dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wie die Liposuktion im Rahmen einer Krankenhausbehandlung erbracht werden, wenn für sie noch kein Überprüfungsantrag nach Abs. 1 S. 1 gestellt wurde bzw. die Bewertung nach Abs. 1 noch nicht abgeschlossen ist.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 zu verurteilen, ihr die für die Liposuktionoperationen entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 19.036,27 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, weder die Regelung des § 13 Abs. 3a noch die des § 137c Abs. 3 SGB V sei vorliegend einschlägig. Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V gelte ihres Erachtens nicht für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und die Neuregelung in § 137c Abs. 3 SGB V sei erst nach Durchführung der ersten beiden Operationen in Kraft getreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin hat gemäß § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V in der seit 26. Februar 2013 geltenden Fassung (lediglich) Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten bis zu einem Betrag in Höhe von 16.904,36 Euro (4 x (3.995,00 Euro+231,09 Euro)).
Grundvoraussetzung eines Erstattungsanspruchs für eine nach § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V aufgrund Genehmigungsfiktion ist, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs. 3a S. 6 SGB V). Dies folgt aus dem Wortlaut und dem Binnensystem der Norm, ihrer Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion ist in der Erstattungsregelung verkürzend mit den Worten "nach Ablauf der Frist" vorausgesetzt. Gemeint ist nicht jeder Fall des Ablaufs der Fristen nach § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V. Der Erstattungsanspruch setzt nach seinem inneren Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht gemäß § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V und dem Eintritt der Genehmigungsfiktion vielmehr voraus, dass die Krankenkasse keinen oder keinen hinreichenden Grund mitteilt. Nur im Fall grundlos nicht fristgerechter Leistungserbringung kann sich der Versicherte aufgrund der Regelung die erforderliche Leistung selbst beschaffen und Kostenerstattung verlangen. Der Regelungszweck, Bewilligungsverfahren der Krankenkassen zu beschleunigen, zielt nicht darauf ab, hinreichend begründete Verzögerungen zu sanktionieren. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, tagegenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt. Stellt sich nach Mitteilung einer ersten, sachlich gerechtfertigten Frist heraus, dass diese zunächst prognostizierte Frist sich aus hinreichenden Sachgründen als zu kurz erweist, kann die Krankenkasse zur Vermeidung des Eintritts der Genehmigungsfiktion hinreichende Gründe mit der geänderten tagegenauen Prognose erneut – gegebenenfalls wiederholt - mitteilen. Erst wenn sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der letzten, hinreichend begründeten Frist eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 20, zitiert nach juris).
Die von der Klägerin beantragten Leistungen galten in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt.
Die Klägerin ist bei der Beklagten versichert und damit grundsätzlich leistungsberechtigt.
Sie stellte einen Antrag auf Kostenübernahme für " ambulante Liposuktionen mit stationärer Überwachung in einer Tagesklinik ", welche sie angesichts der befürwortenden Stellungnahme ihrer behandelnden Ärzte sowie des im Mai 2014 beim Gemeinsamen Bundesausschuss eingeleiteten Verfahrens für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegen. Dies gilt sowohl für ambulante als auch für (teil-) stationäre Liposuktionen, wie die Vielzahl der dazu allein in juris veröffentlichten Entscheidungen belegt.
Die Gesetzesregelung ordnet letztere Einschränkung der Leistungsberechtigung für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich, aber sinngemäß nach dem Regelungszu-sammenhang und -zweck an. Denn die Genehmigungsfiktion begründet zugunsten des Leistungsberechtigten einen Naturalleistungsanspruch, dem der im Anschluss hieran geregelte, den Eintritt der Genehmigungsfiktion voraussetzende naturalleistungsersetzende Kostenerstattungsanspruch im Ansatz entspricht. Der Naturalleistungsanspruch kraft Genehmigungsfiktion ermöglicht auch mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die begehrte Leistung selbst zu beschaffen, ihren Anspruch zu realisieren. Für diese Auslegung spricht schließlich der Sanktionscharakter der Norm. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann. Auch der Kostenerstattungsanspruch aufgrund Genehmigungsfiktion setzt voraus, dass sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine " erforderliche " Leistung selbst beschaffen. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Die Gesetzesmaterialien sprechen beispielhaft den Fall an, dass die Krankenkasse auch im Fall der selbstbeschafften Leistung, zum Beispiel bei einer notwendigen Versorgung mit Zahnersatz, nicht den vom Versicherten zu tragenden Eigenanteil zu übernehmen hat (vgl. Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 25f, zitiert nach juris).
Die Beklagte beschied den am 8. Dezember 2014, einem Montag, eingegangenen Antrag nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 2. Alt. SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für das sowie vor dem Überschreiten der Frist mitzuteilen. Die Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V begann am 9. Dezember 2014 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am Montag, den 12. Januar 2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).
Damit eine Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Entsprechend den allgemeinen, in § 42a Ver-waltungsverfahrensgesetz (VwVfG) normierten Grundsätzen gilt "eine beantragte Genehmigung ( ) nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt ( ), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist". Da der Verwaltungsakt nicht erlassen, sondern fingiert wird, muss sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften hinreichend bestimmen lassen. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) hinreichend bestimmt ist (vgl. Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 23, zitiert nach juris).
Der Antrag der Klägerin war in diesem Sinne hinreichend bestimmt und fiktionsfähig.
Die Klägerin beschaffte sich die Liposuktionen selbst, nachdem sie in der beantragten Form als genehmigt galten. Hierdurch entstanden erforderliche Kosten bis zu einem Betrag in Höhe von 16.904,36 Euro.
Die fingierte Genehmigung hatte sich bei der Beschaffung auch nicht erledigt. Auch eine fingierte Genehmigung bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X sowie Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 31, zitiert nach juris). Der angefochtene Bescheid der Beklagten lässt die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion unberührt, da die Ablehnung der Leistung weder ausdrücklich noch sinn-gemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf der fingierten Genehmigung regelt (vgl. hierzu §§ 45, 47 SGB X sowie vgl. Urteil des BSG vom 8. März 2016, Az.: B 1 KR 25/15 R, Rn. 32, zitiert nach juris).
Die Klage war hinsichtlich der weiteren Kosten abzuweisen, weil die von der Klägerin in Anspruch genommenen Leistungen im Zeitpunkt der Beschaffung nicht in vollem Umfang erforderlich waren. Denn die Klägerin beachtete Art und Umfang der fingierten Genehmigung nicht.
Die Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V ist schließlich hinsichtlich der am 13. Mai sowie 19. Juni 2015 durchgeführten Liposuktionen bereits nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich nicht einschlägig. Die von der Klägerin vorgelegten Rechnungen sprechen zudem angesichts der für ein Krankenhaus typischen personellen und sachlichen Mittel (vgl. dazu die Definition in § 107 Abs. 1 SGB V) gegen eine Leistungserbringung im Rahmen einer Krankenhausbehandlung, welche nach § 39 Abs. 1 S. 1 SGB V in der Regel vollstationär (vgl. dazu Urteil des BSG vom 19. September 2013, Az.: B 3 KR 34/12 R, Rn. 13f., zitiert nach juris) oder aber teilstationär und nur unter den Voraussetzungen der §§ 115a, 115b SGB V ambulant erbracht werden kann. Dies gilt erst recht für die Quittungen des Dr. C. (Anästhesie/Schmerztherapie/ Ambulante Operationen) bezüglich der am 31. August sowie 12. Oktober 2015 vorgenommenen Liposuktionen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung gegen dieses Urteil ist von Gesetzes wegen gemäß den §§ 143, 144 SGG ohne besonderen Beschluss der Kammer zulässig.
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