Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 KR 47/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 300/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 11. August 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenfreistellung für Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2013.
Die 1967 geborene Klägerin leidet unter einer Angst- und Zwangsstörung in Form einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Seit 1986 wurde sie wiederholt stationär behandelt, u.a. von 1988 bis 1998 durchgängig im Psychiatrischen Krankenhaus (PKH) Haina (mittlerweile: Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina), wo sie mit der Ärztin für Psychiatrie, Psychoanalyse, Psychotherapie Dr. C. in Kontakt kam. Nachdem sich Dr. C. in C-Stadt mit eigener Praxis als Ärztin niedergelassen hatte, wurde die Klägerin von ihr dort seit 1998 ambulant behandelt. Daneben erhält die Klägerin kontinuierlich Ergotherapie und wird regelmäßig mit dem trizyklischen Antidepressivum Clomipramin sowie dem Beta-Rezeptorenblocker Bisoprolol behandelt. Weiterhin wird sie von der Ambulanz der Vitos-Klinik sozialpsychiatrisch mitbetreut.
Im Zeitraum von 2002 bis 2008 führte die Klägerin eine analytische Psychotherapie mit insgesamt 540 Sitzungen bei Frau Dr. C. auf Kosten der Beklagten durch. Danach wurde die Therapie von ihr zunächst auf eigene Kosten fortgesetzt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 16. April 2010 die Kostenübernahme für eine psychotherapeutische Behandlung in Form von 25 Einzelsitzungen im Rahmen einer Kurzzeittherapie. Am 4. Juli 2010 beantragte die Klägerin die Umwandlung in eine Langzeittherapie und die Genehmigung weiterer 240 Einzelsitzungen in der analytischen Psychotherapie bei Dr. C. bei einer Therapiefrequenz von 3 Sitzungen pro Woche. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Gutachters Dr. D. ein. Am 10. August 2010 teilte dieser mit, bezogen auf die therapeutische Beziehung müsse zunächst berücksichtigt werden, dass der therapeutische Kontakt bereits seit 1994 bestehe, als Erfolg die Verhinderung einer Psychiatrisierung zu verbuchen sei und eine partielle Separation von der therapeutischen Bindung bewirkt worden sei. Allerdings ließen der bisherige Krankheitsverlauf, der erneute Klinikaufenthalt sowie die psychosoziale Entwicklung und Situation prognostische Zweifel bezogen auf die Wirkung einer erneuten analytischen Intervention aufkommen und erscheine der Rahmen der Richtlinientherapie bereits überbeansprucht. Daher könne die beantragte Behandlung nicht befürwortet werden. Es scheine nunmehr weniger eine erneute therapeutische Ambition im Rahmen der Richtlinientherapie erforderlich, als vielmehr eine auf Kontinuität ausgerichtete Begleitung außerhalb der Richtlinientherapie, ggfs. mit flankierenden sozialpsychiatrischen Angeboten bzw. der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme mit Bescheid vom 16. August 2010 ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 23. August 2010 Widerspruch. Von der Beklagten wurde draufhin ein Obergutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, psychosomatische Medizin und Psychoanalyse Dr. E. vom 15. September 2010 eingeholt. Darin vertrat dieser ebenfalls die Ansicht, dass die Möglichkeiten von Richtlinien-Psychotherapie im vorliegenden Fall weit überschritten seien. Es lägen weiterhin keine neuen und überzeugenden Erkenntnisse vor, dass durch weitere analytische Psychotherapie in überschaubarer Zeit eine wesentliche Verbesserung erreichbar wäre. Zwar sei bei der Art und Schwere der Erkrankung der Klägerin eine therapeutische Begleitung notwendig und hilfreich. Hierbei werde es aber um Halt, Stützung, Stabilisierung und entlastende Kontakte gehen müssen und nicht um einen analytischen Entwicklungsprozess. Dazu sollten intensive Überlegungen und Bemühungen unternommen werden, wie die Klägerin durch sozialpsychiatrische Angebote, Beratung und nicht bewilligungspflichtige Gespräche therapeutisch begleitet werden könne. Die Frage einer psycho-pharmakologischen Behandlung gegen quälende Symptome sollte hier ebenfalls ernsthaft und einfühlsam besprochen werden, auch wenn die Klägerin einer solchen Empfehlung ablehnend gegenüber stehen sollte. Abschließend befürwortete der Sachverständige für die Beratung und Planung weiterer Betreuungsmöglichkeiten nochmals zehn Therapiesitzungen zu gewähren. Von der Beklagten wurden nachfolgend mit Bescheid vom 24. September 2010 zehn Einzelsitzungen der analytischen Psychotherapie bei Dr. C. bewilligt. Am 4. Oktober 2011 beantragte die Klägerin die Fortführung der Langzeittherapie bei Dr. C. mit weiteren 125 Einzelsitzungen. Nach Einholung einer erneuten Stellungnahme von Dr. D. vom 5. November 2010, der darin seine Auffassung nochmals bekräftigte, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 10. November 2010 ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 22. November 2010 Widerspruch.
Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens (Az. S 6 KR 13/11 ER) wurde die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung vom Sozialgericht (SG) Marburg mit Beschluss vom 23. Februar 2011 verpflichtet, die beantragten Kosten für die Fortsetzung der ambulanten Psychotherapie bei Dr. C. zunächst für ein halbes Jahr zu übernehmen. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 9. März 2011 weitere 78 Einzelsitzungen in der Langzeittherapie. Nach Durchführung eines Untätigkeitsklageverfahrens vor dem SG (Az. S 6 KR 45/11) lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2011 ab. Die Klägerin befinde sich seit 1984 in kontinuierlicher psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Die Möglichkeiten der Richtlinien-Psychotherapien seien nach der Therapie mit 540 Sitzungen von 2002 bis 2008 bereits weit überschritten. Nach den vorliegenden Gutachten sei nicht erkennbar, dass durch eine weitere analytische Psychotherapie in überschaubarer Zeit eine wesentliche Besserung zu erreichen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 15. März 2011 vor dem SG Marburg erhobene Klage.
Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, dass es ihr durch die psychotherapeutische Behandlung bei Dr. C. gelungen sei, das stationäre Setting zu verlassen und ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Werde die ambulante Behandlung beendet, sei zu befürchten, dass akute Suizidalität auftrete und eine erneute stationäre Unterbringung erforderlich würde. Die Höchstgrenzen der Psychotherapie-Richtlinien seien auf ihren Einzelfall nicht anwendbar, da die Richtlinien gerade nicht den Fall erfassten, dass durch ambulante Therapien eine stationäre Unterbringung verhindert werden könnte. Es sei insoweit unrichtig, dass die Richtlinien eine wirksame Begrenzung des Anspruchs auf Krankenbehandlung darstellten. Wenn überhaupt, müsse diese Frage im Lichte der Menschenwürde betrachtet werden. Ihr müsse es ermöglicht werden, in Freiheit ein Leben zu führen, das ihr eine menschenwürdige Qualität biete. Die notwendigen und wirtschaftlichen Aspekte dieser Therapie könnten gegenüber der wesentlich kostenintensiveren stationären Behandlung sicherlich nicht in Frage stehen. Der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit genieße den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten auf Durchsetzung eines abgeschlossenen Konzeptes der Therapierichtlinien. Schließlich sei die weitere Prognose als günstig einzuschätzen. Die Beklagte hat erstinstanzlich auf die Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren Bezug genommen und betont, dass die Möglichkeiten der Psychotherapie-Richtlinien ausgeschöpft seien. Eine womöglich lebenslange psychosoziale Dauerversorgung falle nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Erforderlich sei eine Stabilisierung durch eine kontinuierliche sozialpsychiatrische Lebensbegleitung und psychopharmakologische Therapie.
Das SG hat im Klageverfahren zunächst einen Befundbericht bei der behandelnden Therapeutin Dr. C. vom 6. Januar 2012 eingeholt. Diese hat darin ausgeführt, dass sie die Klägerin im Mai 1995 während ihrer Facharztausbildung im PKH Haina kennengelernt habe. Sie habe spontan einen guten emotionalen Zugang zur Klägerin gefunden, der sich im Laufe der Zeit zu einer so vertrauensvollen Basis entwickelt habe, dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer vertragspsychotherapeutischen Niederlassung nach fast 17 Jahren Klinikaufenthalt in ihre ambulante Therapie habe entlassen werden können. Zu Beginn habe dies fast tägliche Gesprächskontakte erfordert, die dann sukzessive auf eine Frequenz von 3mal-wöchentlich hätten reduziert werden können. Bis vor drei Jahren habe die Klägerin in einem "bergenden" Zimmer innerhalb des Hauses ihrer Praxis gelebt. Während im PKH Haina noch der Einsatz von bis zu sechs starken Pflegern erforderlich gewesen sei, um die Klägerin in ihrer Zerstörungswut aufzuhalten, gelinge dies nun durch ihr Containment und ihre verbalen Interventionen. Die Behandlungsalternative bestehe in einem "Leben hinter Mauern". Die Notwendigkeit der Fortsetzung der Therapie sei "vergleichbar mit der Dringlichkeit der allmählichen und kontinuierlichen Entschärfung einer Bombe." Es handele sich um eine minutiöse und hoch differenzierte psychodynamische, die einzelnen emotionalen und interaktiven, oft auf massiven Projektionen beruhenden Reaktionen analysierende Therapie mit dem Ziel der Affektregulierung. Auf Veranlassung der Beklagten hat sich Dr. E. hierzu in einer Stellungnahme vom 17. Februar 2012 geäußert. Danach hätten die bisherigen Therapien keine wesentliche Strukturverbesserung bei der Klägerin und damit kein stabiles Ergebnis bewirkt. Es sei kein Nachweis für eine wesentliche intrapsychische Entwicklung der Klägerin erbracht worden. Der offensichtliche Misserfolg werde von der Therapeutin nicht kritisch analysiert. Die angegebenen Verhaltens-Erfolge seien als Ergebnis einer ungewöhnlich intensiven therapeutischen Beziehung einzuschätzen. Es dürfe ein Übertragungseffekt bei intensiver Zuwendung angenommen werden, dessen "Erfolg" von der therapeutischen Beziehung abhängig bleibe und nicht als innerseelische Strukturentwicklung und damit als Reifung oder gar Heilung eingeschätzt werden könne. Es seien sogar Züge einer malignen Regression mit enormer (pathologischer) Abhängigkeit von der Therapeutin anzunehmen. Es liege ein Dauerzustand vor, der durch Therapie nicht wesentlich zu verändern sei, aber durch eine kontinuierliche sozialpsychiatrische Lebensbegleitung und psychopharmakologische Therapie stabilisiert werden könne und müsse. Seitens der Klägerin ist hierzu eine Erwiderung von Dr. C. vom 23. April 2012 vorgelegt worden.
Das SG hat ein Gutachten bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. F. 28. Januar 2013 eingeholt. Danach sei die durchgeführte ambulante Psychotherapie geeignet, eine Verschlimmerung der Erkrankung bei der Klägerin zu verhüten und deren Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierzu bedürfe es psychodynamischer Arbeit. Eine lediglich begleitende psychiatrisch-psychotherapeutische bzw. sozialpsychiatrische Behandlung mit selteneren und kürzeren Behandlungsterminen sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend, um diese Ziele zu erreichen. Sofern diese Therapie beendet werden müsse, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Exazerbation der psychischen Symptome zu erwarten, mit einer erhöhten Häufigkeit und einer Verschlimmerung der Angst- und Erregungszustände, von selbstschädigendem Verhalten bis hin zur Gefahr eines Suizids oder von fremdschädigenden Handlungen. Eine solche Exazerbation würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine (zwangsweise) stationäre Unterbringung bedeuten, wodurch die destruktive Psychodynamik wieder in Gang käme. Es wäre in diesem Fall eine vermutlich nachhaltige Verschlechterung des psychischen Zustandes zu erwarten. Die derzeitige Therapiefrequenz könne nach einer Übergangszeit von zwei bis drei Monaten auf 2 Stunden wöchentlich reduziert werden. Der Verlauf der Therapie spreche dafür, dass hierdurch eine Verbesserungen der psychischen Fähigkeiten eingetreten sei. Die therapeutische Entwicklung sei als positiv anzusehen. Eine weitere Entwicklung der psychischen Struktur sei möglich. Die von Dr. E. vorgeschlagenen alternativen Behandlungsformen reichten hingegen nicht aus, um die genannten Ziele zu erreichen.
Nachfolgend haben sich der Sachverständige Dr. E. auf Veranlassung der Beklagten in einer Stellungnahme vom 17. Mai 2013 sowie der Sachverständige Dr. F. in einer vom SG angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 22. Juli 2013 wechselseitig geäußert und hierbei ihre jeweiligen Standpunkte nochmals bekräftigt.
Aufgrund eines Vergleichs in einem weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtschutz vor dem SG Marburg (Az. S 6 KR 153/12 ER) hat die Beklagte am 26. Juni 2013 nochmals insgesamt weitere 154 Therapiesitzungen bewilligt.
Das SG hat im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 5. September 2013 Dr. F., Dr. E. sowie Dr. C. als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen der Aussagen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG Marburg mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2014 die Bescheide vom 16. August 2010 und 10. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin von den Kosten weiterer 88 bis zum 31. Dezember 2013 durchgeführte Psychotherapiesitzungen freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des Streitgegenstandes des Verfahrens, d.h. hinsichtlich 355 Gesamttherapiestunden, begründet. Soweit der Antrag der Klägerin über diesen Streitgegenstand hinausgehe, sei die Klage hingegen abzuweisen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe es fest, dass die Fortsetzung der vorliegend praktizierten analytische Psychotherapie im Sinne der Psychotherapie-Richtlinien notwendig sei um eine Verschlimmerung der Krankheit der Klägerin zu verhindern. Das Gericht folge insoweit den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. F. und der behandelnden Therapeutin Dr. C., die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 5. September 2013 nachvollziehbar, schlüssig und übereinstimmend dargelegt hätten, dass die Klägerin unter einem extremen und hoch komplexen Krankheitsbild leide, das mit dem Mittel der ambulanten Psychotherapie in der Vergangenheit deutlich gebessert werden konnte und auch noch weiter gebessert werden könne. Dr. F. habe überzeugend ein außergewöhnlich schweres Krankheitsbild bei der Klägerin und den Einzelfallcharakter des Falles dargelegt. Übereinstimmend habe auch Dr. E. das Krankheitsbild in der mündlichen Verhandlung als "hoch pathologisch" definiert. Die Beklagte und Dr. E. gingen jedoch abweichend von den gesetzlichen Vorgaben davon aus, dass die Therapie notwendig sein müsse, um eine Verbesserung des Zustandes zu erzielen. Nach § 1 Abs. 2 Psychotherapie-Richtlinien genüge jedoch auch eine Notwendigkeit der Therapie, um eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes zu verhindern. Eine derartige Therapieeignung liege im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft vor. Die ambulante Therapie habe zumindest eine dauernde Stabilisierung der Klägerin erreicht und damit im Sinne der gesetzlichen Systematik eine Verschlimmerung verhindert. Die Klägerin habe seit Beginn der Therapie nicht mehr stationär behandelt werden müssen, was im Hinblick auf die Krankheitsgeschichte mit jahrelanger stationärer Unterbringung als erhebliche Stabilisierung angesehen werden müsse. Auch prognostisch sei mit Dr. F. und Dr. C. davon auszugehen, dass durch die Fortsetzung der Therapie zumindest eine dauerhafte Stabilisierung der Klägerin und damit ein selbstbestimmtes Leben erreicht werden könne. Das von Dr. E. als abnorm beschriebene enge Verhältnis von Patientin und Therapeutin stelle sich nach den überzeugenden Angaben von Dr. F. im Rahmen der mündlichen Verhandlung als essentieller Bestandteil des Therapieerfolges dar. Dr. F. habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine derartige Beziehung immer eine Gratwanderung zwischen beruflicher und persönlicher Beziehung sei. Das Gericht folgt ihm in der Einschätzung, dass Frau Dr. C. mit der Unterbringung der Klägerin im unmittelbaren Umfeld der Praxis und der zu Beginn täglichen Intervention sicherlich einen ungewöhnlichen Weg gewählt habe. Gemessen am erreichten Erfolg erscheine diese Vorgehensweise jedoch hoch anerkennenswert und als äußerst angemessen. Soweit Dr. F. einen Therapeutenwechsel als genauso gravierend wie das Ende der Therapie einschätze, sei dies auf der Grundlage der für die Therapie der Klägerin essentiellen Vertrauensbasis zu Frau Dr. C. ebenso nachvollziehbar. Das Gericht könne der Beklagten insbesondere nicht im Hinblick auf ihre zentrale Argumentation folgen, dass der Einzelfall der Klägerin nicht mehr mit ambulanter Psychotherapie behandelt werden dürfe, weil die Höchstgrenzen der Psychotherapie-Richtlinien bereits überschritten seien. Durch die Psychotherapie-Richtlinien werde der Behandlungsanspruch aus § 27 SGB V konkretisiert. Aus ihnen ergäben sich die grundsätzlichen Rahmenbedingungen, unter denen ambulante Psychotherapie stattfinde. Der Behandlungsumfang und die Behandlungsdauer würden in §§ 23 ff. der Richtlinien näher ausgeführt. Dabei sei in den Richtlinien in § 23 Abs. 2 festgelegt, dass die Begrenzungen die therapeutischen Erfahrungen in den unterschiedlichen Gebieten der Therapie berücksichtigten und einen Behandlungsumfang darstellten, in dem "in der Regel" ein Behandlungserfolg erwartet werden könne. Schon vom Wortlaut her seien Ausnahmekonstellationen von den in den §§ 23 ff. enumerierten Höchstgrenzen damit nicht ausgeschlossen. Dies bedeute konkret, dass es Einzelfälle geben könne, in denen ein Behandlungserfolg im Rahmen dieser Grenzen nicht zu erwarten sei. Soweit Dr. F. erwarte, dass die Therapienotwendigkeit bei der Klägerin lebenslang fortbestehen werde, sei dies von den Richtlinien nicht ausgeschlossen, sondern in besonders begründeten Einzelfällen möglich. Ein solcher Einzelfall liege im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts vor. Die Klägerin leide unter einer schwersten psychischen Krankheit. Sie könne nicht darauf verwiesen werden, eine stationäre Einrichtung aufsuchen zu müssen. Dass diese Konsequenz bei einem Therapieende oder bei Therapeutenwechsel mit hoher Wahrscheinlichkeit drohe, habe Dr. F. in seinem Sachverständigengutachten nachvollziehbar und eindrücklich geschildert. Darüber hinaus habe die Beklagte entsprechend der Präambel der Psychotherapie-Richtlinien bei ihrer Entscheidung auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung zu berücksichtigen. Soweit Dr. F. ausführe, es sei sehr wahrscheinlich, dass die Klägerin ohne ambulante Therapie wieder stationär psychiatrisch versorgt werden müsse, sei dies ein gewichtiger wirtschaftlicher Aspekt, den die Beklagte bisher unter formaler Bezugnahme auf die Therapiehöchstgrenzen außer Acht gelassen habe. Die von Dr. E. alternativ vorgeschlagenen Optionen sozialpsychiatrische Betreuung und psychopharmakologische Behandlung - würden durch die regelmäßige sozialpsychiatrische Mitbetreuung, Ergotherapie und Medikamententherapie bereits ausgeschöpft. Für das Gericht sei nicht erkennbar und nachvollziehbar, dass und inwieweit dadurch die an den Wurzeln der Erkrankung ansetzende Psychotherapie ersetzt werden könne. Die ausschließliche Durchführung sozialpsychiatrischer Maßnahmen in Kombination mit medikamentöser Therapie sei vorliegend nicht ausreichend, um eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes der Klägerin nachhaltig zu verhindern.
Der Gerichtsbescheid ist am 15. August 2014 an die Beklagte zugestellt worden. Am 9. September 2014 ist die Berufung der Beklagten vor dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Unter Bezugnahme auf ein von ihr veranlasstes Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 2. Oktober 2014 hat sie ausgeführt, das SG lasse den Umstand unberücksichtigt, dass es seitens der Therapeutin zu einer Grenzüberschreitung und Distanzminderung gekommen sei, was eine Therapie im analytischen Sinne von vornherein unmöglich mache. Nach dem Gutachten des MDK liege zwischen der Klägerin und ihrer Therapeutin eine hochpathologische, jegliche therapeutische Grenzen überschreitende Beziehungsgestaltung vor, welche eine deutende Arbeit, wie sie bei der Anwendung einer analytischen Psychotherapie notwendig sei, ausschließe. So habe die Klägerin jahrelang in der Praxis der Therapeutin Dr. C. gewohnt, wodurch von Anfang an die allgemeingültige und gerade in der analytischen Psychotherapie explizit geforderte Abstinenzregel der Psychotherapie außer Kraft gesetzt worden sei. Gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 1 der Psychotherapie-Richtlinie sei die Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, wenn zwar seelisch eine Krankheit vorliege, aber ein Behandlungserfolg nicht erwartet werden könne, weil dafür bei der Patientin die Voraussetzungen hinsichtlich der Motivationslage, der Motivierbarkeit oder der Umstellungsfähigkeit nicht gegeben seien, oder weil die Eigenart der neurotischen Persönlichkeitsstruktur (ggf. die Lebensumstände der Patientin) dem Behandlungserfolg entgegenstehe. Zudem müsse die Wahl des Therapieverfahrens bzw. des methodischen Vorgehens einen Behandlungserfolg in ausreichendem Maße erwarten lasse. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Nach Auffassung des MDK ergebe der bisherige Behandlungsverlauf keinen Hinweis darauf, dass durch weitere Therapiesitzungen in begrenzter Zeit ein Behandlungserfolg im Sinne einer innerseelischen Konfliktklärung oder Strukturentwicklung möglich sei. Die Therapeutin verweise demgegenüber auf einen theoretischen Behandlungsansatz, ohne dabei darzustellen, was bislang mit der Klägerin intrapsychisch erarbeitet und erreicht werden konnte. So verweise sie auf die Notwendigkeit einer "minutiösen und hochdifferenzierten psychodynamischen" Therapie, ohne erkennbar zu machen, worin diese Arbeit inhaltlich konkret bestehe. Der MDK habe in seiner Stellungnahme vom 2. Oktober 2014 ergänzend ausgeführt, dass die beabsichtigte regressiv-deutende Therapie kontraindiziert sei. Die Klägerin benötige vielmehr eine möglicherweise lebenslange Behandlung in einer Psychiatrischen Institutsambulanz sowie flankierende sozialpsychiatrische Maßnahmen. Allein durch diese Maßnahmen könne eine psychische Stabilisierung erreicht werden. Die bestehende therapeutische Beziehung zu Dr. C. müsse aufgrund der chronifizierten Abhängigkeit und der langjährigen therapeutischen Grenzüberschreitung beendet werden. Im Ergebnis sei somit davon auszugehen, dass bereits die Wahl des Therapieverfahrens bzw. des methodischen Vorgehens einen Behandlungserfolg nicht oder nicht ausreichend erwarten lasse. Sofern das SG zur Begründung seiner Entscheidung vortrage, die vom Obergutachter Herrn Dr. E. verschlagenen alternativen Optionen, wie z.B. die pharmakologische Behandlung, seien bereits ausgeschöpft worden, sei darauf hinzuweisen, dass seit dem Jahre 2005 keine medikamentösen Neueinstellungen vorgenommen worden seien. So sei kein Versuch unternommen worden, die Klägerin auf neuere zur Verfügung stehende Psychopharmaka umzustellen. Diesbezüglich sei über Jahre hinweg keine Zweitmeinung von Dr. C. eingeholt worden. Daher sei der Klägerin eine möglicherweise bestehende moderne psychopharmakologische Therapie versagt geblieben.
Die Klägerin hat hierzu eine Erwiderung von Dr. C. vorgelegt in welcher diese ihren Behandlungsansatz nochmals umfassend dargelegt hat. Nachfolgend haben sich sowohl Dr. G. in einem weiteren Gutachten für den MDK vom 12. Februar 2015 sowie Dr. C. in einer vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten Erklärung wechselseitig geäußert und dabei ihre jeweiligen Standpunkte bekräftigt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die von ihr zitierten Erwiderungen von Dr. C. zu den im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten des MDK sowie die Ausführungen des Sozialgerichts Marburg in dem angefochtenen Gerichtsbescheid.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid keine Berufung eingelegt, so dass der erstinstanzliche Klageantrag nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, soweit er über die Freistellung von den Kosten hinsichtlich der im Gerichtsbescheid zuerkannten 88 Psychotherapiesitzungen hinausgeht.
Das Sozialgericht Marburg hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 11. August 2014 die Bescheide der Beklagten vom 16. August 2010 und 10. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu Recht aufgehoben. Die Beklagte ist verpflichtet, die Kosten der Behandlung der Klägerin bei Dr. C. in der Form von insgesamt 88 Psychotherapie-Sitzungen bis zum 31. Dezember 2013 zu erstatten.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) haben Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse rechtswidrig eine Leistung abgelehnt hat. Der Anspruch setzt voraus, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen ist, die selbstbeschaffte Leistung als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung (vgl. hierzu § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringende Krankenbehandlung setzt damit zunächst in grundlegender Weise voraus, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. In allgemeiner Hinsicht sieht § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vor, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Darüber hinaus stehen die Leistungen unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies hat zur Konsequenz, dass Versicherte nur die notwendigen bzw. ausreichenden Leistungen beanspruchen können. Diese müssen zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Ausreichenden nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V; vgl. Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 – L 8 KR 91/10 –, Rn. 29, juris). Konkretisierungen hinsichtlich der Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen enthält zunächst das Psychotherapeutengesetz. Nach dessen § 1 Abs. 3 ist die Ausübung von Psychotherapie jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Im Übrigen bestimmt § 28 Abs. 3 SGB V, das die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 92 SGB V durchgeführt wird. Dabei ist gem. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 6a SGB V in den Richtlinien des GBA zur ärztlichen Behandlung insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln.
Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit und ist auch für den Senat nicht fraglich, dass Dr. C. als Ärztin für Psychiatrie, Psychoanalyse und Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene grundsätzlich berechtigt ist, die von ihr durchgeführte analytische Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Von der Beklagten wurde insbesondere auch die kassenärztliche Zulassung von Dr. C. nicht in Abrede gestellt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Sozialgerichts Marburg bestehen für den Senat keine Zweifel, dass die von der Klägerin jeweils vor der Durchführung der streitgegenständlichen Therapiesitzungen bei Dr. C. beantragten Behandlungsmaßnahmen notwendig gewesen sind, um eine Verschlimmerung der bei ihr bestehenden Erkrankung in Form einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (Angst- und Zwangsstörung) zu verhindern. Der Senat folgt insoweit den wissenschaftlich begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen des erstinstanzlich angehörten Sachverständigen Dr. F. in dessen schriftlichem Gutachten vom 28. Januar 2013, seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2013 sowie seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Marburg vom 5. September 2013. Danach war die von Dr. C. durchgeführte ambulante Psychotherapie geeignet, eine Verschlimmerung der Erkrankung bei der Klägerin zu verhüten und deren Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die von der Beklagten und deren beratenden Ärzten als ausreichend angesehene begleitende psychiatrisch-psychotherapeutische bzw. sozialpsychiatrische Behandlung mit selteneren und kürzeren Behandlungsterminen wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen hingegen mit am Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend, um diese Ziele zu erreichen. Danach kommt die Durchführung einer Verhaltenstherapie bei der Klägerin nicht in Betracht, weil bei ihr die Arbeit an der unbewussten Psychodynamik von zentraler Bedeutung ist. Aus diesem Grund wäre auch die Beschränkung der Behandlung der Klägerin auf eine psychiatrisch begleitende Therapie nicht zielführend und keine Alternative zu der beantragten und durchgeführten analytischen Psychotherapie. Von Dr. F. wurde weiterhin schlüssig dargelegt, dass bei einem Abbruch der von Dr. C. durchgeführte Langzeittherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Exazerbation der psychischen Symptome mit einer erhöhten Häufigkeit und einer Verschlimmerung der Angst- und Erregungszustände, von selbstschädigendem Verhalten bis hin zur Gefahr eines Suizids oder von fremdschädigenden Handlungen sowie als weitere Folge mit hoher Wahrscheinlichkeit eine (zwangsweise) stationäre Unterbringung der Klägerin zu befürchten wäre, wodurch die destruktive Psychodynamik bei ihr wieder in Gang käme. Der Senat vermag den Ausführungen von Dr. F. auch insoweit zu folgen, als in diesem Fall vermutlich eine nachhaltige Verschlechterung des psychischen Zustandes zu erwarten wäre.
Die gegenteilige Auffassung der Beklagten, welche insbesondere auf den Ausführungen des von ihr gehörten Sachverständigen Dr. E. sowie dem MDK-Gutachten vom 2. Oktober 2014 beruht, wonach die analytische Psychotherapie durch Dr. C. bislang keine wesentliche Strukturverbesserung bei der Klägerin und damit kein stabiles Ergebnis bewirkt habe und kein Nachweis für eine wesentliche intrapsychische Entwicklung der Klägerin erbracht worden sei, vermag der Senat demgegenüber nicht nachzuvollziehen. Dagegen spricht insbesondere, dass es Dr. C. mittels der streitgegenständlichen Therapie offensichtlich gelungen ist, die Folgen der psychische Erkrankung der Klägerin soweit zu bessern, dass dieser zwischenzeitlich ein relativ eigenständiges Leben außerhalb der stationären Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus möglich geworden ist. Dabei ist es im Laufe der Behandlung auch zu einer deutlichen Verringerung der wöchentlichen Therapiesitzungen gekommen. Dies spricht auch gegen die Annahme von Dr. E., wonach die angegebenen Verhaltens-Erfolge lediglich als Ergebnis einer ungewöhnlich intensiven therapeutischen Beziehung einzuschätzen seien und ein Übertragungseffekt bei intensiver Zuwendung bestehe, dessen Erfolg von der therapeutischen Beziehung abhängig bleibe und nicht als innerseelische Strukturentwicklung und damit als Reifung oder gar Heilung eingeschätzt werden könne. Mit der von Dr. E. angenommenen "enormen pathologischen Abhängigkeit von der Therapeutin," durch welche ein Dauerzustand manifestiert worden sei, der durch Fortführung der Therapie nicht wesentlich verändert werden könne, lässt es sich nach Überzeugung des Senats nicht in Einklang bringen, dass aufgrund der streitgegenständlichen Psychotherapie eine deutliche Verringerung der Frequenz der durchgeführten Sitzungen sowie auch eine zunehmende räumliche Trennung der Klägerin von Dr. C. mit dem Bezug einer eigenen Wohnung erzielt worden konnte. Soweit Dr. E. eine kontinuierliche sozialpsychiatrische Lebensbegleitung und psychopharmakologische Therapie als Behandlung der Klägerin für ausreichend erachtet, lässt sich dies mit der außerordentlichen Schwere der Erkrankung der Klägerin, wie sie sich übereinstimmend aus den vorliegenden Befundmitteilungen ihrer behandelnden Ärzte sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. ergibt, nicht in Einklang bringen. Für den Senat ergibt sich allein schon aufgrund des Vergleichs der Beschreibung des Zustandes der Klägerin während ihrer stationären Behandlung bis 1998 mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation, dass es bei dieser zu einer ganz erheblichen Verbesserung und Stabilisierung der Folgen ihrer - zweifelsfrei - letztendlich unheilbaren psychischen Erkrankung gekommen ist. Zur Überzeugung des Senats lässt sich dieser Behandlungserfolg allein auf die langjährige, kontinuierliche analytische Psychotherapie durch Dr. C. zurückführen.
Dem Anspruch der Klägerin stehen auch nicht die Regelungen in der Richtlinie Psychotherapie des GBA über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie, in der Fassung vom 19. Februar 2009, BAnz 58, 1 399) entgegen, die auf der Grundlage des § 92 Abs. 6a SGB V ergangen ist. Das Sozialgericht Marburg hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie hinsichtlich der Behandlungshöchstdauer lediglich um Soll-Vorgaben handelt, innerhalb derer in der Regel ein Behandlungserfolg erwartet werden kann. Mit der Formulierung des § 23b Abs. 1 Nr. 9 wonach die nachfolgende Höchstgrenzen "grundsätzlich" einzuhalten sind, bringt der Normgeber zum Ausdruck, dass Ausnahmen zulässig sind (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18. Juni 2010 – L 5 KR 95/10 B ER, L 5 KR 95/10 KR ER PKH –, juris). Durch den GBA werden insoweit lediglich "typische Fallgruppen" festgelegt, mit der Folge, dass in atypischen Fällen hiervon abgewichen werden kann, sofern dies der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage entspricht (KassKomm/Nolte, SGB V, 89. EL März 2016, § 29, Rn. 21). Aufgrund der vorliegenden Befundberichte der behandelnden Ärzte, der umfangreichen Behandlungsberichte von Dr. C. sowie den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. bestehen für den Senat keinen Zweifel, dass es sich bei der Behandlung der Klägerin um einen solchen atypischen Fall handelt, der eine Überschreitung der Behandlungshöchstdauer gemäß § 23b der Psychotherapie-Richtlinie ohne weiteres rechtfertigt.
Der weitere Einwand von Dr. G. im Gutachten für den MDK vom 2. Oktober 2014, wonach vorliegend die Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 1 der Psychotherapie-Richtlinie ausgeschlossen sei, da ein Behandlungserfolg nicht erwartet werden könne, weil dafür bei der Klägerin die Voraussetzungen hinsichtlich der Motivationslage, der Motivierbarkeit oder der Umstellungsfähigkeit nicht gegeben seien, oder weil die Eigenart der neurotischen Persönlichkeitsstruktur bzw. die Lebensumstände der Klägerin dem Behandlungserfolg entgegenstehe, vermag den Senat ebenfalls nicht zu überzeugen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden, wonach aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme für den Senat keine Zweifel bestehen, dass die von Dr. C. durchgeführte ambulante Psychotherapie zu einer erheblichen Stabilisierung der Klägerin geführt hat und bei jeder anderen, von der Beklagten alternativ in Betracht gezogenen Behandlung von der konkreten Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin ausgegangen werden muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenfreistellung für Kosten einer psychotherapeutischen Behandlung im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2013.
Die 1967 geborene Klägerin leidet unter einer Angst- und Zwangsstörung in Form einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Seit 1986 wurde sie wiederholt stationär behandelt, u.a. von 1988 bis 1998 durchgängig im Psychiatrischen Krankenhaus (PKH) Haina (mittlerweile: Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina), wo sie mit der Ärztin für Psychiatrie, Psychoanalyse, Psychotherapie Dr. C. in Kontakt kam. Nachdem sich Dr. C. in C-Stadt mit eigener Praxis als Ärztin niedergelassen hatte, wurde die Klägerin von ihr dort seit 1998 ambulant behandelt. Daneben erhält die Klägerin kontinuierlich Ergotherapie und wird regelmäßig mit dem trizyklischen Antidepressivum Clomipramin sowie dem Beta-Rezeptorenblocker Bisoprolol behandelt. Weiterhin wird sie von der Ambulanz der Vitos-Klinik sozialpsychiatrisch mitbetreut.
Im Zeitraum von 2002 bis 2008 führte die Klägerin eine analytische Psychotherapie mit insgesamt 540 Sitzungen bei Frau Dr. C. auf Kosten der Beklagten durch. Danach wurde die Therapie von ihr zunächst auf eigene Kosten fortgesetzt. Die Beklagte bewilligte auf Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 16. April 2010 die Kostenübernahme für eine psychotherapeutische Behandlung in Form von 25 Einzelsitzungen im Rahmen einer Kurzzeittherapie. Am 4. Juli 2010 beantragte die Klägerin die Umwandlung in eine Langzeittherapie und die Genehmigung weiterer 240 Einzelsitzungen in der analytischen Psychotherapie bei Dr. C. bei einer Therapiefrequenz von 3 Sitzungen pro Woche. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Gutachters Dr. D. ein. Am 10. August 2010 teilte dieser mit, bezogen auf die therapeutische Beziehung müsse zunächst berücksichtigt werden, dass der therapeutische Kontakt bereits seit 1994 bestehe, als Erfolg die Verhinderung einer Psychiatrisierung zu verbuchen sei und eine partielle Separation von der therapeutischen Bindung bewirkt worden sei. Allerdings ließen der bisherige Krankheitsverlauf, der erneute Klinikaufenthalt sowie die psychosoziale Entwicklung und Situation prognostische Zweifel bezogen auf die Wirkung einer erneuten analytischen Intervention aufkommen und erscheine der Rahmen der Richtlinientherapie bereits überbeansprucht. Daher könne die beantragte Behandlung nicht befürwortet werden. Es scheine nunmehr weniger eine erneute therapeutische Ambition im Rahmen der Richtlinientherapie erforderlich, als vielmehr eine auf Kontinuität ausgerichtete Begleitung außerhalb der Richtlinientherapie, ggfs. mit flankierenden sozialpsychiatrischen Angeboten bzw. der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme mit Bescheid vom 16. August 2010 ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 23. August 2010 Widerspruch. Von der Beklagten wurde draufhin ein Obergutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, psychosomatische Medizin und Psychoanalyse Dr. E. vom 15. September 2010 eingeholt. Darin vertrat dieser ebenfalls die Ansicht, dass die Möglichkeiten von Richtlinien-Psychotherapie im vorliegenden Fall weit überschritten seien. Es lägen weiterhin keine neuen und überzeugenden Erkenntnisse vor, dass durch weitere analytische Psychotherapie in überschaubarer Zeit eine wesentliche Verbesserung erreichbar wäre. Zwar sei bei der Art und Schwere der Erkrankung der Klägerin eine therapeutische Begleitung notwendig und hilfreich. Hierbei werde es aber um Halt, Stützung, Stabilisierung und entlastende Kontakte gehen müssen und nicht um einen analytischen Entwicklungsprozess. Dazu sollten intensive Überlegungen und Bemühungen unternommen werden, wie die Klägerin durch sozialpsychiatrische Angebote, Beratung und nicht bewilligungspflichtige Gespräche therapeutisch begleitet werden könne. Die Frage einer psycho-pharmakologischen Behandlung gegen quälende Symptome sollte hier ebenfalls ernsthaft und einfühlsam besprochen werden, auch wenn die Klägerin einer solchen Empfehlung ablehnend gegenüber stehen sollte. Abschließend befürwortete der Sachverständige für die Beratung und Planung weiterer Betreuungsmöglichkeiten nochmals zehn Therapiesitzungen zu gewähren. Von der Beklagten wurden nachfolgend mit Bescheid vom 24. September 2010 zehn Einzelsitzungen der analytischen Psychotherapie bei Dr. C. bewilligt. Am 4. Oktober 2011 beantragte die Klägerin die Fortführung der Langzeittherapie bei Dr. C. mit weiteren 125 Einzelsitzungen. Nach Einholung einer erneuten Stellungnahme von Dr. D. vom 5. November 2010, der darin seine Auffassung nochmals bekräftigte, lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 10. November 2010 ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 22. November 2010 Widerspruch.
Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens (Az. S 6 KR 13/11 ER) wurde die Beklagte im Wege einer einstweiligen Anordnung vom Sozialgericht (SG) Marburg mit Beschluss vom 23. Februar 2011 verpflichtet, die beantragten Kosten für die Fortsetzung der ambulanten Psychotherapie bei Dr. C. zunächst für ein halbes Jahr zu übernehmen. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 9. März 2011 weitere 78 Einzelsitzungen in der Langzeittherapie. Nach Durchführung eines Untätigkeitsklageverfahrens vor dem SG (Az. S 6 KR 45/11) lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2011 ab. Die Klägerin befinde sich seit 1984 in kontinuierlicher psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Die Möglichkeiten der Richtlinien-Psychotherapien seien nach der Therapie mit 540 Sitzungen von 2002 bis 2008 bereits weit überschritten. Nach den vorliegenden Gutachten sei nicht erkennbar, dass durch eine weitere analytische Psychotherapie in überschaubarer Zeit eine wesentliche Besserung zu erreichen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 15. März 2011 vor dem SG Marburg erhobene Klage.
Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, dass es ihr durch die psychotherapeutische Behandlung bei Dr. C. gelungen sei, das stationäre Setting zu verlassen und ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Werde die ambulante Behandlung beendet, sei zu befürchten, dass akute Suizidalität auftrete und eine erneute stationäre Unterbringung erforderlich würde. Die Höchstgrenzen der Psychotherapie-Richtlinien seien auf ihren Einzelfall nicht anwendbar, da die Richtlinien gerade nicht den Fall erfassten, dass durch ambulante Therapien eine stationäre Unterbringung verhindert werden könnte. Es sei insoweit unrichtig, dass die Richtlinien eine wirksame Begrenzung des Anspruchs auf Krankenbehandlung darstellten. Wenn überhaupt, müsse diese Frage im Lichte der Menschenwürde betrachtet werden. Ihr müsse es ermöglicht werden, in Freiheit ein Leben zu führen, das ihr eine menschenwürdige Qualität biete. Die notwendigen und wirtschaftlichen Aspekte dieser Therapie könnten gegenüber der wesentlich kostenintensiveren stationären Behandlung sicherlich nicht in Frage stehen. Der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit genieße den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten auf Durchsetzung eines abgeschlossenen Konzeptes der Therapierichtlinien. Schließlich sei die weitere Prognose als günstig einzuschätzen. Die Beklagte hat erstinstanzlich auf die Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren Bezug genommen und betont, dass die Möglichkeiten der Psychotherapie-Richtlinien ausgeschöpft seien. Eine womöglich lebenslange psychosoziale Dauerversorgung falle nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Erforderlich sei eine Stabilisierung durch eine kontinuierliche sozialpsychiatrische Lebensbegleitung und psychopharmakologische Therapie.
Das SG hat im Klageverfahren zunächst einen Befundbericht bei der behandelnden Therapeutin Dr. C. vom 6. Januar 2012 eingeholt. Diese hat darin ausgeführt, dass sie die Klägerin im Mai 1995 während ihrer Facharztausbildung im PKH Haina kennengelernt habe. Sie habe spontan einen guten emotionalen Zugang zur Klägerin gefunden, der sich im Laufe der Zeit zu einer so vertrauensvollen Basis entwickelt habe, dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer vertragspsychotherapeutischen Niederlassung nach fast 17 Jahren Klinikaufenthalt in ihre ambulante Therapie habe entlassen werden können. Zu Beginn habe dies fast tägliche Gesprächskontakte erfordert, die dann sukzessive auf eine Frequenz von 3mal-wöchentlich hätten reduziert werden können. Bis vor drei Jahren habe die Klägerin in einem "bergenden" Zimmer innerhalb des Hauses ihrer Praxis gelebt. Während im PKH Haina noch der Einsatz von bis zu sechs starken Pflegern erforderlich gewesen sei, um die Klägerin in ihrer Zerstörungswut aufzuhalten, gelinge dies nun durch ihr Containment und ihre verbalen Interventionen. Die Behandlungsalternative bestehe in einem "Leben hinter Mauern". Die Notwendigkeit der Fortsetzung der Therapie sei "vergleichbar mit der Dringlichkeit der allmählichen und kontinuierlichen Entschärfung einer Bombe." Es handele sich um eine minutiöse und hoch differenzierte psychodynamische, die einzelnen emotionalen und interaktiven, oft auf massiven Projektionen beruhenden Reaktionen analysierende Therapie mit dem Ziel der Affektregulierung. Auf Veranlassung der Beklagten hat sich Dr. E. hierzu in einer Stellungnahme vom 17. Februar 2012 geäußert. Danach hätten die bisherigen Therapien keine wesentliche Strukturverbesserung bei der Klägerin und damit kein stabiles Ergebnis bewirkt. Es sei kein Nachweis für eine wesentliche intrapsychische Entwicklung der Klägerin erbracht worden. Der offensichtliche Misserfolg werde von der Therapeutin nicht kritisch analysiert. Die angegebenen Verhaltens-Erfolge seien als Ergebnis einer ungewöhnlich intensiven therapeutischen Beziehung einzuschätzen. Es dürfe ein Übertragungseffekt bei intensiver Zuwendung angenommen werden, dessen "Erfolg" von der therapeutischen Beziehung abhängig bleibe und nicht als innerseelische Strukturentwicklung und damit als Reifung oder gar Heilung eingeschätzt werden könne. Es seien sogar Züge einer malignen Regression mit enormer (pathologischer) Abhängigkeit von der Therapeutin anzunehmen. Es liege ein Dauerzustand vor, der durch Therapie nicht wesentlich zu verändern sei, aber durch eine kontinuierliche sozialpsychiatrische Lebensbegleitung und psychopharmakologische Therapie stabilisiert werden könne und müsse. Seitens der Klägerin ist hierzu eine Erwiderung von Dr. C. vom 23. April 2012 vorgelegt worden.
Das SG hat ein Gutachten bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. F. 28. Januar 2013 eingeholt. Danach sei die durchgeführte ambulante Psychotherapie geeignet, eine Verschlimmerung der Erkrankung bei der Klägerin zu verhüten und deren Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierzu bedürfe es psychodynamischer Arbeit. Eine lediglich begleitende psychiatrisch-psychotherapeutische bzw. sozialpsychiatrische Behandlung mit selteneren und kürzeren Behandlungsterminen sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend, um diese Ziele zu erreichen. Sofern diese Therapie beendet werden müsse, wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Exazerbation der psychischen Symptome zu erwarten, mit einer erhöhten Häufigkeit und einer Verschlimmerung der Angst- und Erregungszustände, von selbstschädigendem Verhalten bis hin zur Gefahr eines Suizids oder von fremdschädigenden Handlungen. Eine solche Exazerbation würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine (zwangsweise) stationäre Unterbringung bedeuten, wodurch die destruktive Psychodynamik wieder in Gang käme. Es wäre in diesem Fall eine vermutlich nachhaltige Verschlechterung des psychischen Zustandes zu erwarten. Die derzeitige Therapiefrequenz könne nach einer Übergangszeit von zwei bis drei Monaten auf 2 Stunden wöchentlich reduziert werden. Der Verlauf der Therapie spreche dafür, dass hierdurch eine Verbesserungen der psychischen Fähigkeiten eingetreten sei. Die therapeutische Entwicklung sei als positiv anzusehen. Eine weitere Entwicklung der psychischen Struktur sei möglich. Die von Dr. E. vorgeschlagenen alternativen Behandlungsformen reichten hingegen nicht aus, um die genannten Ziele zu erreichen.
Nachfolgend haben sich der Sachverständige Dr. E. auf Veranlassung der Beklagten in einer Stellungnahme vom 17. Mai 2013 sowie der Sachverständige Dr. F. in einer vom SG angeforderten ergänzenden Stellungnahme vom 22. Juli 2013 wechselseitig geäußert und hierbei ihre jeweiligen Standpunkte nochmals bekräftigt.
Aufgrund eines Vergleichs in einem weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtschutz vor dem SG Marburg (Az. S 6 KR 153/12 ER) hat die Beklagte am 26. Juni 2013 nochmals insgesamt weitere 154 Therapiesitzungen bewilligt.
Das SG hat im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 5. September 2013 Dr. F., Dr. E. sowie Dr. C. als sachverständige Zeugen vernommen. Wegen der Aussagen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG Marburg mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2014 die Bescheide vom 16. August 2010 und 10. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin von den Kosten weiterer 88 bis zum 31. Dezember 2013 durchgeführte Psychotherapiesitzungen freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des Streitgegenstandes des Verfahrens, d.h. hinsichtlich 355 Gesamttherapiestunden, begründet. Soweit der Antrag der Klägerin über diesen Streitgegenstand hinausgehe, sei die Klage hingegen abzuweisen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe es fest, dass die Fortsetzung der vorliegend praktizierten analytische Psychotherapie im Sinne der Psychotherapie-Richtlinien notwendig sei um eine Verschlimmerung der Krankheit der Klägerin zu verhindern. Das Gericht folge insoweit den Einschätzungen des Sachverständigen Dr. F. und der behandelnden Therapeutin Dr. C., die im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 5. September 2013 nachvollziehbar, schlüssig und übereinstimmend dargelegt hätten, dass die Klägerin unter einem extremen und hoch komplexen Krankheitsbild leide, das mit dem Mittel der ambulanten Psychotherapie in der Vergangenheit deutlich gebessert werden konnte und auch noch weiter gebessert werden könne. Dr. F. habe überzeugend ein außergewöhnlich schweres Krankheitsbild bei der Klägerin und den Einzelfallcharakter des Falles dargelegt. Übereinstimmend habe auch Dr. E. das Krankheitsbild in der mündlichen Verhandlung als "hoch pathologisch" definiert. Die Beklagte und Dr. E. gingen jedoch abweichend von den gesetzlichen Vorgaben davon aus, dass die Therapie notwendig sein müsse, um eine Verbesserung des Zustandes zu erzielen. Nach § 1 Abs. 2 Psychotherapie-Richtlinien genüge jedoch auch eine Notwendigkeit der Therapie, um eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes zu verhindern. Eine derartige Therapieeignung liege im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft vor. Die ambulante Therapie habe zumindest eine dauernde Stabilisierung der Klägerin erreicht und damit im Sinne der gesetzlichen Systematik eine Verschlimmerung verhindert. Die Klägerin habe seit Beginn der Therapie nicht mehr stationär behandelt werden müssen, was im Hinblick auf die Krankheitsgeschichte mit jahrelanger stationärer Unterbringung als erhebliche Stabilisierung angesehen werden müsse. Auch prognostisch sei mit Dr. F. und Dr. C. davon auszugehen, dass durch die Fortsetzung der Therapie zumindest eine dauerhafte Stabilisierung der Klägerin und damit ein selbstbestimmtes Leben erreicht werden könne. Das von Dr. E. als abnorm beschriebene enge Verhältnis von Patientin und Therapeutin stelle sich nach den überzeugenden Angaben von Dr. F. im Rahmen der mündlichen Verhandlung als essentieller Bestandteil des Therapieerfolges dar. Dr. F. habe nachvollziehbar dargelegt, dass eine derartige Beziehung immer eine Gratwanderung zwischen beruflicher und persönlicher Beziehung sei. Das Gericht folgt ihm in der Einschätzung, dass Frau Dr. C. mit der Unterbringung der Klägerin im unmittelbaren Umfeld der Praxis und der zu Beginn täglichen Intervention sicherlich einen ungewöhnlichen Weg gewählt habe. Gemessen am erreichten Erfolg erscheine diese Vorgehensweise jedoch hoch anerkennenswert und als äußerst angemessen. Soweit Dr. F. einen Therapeutenwechsel als genauso gravierend wie das Ende der Therapie einschätze, sei dies auf der Grundlage der für die Therapie der Klägerin essentiellen Vertrauensbasis zu Frau Dr. C. ebenso nachvollziehbar. Das Gericht könne der Beklagten insbesondere nicht im Hinblick auf ihre zentrale Argumentation folgen, dass der Einzelfall der Klägerin nicht mehr mit ambulanter Psychotherapie behandelt werden dürfe, weil die Höchstgrenzen der Psychotherapie-Richtlinien bereits überschritten seien. Durch die Psychotherapie-Richtlinien werde der Behandlungsanspruch aus § 27 SGB V konkretisiert. Aus ihnen ergäben sich die grundsätzlichen Rahmenbedingungen, unter denen ambulante Psychotherapie stattfinde. Der Behandlungsumfang und die Behandlungsdauer würden in §§ 23 ff. der Richtlinien näher ausgeführt. Dabei sei in den Richtlinien in § 23 Abs. 2 festgelegt, dass die Begrenzungen die therapeutischen Erfahrungen in den unterschiedlichen Gebieten der Therapie berücksichtigten und einen Behandlungsumfang darstellten, in dem "in der Regel" ein Behandlungserfolg erwartet werden könne. Schon vom Wortlaut her seien Ausnahmekonstellationen von den in den §§ 23 ff. enumerierten Höchstgrenzen damit nicht ausgeschlossen. Dies bedeute konkret, dass es Einzelfälle geben könne, in denen ein Behandlungserfolg im Rahmen dieser Grenzen nicht zu erwarten sei. Soweit Dr. F. erwarte, dass die Therapienotwendigkeit bei der Klägerin lebenslang fortbestehen werde, sei dies von den Richtlinien nicht ausgeschlossen, sondern in besonders begründeten Einzelfällen möglich. Ein solcher Einzelfall liege im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts vor. Die Klägerin leide unter einer schwersten psychischen Krankheit. Sie könne nicht darauf verwiesen werden, eine stationäre Einrichtung aufsuchen zu müssen. Dass diese Konsequenz bei einem Therapieende oder bei Therapeutenwechsel mit hoher Wahrscheinlichkeit drohe, habe Dr. F. in seinem Sachverständigengutachten nachvollziehbar und eindrücklich geschildert. Darüber hinaus habe die Beklagte entsprechend der Präambel der Psychotherapie-Richtlinien bei ihrer Entscheidung auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Behandlung zu berücksichtigen. Soweit Dr. F. ausführe, es sei sehr wahrscheinlich, dass die Klägerin ohne ambulante Therapie wieder stationär psychiatrisch versorgt werden müsse, sei dies ein gewichtiger wirtschaftlicher Aspekt, den die Beklagte bisher unter formaler Bezugnahme auf die Therapiehöchstgrenzen außer Acht gelassen habe. Die von Dr. E. alternativ vorgeschlagenen Optionen sozialpsychiatrische Betreuung und psychopharmakologische Behandlung - würden durch die regelmäßige sozialpsychiatrische Mitbetreuung, Ergotherapie und Medikamententherapie bereits ausgeschöpft. Für das Gericht sei nicht erkennbar und nachvollziehbar, dass und inwieweit dadurch die an den Wurzeln der Erkrankung ansetzende Psychotherapie ersetzt werden könne. Die ausschließliche Durchführung sozialpsychiatrischer Maßnahmen in Kombination mit medikamentöser Therapie sei vorliegend nicht ausreichend, um eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes der Klägerin nachhaltig zu verhindern.
Der Gerichtsbescheid ist am 15. August 2014 an die Beklagte zugestellt worden. Am 9. September 2014 ist die Berufung der Beklagten vor dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Unter Bezugnahme auf ein von ihr veranlasstes Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 2. Oktober 2014 hat sie ausgeführt, das SG lasse den Umstand unberücksichtigt, dass es seitens der Therapeutin zu einer Grenzüberschreitung und Distanzminderung gekommen sei, was eine Therapie im analytischen Sinne von vornherein unmöglich mache. Nach dem Gutachten des MDK liege zwischen der Klägerin und ihrer Therapeutin eine hochpathologische, jegliche therapeutische Grenzen überschreitende Beziehungsgestaltung vor, welche eine deutende Arbeit, wie sie bei der Anwendung einer analytischen Psychotherapie notwendig sei, ausschließe. So habe die Klägerin jahrelang in der Praxis der Therapeutin Dr. C. gewohnt, wodurch von Anfang an die allgemeingültige und gerade in der analytischen Psychotherapie explizit geforderte Abstinenzregel der Psychotherapie außer Kraft gesetzt worden sei. Gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 1 der Psychotherapie-Richtlinie sei die Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, wenn zwar seelisch eine Krankheit vorliege, aber ein Behandlungserfolg nicht erwartet werden könne, weil dafür bei der Patientin die Voraussetzungen hinsichtlich der Motivationslage, der Motivierbarkeit oder der Umstellungsfähigkeit nicht gegeben seien, oder weil die Eigenart der neurotischen Persönlichkeitsstruktur (ggf. die Lebensumstände der Patientin) dem Behandlungserfolg entgegenstehe. Zudem müsse die Wahl des Therapieverfahrens bzw. des methodischen Vorgehens einen Behandlungserfolg in ausreichendem Maße erwarten lasse. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Nach Auffassung des MDK ergebe der bisherige Behandlungsverlauf keinen Hinweis darauf, dass durch weitere Therapiesitzungen in begrenzter Zeit ein Behandlungserfolg im Sinne einer innerseelischen Konfliktklärung oder Strukturentwicklung möglich sei. Die Therapeutin verweise demgegenüber auf einen theoretischen Behandlungsansatz, ohne dabei darzustellen, was bislang mit der Klägerin intrapsychisch erarbeitet und erreicht werden konnte. So verweise sie auf die Notwendigkeit einer "minutiösen und hochdifferenzierten psychodynamischen" Therapie, ohne erkennbar zu machen, worin diese Arbeit inhaltlich konkret bestehe. Der MDK habe in seiner Stellungnahme vom 2. Oktober 2014 ergänzend ausgeführt, dass die beabsichtigte regressiv-deutende Therapie kontraindiziert sei. Die Klägerin benötige vielmehr eine möglicherweise lebenslange Behandlung in einer Psychiatrischen Institutsambulanz sowie flankierende sozialpsychiatrische Maßnahmen. Allein durch diese Maßnahmen könne eine psychische Stabilisierung erreicht werden. Die bestehende therapeutische Beziehung zu Dr. C. müsse aufgrund der chronifizierten Abhängigkeit und der langjährigen therapeutischen Grenzüberschreitung beendet werden. Im Ergebnis sei somit davon auszugehen, dass bereits die Wahl des Therapieverfahrens bzw. des methodischen Vorgehens einen Behandlungserfolg nicht oder nicht ausreichend erwarten lasse. Sofern das SG zur Begründung seiner Entscheidung vortrage, die vom Obergutachter Herrn Dr. E. verschlagenen alternativen Optionen, wie z.B. die pharmakologische Behandlung, seien bereits ausgeschöpft worden, sei darauf hinzuweisen, dass seit dem Jahre 2005 keine medikamentösen Neueinstellungen vorgenommen worden seien. So sei kein Versuch unternommen worden, die Klägerin auf neuere zur Verfügung stehende Psychopharmaka umzustellen. Diesbezüglich sei über Jahre hinweg keine Zweitmeinung von Dr. C. eingeholt worden. Daher sei der Klägerin eine möglicherweise bestehende moderne psychopharmakologische Therapie versagt geblieben.
Die Klägerin hat hierzu eine Erwiderung von Dr. C. vorgelegt in welcher diese ihren Behandlungsansatz nochmals umfassend dargelegt hat. Nachfolgend haben sich sowohl Dr. G. in einem weiteren Gutachten für den MDK vom 12. Februar 2015 sowie Dr. C. in einer vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin zitierten Erklärung wechselseitig geäußert und dabei ihre jeweiligen Standpunkte bekräftigt.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 11. August 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die von ihr zitierten Erwiderungen von Dr. C. zu den im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten des MDK sowie die Ausführungen des Sozialgerichts Marburg in dem angefochtenen Gerichtsbescheid.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid keine Berufung eingelegt, so dass der erstinstanzliche Klageantrag nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, soweit er über die Freistellung von den Kosten hinsichtlich der im Gerichtsbescheid zuerkannten 88 Psychotherapiesitzungen hinausgeht.
Das Sozialgericht Marburg hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 11. August 2014 die Bescheide der Beklagten vom 16. August 2010 und 10. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 zu Recht aufgehoben. Die Beklagte ist verpflichtet, die Kosten der Behandlung der Klägerin bei Dr. C. in der Form von insgesamt 88 Psychotherapie-Sitzungen bis zum 31. Dezember 2013 zu erstatten.
Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) haben Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Krankenkasse rechtswidrig eine Leistung abgelehnt hat. Der Anspruch setzt voraus, dass die Krankenkasse verpflichtet gewesen ist, die selbstbeschaffte Leistung als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung (vgl. hierzu § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringende Krankenbehandlung setzt damit zunächst in grundlegender Weise voraus, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. In allgemeiner Hinsicht sieht § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V vor, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Darüber hinaus stehen die Leistungen unter dem Vorbehalt des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Dies hat zur Konsequenz, dass Versicherte nur die notwendigen bzw. ausreichenden Leistungen beanspruchen können. Diese müssen zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen bzw. Ausreichenden nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V; vgl. Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 – L 8 KR 91/10 –, Rn. 29, juris). Konkretisierungen hinsichtlich der Durchführung psychotherapeutischer Behandlungen enthält zunächst das Psychotherapeutengesetz. Nach dessen § 1 Abs. 3 ist die Ausübung von Psychotherapie jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist. Im Übrigen bestimmt § 28 Abs. 3 SGB V, das die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit durch Psychotherapeuten, soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nach § 92 SGB V durchgeführt wird. Dabei ist gem. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Abs. 6a SGB V in den Richtlinien des GBA zur ärztlichen Behandlung insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln.
Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit und ist auch für den Senat nicht fraglich, dass Dr. C. als Ärztin für Psychiatrie, Psychoanalyse und Psychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene grundsätzlich berechtigt ist, die von ihr durchgeführte analytische Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Von der Beklagten wurde insbesondere auch die kassenärztliche Zulassung von Dr. C. nicht in Abrede gestellt.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Sozialgerichts Marburg bestehen für den Senat keine Zweifel, dass die von der Klägerin jeweils vor der Durchführung der streitgegenständlichen Therapiesitzungen bei Dr. C. beantragten Behandlungsmaßnahmen notwendig gewesen sind, um eine Verschlimmerung der bei ihr bestehenden Erkrankung in Form einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (Angst- und Zwangsstörung) zu verhindern. Der Senat folgt insoweit den wissenschaftlich begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen des erstinstanzlich angehörten Sachverständigen Dr. F. in dessen schriftlichem Gutachten vom 28. Januar 2013, seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2013 sowie seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts Marburg vom 5. September 2013. Danach war die von Dr. C. durchgeführte ambulante Psychotherapie geeignet, eine Verschlimmerung der Erkrankung bei der Klägerin zu verhüten und deren Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die von der Beklagten und deren beratenden Ärzten als ausreichend angesehene begleitende psychiatrisch-psychotherapeutische bzw. sozialpsychiatrische Behandlung mit selteneren und kürzeren Behandlungsterminen wäre nach den Ausführungen des Sachverständigen hingegen mit am Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ausreichend, um diese Ziele zu erreichen. Danach kommt die Durchführung einer Verhaltenstherapie bei der Klägerin nicht in Betracht, weil bei ihr die Arbeit an der unbewussten Psychodynamik von zentraler Bedeutung ist. Aus diesem Grund wäre auch die Beschränkung der Behandlung der Klägerin auf eine psychiatrisch begleitende Therapie nicht zielführend und keine Alternative zu der beantragten und durchgeführten analytischen Psychotherapie. Von Dr. F. wurde weiterhin schlüssig dargelegt, dass bei einem Abbruch der von Dr. C. durchgeführte Langzeittherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Exazerbation der psychischen Symptome mit einer erhöhten Häufigkeit und einer Verschlimmerung der Angst- und Erregungszustände, von selbstschädigendem Verhalten bis hin zur Gefahr eines Suizids oder von fremdschädigenden Handlungen sowie als weitere Folge mit hoher Wahrscheinlichkeit eine (zwangsweise) stationäre Unterbringung der Klägerin zu befürchten wäre, wodurch die destruktive Psychodynamik bei ihr wieder in Gang käme. Der Senat vermag den Ausführungen von Dr. F. auch insoweit zu folgen, als in diesem Fall vermutlich eine nachhaltige Verschlechterung des psychischen Zustandes zu erwarten wäre.
Die gegenteilige Auffassung der Beklagten, welche insbesondere auf den Ausführungen des von ihr gehörten Sachverständigen Dr. E. sowie dem MDK-Gutachten vom 2. Oktober 2014 beruht, wonach die analytische Psychotherapie durch Dr. C. bislang keine wesentliche Strukturverbesserung bei der Klägerin und damit kein stabiles Ergebnis bewirkt habe und kein Nachweis für eine wesentliche intrapsychische Entwicklung der Klägerin erbracht worden sei, vermag der Senat demgegenüber nicht nachzuvollziehen. Dagegen spricht insbesondere, dass es Dr. C. mittels der streitgegenständlichen Therapie offensichtlich gelungen ist, die Folgen der psychische Erkrankung der Klägerin soweit zu bessern, dass dieser zwischenzeitlich ein relativ eigenständiges Leben außerhalb der stationären Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus möglich geworden ist. Dabei ist es im Laufe der Behandlung auch zu einer deutlichen Verringerung der wöchentlichen Therapiesitzungen gekommen. Dies spricht auch gegen die Annahme von Dr. E., wonach die angegebenen Verhaltens-Erfolge lediglich als Ergebnis einer ungewöhnlich intensiven therapeutischen Beziehung einzuschätzen seien und ein Übertragungseffekt bei intensiver Zuwendung bestehe, dessen Erfolg von der therapeutischen Beziehung abhängig bleibe und nicht als innerseelische Strukturentwicklung und damit als Reifung oder gar Heilung eingeschätzt werden könne. Mit der von Dr. E. angenommenen "enormen pathologischen Abhängigkeit von der Therapeutin," durch welche ein Dauerzustand manifestiert worden sei, der durch Fortführung der Therapie nicht wesentlich verändert werden könne, lässt es sich nach Überzeugung des Senats nicht in Einklang bringen, dass aufgrund der streitgegenständlichen Psychotherapie eine deutliche Verringerung der Frequenz der durchgeführten Sitzungen sowie auch eine zunehmende räumliche Trennung der Klägerin von Dr. C. mit dem Bezug einer eigenen Wohnung erzielt worden konnte. Soweit Dr. E. eine kontinuierliche sozialpsychiatrische Lebensbegleitung und psychopharmakologische Therapie als Behandlung der Klägerin für ausreichend erachtet, lässt sich dies mit der außerordentlichen Schwere der Erkrankung der Klägerin, wie sie sich übereinstimmend aus den vorliegenden Befundmitteilungen ihrer behandelnden Ärzte sowie dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. ergibt, nicht in Einklang bringen. Für den Senat ergibt sich allein schon aufgrund des Vergleichs der Beschreibung des Zustandes der Klägerin während ihrer stationären Behandlung bis 1998 mit ihrer gegenwärtigen Lebenssituation, dass es bei dieser zu einer ganz erheblichen Verbesserung und Stabilisierung der Folgen ihrer - zweifelsfrei - letztendlich unheilbaren psychischen Erkrankung gekommen ist. Zur Überzeugung des Senats lässt sich dieser Behandlungserfolg allein auf die langjährige, kontinuierliche analytische Psychotherapie durch Dr. C. zurückführen.
Dem Anspruch der Klägerin stehen auch nicht die Regelungen in der Richtlinie Psychotherapie des GBA über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie, in der Fassung vom 19. Februar 2009, BAnz 58, 1 399) entgegen, die auf der Grundlage des § 92 Abs. 6a SGB V ergangen ist. Das Sozialgericht Marburg hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich bei den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinie hinsichtlich der Behandlungshöchstdauer lediglich um Soll-Vorgaben handelt, innerhalb derer in der Regel ein Behandlungserfolg erwartet werden kann. Mit der Formulierung des § 23b Abs. 1 Nr. 9 wonach die nachfolgende Höchstgrenzen "grundsätzlich" einzuhalten sind, bringt der Normgeber zum Ausdruck, dass Ausnahmen zulässig sind (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18. Juni 2010 – L 5 KR 95/10 B ER, L 5 KR 95/10 KR ER PKH –, juris). Durch den GBA werden insoweit lediglich "typische Fallgruppen" festgelegt, mit der Folge, dass in atypischen Fällen hiervon abgewichen werden kann, sofern dies der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage entspricht (KassKomm/Nolte, SGB V, 89. EL März 2016, § 29, Rn. 21). Aufgrund der vorliegenden Befundberichte der behandelnden Ärzte, der umfangreichen Behandlungsberichte von Dr. C. sowie den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. bestehen für den Senat keinen Zweifel, dass es sich bei der Behandlung der Klägerin um einen solchen atypischen Fall handelt, der eine Überschreitung der Behandlungshöchstdauer gemäß § 23b der Psychotherapie-Richtlinie ohne weiteres rechtfertigt.
Der weitere Einwand von Dr. G. im Gutachten für den MDK vom 2. Oktober 2014, wonach vorliegend die Psychotherapie als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 1 der Psychotherapie-Richtlinie ausgeschlossen sei, da ein Behandlungserfolg nicht erwartet werden könne, weil dafür bei der Klägerin die Voraussetzungen hinsichtlich der Motivationslage, der Motivierbarkeit oder der Umstellungsfähigkeit nicht gegeben seien, oder weil die Eigenart der neurotischen Persönlichkeitsstruktur bzw. die Lebensumstände der Klägerin dem Behandlungserfolg entgegenstehe, vermag den Senat ebenfalls nicht zu überzeugen. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden, wonach aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme für den Senat keine Zweifel bestehen, dass die von Dr. C. durchgeführte ambulante Psychotherapie zu einer erheblichen Stabilisierung der Klägerin geführt hat und bei jeder anderen, von der Beklagten alternativ in Betracht gezogenen Behandlung von der konkreten Gefahr einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin ausgegangen werden muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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