Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 46 R 1579/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 1095/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Dortmund vom 13.11.2014 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 142.582,07 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die 1946 geborene Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5.9.2014, mit dem diese von ihr eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2012 in Höhe von 570.328,30 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 235.381,50 Euro fordert.
Sie betreibt seit dem Jahr 2001 einen mobilen Einzelhandel mit Fisch, Meeresfrüchten und Fischerzeugnissen. Sie verkauft unter Einsatz von sechs - auf ihren Namen angemeldeten - Verkaufswagen Fisch und Fischbrötchen auf Märkten und Festen. Sie übernahm diesen Betrieb von ihrem Ehemann - Herrn N S -, nachdem dieser nach einer Betriebs- und Steuerfahndungsprüfung erhebliche Steuerrückstände nicht beglichen hatte (Gewerbeabmeldung v. 31.3.2001). Er übertrug zu diesem Zweck den Fuhrpark und das weitere bewegliche Anlagevermögen auf die Antragstellerin, die zuvor bei ihm als Verkaufs- und Reinigungskraft tätig gewesen war. Das Betriebsgelände einschließlich Wohngebäude wurde auf den Sohn, Herrn C S, und die Tochter, Frau S S, übertragen, die es der Antragstellerin zur Nutzung unentgeltlich überließen. Die Antragstellerin beschäftigte zudem ihren Sohn als festangestellten Arbeitnehmer. Daneben waren von September bis Oktober 2007 Frau K L und für die Monate Dezember 2009 bis Februar 2010 Frau Q L festangestellt. Ansonsten sollen - was zwischen den Beteiligten streitig ist - im Wesentlichen Aushilfen beschäftigt worden sein.
Bei der Antragstellerin fand ab Oktober 2012 eine Lohnsteueraußenprüfung statt, die den Zeitraum Januar 2002 bis September 2012 umfasste. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass Lohnzahlungen nicht ordnungsmäßig aufgezeichnet worden waren. So wiesen Stundenaufzeichnungen Arbeitszeiten von weniger als eine Stunde je Tag auf. Zudem stimmten die Arbeitszeiten in den Aufzeichnungen nicht mit im Rahmen der Prüfung vorgelegten weiteren Unterlagen (Fahrtenbücher, Quittungen, etc.) überein. Ferner sagten verschiedene Mitarbeiter der Antragstellerin in Zeugenvernehmungen aus, Schwarzlohnzahlungen erhalten zu haben (z.B. Aussagen von E T, J N, K T und Q L). Das zuständige Finanzamt (FA) M führte daraufhin eine Stundenkalkulation durch, wobei es sich um ein einheitliches Kalkulationsverfahren für den Prüfungszeitraum handelte, in welchem es stets die gleichen Stundenlöhne erfasste. Für 2002 erfolgte die Schätzung anhand der Unterlagen für 2003. Das FA erließ zunächst einen Haftungsbescheid in Höhe von insgesamt 59.453,98 Euro. In diesem waren die betrieblichen Schwarzlohnzahlungen für den Zeitraum Januar 2006 bis September 2012 nicht erfasst, da das FA davon ausging, dass diese Zahlungen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zwischen Antragstellerin und ihrem Sohn, C S, zu erfassen seien. Nachdem das Finanzgericht (FG) Münster in einem Beschluss vom 2.9.2013 (7 V 2358/13 G, U, F) zu der Auffassung gelangt war, eine Familien-GbR liege nicht vor, änderte das FA den Bescheid gegenüber der Antragstellerin ab und forderte nunmehr 121.564,71 Euro (Haftungsbescheid v. 4.12.2013). Die Antragstelerin beantragte hiergegen die Aussetzung der Vollziehung vor dem FG Münster (7 V 963/14 L). Das FG setzte mit Beschluss vom 28.4.2014 die Vollziehung des Haftungsbescheides in Höhe von 50 % der festgesetzten Haftungssumme vorläufig aus. Dabei verwies es darauf, dass sich nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel daran ergeben hätten, dass die Antragstellerin Schwarzlöhne an ihre Arbeitnehmer gezahlt habe. Auch die Schätzung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere habe die Antragstellerin keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über ihre Lohnzahlungen vorlegen können. Allerdings ergäben sich ernstliche Zweifel am beitragspflichtigen Ansatz der erfassten Schwarzlöhne sowie an der vorgenommenen Versteuerung aus der Übernahme der Steuerabzugsbeträge der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Über die anhängige Klage vor dem FG Münster (7 K 2862/13 L) ist nach derzeitigem Kenntnisstand noch nicht entschieden.
Zudem leitete das Hauptzollamt (HZA) C u.a. gegen die Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren ein, welches bei der Staatsanwaltschaft (StA) Q unter dem Az. xxx geführt wird. Zwischenzeitlich wurde Anklage am 12.5.2015 erhoben. Das Landgericht (LG) Q hat über die Eröffnung der Hauptverhandlung noch nicht entschieden.
Die Antragsgegnerin führte unter Auswertung der ihr durch das FA und das HZA zur Verfügung gestellten Unterlagen bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Mit Anhörungsschreiben vom 17.5.2013 teilte sie ihre Absicht mit, von der Antragstellerin Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2012 in Höhe von 570.328,30 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 235.381,50 Euro zu erheben. Es sei festgestellt worden, dass Stundenaufzeichnungen der bei der Antragstellerin beschäftigten Personen nicht ordnungsgemäß geführt worden seien. Aus Zeugenaussagen habe sich ergeben, dass in erheblichem Umfang Schwarzlohnzahlungen an diverse, namentlich nicht bekannte bzw. nicht zuordenbare Arbeitnehmer geleistet worden seien. Die Höhe sei nach der Stundenkalkulation durch die Finanzverwaltung geschätzt worden. Entsprechende Meldungen bei der Einzugsstelle habe die Antragstellerin nicht gemacht. Sie wurde zudem unter Fristsetzung bis zum 14.6.2013 aufgefordert, für alle beschäftigten Arbeitnehmer vollständige Entgeltaufzeichnungen vorzulegen.
Nachdem durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin lediglich eine Durchschrift eines Schreibens vom 4.7.2013 an das FA M übersandt wurde und die Frist zur Vorlage vollständiger Entgeltaufzeichnungen im Übrigen ungenutzt verstrich, forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Betriebsprüfungsbescheid vom 5.9.2014 Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2012 in Höhe von 570.328,30 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 235.381,50 Euro nach. Die Antragsgegnerin wiederholte zunächst ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben. Da die Antragstellerin der Vorlageaufforderung nicht nachgekommen sei, habe unter Anwendung des § 28f Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) eine nicht personenbezogene Berechnung der nachzufordernden Sozialversicherungsbeiträge auf Schätzungsbasis erfolgen dürfen. Zudem sei ab dem 1.8.2002 nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV eine Hochrechnung der Entgelte erfolgt. Die Forderung sei im Übrigen nicht verjährt. Säumniszuschläge seien zu erheben.
Dagegen erhob die Antragstellerin am 12.9.2014 Widerspruch. Schwarzgeldzahlungen würden sowohl im Rahmen dieses Verfahrens als auch gegenüber dem FG bestritten. Die Schätzung und die daraus resultierende Höhe der Entgelte seien nicht nachvollziehbar. Sie überstiegen die Einnahmen aus dem Betrieb bei weitem. Es sei sinnvoll, zunächst das finanzgerichtliche Verfahren abzuwarten und die sofortige Vollziehung zumindest solange auszusetzen. Die Antragsgegnerin lehnte den Aussetzungsantrag mit Schreiben vom 19.9.2014 ab. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Am 29.9.2014 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Dortmund einstweiligen Rechtsschutz begehrt und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Schätzung sei rechtswidrig. Sie gehe von neunstündigen Arbeitstagen aus, obgleich dies sich durch Zeugenaussagen nicht bestätigen lasse. Sie, die Antragstellerin, habe nur Aushilfen beschäftigt, die grundsätzlich weiteren Beschäftigungen nachgegangen und so nicht in der Lage gewesen seien, Vollzeit für sie tätig zu werden. Die Vernehmungen seien wenig gründlich durchgeführt worden. Es seien nur Mitarbeiterinnen der Jahre 2006 bis 2012 vernommen werden. Über welchen Zeitraum diese tatsächlich tätig geworden seien und in welchem Umfang ggf. Schwarzlohnzahlungen geflossen seien, lasse sich den Vernehmungsniederschriften nicht entnehmen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass mehrere Zeuginnen auch Schwarzlohnzahlungen bestritten hätten. Zahlungen seien sowieso nur im Bereich bis 400,00 Euro erfolgt. Ob die Grundlagen der Schätzung rechtmäßig gewesen seien, sei letztlich im Hauptsacheverfahren zu klären. Die sofortige Vollziehung stelle zudem eine unbillige Härte für sie, die Antragstellerin, dar. Sie sei dann nicht in der Lage, ihren Betrieb fortzuführen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid vom 5.9.2014 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehabt. Die Antragstellerin habe im Eilverfahren vor dem FG Münster zwar teilweise obsiegt, jedoch habe auch das FG weder Zweifel an den Schwarzlohnzahlungen der Antragstellerin geäußert noch daran, dass das FA grundsätzlich zur Schätzung der Schwarzlöhne berechtigt gewesen sei, da die Antragstellerin über keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen verfüge.
Mit Beschluss vom 13.11.2014 hat das SG sodann den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 13.11.2014 zunächst per Telefaxschreiben zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2.12.2014 Beschwerde erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG habe sich zu den Säumniszuschlägen nicht geäußert. Ferner habe es nicht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin lediglich die Unterlagen der Finanzverwaltung geprüft habe. Eigene Ermittlungen habe sie nicht durchgeführt. Das Verfahren dort sei nicht abgeschlossen, eine Beweisaufnahme werde demnächst durchgeführt. Die Zahlungen an die Aushilfen seien sozialabgabenfrei gewesen, deshalb könne es gar nicht zu einer Nachzahlung kommen. Das SG habe auch zu Unrecht die unbillige Härte verneint. Ihr Ehemann erhalte eine monatliche Altersrente in Höhe von 600,00 Euro. Sie besäßen beide kein eigenes Sach- oder Grundvermögen. Das Betriebsvermögen sei zur Kreditabsicherung sicherheitsübereignet. Das Geschäftskonto weise ein Guthaben zwischen 7-10.000,00 Euro im Jahr aus. Das Betriebsergebnis im Jahr 2013 habe bei 26.952,04 Euro gelegen. Sie hat eine auf den 3.12.2014 datierende eidesstattliche Versicherung vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.11.2014 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid vom 5.9.2014 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Verfahrens L 8 R 1096/14 B ER einschließlich der dortigen Beiakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5.9.2014 ist nicht anzuordnen.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).
Nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird. Derzeit spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin zutreffend im Rahmen eines nicht personenbezogenen Summenbescheides unter Heranziehung der durch das FA vorgenommenen Schätzung und unter Annahme einer fiktiven Nettolohnabrede die Höhe der nachzufordernden Beiträge ermittelt hat (hierzu unter 3.) Diese waren zudem nicht verjährt (hierzu unter 4.). Schließlich ist weder die Erhebung von Säumniszuschlägen zu beanstanden noch eine unbillige Härte glaubhaft gemacht (hierzu unter 5.).
1. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des - formell rechtmäßigen - Prüfbescheides durch die Antragsgegnerin ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
2. Unstreitig standen die bei der Antragstellerin Beschäftigten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt, sodass sie grundsätzlich als Arbeitgeberin die Pflicht zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge trifft. Gegenteiliges hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Sie hat vielmehr insoweit bestätigend erklärt, dass ihre Aushilfen stets im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig würden.
3. Es spricht zudem mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin auch zum Erlass eines nicht personenbezogenen Lohnsummenbescheids berechtigt gewesen ist.
Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Zum Nachweis der richtigen Beitragszahlung hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle Beitragsnachweise zu übermitteln, § 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV. Hat ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Soweit er die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen (§ 28f Abs. 2 Sätze 1, 3 und 4 SGB IV).
Ob der prüfende Rentenversicherungsträger einen Summenbescheid erlassen darf, beurteilt sich nach den Verhältnissen bei Bekanntgabe des Bescheides. Entscheidend ist, ob aufgrund einer Gesamtwürdigung der Erlass eines Summenbescheides verhältnismäßig ist. Dies kann im gerichtlichen Verfahren voll überprüft werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil v. 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R, SozR 3-2400 § 24f Nr. 3; Senat, Urteil v. 28.4.2010, L 8 R 30/09, juris, jeweils m.w.N.). Ist im Einzelfall eine Schätzung zulässig, so ist auch diese gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass dem prüfenden Rentenversicherungsträger ein Ermessen eingeräumt wäre. Seine Schätzung soll der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Auch wenn er bei der Wahl der Schätzmethoden frei ist, muss er von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen und eigene, sozialversicherungsrechtliche Maßstäbe anlegen (vgl. Werner in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28f Rdnr. 65 ff.; Senat, Beschlüsse v. 6.12.2011, L 8 R 701/11 B ER und 6.6.2016, L 8 R 972/14 B ER, jeweils juris). Dabei ist er in der Wahl seiner Mittel frei, selbst wenn das Ergebnis für den Beitragsschuldner einmal nicht das Günstigste ist (vgl. Werner, a.a.O., § 28f Rdnr. 67).
a) Zunächst bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass die Voraussetzungen zum Erlass eines Summenbescheides im Streitzeitraum insoweit vorgelegen haben, als die Antragstellerin ihre Aufzeichnungspflicht nach § 28f Abs. 1 SGB VI nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
aa) Hiervon gehen das FA M und das FG Münster ebenso aus wie die StA Q im Rahmen ihrer Anklageschrift (dort S. 58ff.). Der im Rahmen des vorliegenden Anhörungsverfahrens ergangenen Aufforderung der Antragsgegnerin, nunmehr für alle beschäftigten Arbeitnehmer vollständige Entgeltaufzeichnungen vorzulegen, ist die Antragstellerin nicht nachgekommen. Es obliegt ihr damit weiterhin, durch Nachholung der bisher unterbliebenen Angaben nebst Nachweisen eine Beitragsermittlung bezogen auf individualisierbare Versicherte zu ermöglichen.
bb) Etwas anderes ergibt sich bei summarischer Prüfung auch nicht aus den bisher durchgeführten Zeugenvernehmungen.
(1) So hat insbesondere die Zeugin L detailreich die Zahlungen von Schwarzlohn in Höhe von 50,00 Euro pro Woche zu den monatlichen Zahlungen von 100,00 Euro beschrieben (Vernehmung durch das HZA C v. 9.11.2012). Sie habe das Geld in bar in einem Umschlag von N S bekommen. Alle, die für die Ss gearbeitet hätten, hätten einen solchen Umschlag erhalten. Bei Schützenfesten habe es auch einmal 200,00 Euro Schwarzlohn gegeben. Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht nicht zuletzt, dass die Zeugin sie trotz gegenläufiger Eigeninteressen (Bezug von Arbeitslosengeld II ohne Angabe der tatsächlichen Verdienste, Anmietung einer Mietwohnung der Familie S, zum 30.11.2012 gekündigt; scheinbar versuchte Einflussnahme des N S auf Zeugen [Gefährderansprache v. 13.11.2012]) gemacht hat. Sie wird zudem im Wesentlichen durch die Zeuginnen T (Vernehmungen v. 8.11. und 11.12.2012), T (Vernehmung v. 12.11.2012) und N (Vernehmung v. 26.11.2012) bestätigt.
Dass - auch angesichts im Übrigen z.T. widersprüchlicher Zeugenaussagen - im Hauptsacheverfahren ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sein werden, führt im vorliegenden Fall nicht dazu, dass der Antrag im einstweiligen Rechtschutz Erfolg hat und es zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; juris, jeweils m.w.N.).
(2) Zudem werden die weiteren bereits durch das FA festgestellten Unstimmigkeiten weder durch die Antragstellerin substantiiert ausgeräumt noch lassen sie sich bisher anhand der Zeugenaussagen plausibel erklären.
(a) Die Widersprüche zwischen den Stundenaufzeichnungen und den Fahrtenbüchern sowie den Standgebührenquittungen wurden nicht im Ansatz beseitigt. In den Fahrtbüchern der Fahrzeuge, mit denen die Verkaufswagen zu den jeweiligen Einsatzorten gefahren wurden, werden Marktverkäuferinnen (z.B. die Damen N, T) als Fahrer verzeichnet, die nach den Stundenaufzeichnungen an diesen Tagen gar nicht im Einsatz gewesen sind. Den bei der Marktleitung der Stadt Warstein am Markttag zu quittierenden Standgebühren sind Namen von Aushilfen der Antragstellerin zu entnehmen, die ebenfalls an diesen Tagen nach den geführten Stundenaufzeichnungen nicht für die Antragstellerin tätig gewesen sein sollen. Dies gilt besonders auffällig für die Zeugin E T, die, obgleich sie nach den Aufzeichnungen der Antragstellerin im Jahr 2008 bei ihr nicht beschäftigt gewesen sein soll, mehrfach in diesem Jahr für sie diese Quittungen unterzeichnet hat. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum v. 15.5.2014 (dort S. 29ff.) Bezug genommen.
(b) Die abgerechneten Stunden zwischen 3,5 bis 4,2 Stunden pro Markttag sind unter Berücksichtigung der Marktzeiten von ca. 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr zzgl. Auf- und Abbau sowie An- und Abfahrt wenig nachvollziehbar. Nicht mehr nachzuvollziehen sind stets wieder abgerechnete Zeiten von 30 bzw. 60 Minuten. Dazu passen die Angaben der Zeugin L, die mitgeteilt hat, dass sie an Markttagen gegen 6.00 Uhr morgens auf dem Betriebsgelände erschienen und gegen 13.30/14.00 Uhr zurückgekommen sei (Vernehmung des HZA v. 9.11.2012). Mehrfach haben Zeuginnen verneint, dass sie Zeiten von unter einer Stunde für die Antragstellerin tätig gewesen seien.
(c) Nicht erklärt hat die Antragstellerin weiter, wie es an Tagen (nach Feststellung des FA mindestens 55 Tage), an denen alle Verkaufswagen zeitgleich auf Wochenmärkten im Einsatz waren, dazu kam, dass sich in den Lohnaufzeichnungen keine Arbeitnehmereinsätze befinden.
b) Die Schätzung weist nach summarischer Prüfung auch keine durchgreifenden Mängel auf, denn sie geht von nachvollziehbaren Erwägungen aus. Die Antragsgegnerin stützt sich für die Bestimmung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts und der daraus resultierenden Nachforderung des Gesamtsozialbersicherungsbeitrags auf die Feststellungen des FA und die dort vorgenommene Schätzung der geflossenen Zahlungen.
aa) Das FA hat seiner Schätzung als Ausgangspunkt die von der Antragstellerin besuchten Märkte und Sonderveranstaltungen zugrunde gelegt, die sich aus ihren Kassenberichten ergeben. Bei der Besetzung der Verkaufswagen auf Wochenmärkten ist es unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen von einer Person und einer Entlohnung von 35,00 Euro ausgegangen. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Antragstellerin nach den Zeugenaussagen auf den Wochenmärkten in Arnsberg, Belecke, Brakel und Sundern allein gearbeitet hat. Zu ihren Gunsten hat es unterstellt, dass sie keine Krankheits- und Urlaubstage gehabt habe. Ein Ansatz von Lohnstunden für die Antragstellerin ist nicht erfolgt. Bei Sonderveranstaltungen ist ebenfalls u.a. unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und Öffnungszeiten von einer Besetzung von mindestens zwei und bei der Montgolfiade von mindestens vier Arbeitskräften außer der Familie S und einem Stundenlohn von 6,00 Euro ausgegangen worden. Wagenreinigungen, grundsätzlich samstags durchgeführt, sind mit einem Arbeitslohn von 17,50 Euro pro Wagen angesetzt worden, wobei ein Wagen von der Antragstellerin oder ihrem Sohn gereinigt worden ist. Gleichfalls an Samstagen wurden Reinigungsarbeiten in der Spülküche und auf dem Betriebsgelände vorgenommen. Das FA hat den Zeugenaussagen einen Arbeitsaufwand von fünf Stunden entnommen, die durch zwei Arbeitskräfte geleistet wurden. Den Lohn hat es mit 6,00 Euro pro Stunde angesetzt. Die Reinigungsarbeiten am Mittwoch erfolgten hingegen durch die Antragstellerin oder ihren Sohn. Die durch den Steuerberater der Antragstellerin mitgeteilten Lohndaten sind nach Bereinigung der Entgelte an den Sohn der Antragstellerin berücksichtigt worden. Im Übrigen wird auf den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum v. 15.5.2014 (dort S. 54ff.) Bezug genommen
bb) Den insofern nachvollziehbaren Schlussfolgerungen der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag ist nicht geeignet, die Angaben der Antragsgegnerin zu erschüttern.
(1) Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie habe nur geringfügig entlohnte Mitarbeiter beschäftigt, hat sie dies nicht im Ansatz glaubhaft gemacht. Vollständige Lohnaufzeichnungen hat sie auch im Anhörungsverfahren nicht vorgelegt. Hinsichtlich der Zeugenaussagen, auf die sie sich bezieht, kann auf die oben bereits ausgeführten, nicht ausgeräumten Unstimmigkeiten Bezug genommen.
Der Senat verweist daher lediglich ergänzend darauf, dass eine entgeltgeringfügige führende Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, § 7 SGB V und § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI zwar zur grundsätzlichen Versicherungsfreiheit in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung führt. In diesem Fall besteht jedoch die Pflicht zur Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitgeber in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 249b Satz 1 SGB V, § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI), denn eine Zeitgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV hat die Antragstellerin bereits im Ansatz nicht dargelegt.
(2) Es ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin nicht befugt war, die getroffenen Feststellungen auf die Erkenntnisse der Finanzverwaltung sowie des HZA zu stützen. Aus diesen ergeben sich im vorliegenden Fall im Rahmen der summarischen Prüfung ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme von Schwarzlohnzahlungen der Antragstellerin, denen diese nicht substantiiert entgegengetreten ist (vgl. zur Verwertung von Erkenntnissen der Finanzbehörden bereits Senat, Beschluss v. 27.6.2016, L 8 R 181/15 B ER, juris).
(3) Ein Abwarten des Ausgangs des Verfahrens vor dem FG Münster und des Eröffnungsverfahrens vor dem LG Q ist nicht erforderlich. Auch wenn die Antragsgegnerin auf die dortigen Ermittlungen zurückgreifen kann, ist sie in ihrer rechtlichen Schlussfolgerung daran ebenso wenig gebunden wie die Sozialgerichte (LSG Hamburg, Urteil v. 10.12.2012, L 2 R 13/09, juris m.w.N.; Senat, Beschluss v. 27.4.2016, L 8 R 300/15 B ER, juris).
c) Es spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin bei der Berechnung der Beitragshöhe ab dem 1.8.2002 von einer fiktiven Nettolohnvereinbarung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ausgehen durfte.
aa) Wenn nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart ist, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Demgegenüber gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, für die Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind, ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. Dabei ist objektiv erforderlich, dass zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts verletzt und subjektiv diese Pflichtverletzung zumindest bedingt vorsätzlich begangen worden ist (BSG Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13; Senat, Beschluss v. 29.4.2014, L 8 R 752/13 B ER; Senat, Beschluss v. 23.6.2014, L 8 R 206/13 B ER).
bb) Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin gegen die aus §§ 28a Abs. 1, 28e Abs. 1 SGB IV folgende Pflicht zur Meldung und Beitragszahlung verstoßen hat. Zudem ist überwiegend wahrscheinlich von einer zumindest bedingt vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung auszugehen. Es genügt, dass der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Hiervon ist aber vorliegend im Rahmen der summarischen Prüfung schon allein deswegen auszugehen, weil der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte von Gewicht für das Vorliegen von selbständigen Tätigkeiten oder zeitgeringfügigen Beschäftigungen bietet.
d) Ein Fehler bei der Ausübung des von § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV ("kann") eingeräumten Ermessens ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, dass eine personenbezogene Zuordnung der Beiträge nicht möglich gewesen sei. Eine andere Möglichkeit zur Erfüllung ihrer in § 76 Abs. 1 SGB IV geregelten Verpflichtung, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, stand ihr daher nicht zur Verfügung. Im Übrigen können die Ermessenserwägungen im Widerspruchsverfahren ggf. noch ergänzt werden (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X; vgl. Senat, Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, juris).
4. Die Nachforderung ist zudem nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese Vorschrift kommt auch dann zum Tragen, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, jedoch bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7; Senat, Beschluss v. 7.11.2012, L 8 R 699/12 B ER, juris), wobei bedingter Vorsatz ausreicht (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Bedingt vorsätzlich hat der Beitragsschuldner gehandelt, der seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
5. Die Verpflichtung, Säumniszuschläge zu verlangen, folgt aus § 24 Abs. 1 SGB IV. Der Einwand der Antragstellerin, da keine weiteren Entgeltzahlungen zu verbeitragen seien, könnten daraus auch keine Säumniszuschläge entstehen, geht fehl. Sie ist der Schätzung der Antragsgegnerin bereits nicht substantiiert entgegen getreten. Sie hat zudem nicht glaubhaft gemacht, dass ihre Aufzeichnungen vollständig und keine weiteren Entgelte geflossen seien. Aus den obigen Gründen ist davon vielmehr gerade nicht auszugehen. Für eine unverschuldete Nichtentrichtung der Beiträge nach § 24 Abs. 2 SGB IV bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.
6. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides eine unbillige Härte bedeuten würde. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind auch nach Auswertung der durch die Antragsgegnerin eingereichten Unterlagen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 287/11 B ER, juris). Entsprechendes wurde weder substantiiert vorgetragen noch im Ansatz glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat es versäumt, zu ihrer aktuellen privaten und betrieblichen Einkommens- und Vermögenslage Auskunft zu geben und diese glaubhaft zu machen. Die bisherigen Angaben sowie die Versicherung an Eides statt beziehen sich auf die Jahre 2013 und 2014.
Hinsichtlich etwaiger mit dem Forderungseinzug verbundener wirtschaftlicher Härten hat sich die Antragstellerin im Übrigen an die zuständige Einzugsstelle zu wenden. Diese hat als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV) über Fragen des Forderungseinzugs zu befinden und insoweit über eine etwaige Stundung, einen Erlass oder die Niederschlagung der Beitragsforderung (§ 76 Abs. 3 SGB IV) sowie die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 257 Abgabenordnung) zu entscheiden (vgl. zur Zuständigkeit der Einzugsstelle im Rahmen des Beitragseinzugs auch jüngst BSG, Urteil v. 28.5.2015, B 12 R 16/13 R, juris, Rdnr. 23; Senat, Beschlüsse v. 23.9.2015, L 8 R 677/14 B ER und v. 6.6.2016, L 8 R 84/15 B ER; jeweils juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die 1946 geborene Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5.9.2014, mit dem diese von ihr eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2012 in Höhe von 570.328,30 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 235.381,50 Euro fordert.
Sie betreibt seit dem Jahr 2001 einen mobilen Einzelhandel mit Fisch, Meeresfrüchten und Fischerzeugnissen. Sie verkauft unter Einsatz von sechs - auf ihren Namen angemeldeten - Verkaufswagen Fisch und Fischbrötchen auf Märkten und Festen. Sie übernahm diesen Betrieb von ihrem Ehemann - Herrn N S -, nachdem dieser nach einer Betriebs- und Steuerfahndungsprüfung erhebliche Steuerrückstände nicht beglichen hatte (Gewerbeabmeldung v. 31.3.2001). Er übertrug zu diesem Zweck den Fuhrpark und das weitere bewegliche Anlagevermögen auf die Antragstellerin, die zuvor bei ihm als Verkaufs- und Reinigungskraft tätig gewesen war. Das Betriebsgelände einschließlich Wohngebäude wurde auf den Sohn, Herrn C S, und die Tochter, Frau S S, übertragen, die es der Antragstellerin zur Nutzung unentgeltlich überließen. Die Antragstellerin beschäftigte zudem ihren Sohn als festangestellten Arbeitnehmer. Daneben waren von September bis Oktober 2007 Frau K L und für die Monate Dezember 2009 bis Februar 2010 Frau Q L festangestellt. Ansonsten sollen - was zwischen den Beteiligten streitig ist - im Wesentlichen Aushilfen beschäftigt worden sein.
Bei der Antragstellerin fand ab Oktober 2012 eine Lohnsteueraußenprüfung statt, die den Zeitraum Januar 2002 bis September 2012 umfasste. Im Zuge dessen wurde festgestellt, dass Lohnzahlungen nicht ordnungsmäßig aufgezeichnet worden waren. So wiesen Stundenaufzeichnungen Arbeitszeiten von weniger als eine Stunde je Tag auf. Zudem stimmten die Arbeitszeiten in den Aufzeichnungen nicht mit im Rahmen der Prüfung vorgelegten weiteren Unterlagen (Fahrtenbücher, Quittungen, etc.) überein. Ferner sagten verschiedene Mitarbeiter der Antragstellerin in Zeugenvernehmungen aus, Schwarzlohnzahlungen erhalten zu haben (z.B. Aussagen von E T, J N, K T und Q L). Das zuständige Finanzamt (FA) M führte daraufhin eine Stundenkalkulation durch, wobei es sich um ein einheitliches Kalkulationsverfahren für den Prüfungszeitraum handelte, in welchem es stets die gleichen Stundenlöhne erfasste. Für 2002 erfolgte die Schätzung anhand der Unterlagen für 2003. Das FA erließ zunächst einen Haftungsbescheid in Höhe von insgesamt 59.453,98 Euro. In diesem waren die betrieblichen Schwarzlohnzahlungen für den Zeitraum Januar 2006 bis September 2012 nicht erfasst, da das FA davon ausging, dass diese Zahlungen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zwischen Antragstellerin und ihrem Sohn, C S, zu erfassen seien. Nachdem das Finanzgericht (FG) Münster in einem Beschluss vom 2.9.2013 (7 V 2358/13 G, U, F) zu der Auffassung gelangt war, eine Familien-GbR liege nicht vor, änderte das FA den Bescheid gegenüber der Antragstellerin ab und forderte nunmehr 121.564,71 Euro (Haftungsbescheid v. 4.12.2013). Die Antragstelerin beantragte hiergegen die Aussetzung der Vollziehung vor dem FG Münster (7 V 963/14 L). Das FG setzte mit Beschluss vom 28.4.2014 die Vollziehung des Haftungsbescheides in Höhe von 50 % der festgesetzten Haftungssumme vorläufig aus. Dabei verwies es darauf, dass sich nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernsthaften Zweifel daran ergeben hätten, dass die Antragstellerin Schwarzlöhne an ihre Arbeitnehmer gezahlt habe. Auch die Schätzung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere habe die Antragstellerin keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen über ihre Lohnzahlungen vorlegen können. Allerdings ergäben sich ernstliche Zweifel am beitragspflichtigen Ansatz der erfassten Schwarzlöhne sowie an der vorgenommenen Versteuerung aus der Übernahme der Steuerabzugsbeträge der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Über die anhängige Klage vor dem FG Münster (7 K 2862/13 L) ist nach derzeitigem Kenntnisstand noch nicht entschieden.
Zudem leitete das Hauptzollamt (HZA) C u.a. gegen die Antragstellerin ein Ermittlungsverfahren ein, welches bei der Staatsanwaltschaft (StA) Q unter dem Az. xxx geführt wird. Zwischenzeitlich wurde Anklage am 12.5.2015 erhoben. Das Landgericht (LG) Q hat über die Eröffnung der Hauptverhandlung noch nicht entschieden.
Die Antragsgegnerin führte unter Auswertung der ihr durch das FA und das HZA zur Verfügung gestellten Unterlagen bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung durch. Mit Anhörungsschreiben vom 17.5.2013 teilte sie ihre Absicht mit, von der Antragstellerin Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2012 in Höhe von 570.328,30 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 235.381,50 Euro zu erheben. Es sei festgestellt worden, dass Stundenaufzeichnungen der bei der Antragstellerin beschäftigten Personen nicht ordnungsgemäß geführt worden seien. Aus Zeugenaussagen habe sich ergeben, dass in erheblichem Umfang Schwarzlohnzahlungen an diverse, namentlich nicht bekannte bzw. nicht zuordenbare Arbeitnehmer geleistet worden seien. Die Höhe sei nach der Stundenkalkulation durch die Finanzverwaltung geschätzt worden. Entsprechende Meldungen bei der Einzugsstelle habe die Antragstellerin nicht gemacht. Sie wurde zudem unter Fristsetzung bis zum 14.6.2013 aufgefordert, für alle beschäftigten Arbeitnehmer vollständige Entgeltaufzeichnungen vorzulegen.
Nachdem durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin lediglich eine Durchschrift eines Schreibens vom 4.7.2013 an das FA M übersandt wurde und die Frist zur Vorlage vollständiger Entgeltaufzeichnungen im Übrigen ungenutzt verstrich, forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Betriebsprüfungsbescheid vom 5.9.2014 Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.1.2002 bis zum 30.9.2012 in Höhe von 570.328,30 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 235.381,50 Euro nach. Die Antragsgegnerin wiederholte zunächst ihre Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben. Da die Antragstellerin der Vorlageaufforderung nicht nachgekommen sei, habe unter Anwendung des § 28f Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) eine nicht personenbezogene Berechnung der nachzufordernden Sozialversicherungsbeiträge auf Schätzungsbasis erfolgen dürfen. Zudem sei ab dem 1.8.2002 nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV eine Hochrechnung der Entgelte erfolgt. Die Forderung sei im Übrigen nicht verjährt. Säumniszuschläge seien zu erheben.
Dagegen erhob die Antragstellerin am 12.9.2014 Widerspruch. Schwarzgeldzahlungen würden sowohl im Rahmen dieses Verfahrens als auch gegenüber dem FG bestritten. Die Schätzung und die daraus resultierende Höhe der Entgelte seien nicht nachvollziehbar. Sie überstiegen die Einnahmen aus dem Betrieb bei weitem. Es sei sinnvoll, zunächst das finanzgerichtliche Verfahren abzuwarten und die sofortige Vollziehung zumindest solange auszusetzen. Die Antragsgegnerin lehnte den Aussetzungsantrag mit Schreiben vom 19.9.2014 ab. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Am 29.9.2014 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht (SG) Dortmund einstweiligen Rechtsschutz begehrt und zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Schätzung sei rechtswidrig. Sie gehe von neunstündigen Arbeitstagen aus, obgleich dies sich durch Zeugenaussagen nicht bestätigen lasse. Sie, die Antragstellerin, habe nur Aushilfen beschäftigt, die grundsätzlich weiteren Beschäftigungen nachgegangen und so nicht in der Lage gewesen seien, Vollzeit für sie tätig zu werden. Die Vernehmungen seien wenig gründlich durchgeführt worden. Es seien nur Mitarbeiterinnen der Jahre 2006 bis 2012 vernommen werden. Über welchen Zeitraum diese tatsächlich tätig geworden seien und in welchem Umfang ggf. Schwarzlohnzahlungen geflossen seien, lasse sich den Vernehmungsniederschriften nicht entnehmen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass mehrere Zeuginnen auch Schwarzlohnzahlungen bestritten hätten. Zahlungen seien sowieso nur im Bereich bis 400,00 Euro erfolgt. Ob die Grundlagen der Schätzung rechtmäßig gewesen seien, sei letztlich im Hauptsacheverfahren zu klären. Die sofortige Vollziehung stelle zudem eine unbillige Härte für sie, die Antragstellerin, dar. Sie sei dann nicht in der Lage, ihren Betrieb fortzuführen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid vom 5.9.2014 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides gehabt. Die Antragstellerin habe im Eilverfahren vor dem FG Münster zwar teilweise obsiegt, jedoch habe auch das FG weder Zweifel an den Schwarzlohnzahlungen der Antragstellerin geäußert noch daran, dass das FA grundsätzlich zur Schätzung der Schwarzlöhne berechtigt gewesen sei, da die Antragstellerin über keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen verfüge.
Mit Beschluss vom 13.11.2014 hat das SG sodann den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den am 13.11.2014 zunächst per Telefaxschreiben zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 2.12.2014 Beschwerde erhoben, mit welcher sie ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG habe sich zu den Säumniszuschlägen nicht geäußert. Ferner habe es nicht berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin lediglich die Unterlagen der Finanzverwaltung geprüft habe. Eigene Ermittlungen habe sie nicht durchgeführt. Das Verfahren dort sei nicht abgeschlossen, eine Beweisaufnahme werde demnächst durchgeführt. Die Zahlungen an die Aushilfen seien sozialabgabenfrei gewesen, deshalb könne es gar nicht zu einer Nachzahlung kommen. Das SG habe auch zu Unrecht die unbillige Härte verneint. Ihr Ehemann erhalte eine monatliche Altersrente in Höhe von 600,00 Euro. Sie besäßen beide kein eigenes Sach- oder Grundvermögen. Das Betriebsvermögen sei zur Kreditabsicherung sicherheitsübereignet. Das Geschäftskonto weise ein Guthaben zwischen 7-10.000,00 Euro im Jahr aus. Das Betriebsergebnis im Jahr 2013 habe bei 26.952,04 Euro gelegen. Sie hat eine auf den 3.12.2014 datierende eidesstattliche Versicherung vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13.11.2014 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid vom 5.9.2014 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat sinngemäß beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Verfahrens L 8 R 1096/14 B ER einschließlich der dortigen Beiakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.9.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 5.9.2014 ist nicht anzuordnen.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).
Nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird. Derzeit spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin zutreffend im Rahmen eines nicht personenbezogenen Summenbescheides unter Heranziehung der durch das FA vorgenommenen Schätzung und unter Annahme einer fiktiven Nettolohnabrede die Höhe der nachzufordernden Beiträge ermittelt hat (hierzu unter 3.) Diese waren zudem nicht verjährt (hierzu unter 4.). Schließlich ist weder die Erhebung von Säumniszuschlägen zu beanstanden noch eine unbillige Härte glaubhaft gemacht (hierzu unter 5.).
1. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des - formell rechtmäßigen - Prüfbescheides durch die Antragsgegnerin ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
2. Unstreitig standen die bei der Antragstellerin Beschäftigten in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt, sodass sie grundsätzlich als Arbeitgeberin die Pflicht zur Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge trifft. Gegenteiliges hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Sie hat vielmehr insoweit bestätigend erklärt, dass ihre Aushilfen stets im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig würden.
3. Es spricht zudem mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin auch zum Erlass eines nicht personenbezogenen Lohnsummenbescheids berechtigt gewesen ist.
Nach § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Zum Nachweis der richtigen Beitragszahlung hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle Beitragsnachweise zu übermitteln, § 28f Abs. 3 Satz 1 SGB IV. Hat ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und können dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen. Soweit er die Höhe der Arbeitsentgelte nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat er diese zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt eines Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen (§ 28f Abs. 2 Sätze 1, 3 und 4 SGB IV).
Ob der prüfende Rentenversicherungsträger einen Summenbescheid erlassen darf, beurteilt sich nach den Verhältnissen bei Bekanntgabe des Bescheides. Entscheidend ist, ob aufgrund einer Gesamtwürdigung der Erlass eines Summenbescheides verhältnismäßig ist. Dies kann im gerichtlichen Verfahren voll überprüft werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil v. 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R, SozR 3-2400 § 24f Nr. 3; Senat, Urteil v. 28.4.2010, L 8 R 30/09, juris, jeweils m.w.N.). Ist im Einzelfall eine Schätzung zulässig, so ist auch diese gerichtlich voll überprüfbar, ohne dass dem prüfenden Rentenversicherungsträger ein Ermessen eingeräumt wäre. Seine Schätzung soll der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Auch wenn er bei der Wahl der Schätzmethoden frei ist, muss er von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen und eigene, sozialversicherungsrechtliche Maßstäbe anlegen (vgl. Werner in jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28f Rdnr. 65 ff.; Senat, Beschlüsse v. 6.12.2011, L 8 R 701/11 B ER und 6.6.2016, L 8 R 972/14 B ER, jeweils juris). Dabei ist er in der Wahl seiner Mittel frei, selbst wenn das Ergebnis für den Beitragsschuldner einmal nicht das Günstigste ist (vgl. Werner, a.a.O., § 28f Rdnr. 67).
a) Zunächst bestehen keine überwiegenden Zweifel, dass die Voraussetzungen zum Erlass eines Summenbescheides im Streitzeitraum insoweit vorgelegen haben, als die Antragstellerin ihre Aufzeichnungspflicht nach § 28f Abs. 1 SGB VI nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
aa) Hiervon gehen das FA M und das FG Münster ebenso aus wie die StA Q im Rahmen ihrer Anklageschrift (dort S. 58ff.). Der im Rahmen des vorliegenden Anhörungsverfahrens ergangenen Aufforderung der Antragsgegnerin, nunmehr für alle beschäftigten Arbeitnehmer vollständige Entgeltaufzeichnungen vorzulegen, ist die Antragstellerin nicht nachgekommen. Es obliegt ihr damit weiterhin, durch Nachholung der bisher unterbliebenen Angaben nebst Nachweisen eine Beitragsermittlung bezogen auf individualisierbare Versicherte zu ermöglichen.
bb) Etwas anderes ergibt sich bei summarischer Prüfung auch nicht aus den bisher durchgeführten Zeugenvernehmungen.
(1) So hat insbesondere die Zeugin L detailreich die Zahlungen von Schwarzlohn in Höhe von 50,00 Euro pro Woche zu den monatlichen Zahlungen von 100,00 Euro beschrieben (Vernehmung durch das HZA C v. 9.11.2012). Sie habe das Geld in bar in einem Umschlag von N S bekommen. Alle, die für die Ss gearbeitet hätten, hätten einen solchen Umschlag erhalten. Bei Schützenfesten habe es auch einmal 200,00 Euro Schwarzlohn gegeben. Für die Richtigkeit dieser Aussage spricht nicht zuletzt, dass die Zeugin sie trotz gegenläufiger Eigeninteressen (Bezug von Arbeitslosengeld II ohne Angabe der tatsächlichen Verdienste, Anmietung einer Mietwohnung der Familie S, zum 30.11.2012 gekündigt; scheinbar versuchte Einflussnahme des N S auf Zeugen [Gefährderansprache v. 13.11.2012]) gemacht hat. Sie wird zudem im Wesentlichen durch die Zeuginnen T (Vernehmungen v. 8.11. und 11.12.2012), T (Vernehmung v. 12.11.2012) und N (Vernehmung v. 26.11.2012) bestätigt.
Dass - auch angesichts im Übrigen z.T. widersprüchlicher Zeugenaussagen - im Hauptsacheverfahren ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sein werden, führt im vorliegenden Fall nicht dazu, dass der Antrag im einstweiligen Rechtschutz Erfolg hat und es zu einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; juris, jeweils m.w.N.).
(2) Zudem werden die weiteren bereits durch das FA festgestellten Unstimmigkeiten weder durch die Antragstellerin substantiiert ausgeräumt noch lassen sie sich bisher anhand der Zeugenaussagen plausibel erklären.
(a) Die Widersprüche zwischen den Stundenaufzeichnungen und den Fahrtenbüchern sowie den Standgebührenquittungen wurden nicht im Ansatz beseitigt. In den Fahrtbüchern der Fahrzeuge, mit denen die Verkaufswagen zu den jeweiligen Einsatzorten gefahren wurden, werden Marktverkäuferinnen (z.B. die Damen N, T) als Fahrer verzeichnet, die nach den Stundenaufzeichnungen an diesen Tagen gar nicht im Einsatz gewesen sind. Den bei der Marktleitung der Stadt Warstein am Markttag zu quittierenden Standgebühren sind Namen von Aushilfen der Antragstellerin zu entnehmen, die ebenfalls an diesen Tagen nach den geführten Stundenaufzeichnungen nicht für die Antragstellerin tätig gewesen sein sollen. Dies gilt besonders auffällig für die Zeugin E T, die, obgleich sie nach den Aufzeichnungen der Antragstellerin im Jahr 2008 bei ihr nicht beschäftigt gewesen sein soll, mehrfach in diesem Jahr für sie diese Quittungen unterzeichnet hat. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum v. 15.5.2014 (dort S. 29ff.) Bezug genommen.
(b) Die abgerechneten Stunden zwischen 3,5 bis 4,2 Stunden pro Markttag sind unter Berücksichtigung der Marktzeiten von ca. 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr zzgl. Auf- und Abbau sowie An- und Abfahrt wenig nachvollziehbar. Nicht mehr nachzuvollziehen sind stets wieder abgerechnete Zeiten von 30 bzw. 60 Minuten. Dazu passen die Angaben der Zeugin L, die mitgeteilt hat, dass sie an Markttagen gegen 6.00 Uhr morgens auf dem Betriebsgelände erschienen und gegen 13.30/14.00 Uhr zurückgekommen sei (Vernehmung des HZA v. 9.11.2012). Mehrfach haben Zeuginnen verneint, dass sie Zeiten von unter einer Stunde für die Antragstellerin tätig gewesen seien.
(c) Nicht erklärt hat die Antragstellerin weiter, wie es an Tagen (nach Feststellung des FA mindestens 55 Tage), an denen alle Verkaufswagen zeitgleich auf Wochenmärkten im Einsatz waren, dazu kam, dass sich in den Lohnaufzeichnungen keine Arbeitnehmereinsätze befinden.
b) Die Schätzung weist nach summarischer Prüfung auch keine durchgreifenden Mängel auf, denn sie geht von nachvollziehbaren Erwägungen aus. Die Antragsgegnerin stützt sich für die Bestimmung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts und der daraus resultierenden Nachforderung des Gesamtsozialbersicherungsbeitrags auf die Feststellungen des FA und die dort vorgenommene Schätzung der geflossenen Zahlungen.
aa) Das FA hat seiner Schätzung als Ausgangspunkt die von der Antragstellerin besuchten Märkte und Sonderveranstaltungen zugrunde gelegt, die sich aus ihren Kassenberichten ergeben. Bei der Besetzung der Verkaufswagen auf Wochenmärkten ist es unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen von einer Person und einer Entlohnung von 35,00 Euro ausgegangen. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Antragstellerin nach den Zeugenaussagen auf den Wochenmärkten in Arnsberg, Belecke, Brakel und Sundern allein gearbeitet hat. Zu ihren Gunsten hat es unterstellt, dass sie keine Krankheits- und Urlaubstage gehabt habe. Ein Ansatz von Lohnstunden für die Antragstellerin ist nicht erfolgt. Bei Sonderveranstaltungen ist ebenfalls u.a. unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und Öffnungszeiten von einer Besetzung von mindestens zwei und bei der Montgolfiade von mindestens vier Arbeitskräften außer der Familie S und einem Stundenlohn von 6,00 Euro ausgegangen worden. Wagenreinigungen, grundsätzlich samstags durchgeführt, sind mit einem Arbeitslohn von 17,50 Euro pro Wagen angesetzt worden, wobei ein Wagen von der Antragstellerin oder ihrem Sohn gereinigt worden ist. Gleichfalls an Samstagen wurden Reinigungsarbeiten in der Spülküche und auf dem Betriebsgelände vorgenommen. Das FA hat den Zeugenaussagen einen Arbeitsaufwand von fünf Stunden entnommen, die durch zwei Arbeitskräfte geleistet wurden. Den Lohn hat es mit 6,00 Euro pro Stunde angesetzt. Die Reinigungsarbeiten am Mittwoch erfolgten hingegen durch die Antragstellerin oder ihren Sohn. Die durch den Steuerberater der Antragstellerin mitgeteilten Lohndaten sind nach Bereinigung der Entgelte an den Sohn der Antragstellerin berücksichtigt worden. Im Übrigen wird auf den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum v. 15.5.2014 (dort S. 54ff.) Bezug genommen
bb) Den insofern nachvollziehbaren Schlussfolgerungen der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Vortrag ist nicht geeignet, die Angaben der Antragsgegnerin zu erschüttern.
(1) Soweit die Antragstellerin geltend macht, sie habe nur geringfügig entlohnte Mitarbeiter beschäftigt, hat sie dies nicht im Ansatz glaubhaft gemacht. Vollständige Lohnaufzeichnungen hat sie auch im Anhörungsverfahren nicht vorgelegt. Hinsichtlich der Zeugenaussagen, auf die sie sich bezieht, kann auf die oben bereits ausgeführten, nicht ausgeräumten Unstimmigkeiten Bezug genommen.
Der Senat verweist daher lediglich ergänzend darauf, dass eine entgeltgeringfügige führende Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, § 7 SGB V und § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI zwar zur grundsätzlichen Versicherungsfreiheit in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung führt. In diesem Fall besteht jedoch die Pflicht zur Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitgeber in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 249b Satz 1 SGB V, § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI), denn eine Zeitgeringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV hat die Antragstellerin bereits im Ansatz nicht dargelegt.
(2) Es ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin nicht befugt war, die getroffenen Feststellungen auf die Erkenntnisse der Finanzverwaltung sowie des HZA zu stützen. Aus diesen ergeben sich im vorliegenden Fall im Rahmen der summarischen Prüfung ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme von Schwarzlohnzahlungen der Antragstellerin, denen diese nicht substantiiert entgegengetreten ist (vgl. zur Verwertung von Erkenntnissen der Finanzbehörden bereits Senat, Beschluss v. 27.6.2016, L 8 R 181/15 B ER, juris).
(3) Ein Abwarten des Ausgangs des Verfahrens vor dem FG Münster und des Eröffnungsverfahrens vor dem LG Q ist nicht erforderlich. Auch wenn die Antragsgegnerin auf die dortigen Ermittlungen zurückgreifen kann, ist sie in ihrer rechtlichen Schlussfolgerung daran ebenso wenig gebunden wie die Sozialgerichte (LSG Hamburg, Urteil v. 10.12.2012, L 2 R 13/09, juris m.w.N.; Senat, Beschluss v. 27.4.2016, L 8 R 300/15 B ER, juris).
c) Es spricht mehr dafür als dagegen, dass die Antragsgegnerin bei der Berechnung der Beitragshöhe ab dem 1.8.2002 von einer fiktiven Nettolohnvereinbarung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ausgehen durfte.
aa) Wenn nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IV ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart ist, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Demgegenüber gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, für die Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind, ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. Dabei ist objektiv erforderlich, dass zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts verletzt und subjektiv diese Pflichtverletzung zumindest bedingt vorsätzlich begangen worden ist (BSG Urteil v. 9.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 13; Senat, Beschluss v. 29.4.2014, L 8 R 752/13 B ER; Senat, Beschluss v. 23.6.2014, L 8 R 206/13 B ER).
bb) Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin gegen die aus §§ 28a Abs. 1, 28e Abs. 1 SGB IV folgende Pflicht zur Meldung und Beitragszahlung verstoßen hat. Zudem ist überwiegend wahrscheinlich von einer zumindest bedingt vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung auszugehen. Es genügt, dass der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Hiervon ist aber vorliegend im Rahmen der summarischen Prüfung schon allein deswegen auszugehen, weil der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte von Gewicht für das Vorliegen von selbständigen Tätigkeiten oder zeitgeringfügigen Beschäftigungen bietet.
d) Ein Fehler bei der Ausübung des von § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV ("kann") eingeräumten Ermessens ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, dass eine personenbezogene Zuordnung der Beiträge nicht möglich gewesen sei. Eine andere Möglichkeit zur Erfüllung ihrer in § 76 Abs. 1 SGB IV geregelten Verpflichtung, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben, stand ihr daher nicht zur Verfügung. Im Übrigen können die Ermessenserwägungen im Widerspruchsverfahren ggf. noch ergänzt werden (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X; vgl. Senat, Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, juris).
4. Die Nachforderung ist zudem nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verjähren Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese Vorschrift kommt auch dann zum Tragen, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, jedoch bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil v. 30.3.2000, B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7; Senat, Beschluss v. 7.11.2012, L 8 R 699/12 B ER, juris), wobei bedingter Vorsatz ausreicht (BSG, Urteil v. 26.1.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Bedingt vorsätzlich hat der Beitragsschuldner gehandelt, der seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
5. Die Verpflichtung, Säumniszuschläge zu verlangen, folgt aus § 24 Abs. 1 SGB IV. Der Einwand der Antragstellerin, da keine weiteren Entgeltzahlungen zu verbeitragen seien, könnten daraus auch keine Säumniszuschläge entstehen, geht fehl. Sie ist der Schätzung der Antragsgegnerin bereits nicht substantiiert entgegen getreten. Sie hat zudem nicht glaubhaft gemacht, dass ihre Aufzeichnungen vollständig und keine weiteren Entgelte geflossen seien. Aus den obigen Gründen ist davon vielmehr gerade nicht auszugehen. Für eine unverschuldete Nichtentrichtung der Beiträge nach § 24 Abs. 2 SGB IV bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte.
6. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides eine unbillige Härte bedeuten würde. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind auch nach Auswertung der durch die Antragsgegnerin eingereichten Unterlagen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 21.2.2012, L 8 R 1047/11 B ER, juris). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelänge darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (Senat, Beschluss v. 13.7.2011, L 8 R 287/11 B ER, juris). Entsprechendes wurde weder substantiiert vorgetragen noch im Ansatz glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat es versäumt, zu ihrer aktuellen privaten und betrieblichen Einkommens- und Vermögenslage Auskunft zu geben und diese glaubhaft zu machen. Die bisherigen Angaben sowie die Versicherung an Eides statt beziehen sich auf die Jahre 2013 und 2014.
Hinsichtlich etwaiger mit dem Forderungseinzug verbundener wirtschaftlicher Härten hat sich die Antragstellerin im Übrigen an die zuständige Einzugsstelle zu wenden. Diese hat als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28h Abs. 1 Satz 3 SGB IV) über Fragen des Forderungseinzugs zu befinden und insoweit über eine etwaige Stundung, einen Erlass oder die Niederschlagung der Beitragsforderung (§ 76 Abs. 3 SGB IV) sowie die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 257 Abgabenordnung) zu entscheiden (vgl. zur Zuständigkeit der Einzugsstelle im Rahmen des Beitragseinzugs auch jüngst BSG, Urteil v. 28.5.2015, B 12 R 16/13 R, juris, Rdnr. 23; Senat, Beschlüsse v. 23.9.2015, L 8 R 677/14 B ER und v. 6.6.2016, L 8 R 84/15 B ER; jeweils juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 197a SGG i. V. m. §§ 52, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved