Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2281/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 278/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die dem Kläger im Berufungsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob der Kläger in der Zeit ab 1. August 2011 abhängig Beschäftigter bei der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") gewesen ist.
Der Kläger arbeitete seit dem 15. Februar 2011 als Kundendienstmonteur für die Beigeladene, zunächst als Freigänger. Der Arbeitsplatz des Klägers wurde von der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Die Anmeldung der abhängigen Beschäftigung erfolgte bei der Beklagten am 22. Februar 2011. Das Steuerbüro der Beigeladenen meldete den Kläger zum 30. August 2011 ab. Es stornierte diese Abmeldung am 9. Dezember 2011. Der Kläger erlitt am 19. September 2011 einen Bandscheibenvorfall und wurde arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit wurde lückenlos ärztlich festgestellt. Am 9. November 2011 meldete das Steuerbüro den Kläger zum 19. September 2011 wieder an. Diese erneute Anmeldung stornierte es am 7. Dezember 2011 und meldete den Kläger zuletzt am 6. Dezember 2012 rückwirkend zum 31. Oktober 2012 ab. Das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen wurde formal zum 31. August 2012 beendet.
Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit hob mit Bescheid vom 1. November 2012 die Bewilligung der Förderung des Arbeitsplatzes bis Februar 2012 teilweise hinsichtlich der Höhe, im Übrigen ab dem 1. September 2011 auf.
Der Kläger machte bei der Beklagten nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums einen Krankengeldanspruch geltend. Bei seiner Vorsprache wurde ihm eröffnet, er habe keinen Anspruch auf Krankengeld, da er nicht gearbeitet habe bzw. etwas mit seinem Arbeitsvertrag nicht in Ordnung sei. Die Beigeladene reichte Lohnabrechnungen für den Kläger sowie Kopien von Quittungen ein.
Nach vorangegangener Anhörung des Klägers und der Beigeladenen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Juli 2012 fest, dass der Kläger ab dem 1. August 2011 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Nach der ihr vorliegenden Entgeltbescheinigung vom 29. November 2011 sei der letzte bezahlte Arbeitstag des Klägers der 31. Juli 2011 gewesen. Diese Bescheinigung sei am 8. Dezember 2011 dahingehend korrigiert worden, dass nunmehr der 30. Oktober 2011 der letzte bezahlte Arbeitstag gewesen sein solle. Zuvor sei für den Kläger bereits zum 19. September 2011 – dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit – eine Anmeldung eingereicht worden, die am 7. Dezember 2011 wieder storniert worden sei. Die vorliegenden Entgeltabrechnungen für die Monate August bis November 2012 (gemeint: 2011) seien ebenfalls rückwirkend am 8. Dezember 2011 erstellt worden. Es sei widersprüchlich, dass laut Lohnabrechnung und Arbeitsvertrag die Entgeltzahlung bargeldlos erfolgen solle; hierzu sei eine Bankverbindung angegeben und eine Bestätigung durch die Bank zugesichert worden. Stattdessen seien Barzahlungsquittungen vorgelegt worden, welche an tatsächlicher Entgeltzahlung zweifeln ließen. Diese seien nicht als Nachweis für eine tatsächlich erfolgte Zahlung geeignet.
Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2012 zurück. Blieben nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel, gingen diese zu Lasten desjenigen, der sich auf Versicherungspflicht berufe.
Hiergegen hat der Kläger am 13. Dezember 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Mai 2014 ist der Kläger angehört worden. Der Geschäftsführer der Beigeladenen, Herr D S, ist als Zeuge vernommen worden.
Mit Urteil vom selben Tag hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2012 aufgehoben. Es hat festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene über den 31. Juli 2011 hinaus bis 31. August 2012 wegen abhängiger Beschäftigung in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe für das SG fest, dass der Kläger im Betrieb der Beigeladenen über den 31. Juli 2011 hinaus gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei. Übereinstimmend und glaubhaft hätten sowohl der Kläger als auch der Zeuge S angegeben, dass der Kläger bis zum Tag vor seinem Bandscheibenvorfall am 19. September 2011 ohne Unterbrechung für die Beigeladene tätig gewesen sei. Der Zeuge S habe glaubhaft geschildert, dass er den Kläger wegen seiner Pünktlichkeit und Verlässlichkeit geschätzt habe. Nach seinem Ausfall habe der weitere Geschäftsführer für ihn einspringen müssen. Die Entgeltzahlungen seien belegt. Nachvollziehbar habe der Kläger angegeben, dass er nach seiner Haftentlassung wiederholt um Zahlung von Vorschüssen gebeten habe. Der Zeuge habe ausgeführt, Verständnis für die finanzielle Situation des Klägers gehabt zu haben. Er habe seine Unterschrift auf den Quittungen erkannt und glaubhaft angegeben, dass ihm die Auszahlung der Restlöhne durch telefonische Mitteilung des Steuerbüros zur Höhe des geschuldeten Nettolohns möglich gewesen sei. Es habe sich auch geklärt, dass es durch das schlecht arbeitende Steuerbüro zu den verwirrenden Ab- und Anmeldungen des Klägers bei der Krankenkasse und den nachträglichen Abrechnungen gekommen sei. Der Zeuge habe nachvollziehbar und mit Detailwissen angegeben, dass das Steuerbüro seiner Ansicht nach besonders unzuverlässig gewesen sei, beispielsweise in der Abrechnung von nicht gezahlter Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt. Der Umstand, dass die Bundesagentur für Arbeit die Förderung des Arbeitsplatzes aufgehoben habe, spreche nicht gegen das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Sie basiere nach Aktenlage alleine an der fehlenden Mitwirkung der Beigeladenen im dortigen Verwaltungsverfahren, was wiederum die Annahme eines unzuverlässigen Steuerbüros stütze. Die Zweifel am Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses seien somit ausgeräumt, Verdachtsmomente für eine Scheinbeschäftigung hätten sich nicht bestätigt.
Gegen dieses ihr am 27. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten von Montag, den 28. Juli 2014. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe die eigenen Ermittlungsergebnisse fehlerhaft gewürdigt und in einer nicht mehr zu vertretenden Art und Weise bewertet. So habe der Zeuge ein wirtschaftliches Eigeninteresse gehabt, weil Rückforderungen der Bundesagentur für Arbeit möglich seien. Es lasse sich auch ein ideelles Interesse des Zeugen am Ausgang des hiesigen Verfahrens annehmen. Es sei nicht fernliegend, von einem in seiner Ausprägung über ein herkömmliches Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis deutlich hinausgehendes, möglicherweise schon persönliches, freundschaftliches Verhältnis zwischen dem Zeugen und dem Kläger auszugehen. Zweifelhaft sei auch, dass die einschlägigen Entgeltquittungen zum Teil ausgestellt worden seien, bevor eine zugrunde zu legende Abrechnung der Entgelte erfolgt gewesen sei. Die Aussagen hinsichtlich der Unzuverlässigkeit des Steuerbüros seien rein spekulativ gewesen. Hier hätten sich weitere Ermittlungen aufdrängen müssen. Es werde beantragt, das in Rede stehende Steuerbüro bzw. den dort seinerzeit einschlägig befassten Mitarbeiter schriftlich oder persönlich als Zeugen dazu zu befragen, wie sich das dortige Meldegeschehen bezüglich der Beigeladenen seinerzeit gestaltet habe, ob also die aufgrund der verwirrenden zeitlichen Abfolge von Meldungen und Korrekturen etc. nur als ungewöhnlich zu bezeichnende Handlungsweise seitens des Steuerbüros tatsächlich ausschließlich von dort zu vertreten sei (etwa durch Organisationsverschulden im Büro) oder aber sich aus der Zu- bzw. Mitarbeit des dortigen Mandanten ergeben habe. Das SG habe auch nicht diskutiert, ob sich die Beigeladene ein Verschulden des Steuerbüros habe zurechnen lassen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass er keinerlei Einfluss auf das Steuerbüro gehabt habe.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 21. Dezember 2015 hingewiesen worden. Der Hinweis ist mit Verfügung vom 24. März 2016 im Hinblick auf den Schriftsatz der Beklagten vom 18. Februar 2016 nochmals erteilt worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Zu Recht hat das SG den streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2012 aufgehoben und das Bestehen von Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung festgestellt. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verweist der Senat auf die ausführliche Begründung der angegriffenen Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.
Der Senat teilt die Überzeugung des SG, dass die Verdachtsmomente, es habe sich nur um ein fingiertes Scheinbeschäftigungsverhältnis gehandelt, ausgeräumt sind. Es hat sich umfassend mit den Verdachtsmomenten, insbesondere der verwirrenden An- bzw. Abmeldesituation und der (verspäteten) Erstellung der Entgeltabrechnungen, auseinandergesetzt.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch zu ergänzen, dass die Frage, ob die Unzulänglichkeiten bei der Personalbuchhaltung auf einem (Organisations )Verschulden des Steuerbüros oder einem bei der Beigeladenen beruhen, hier nicht entscheidungserheblich ist. Im Streit steht die Frage der Beschäftigung des Klägers. Den Beweisanregungen zur näheren Erforschung der Arbeitsweise des Steuerbüros war deshalb nicht nachzugehen.
Selbst wenn das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Chef, dem Zeugen S, freundschaftlich gewesen sein sollte, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Scheinbeschäftigungsverhältnisses.
Dass sowohl der Kläger als auch der Zeuge S vor Gericht gelogen haben könnten, hält der Senat für unwahrscheinlich. Die Übereinstimmungen in den Aussagen sind vielmehr mit großer Wahrscheinlichkeit dem Umstand geschuldet, dass beide wahrheitsgemäße Aussagen getroffen haben.
Soweit die Beklagte zuletzt ein Indiz für ein Scheinbeschäftigungsverhältnis aus dem Umstand ableiten will, dass Vorschüsse gezahlt worden seien, bevor der jeweilige Zeitraum abgerechnet worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass dies gerade der Sinn von Vorschüssen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit steht, ob der Kläger in der Zeit ab 1. August 2011 abhängig Beschäftigter bei der Beigeladenen zu 3) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") gewesen ist.
Der Kläger arbeitete seit dem 15. Februar 2011 als Kundendienstmonteur für die Beigeladene, zunächst als Freigänger. Der Arbeitsplatz des Klägers wurde von der Bundesagentur für Arbeit gefördert. Die Anmeldung der abhängigen Beschäftigung erfolgte bei der Beklagten am 22. Februar 2011. Das Steuerbüro der Beigeladenen meldete den Kläger zum 30. August 2011 ab. Es stornierte diese Abmeldung am 9. Dezember 2011. Der Kläger erlitt am 19. September 2011 einen Bandscheibenvorfall und wurde arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit wurde lückenlos ärztlich festgestellt. Am 9. November 2011 meldete das Steuerbüro den Kläger zum 19. September 2011 wieder an. Diese erneute Anmeldung stornierte es am 7. Dezember 2011 und meldete den Kläger zuletzt am 6. Dezember 2012 rückwirkend zum 31. Oktober 2012 ab. Das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen wurde formal zum 31. August 2012 beendet.
Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit hob mit Bescheid vom 1. November 2012 die Bewilligung der Förderung des Arbeitsplatzes bis Februar 2012 teilweise hinsichtlich der Höhe, im Übrigen ab dem 1. September 2011 auf.
Der Kläger machte bei der Beklagten nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums einen Krankengeldanspruch geltend. Bei seiner Vorsprache wurde ihm eröffnet, er habe keinen Anspruch auf Krankengeld, da er nicht gearbeitet habe bzw. etwas mit seinem Arbeitsvertrag nicht in Ordnung sei. Die Beigeladene reichte Lohnabrechnungen für den Kläger sowie Kopien von Quittungen ein.
Nach vorangegangener Anhörung des Klägers und der Beigeladenen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Juli 2012 fest, dass der Kläger ab dem 1. August 2011 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Nach der ihr vorliegenden Entgeltbescheinigung vom 29. November 2011 sei der letzte bezahlte Arbeitstag des Klägers der 31. Juli 2011 gewesen. Diese Bescheinigung sei am 8. Dezember 2011 dahingehend korrigiert worden, dass nunmehr der 30. Oktober 2011 der letzte bezahlte Arbeitstag gewesen sein solle. Zuvor sei für den Kläger bereits zum 19. September 2011 – dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit – eine Anmeldung eingereicht worden, die am 7. Dezember 2011 wieder storniert worden sei. Die vorliegenden Entgeltabrechnungen für die Monate August bis November 2012 (gemeint: 2011) seien ebenfalls rückwirkend am 8. Dezember 2011 erstellt worden. Es sei widersprüchlich, dass laut Lohnabrechnung und Arbeitsvertrag die Entgeltzahlung bargeldlos erfolgen solle; hierzu sei eine Bankverbindung angegeben und eine Bestätigung durch die Bank zugesichert worden. Stattdessen seien Barzahlungsquittungen vorgelegt worden, welche an tatsächlicher Entgeltzahlung zweifeln ließen. Diese seien nicht als Nachweis für eine tatsächlich erfolgte Zahlung geeignet.
Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2012 zurück. Blieben nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel, gingen diese zu Lasten desjenigen, der sich auf Versicherungspflicht berufe.
Hiergegen hat der Kläger am 13. Dezember 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 26. Mai 2014 ist der Kläger angehört worden. Der Geschäftsführer der Beigeladenen, Herr D S, ist als Zeuge vernommen worden.
Mit Urteil vom selben Tag hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2012 aufgehoben. Es hat festgestellt, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beigeladene über den 31. Juli 2011 hinaus bis 31. August 2012 wegen abhängiger Beschäftigung in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe für das SG fest, dass der Kläger im Betrieb der Beigeladenen über den 31. Juli 2011 hinaus gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei. Übereinstimmend und glaubhaft hätten sowohl der Kläger als auch der Zeuge S angegeben, dass der Kläger bis zum Tag vor seinem Bandscheibenvorfall am 19. September 2011 ohne Unterbrechung für die Beigeladene tätig gewesen sei. Der Zeuge S habe glaubhaft geschildert, dass er den Kläger wegen seiner Pünktlichkeit und Verlässlichkeit geschätzt habe. Nach seinem Ausfall habe der weitere Geschäftsführer für ihn einspringen müssen. Die Entgeltzahlungen seien belegt. Nachvollziehbar habe der Kläger angegeben, dass er nach seiner Haftentlassung wiederholt um Zahlung von Vorschüssen gebeten habe. Der Zeuge habe ausgeführt, Verständnis für die finanzielle Situation des Klägers gehabt zu haben. Er habe seine Unterschrift auf den Quittungen erkannt und glaubhaft angegeben, dass ihm die Auszahlung der Restlöhne durch telefonische Mitteilung des Steuerbüros zur Höhe des geschuldeten Nettolohns möglich gewesen sei. Es habe sich auch geklärt, dass es durch das schlecht arbeitende Steuerbüro zu den verwirrenden Ab- und Anmeldungen des Klägers bei der Krankenkasse und den nachträglichen Abrechnungen gekommen sei. Der Zeuge habe nachvollziehbar und mit Detailwissen angegeben, dass das Steuerbüro seiner Ansicht nach besonders unzuverlässig gewesen sei, beispielsweise in der Abrechnung von nicht gezahlter Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt. Der Umstand, dass die Bundesagentur für Arbeit die Förderung des Arbeitsplatzes aufgehoben habe, spreche nicht gegen das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Sie basiere nach Aktenlage alleine an der fehlenden Mitwirkung der Beigeladenen im dortigen Verwaltungsverfahren, was wiederum die Annahme eines unzuverlässigen Steuerbüros stütze. Die Zweifel am Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses seien somit ausgeräumt, Verdachtsmomente für eine Scheinbeschäftigung hätten sich nicht bestätigt.
Gegen dieses ihr am 27. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten von Montag, den 28. Juli 2014. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe die eigenen Ermittlungsergebnisse fehlerhaft gewürdigt und in einer nicht mehr zu vertretenden Art und Weise bewertet. So habe der Zeuge ein wirtschaftliches Eigeninteresse gehabt, weil Rückforderungen der Bundesagentur für Arbeit möglich seien. Es lasse sich auch ein ideelles Interesse des Zeugen am Ausgang des hiesigen Verfahrens annehmen. Es sei nicht fernliegend, von einem in seiner Ausprägung über ein herkömmliches Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis deutlich hinausgehendes, möglicherweise schon persönliches, freundschaftliches Verhältnis zwischen dem Zeugen und dem Kläger auszugehen. Zweifelhaft sei auch, dass die einschlägigen Entgeltquittungen zum Teil ausgestellt worden seien, bevor eine zugrunde zu legende Abrechnung der Entgelte erfolgt gewesen sei. Die Aussagen hinsichtlich der Unzuverlässigkeit des Steuerbüros seien rein spekulativ gewesen. Hier hätten sich weitere Ermittlungen aufdrängen müssen. Es werde beantragt, das in Rede stehende Steuerbüro bzw. den dort seinerzeit einschlägig befassten Mitarbeiter schriftlich oder persönlich als Zeugen dazu zu befragen, wie sich das dortige Meldegeschehen bezüglich der Beigeladenen seinerzeit gestaltet habe, ob also die aufgrund der verwirrenden zeitlichen Abfolge von Meldungen und Korrekturen etc. nur als ungewöhnlich zu bezeichnende Handlungsweise seitens des Steuerbüros tatsächlich ausschließlich von dort zu vertreten sei (etwa durch Organisationsverschulden im Büro) oder aber sich aus der Zu- bzw. Mitarbeit des dortigen Mandanten ergeben habe. Das SG habe auch nicht diskutiert, ob sich die Beigeladene ein Verschulden des Steuerbüros habe zurechnen lassen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er weist darauf hin, dass er keinerlei Einfluss auf das Steuerbüro gehabt habe.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 21. Dezember 2015 hingewiesen worden. Der Hinweis ist mit Verfügung vom 24. März 2016 im Hinblick auf den Schriftsatz der Beklagten vom 18. Februar 2016 nochmals erteilt worden.
Der Berufung bleibt Erfolg versagt. Zu Recht hat das SG den streitgegenständlichen Bescheid vom 2. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2012 aufgehoben und das Bestehen von Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung festgestellt. Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verweist der Senat auf die ausführliche Begründung der angegriffenen Entscheidung, § 153 Abs. 2 SGG.
Der Senat teilt die Überzeugung des SG, dass die Verdachtsmomente, es habe sich nur um ein fingiertes Scheinbeschäftigungsverhältnis gehandelt, ausgeräumt sind. Es hat sich umfassend mit den Verdachtsmomenten, insbesondere der verwirrenden An- bzw. Abmeldesituation und der (verspäteten) Erstellung der Entgeltabrechnungen, auseinandergesetzt.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist nur noch zu ergänzen, dass die Frage, ob die Unzulänglichkeiten bei der Personalbuchhaltung auf einem (Organisations )Verschulden des Steuerbüros oder einem bei der Beigeladenen beruhen, hier nicht entscheidungserheblich ist. Im Streit steht die Frage der Beschäftigung des Klägers. Den Beweisanregungen zur näheren Erforschung der Arbeitsweise des Steuerbüros war deshalb nicht nachzugehen.
Selbst wenn das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Chef, dem Zeugen S, freundschaftlich gewesen sein sollte, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Scheinbeschäftigungsverhältnisses.
Dass sowohl der Kläger als auch der Zeuge S vor Gericht gelogen haben könnten, hält der Senat für unwahrscheinlich. Die Übereinstimmungen in den Aussagen sind vielmehr mit großer Wahrscheinlichkeit dem Umstand geschuldet, dass beide wahrheitsgemäße Aussagen getroffen haben.
Soweit die Beklagte zuletzt ein Indiz für ein Scheinbeschäftigungsverhältnis aus dem Umstand ableiten will, dass Vorschüsse gezahlt worden seien, bevor der jeweilige Zeitraum abgerechnet worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass dies gerade der Sinn von Vorschüssen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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