Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 265/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 284/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Es spricht viel dafür, dass auch im Anwendungsbereich von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V Einkommensnachweise, die bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens eingereicht werden, rückwirkend zu berücksichtigen sind.
2. Maßgeblich für das Ende der Beschäftigung ist grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug begründen (Anschluss an BSG, Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R –, juris).
3. Das Ende einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ist zweifelhaft, wenn der Arbeitgeber den Versicherten nur deshalb abmeldet, weil dieser mehrere Tage unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen ist.
2. Maßgeblich für das Ende der Beschäftigung ist grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug begründen (Anschluss an BSG, Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R –, juris).
3. Das Ende einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ist zweifelhaft, wenn der Arbeitgeber den Versicherten nur deshalb abmeldet, weil dieser mehrere Tage unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen ist.
Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2016 geändert. Die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 13. Februar 2016 gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2014, 9. Januar 2015, 23. Januar 2015, 19. Februar 2015 und 26. Februar 2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2016, wird angeordnet, soweit darin für die Zeit vom 16. November 2015 bis zum 8. Februar 2016 der Beitragsberechnung höhere Einnahmen als den vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt wurden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragsstellers in beiden Rechtzügen zu 2/3.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2016 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und teilweise begründet. Das Sozialgericht hat es rechtsfehlerhaft abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: S 211 KR 242/16) gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2014, 9. Januar 2015, 23. Januar 2015, 19. Februar 2015 und 26. Februar 2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2016, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen. Soweit die Antragsgegnerin für die Zeit vom 16. November 2015 bis zum 8. Februar 2016 der Beitragsberechnung höhere Einnahmen als den vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt hat, bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (hierzu A.). Soweit der Antragsteller darüber hinaus die aufschiebende Wirkung seiner Klage auch im Hinblick auf die verbleibenden Beitragsansprüche sowie hinsichtlich des Ruhens seiner Leistungsansprüche in der Zeit vom 23. Februar bis 25. Mai 2016 angeordnet haben will und soweit er eine einstweilige Anordnung bezüglich des von der Antragsgegnerin abgelehnten Beitragserlasses begehrt, ist die Beschwerde unbegründet (hierzu B.).
A.I. Der Antrag des Antragstellers ist in Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig, soweit sie sich gegen die Festsetzung von Beiträgen, Säumniszuschlägen und Mahngebühren durch die Bescheide vom 2. Dezember 2014, 9. Januar 2015, 23. Januar 2015, 23. Februar 2015 und 26. Februar 2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2016, richtet. Insofern hat sie – abweichend vom Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG – gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil diese Bescheide die Beitragspflicht betreffen.
II. Dieser zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Inhalt der Begründetheitsprüfung ist eine – auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – vorzunehmende Interessenabwägung, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel anzuordnen. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrags entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne einer dynamischen Betrachtung um so höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihm in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu bewerten sind. Die wechselseitig eintretenden Folgen, die jeweils entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im Hauptsacheverfahren als unzutreffend erweisen sollte, sind in die Betrachtung mit einzubeziehen. Hierbei ist insbesondere in den Verfahren, in denen existenzsichernde Leistungen in Rede stehen, in den Blick zu nehmen, ob und mit welcher Intensität dem Antragsteller bei einer Ablehnung seines Antrages eine endgültige Verletzung von Grundrechten droht, deren Eintritt zu vermeiden nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz gerade Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist (Senat, Beschluss vom 1. Juli 2015 - L 9 AS 1583/14 B ER -, juris).
2. Die danach anzustellende Abwägung fällt hier teilweise zugunsten des Antragstellers aus, weil vieles dafür spricht, dass die angegriffenen Beitragsbescheide in wesentlichen Bereichen rechtswidrig sind.
a. Entgegen der Rechtauffassung der Antragsgegnerin dürfte sie auch im Anwendungsbereich von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) verpflichtet sein, erst im Widerspruchsverfahren eingereichte Einnahmenachweise rückwirkend zu berücksichtigen.
aa. Zu Recht sind sie und das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Antragsteller im Anschluss an das Ende seiner Beschäftigung bei der G S GmbH nach § 188 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V freiwillig versichert war. Auch die Anwendbarkeit von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V haben sie mit Recht bejaht. Danach gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen.
bb. Die Antragsgegnerin und das Sozialgericht haben jedoch außer Acht gelassen, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen ist (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 30/07 R -, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 33 m.w.N.). Dies gilt auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines (endgültigen) Beitragsbescheides. Auch hier ist im Widerspruchsverfahren der Ausgangsbescheid in dem Umfang, in dem er mit dem Widerspruch angefochten wurde, zu überprüfen. Der Ausgangsbehörde und bei Nichtabhilfe der Widerspruchsbehörde steht die Kompetenz zu, zu Gunsten des Widerspruchsführers einen rechtswidrigen Bescheid zu ändern, wenn nunmehr aufgrund neuer Tatsachen der Ausgangsbescheid nicht mehr rechtmäßig ergehen könnte (BSG a.a.O.; Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 18/09 R -, juris). Von diesem Grundsatz ist nach der Rechtsprechung auch dann nicht abzuweichen, wenn die Beiträge eines hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten aufgrund im Widerspruchsverfahren nachgereichter Einkommensnachweise festzusetzen sind. § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V alter Fassung (seit dem 16. Dezember 2008: § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V) gebietet insofern nichts Gegenteiliges (BSG a.a.O.). Dann aber dürfte dies auch im Anwendungsbereich von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V zum Tragen kommen. Denn diese Vorschrift hat die ursprünglich nur für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige geltenden Regelungen in § 240 Abs. 4 Sätze 2 und 6 SGB V, wonach der Beitragsberechnung Mindesteinnahmen je Kalendertag in Höhe des dreißigsten Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen sind, solange nicht zum Beleg niedrigerer Einnahmen Einkommensnachweise vorgelegt werden, übernommen und auf alle freiwillig Versicherten erstreckt (Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG), BT-Drs. 18/1307, S. 41).
cc. Auch § 6 Abs. 5 Satz 2 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - BVGrSz -) dürfte das Vorgehen der Antragsgegnerin nicht rechtfertigen. Danach sind Änderungen der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter aufgrund eines später vorgelegten Nachweises erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen, wenn der Nachweis nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung nach Satz 1 der Krankenkasse vorgelegt wird. Soweit darin eine Abweichung vom o.g. Grundsatz, dass bei Anfechtungsklagen die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, geregelt werden sollte, wäre eine Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich. Im Übrigen sind den dem Senat vorgelegten Verwaltungsvorgängen – nicht zuletzt wegen fehlender Absendevermerke – keine Informationen zu entnehmen, an welchen Tagen genau die Bescheide vom 2. Dezember 2014 und 9. Januar 2015 dem Antragsteller bekanntgegeben wurden.
dd. Der Antragsteller hat die Angaben zu seiner Einkommenssituation ab dem 8. September 2014 innerhalb des Widerspruchsverfahrens vorgebracht. Der Senat kann offenlassen, ob das entsprechende Schreiben des Antragsstellers vom 23. Februar 2015, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 26. Februar 2015, die einmonatige Widerspruchsfrist, die durch die Bescheide vom 2. Dezember 2014 und 9. Januar 2015 ausgelöst wurde, wahrt; wie bereits erwähnt, fehlen Absendevermerke, die eine exakte Fristberechnung ermöglichen würden. Unabhängig hiervon ist das o.g. Schreiben des Antragsstellers jedenfalls deshalb dem Widerspruchsverfahren zuzuordnen, weil die Antragsgegnerin den Widerspruch als fristgerecht angesehen und ihn im Widerspruchsbescheid nicht als unzulässig verworfen, sondern in der Sache beschieden hat (vgl. zur Bescheidung eines verfristeten Widerspruchs auch BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979 – 12 RK 19/78 –, juris).
ee. Da die Antragsgegnerin – von ihrem Rechtsstandpunkt aus konsequent –keine Belege für das Vorbringen des Antragsstellers, er habe zwischen dem 8. September 2014 und dem 8. Februar 2015 über keine Einnahmen verfügt, angefordert hat, ist dies ggf. – z.B. durch eine Auskunft des zuständigen JobCenters – nachzuholen.
b. Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob die Beschäftigung des Antragsstellers bei der G S GmbH – wie von dieser angenommen – tatsächlich am 7. September 2014 endete. Insoweit hätten sich die Antragsgegnerin und das Sozialgericht sich nicht allein auf die Angaben der Arbeitgeberin stützen dürfen.
aa. Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wer gegen Entgelt beschäftigt ist. Dieser Versicherungspflichttatbestand setzt damit eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Viertes Buch (SGB IV) voraus. Beschäftigung ist nach Satz 1 dieser Vorschrift die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Sie erfordert damit stets den Vollzug eines entsprechenden Rechtsverhältnisses, wie etwa des im Gesetz exemplarisch genannten Arbeitsverhältnisses. Der für die Annahme einer Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und deren Fortbestand erforderliche "Vollzug" besteht zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes (" Arbeit in ") idealtypisch in der realen Erbringung der "versprochenen Dienste" i.S.v. § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Indessen kann die tatsächliche Arbeitsleistung insbesondere, wenn das Arbeitsverhältnis – wie hier – bereits in der Vergangenheit tatsächlich vollzogen worden war, durch andere Umstände ersetzt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das insofern die Auffassung des Reichsversicherungsamtes übernommen und fortentwickelt hat, setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Deren Erbringung ist für die Annahme eines "Vollzuges" zwar stets hinreichend, keinesfalls aber immer notwendig. Im Sinne der ausreichenden Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes liegt vielmehr ein ausreichender Vollzug auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichteter Rechtsverhältnisse u.a. auch dann vor, wenn der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner – damit jeweils als grundsätzlich weiter bestehend vorausgesetzten – Leistungspflicht befreit wird. Soweit die Versicherungspflicht darüber hinaus Entgeltlichkeit erfordert, kann dieser Voraussetzung folgerichtig auch dadurch genügt werden, dass sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung oder entgegen den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen der § 275 Abs. 4, § 326 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung (etwa § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, § 1, § 11 Bundesurlaubsgesetz, § 615, § 616 BGB) ergibt. § 7 Abs. 1a SGB IV, der im Sinne einer übergreifenden Regelung Zweifel am (Fort-) Bestehen einer entgeltlichen Beschäftigung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beseitigen soll, bestätigt dies heute exemplarisch für die dort spezialgesetzlich erfasste Fallgruppe der Freistellung von der Arbeitspflicht bei durchgehender Entgeltzahlung auf der Grundlage gerade von Wertguthaben. Im Übrigen wurde auch im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen, dass es einer Regelung für weitere Fälle fehlender Arbeitserbringung wie etwa bei Erholungsurlaub, Krankheit oder einer Freistellung für Bildungsmaßnahmen unter Entgeltfortzahlung nicht bedürfe und insofern von der Fortgeltung einer "gefestigten Rechtsprechung" auszugehen sei, in die nicht eingegriffen werden solle (BSG, Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R –, juris).
Das BSG hat darüber hinaus eine Sozialversicherungspflicht begründende Beschäftigung dann angenommen, wenn bei einer einseitigen Freistellung von der Pflicht zur Erbringung abhängiger Arbeit eine anschließende Fortsetzung der Beziehungen im Blick auf eine bereits konkretisierte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beabsichtigt war (BSG a.a.O. m.w.N.).
Diese Wertung wird durch die Regelungen über das Ende der Mitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in § 190 Abs. 2 SGB V bestätigt. Die Versicherungspflicht Beschäftigter und folglich auch die sie begründende entgeltliche Beschäftigung enden hiernach grundsätzlich mit dem Ende des "Beschäftigungsverhältnisses". Die Bewertung vollzieht sich damit wesentlich nach dem Bestand des Rechtsverhältnisses, im Arbeitsrecht also des Arbeitsverhältnisses. Maßgeblich ist daher auch für das Ende der Beschäftigung grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug im vorstehend beschriebenen Sinne begründen (BSG a.a.O.).
bb. Hieran gemessen, lässt sich nach dem dem Senat derzeit bekannten Sachverhalt ein Beschäftigungsende am 8. September 2014, welches maßgeblich auf der fehlenden Arbeitsleistung des Antragsstellers ab dem 8. August 2014 beruhen soll, nicht feststellen.
(1) Allein die Nichterbringung der Arbeitsleistung durch den Antragsteller und die fehlende Zahlung von Arbeitsentgelt durch die Arbeitgeberin ab dem 8. August 2014 lassen das arbeitsvertragliche Band, somit auch die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, nicht entfallen.
(2) Eine Kündigung des (offensichtlich befristeten) Arbeitsverhältnisses erfolgte augenscheinlich nicht. Eine Kündigung durch die Arbeitgeberin wurde während des Verfahrens von ihr nicht behauptet und vom Antragsteller ausdrücklich bestritten. Für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur aufgrund der Befristung spricht entscheidend das Schreiben der Arbeitgeberin an den Antragsteller vom 29. September 2014, wonach das befristete Arbeitsverhältnis am 2. Oktober 2014 ende.
(3) Einseitige Handlungen bzw. Erklärungen des Arbeitgebers im Bereich des Sozialversicherungsrechts, wie z.B. die Abmeldung eines Versicherungspflichtigen nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV, können nur Folge eines Endes der Versicherungspflicht sein, nicht aber Grund und Anlass hierfür.
(4) Unterstellt man das Vorbringen des Antragsstellers, er sei zwar nach dem Tod seines Vaters am 8. August 2014 einige Tage dem Dienst unerlaubt ferngeblieben, habe aber seine Arbeitskraft nochmals angeboten, sei jedoch nicht mehr "eingeteilt" worden, spricht einiges für einen Annahmeverzug (§ 293ff. BGB) der Arbeitgeberin, der seinen Vergütungsanspruch gemäß § 615 Satz 1 BGB nicht entfallen ließe.
cc. Bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses des Antragsstellers im Jahre 2014 dürfte daher von einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auszugehen sein. Ob die Befristung bis zum 2. Oktober 2014 oder bis zum 15. November 2014 dauerte, ist wegen der widersprüchlichen Angaben der Arbeitgeberin in ihren Schreiben vom 29. September 2014 an den Antragsteller einerseits und vom 20. April 2016 an das Gericht andererseits aufzuklären.
c. Diese gravierenden Bedenken an der Rechtmäßigkeit der o.g. Beitragsbescheide lassen die Interessen des Antragsstellers gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin überwiegen. Nachvollziehbar hat der Antragsteller dargelegt, dass er im Falle einer aktuellen Lohnpfändung durch die Vollstreckungsbehörde befürchten muss, von der o.g. Arbeitgeberin künftig keine befristeten Arbeitsverträge mehr angeboten zu bekommen. Für die Antragsgegnerin hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur zur Folge, dass sie Beitragseinnahmen – die voraussichtlich auch wesentlich geringer ausfallen, als von ihr bislang berechnet – mit zeitlicher Verzögerung erhält. Sie geht selbst, wie dem o.g. Bescheid vom 7. August 2015 zu entnehmen ist, von der Möglichkeit aus, dass sich die Einkommenssituation des Antragsstellers in Zukunft bessert. Angesichts des Alters des Antragsstellers spricht in der Tat wenig dafür, dass ein Zuwarten mit der Beitreibung der Beiträge bis zur Bestandskraft der o.g. Bescheide zu einem Forderungsausfall bei der Antragsgegnerin führen könnte.
B. Im Übrigen ist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.
I. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsstellers ist er in dem Zeitraum, in dem er nach dem dem Senat bislang bekannten Sachverhalt auf jeden Fall nach § 188 Abs. 4 SGB V freiwillig versichert war, d.h. in der Zeit vom 16. November 2014 bis zum 8. Februar 2015, grundsätzlich verpflichtet, Beiträge nach den gesetzlich vorgesehenen kalendertäglichen Mindesteinnahmen in Höhe des vierzigsten Teils der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) zu zahlen. Diese Regelung gilt mangels entsprechender gesetzlicher Ausnahmeregelung für alle freiwillig Versicherten, auch wenn sie über keinerlei Einnahmen verfügen. Auf die BVGrSz kommt es angesichts der unzweideutigen gesetzlichen Formulierungen insoweit nicht an.
Zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse hat der Gesetzgeber für einkommenslose freiwillig Versicherte Leistungsansprüche nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Zweites Buch (SGB II) bzw. nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zwölftes Buch (SGB XII) geschaffen. Sofern der 1990 geborene Antragsteller nach eigener Darstellung Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten konnte, weil er mit seiner Mutter, seinen jüngeren Schwestern und seinem Stiefvater eine Bedarfsgemeinschaft bilde, deren Einkommen ausreiche, auch ihn zu versorgen, hätte ihm ggf. ein Anspruch nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz SGB II zugestanden. Danach wird für Personen, die allein durch den Beitrag zur freiwilligen Versicherung hilfebedürftig würden, der Beitrag im notwendigen Umfang übernommen. Ob er einen solchen Anspruch, ggf. über einen Antrag an das zuständige Job-Center nach § 44 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch, noch realisieren kann, ist für das Beitragsrecht des SGB V ohne Belang und im Übrigen auch nicht Gegenstand dieses Eil- bzw. des Hauptsacheverfahrens.
II. Hinsichtlich eines Beitragserlasses sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts sei verwiesen.
III. Im Hinblick auf das für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit (23. Februar bis 25. Mai 2016) angeordnete Ruhen von Leistungsansprüchen ist – losgelöst von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bescheid insoweit – nicht erkennbar, welche privaten Interessen des Antragsstellers im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von Bedeutung sein könnten, zumal er selbst angegeben hat, im gesamten fraglichen Zeitraum keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen zu haben. Im Hauptsacheverfahren wird ggf. zu prüfen sein, ob das Ruhen wegen § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V nicht hätte angeordnet werden dürfen.
C. Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2016 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und teilweise begründet. Das Sozialgericht hat es rechtsfehlerhaft abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: S 211 KR 242/16) gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 2. Dezember 2014, 9. Januar 2015, 23. Januar 2015, 19. Februar 2015 und 26. Februar 2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2016, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen. Soweit die Antragsgegnerin für die Zeit vom 16. November 2015 bis zum 8. Februar 2016 der Beitragsberechnung höhere Einnahmen als den vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt hat, bestehen erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (hierzu A.). Soweit der Antragsteller darüber hinaus die aufschiebende Wirkung seiner Klage auch im Hinblick auf die verbleibenden Beitragsansprüche sowie hinsichtlich des Ruhens seiner Leistungsansprüche in der Zeit vom 23. Februar bis 25. Mai 2016 angeordnet haben will und soweit er eine einstweilige Anordnung bezüglich des von der Antragsgegnerin abgelehnten Beitragserlasses begehrt, ist die Beschwerde unbegründet (hierzu B.).
A.I. Der Antrag des Antragstellers ist in Bezug auf die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zulässig, soweit sie sich gegen die Festsetzung von Beiträgen, Säumniszuschlägen und Mahngebühren durch die Bescheide vom 2. Dezember 2014, 9. Januar 2015, 23. Januar 2015, 23. Februar 2015 und 26. Februar 2015, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2016, richtet. Insofern hat sie – abweichend vom Regelfall des § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG – gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung, weil diese Bescheide die Beitragspflicht betreffen.
II. Dieser zulässige Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Inhalt der Begründetheitsprüfung ist eine – auf den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts – vorzunehmende Interessenabwägung, bei der unter Beachtung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidung, den Eintritt der aufschiebenden Wirkung abweichend von dem in § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG geregelten Grundsatz nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG gerade auszuschließen, die jeweiligen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind. Ergibt diese Abwägung, dass das private Interesse des jeweiligen Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung seines Bescheides überwiegt, ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel anzuordnen. Dies wiederum ist der Fall, wenn sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist und dies mit einer subjektiven Rechtsverletzung des Belasteten einhergeht, weil an der sofortigen Vollziehung eines mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stehenden Bescheides kein öffentliches Interesse besteht. Umgekehrt überwiegt das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides offensichtlich keine Bedenken bestehen. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung in aller Regel nicht anzuordnen. Lässt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides indes nicht hinreichend sicher beantworten, kommt es unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundentscheidung des Gesetzgebers für die Begründetheit des Antrags entscheidend auf die sonstigen Interessen der Beteiligten an. Grundsätzlich hat hierbei zu gelten, dass die an das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellenden Anforderungen im Sinne einer dynamischen Betrachtung um so höher sein müssen, je geringer die Erfolgsaussichten des von ihm in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu bewerten sind. Die wechselseitig eintretenden Folgen, die jeweils entstünden, wenn sich die durch das Gericht getroffene Eilentscheidung im Hauptsacheverfahren als unzutreffend erweisen sollte, sind in die Betrachtung mit einzubeziehen. Hierbei ist insbesondere in den Verfahren, in denen existenzsichernde Leistungen in Rede stehen, in den Blick zu nehmen, ob und mit welcher Intensität dem Antragsteller bei einer Ablehnung seines Antrages eine endgültige Verletzung von Grundrechten droht, deren Eintritt zu vermeiden nach Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz gerade Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist (Senat, Beschluss vom 1. Juli 2015 - L 9 AS 1583/14 B ER -, juris).
2. Die danach anzustellende Abwägung fällt hier teilweise zugunsten des Antragstellers aus, weil vieles dafür spricht, dass die angegriffenen Beitragsbescheide in wesentlichen Bereichen rechtswidrig sind.
a. Entgegen der Rechtauffassung der Antragsgegnerin dürfte sie auch im Anwendungsbereich von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) verpflichtet sein, erst im Widerspruchsverfahren eingereichte Einnahmenachweise rückwirkend zu berücksichtigen.
aa. Zu Recht sind sie und das Sozialgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Antragsteller im Anschluss an das Ende seiner Beschäftigung bei der G S GmbH nach § 188 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB V freiwillig versichert war. Auch die Anwendbarkeit von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V haben sie mit Recht bejaht. Danach gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze, sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen.
bb. Die Antragsgegnerin und das Sozialgericht haben jedoch außer Acht gelassen, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren durch den Widerspruchsausschuss abzustellen ist (BSG, Urteil vom 11. März 2009 - B 12 KR 30/07 R -, juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11.A., § 54 Rd. 33 m.w.N.). Dies gilt auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines (endgültigen) Beitragsbescheides. Auch hier ist im Widerspruchsverfahren der Ausgangsbescheid in dem Umfang, in dem er mit dem Widerspruch angefochten wurde, zu überprüfen. Der Ausgangsbehörde und bei Nichtabhilfe der Widerspruchsbehörde steht die Kompetenz zu, zu Gunsten des Widerspruchsführers einen rechtswidrigen Bescheid zu ändern, wenn nunmehr aufgrund neuer Tatsachen der Ausgangsbescheid nicht mehr rechtmäßig ergehen könnte (BSG a.a.O.; Urteil vom 30. März 2011 - B 12 KR 18/09 R -, juris). Von diesem Grundsatz ist nach der Rechtsprechung auch dann nicht abzuweichen, wenn die Beiträge eines hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten aufgrund im Widerspruchsverfahren nachgereichter Einkommensnachweise festzusetzen sind. § 240 Abs. 4 Satz 3 SGB V alter Fassung (seit dem 16. Dezember 2008: § 240 Abs. 4 Satz 6 SGB V) gebietet insofern nichts Gegenteiliges (BSG a.a.O.). Dann aber dürfte dies auch im Anwendungsbereich von § 240 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB V zum Tragen kommen. Denn diese Vorschrift hat die ursprünglich nur für hauptberuflich selbständig Erwerbstätige geltenden Regelungen in § 240 Abs. 4 Sätze 2 und 6 SGB V, wonach der Beitragsberechnung Mindesteinnahmen je Kalendertag in Höhe des dreißigsten Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde zu legen sind, solange nicht zum Beleg niedrigerer Einnahmen Einkommensnachweise vorgelegt werden, übernommen und auf alle freiwillig Versicherten erstreckt (Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG), BT-Drs. 18/1307, S. 41).
cc. Auch § 6 Abs. 5 Satz 2 der Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler - BVGrSz -) dürfte das Vorgehen der Antragsgegnerin nicht rechtfertigen. Danach sind Änderungen der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter aufgrund eines später vorgelegten Nachweises erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises folgenden Monats zu berücksichtigen, wenn der Nachweis nach Ablauf eines Monats nach der Bekanntgabe der Beitragsfestsetzung nach Satz 1 der Krankenkasse vorgelegt wird. Soweit darin eine Abweichung vom o.g. Grundsatz, dass bei Anfechtungsklagen die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, geregelt werden sollte, wäre eine Rechtsgrundlage hierfür nicht ersichtlich. Im Übrigen sind den dem Senat vorgelegten Verwaltungsvorgängen – nicht zuletzt wegen fehlender Absendevermerke – keine Informationen zu entnehmen, an welchen Tagen genau die Bescheide vom 2. Dezember 2014 und 9. Januar 2015 dem Antragsteller bekanntgegeben wurden.
dd. Der Antragsteller hat die Angaben zu seiner Einkommenssituation ab dem 8. September 2014 innerhalb des Widerspruchsverfahrens vorgebracht. Der Senat kann offenlassen, ob das entsprechende Schreiben des Antragsstellers vom 23. Februar 2015, bei der Antragsgegnerin eingegangen am 26. Februar 2015, die einmonatige Widerspruchsfrist, die durch die Bescheide vom 2. Dezember 2014 und 9. Januar 2015 ausgelöst wurde, wahrt; wie bereits erwähnt, fehlen Absendevermerke, die eine exakte Fristberechnung ermöglichen würden. Unabhängig hiervon ist das o.g. Schreiben des Antragsstellers jedenfalls deshalb dem Widerspruchsverfahren zuzuordnen, weil die Antragsgegnerin den Widerspruch als fristgerecht angesehen und ihn im Widerspruchsbescheid nicht als unzulässig verworfen, sondern in der Sache beschieden hat (vgl. zur Bescheidung eines verfristeten Widerspruchs auch BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979 – 12 RK 19/78 –, juris).
ee. Da die Antragsgegnerin – von ihrem Rechtsstandpunkt aus konsequent –keine Belege für das Vorbringen des Antragsstellers, er habe zwischen dem 8. September 2014 und dem 8. Februar 2015 über keine Einnahmen verfügt, angefordert hat, ist dies ggf. – z.B. durch eine Auskunft des zuständigen JobCenters – nachzuholen.
b. Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob die Beschäftigung des Antragsstellers bei der G S GmbH – wie von dieser angenommen – tatsächlich am 7. September 2014 endete. Insoweit hätten sich die Antragsgegnerin und das Sozialgericht sich nicht allein auf die Angaben der Arbeitgeberin stützen dürfen.
aa. Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wer gegen Entgelt beschäftigt ist. Dieser Versicherungspflichttatbestand setzt damit eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch / Viertes Buch (SGB IV) voraus. Beschäftigung ist nach Satz 1 dieser Vorschrift die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Sie erfordert damit stets den Vollzug eines entsprechenden Rechtsverhältnisses, wie etwa des im Gesetz exemplarisch genannten Arbeitsverhältnisses. Der für die Annahme einer Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und deren Fortbestand erforderliche "Vollzug" besteht zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes (" Arbeit in ") idealtypisch in der realen Erbringung der "versprochenen Dienste" i.S.v. § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Indessen kann die tatsächliche Arbeitsleistung insbesondere, wenn das Arbeitsverhältnis – wie hier – bereits in der Vergangenheit tatsächlich vollzogen worden war, durch andere Umstände ersetzt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), das insofern die Auffassung des Reichsversicherungsamtes übernommen und fortentwickelt hat, setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Deren Erbringung ist für die Annahme eines "Vollzuges" zwar stets hinreichend, keinesfalls aber immer notwendig. Im Sinne der ausreichenden Gewährleistung öffentlich-rechtlichen Versicherungsschutzes liegt vielmehr ein ausreichender Vollzug auf die Erbringung abhängiger Arbeit gerichteter Rechtsverhältnisse u.a. auch dann vor, wenn der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner – damit jeweils als grundsätzlich weiter bestehend vorausgesetzten – Leistungspflicht befreit wird. Soweit die Versicherungspflicht darüber hinaus Entgeltlichkeit erfordert, kann dieser Voraussetzung folgerichtig auch dadurch genügt werden, dass sich ein Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer entsprechenden vertraglichen Regelung oder entgegen den allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen der § 275 Abs. 4, § 326 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB aufgrund spezialgesetzlicher Anordnung (etwa § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, § 1, § 11 Bundesurlaubsgesetz, § 615, § 616 BGB) ergibt. § 7 Abs. 1a SGB IV, der im Sinne einer übergreifenden Regelung Zweifel am (Fort-) Bestehen einer entgeltlichen Beschäftigung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit beseitigen soll, bestätigt dies heute exemplarisch für die dort spezialgesetzlich erfasste Fallgruppe der Freistellung von der Arbeitspflicht bei durchgehender Entgeltzahlung auf der Grundlage gerade von Wertguthaben. Im Übrigen wurde auch im Gesetzgebungsverfahren davon ausgegangen, dass es einer Regelung für weitere Fälle fehlender Arbeitserbringung wie etwa bei Erholungsurlaub, Krankheit oder einer Freistellung für Bildungsmaßnahmen unter Entgeltfortzahlung nicht bedürfe und insofern von der Fortgeltung einer "gefestigten Rechtsprechung" auszugehen sei, in die nicht eingegriffen werden solle (BSG, Urteil vom 24. September 2008 – B 12 KR 22/07 R –, juris).
Das BSG hat darüber hinaus eine Sozialversicherungspflicht begründende Beschäftigung dann angenommen, wenn bei einer einseitigen Freistellung von der Pflicht zur Erbringung abhängiger Arbeit eine anschließende Fortsetzung der Beziehungen im Blick auf eine bereits konkretisierte Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr beabsichtigt war (BSG a.a.O. m.w.N.).
Diese Wertung wird durch die Regelungen über das Ende der Mitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in § 190 Abs. 2 SGB V bestätigt. Die Versicherungspflicht Beschäftigter und folglich auch die sie begründende entgeltliche Beschäftigung enden hiernach grundsätzlich mit dem Ende des "Beschäftigungsverhältnisses". Die Bewertung vollzieht sich damit wesentlich nach dem Bestand des Rechtsverhältnisses, im Arbeitsrecht also des Arbeitsverhältnisses. Maßgeblich ist daher auch für das Ende der Beschäftigung grundsätzlich nicht bereits die Einstellung der tatsächlichen Arbeitsleistung, sondern das kumulative Entfallen sowohl des arbeitsvertraglichen Bandes wie auch sonstiger Umstände, die im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung dessen Vollzug im vorstehend beschriebenen Sinne begründen (BSG a.a.O.).
bb. Hieran gemessen, lässt sich nach dem dem Senat derzeit bekannten Sachverhalt ein Beschäftigungsende am 8. September 2014, welches maßgeblich auf der fehlenden Arbeitsleistung des Antragsstellers ab dem 8. August 2014 beruhen soll, nicht feststellen.
(1) Allein die Nichterbringung der Arbeitsleistung durch den Antragsteller und die fehlende Zahlung von Arbeitsentgelt durch die Arbeitgeberin ab dem 8. August 2014 lassen das arbeitsvertragliche Band, somit auch die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, nicht entfallen.
(2) Eine Kündigung des (offensichtlich befristeten) Arbeitsverhältnisses erfolgte augenscheinlich nicht. Eine Kündigung durch die Arbeitgeberin wurde während des Verfahrens von ihr nicht behauptet und vom Antragsteller ausdrücklich bestritten. Für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur aufgrund der Befristung spricht entscheidend das Schreiben der Arbeitgeberin an den Antragsteller vom 29. September 2014, wonach das befristete Arbeitsverhältnis am 2. Oktober 2014 ende.
(3) Einseitige Handlungen bzw. Erklärungen des Arbeitgebers im Bereich des Sozialversicherungsrechts, wie z.B. die Abmeldung eines Versicherungspflichtigen nach § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV, können nur Folge eines Endes der Versicherungspflicht sein, nicht aber Grund und Anlass hierfür.
(4) Unterstellt man das Vorbringen des Antragsstellers, er sei zwar nach dem Tod seines Vaters am 8. August 2014 einige Tage dem Dienst unerlaubt ferngeblieben, habe aber seine Arbeitskraft nochmals angeboten, sei jedoch nicht mehr "eingeteilt" worden, spricht einiges für einen Annahmeverzug (§ 293ff. BGB) der Arbeitgeberin, der seinen Vergütungsanspruch gemäß § 615 Satz 1 BGB nicht entfallen ließe.
cc. Bis zum Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses des Antragsstellers im Jahre 2014 dürfte daher von einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auszugehen sein. Ob die Befristung bis zum 2. Oktober 2014 oder bis zum 15. November 2014 dauerte, ist wegen der widersprüchlichen Angaben der Arbeitgeberin in ihren Schreiben vom 29. September 2014 an den Antragsteller einerseits und vom 20. April 2016 an das Gericht andererseits aufzuklären.
c. Diese gravierenden Bedenken an der Rechtmäßigkeit der o.g. Beitragsbescheide lassen die Interessen des Antragsstellers gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin überwiegen. Nachvollziehbar hat der Antragsteller dargelegt, dass er im Falle einer aktuellen Lohnpfändung durch die Vollstreckungsbehörde befürchten muss, von der o.g. Arbeitgeberin künftig keine befristeten Arbeitsverträge mehr angeboten zu bekommen. Für die Antragsgegnerin hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur zur Folge, dass sie Beitragseinnahmen – die voraussichtlich auch wesentlich geringer ausfallen, als von ihr bislang berechnet – mit zeitlicher Verzögerung erhält. Sie geht selbst, wie dem o.g. Bescheid vom 7. August 2015 zu entnehmen ist, von der Möglichkeit aus, dass sich die Einkommenssituation des Antragsstellers in Zukunft bessert. Angesichts des Alters des Antragsstellers spricht in der Tat wenig dafür, dass ein Zuwarten mit der Beitreibung der Beiträge bis zur Bestandskraft der o.g. Bescheide zu einem Forderungsausfall bei der Antragsgegnerin führen könnte.
B. Im Übrigen ist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.
I. Entgegen der Rechtsauffassung des Antragsstellers ist er in dem Zeitraum, in dem er nach dem dem Senat bislang bekannten Sachverhalt auf jeden Fall nach § 188 Abs. 4 SGB V freiwillig versichert war, d.h. in der Zeit vom 16. November 2014 bis zum 8. Februar 2015, grundsätzlich verpflichtet, Beiträge nach den gesetzlich vorgesehenen kalendertäglichen Mindesteinnahmen in Höhe des vierzigsten Teils der monatlichen Bezugsgröße (§ 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V) zu zahlen. Diese Regelung gilt mangels entsprechender gesetzlicher Ausnahmeregelung für alle freiwillig Versicherten, auch wenn sie über keinerlei Einnahmen verfügen. Auf die BVGrSz kommt es angesichts der unzweideutigen gesetzlichen Formulierungen insoweit nicht an.
Zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse hat der Gesetzgeber für einkommenslose freiwillig Versicherte Leistungsansprüche nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Zweites Buch (SGB II) bzw. nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch / Zwölftes Buch (SGB XII) geschaffen. Sofern der 1990 geborene Antragsteller nach eigener Darstellung Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten konnte, weil er mit seiner Mutter, seinen jüngeren Schwestern und seinem Stiefvater eine Bedarfsgemeinschaft bilde, deren Einkommen ausreiche, auch ihn zu versorgen, hätte ihm ggf. ein Anspruch nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Halbsatz SGB II zugestanden. Danach wird für Personen, die allein durch den Beitrag zur freiwilligen Versicherung hilfebedürftig würden, der Beitrag im notwendigen Umfang übernommen. Ob er einen solchen Anspruch, ggf. über einen Antrag an das zuständige Job-Center nach § 44 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch, noch realisieren kann, ist für das Beitragsrecht des SGB V ohne Belang und im Übrigen auch nicht Gegenstand dieses Eil- bzw. des Hauptsacheverfahrens.
II. Hinsichtlich eines Beitragserlasses sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen des Sozialgerichts sei verwiesen.
III. Im Hinblick auf das für einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit (23. Februar bis 25. Mai 2016) angeordnete Ruhen von Leistungsansprüchen ist – losgelöst von der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bescheid insoweit – nicht erkennbar, welche privaten Interessen des Antragsstellers im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von Bedeutung sein könnten, zumal er selbst angegeben hat, im gesamten fraglichen Zeitraum keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen zu haben. Im Hauptsacheverfahren wird ggf. zu prüfen sein, ob das Ruhen wegen § 16 Abs. 3a Satz 4 SGB V nicht hätte angeordnet werden dürfen.
C. Diese Entscheidung kann gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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