S 30 AS 2955/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
30
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 30 AS 2955/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung; Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Wittenberg
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 7. Mai 2012 in der Fassung des geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 15. November 2012 sowie unter Abänderung des Änderungsbescheids vom 7. Mai 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2012 verurteilt, der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat April 2012 in Höhe von 39,10 Euro zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte erstattet die Kosten der Klägerin zu einer Quote von 30 %.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) im Monat April 2012 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in den Grenzen der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 %.

Die am ... 1961 geborene Klägerin stand im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten. Sie bewohnt seit ... 1995 gemeinsam mit ihrem Ehemann Herrn L. S. eine 77,8 m² große 3-Zimmer-Wohnung im Ortsteil M., der zu der Stadt B. im Landkreis Wittenberg gehört. Die Wohnung wird mit Öl beheizt und befindet sich in einem 507,73 m² großen Wohnhaus. Die Warmwassererhitzung erfolgt zentral durch die Heizungsanlage. Die zu entrichtende Grundmiete einschließlich Nebenkosten betrug 484,50 Euro (Grundmiete: 418,00 Euro, Nebenkosten: 66,50 Euro). Heizkosten fielen in Höhe von 71,60 Euro an. In dem Bescheid vom 14. September 2011 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die tatsächlichen Aufwendungen der Klägerin und ihres Ehegatten für Unterkunft und Heizung nach der Handlungsempfehlung des Beklagten unangemessen hoch seien. Er forderte diese auf, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis 31. März 2012 auf ein angemessenes Maß zu senken. Für einen Zwei-Personen-Haushalt seien lediglich 309,00 Euro als angemessene Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) anzusehen. Die Angemessenheit der Heizkosten ergäbe sich aus dem im aktuellen bundesdeutschen Heizspiegel angegebenen Wert für einen Zwei-Personen-Haushalt mit einer angemessenen Wohnfläche von 60 m².

Die Krankenkasse der Klägerin bewilligte dieser mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 Krankengeld in Höhe von 12,92 Euro kalendertäglich. Der Ehemann der Klägerin übte eine Erwerbstätigkeit bei der Firma S. in L. aus, für die er monatlich gleichbleibend ein Bruttoentgelt von 477,69 Euro = Netto: 368,69 Euro erhielt.

Am 6. März 2012 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab April 2012 bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 2. April 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Ehemann vorläufig Leistungen in Höhe von 553,70 Euro für den Monat April. Hierbei rechnete der Beklagte vorläufig das Krankengeld der Klägerin in Höhe von 336,44 Euro sowie das Einkommen des Ehegatten der Klägerin in Höhe von 370,00 Euro netto an. Die berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung betrugen 380,60 Euro.

Unter dem 25. April 2012 reichte die Klägerin den Nachweis über den Erhalt von Krankgeld für den Monat März 2012 bei dem Beklagten ein. Die Krankenkasse der Klägerin überwies das Krankengeld am 5. April 2012 in Höhe von 388,20 Euro.

Mit Änderungsbescheid vom 7. Mai 2012 berücksichtigte der Beklagte das Krankengeld der Klägerin in Höhe von 388,20 Euro abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 Euro und forderte mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom selben Tag 25,88 Euro von der Klägerin zurück. Eine Bewilligung erfolgte nunmehr in Höhe von 501,94 Euro weiterhin unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 380,60 Euro für die Bedarfsgemeinschaft.

Hiergegen legte die Klägerin am 22. Mai 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Einkommensanrechnung nicht nachvollziehbar sei, zudem seien nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt worden.

Mit Änderungsbescheid vom 15. November 2012 berücksichtigte der Beklagte als Einkommen des Ehemanns der Klägerin lediglich 368,69 Euro (bereinigt: 193,15 Euro) und bewilligte nunmehr 503,25 Euro ohne Änderung der Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Rückforderung korrigierte der Beklagte mit Änderungsbescheid zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom selben Tag auf 25,22 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin nach Abänderung des Bescheids vom 7. Mai 2012 auf einen Aufhebungs- und Erstattungsbetrag von 25,22 Euro als unbegründet zurück. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Grundlage für die Gewährung der Kaltmiete bilde die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung. Grundlage zur Ermittlung der angemessenen Heizkosten bilde der bundesdeutsche Heizkostenspiegel. Die Kaltmiete sei unangemessen hoch, hierauf seien die Klägerin und ihr Ehemann mit Bescheid vom 11. September 2011 hingewiesen worden. Angemessen seien lediglich eine Kaltmiete in Höhe von 309,00 Euro sowie ein monatlicher Heizkostenverbrauch von 88,00 Euro. Die tatsächlichen Heizkosten betragen 71,60 Euro, diese seien angemessen. Es sei das Einkommen der Klägerin anzurechnen – ihr sei Krankengeld in Höhe von 358,20 Euro im April 2012 zugeflossen. Zudem sei das Einkommen des Ehemanns nach Bereinigung um die Freibeträge in Höhe von 193,15 Euro anzurechnen. Der Klägerin und ihrem Ehegatten stehe ein Anspruch von 503,25 Euro zu. Bewilligt worden seien 553,70 Euro, so dass die Überzahlung in Höhe von 25,22 Euro von der Klägerin zu erstatten sei.

Hiergegen richtet sich die am 29. November 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobene Klage, mit der die Gewährung eines verfassungsgemäßen Regelleistungssatzes sowie die Berücksichtigung eines Kaltmietbetrags von 442,20 Euro begehrt werden. Die Kosten der Unterkunft seien bis zur Grenze der Werte der Wohngeldtabelle und einem Sicherheitszuschlag von 10 % zu übernehmen. Die Absenkung der Kosten für die Grundmiete sei rechtswidrig. Die Richtlinie beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept, wie vom Bundessozialgericht in seiner ständigen Rechtsprechung gefordert werde. Die erhobenen Daten in dem "Endbericht für Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" seien nicht ausreichend. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde. Weder die Schlüssigkeit der Datenerhebung noch die Schlüssigkeit der konkreten Berechnungen seien überprüfbar. Offensichtlich seien sämtliche Erhebungsdaten gelöscht worden. Dem Beklagten habe offenbar das Datenmaterial selbst auch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Aber selbst bei der Möglichkeit zur nachträglichen Wiederherstellung der Daten sei das Konzept unschlüssig. Nicht schlüssig sei die Herausnahme der Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Mietwerterhebung. Es handele sich bei den hier aufgeteilten drei Vergleichsräumen um überwiegend ländlich strukturierte Gebiete. Die Mehrzahl der Wohnungen befinde sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Der gesamte Wohnungsmarkt sei aber zu betrachten. Es seien Daten teilweise nicht bloß empirisch ermittelt, sondern von vornherein – sozusagen zielorientiert – bestimmte Mietwerte ausgesucht worden. Bei den "Wohnungsmarkttypen" könne auch nicht von homogenen Vergleichsräumen ausgegangen werden. Die verkehrstechnische Verbundenheit einzelner Siedlungsgebiete sei gar nicht berücksichtigt worden. Die Verbundenheit der neuen Einheitsgemeinde Zahna-Elster etwa mit Wittenberg und der Umstand, dass dort eine eher gehobene Wohngegend vorzufinden sei, die keinesfalls unter dem Niveau von Wittenberg selbst liege, komme in dem Konzept ohne schlüssigen Grund schon gar nicht vor. Die hinreichende Größe der Vergleichsräume sei auch nicht gegeben. Dies zeige sich u.a. daran, dass in weiten Teilen gar keine Werte haben ermittelt werden können. Es seien in den gebildeten drei Vergleichsräumen nicht jeweils mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes in die Erhebung einbezogen worden. Auch die Bildung und Bewertung der Vergleichsräume sei im Ergebnis nicht schlüssig, da der Wohnungsmarkt Typ 3 hinsichtlich der Indikatoren mehr +-Zeichen als der Wohnungsmarkttyp 2 habe. Inwieweit aus der Wahlbeteiligung an einer einzigen Kommunalwahl im Jahr 2007 verlässliche Rückschlüsse auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung gezogen werden könnten, sei nicht schlüssig, zumal diese Wahl aufgrund der Kreisgebietsreform stattgefunden habe. Desweiteren sei das Pro-Kopf-Einkommen, was in der Tat ein wesentlicher Indikator sei, aus 2004 gewählt worden. Gerade mit der Einführung des SGB II habe sich das Pro-Kopf-Einkommen im Landkreis bezogen auf die Vergleichsräume erheblich verschoben. Es sei ein starker Zuzug von SGB II-Leistungsbeziehern in Gebiete mit Neubaubebauung erfolgt, während sich ein starker Zuzug von Personen mit höherem Pro-Kopf-Einkommen in die Umlandgegenden sowie die Innenstadt von Wittenberg vollzogen habe. Die vom Beklagten im Verfahren übersandten Rohdaten würden nicht erkennen lassen, in welchen Gebieten der gebildeten Vergleichs- bzw. Wohnungsmarkträume und inwiefern die Daten etwa nur aus einem bestimmten Straßenzug oder durch Streuung der Befragung über das gesamte Ortsgebiet erhoben worden seien. Es sei auch nicht erkennbar, welche konkreten Vermieter oder Mieter aus den entsprechenden Befragungen geantwortet hätten und nach welchen Kriterien die Vermieter ausgewählt worden seien. Ob die übermittelten Daten überhaupt sachlich zutreffend seien, könne nicht überprüft werden. Es ist anhand der extrem niedrigen Werte zu besorgen, dass ausschließlich Preise aus unattraktiven, eher minderwertigen Wohngegenden erhoben worden seien. In die Auswertung seien 4.632 Mieten von 72.000 Wohnungen, also nicht einmal annähernd 10 % eingeflossen. Rechtswidrig sei die Unterteilung der Wohnungsmarkttypen allein entlang der politischen Verwaltungsgrenzen. Denn dadurch werde die Verwaltungsneugliederung, die eine Mischung von ländlichen und städtisch geprägten Wohngegenden im Rahmen der Einheitsgemeindebildung vorgenommen habe, bruchlos auf die Wohnungsmarktsituation übertragen. Das Konzept sei nicht schlüssig und könne nicht Grundlage sein. Daher seien mindestens die Kosten nach dem Wohngeldgesetz zzgl. 10 % Sicherheitszuschlag zu Grunde zu legen. Die Klägerin und ihr Ehegatte würden diese Kosten sogar unterschreiten. Im Übrigen würde § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II keine Anhaltspunkte erkennen lassen, dass der Begriff der Angemessenheit immer nur das untere Preissegment eines lokal begrenzten Wohnungsmarktes umfasse. Die bundesrechtlich einheitliche Norm sei schon so unbestimmt, dass im Einzelfall grundsätzlich immer die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung anerkannt werden müssten. Etwas anderes dürfte nur dann gelten, soweit die jeweiligen Unterkunftsverhältnisse in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen der Leistungsberechtigten stehen würden. Nur offensichtliche Luxusunterkünfte müssten nicht finanziert werden. Weiterhin seien die Regelleistungen verfassungswidrig zu gering bemessen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 7. Mai 2012 in der Fassung des geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 sowie unter Änderung des Änderungsbescheids vom 7. Mai 2012 (Bewilligungszeitraum 4/2012) in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. November 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 höhere Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage zu übernehmender Kosten der Unterkunft und Heizung von 442,20 Euro Kaltmiete zuzüglich 71,60 Euro Heizkosten sowie auf Grundlage eines verfassungsgemäß bestimmten Regelleistungssatzes für April 2012 zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich zunächst auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, dass er hinsichtlich der Regelbedarfe an die gesetzlichen Regelungen gebunden sei. Die vom Beklagten gewählte Angemessenheitsgrenze sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche den Vorgaben des Bundessozialgerichts. Bezüglich der Größe der angemessenen Wohnfläche sei auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau zurückgegriffen worden. Die beauftragte Firma A. (in Folgenden Firma A.) habe in dem von ihr erstellten Konzept das gesamte Kreisgebiet des Landkreises Wittenberg als Vergleichsraum definiert und diesen weiter ausdifferenziert und innerhalb des Vergleichsraums in verschiedene Wohnungsmarkttypen aufgegliedert, um Segregation bzw. Gettoisierung zu vermeiden. Die Wohnungsmarkttypen würden Gebiete gleicher oder ähnlicher Wohnungsmarkt- und Mietpreisstruktur zusammenfassen und seien mit dem wissenschaftlich gebräuchlichen Verfahren der Clusterbildung durchgeführt. Die Wohnungsmarkttypen würden die Vergleichsräume differenzieren. Ein Wohnungsmarkttyp könne – müsse jedoch nicht – einen Vergleichsraum bilden. Er stelle eine Differenzierung der Angebotsstruktur innerhalb eines Vergleichsraumes dar. Die Datenerhebung habe sich auf den gesamten Vergleichsraum im Sinne des gesamten Landkreises Wittenberg bezogen. Es habe eine Definition des Gegenstandes der Beobachtung stattgefunden. Bei den Mietwerterhebungen seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung verfügten. Wohnung die diesem Standard nicht genügten, seien unberücksichtigt geblieben. Weiterhin sei hinsichtlich der Brutto- und Nettomieten sowie nach Wohnungsgrößen differenziert worden. Der Beobachtungszeitraum habe von Mai bis November 2010 stattgefunden. In der zweistufigen Erhebung seien die größeren Vermieter und Verwalter identifiziert, angeschrieben und um Auskunft gebeten worden. In der zweiten Stufe seien kleinere Vermieter in der Erhebung berücksichtigt worden. Darüber hinaus seien nach dem Zufallsprinzip und dem Stichprobenprinzip Mieter angeschrieben worden. Unter Verweis auf den Endbericht habe die Firma A. 10.914 Datensätze erhoben, wovon tabellenrelevante Mietwerte in Höhe von 4.632 in die Berechnung eingeflossen und damit repräsentativ seien. Zudem seien in die Mietwerterhebung nur die Daten aufgenommen worden, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart worden seien, um nur aktuell zu zahlende Mieten zugrunde zu legen. Die Datenauswertung entspreche anerkannten mathematischen und statistischen Grundsätzen. Die daraus gezogenen Schlüsse seien nachvollziehbar, verständlich und begründet.

Der Beklagte hat der Kammer folgende Unterlagen übersandt:

- Verwaltungsvorschriften des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII) – Stand 18.02.2014, 3. Juni 2013, 9. Oktober 2012 und 15. März 2011,

- Endbericht Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg & Konzepte,

- Endbericht KdU-Richtwerte 2013 - Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2010 vom 14.11.2013 der Firma A.,

- Stellungnahmen der Firma A. vom 26. Juni 2015, 18. März 2015, 13. Februar 2015, 22. Dezember 2014 und 4. Juni 2013,

- E-Mail-Mitteilung des Trägers/Stellungnahme der Firma A. vom 13. Oktober 2015,

- E-Mail-Mitteilung des Trägers/Stellungnahme der Firma A. vom 15. Oktober 2015,

- Ausgangsdaten der Mietwerterhebung der Firma A. Teil I-III (3 Ordner Blätter 1 -775)

Die Kammer hat diese Unterlagen zur Generalakte der 30. Kammer "Landkreis WB, Richtlinie KdU, Rohdaten" genommen und in das Verfahren einbezogen.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Generalakte der 30. Kammer "Landkreis WB, Richtlinie KdU, Rohdaten" haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Die Klägerin begehrt die Aufhebung von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden sowie die nach Abänderung der Bewilligungsbescheide die Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für den Monat April 2012. Streitgegenständlich sind der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2012 in der Fassung des geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 sowie der Änderungsbescheid vom 7. Mai 2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 15. November 2012 jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012. Unschädlich ist, dass mit den streitgegenständlichen Änderungsbescheiden lediglich eine Änderung der bewilligten Leistungen aufgrund der Einkommenserzielung erfolgte und die Höhe der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung gleich geblieben sind. Im Änderungsbescheid ist ausgeführt: "Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) werden nunmehr für die Zeit vom 01.04.2012 bis 30.04.2012 in folgender Höhe bewilligt: ". Sodann erfolgt die Bezifferung des Regelbedarfs und der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Monat April 2012. Damit beinhaltet der Bescheid eine neue Berechnung des vollständigen Leistungsanspruchs und hat daher insgesamt eine regelnde Wirkung (so auch mit weiteren Nachweis: Thüringer Landessozialgericht vom 8. Juli 2015 – L 4 AS 718/14 – zitiert nach juris). Vom Regelungsgehalt sind daher auch die Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst. Im Übrigen ist der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 20. November 2012 in eine Sachprüfung hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung eingetreten.

3. Die Klage ist teilweise begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind teilweise rechtswidrig und beschweren die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hat abzüglich der mit Änderungsbescheid vom 15. November 2012 bereits bewilligten und mit Widerspruchsbescheid auch endgültig festgesetzten Leistungen (vgl. hierzu Bundessozialgericht vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R) von 503,25 Euro noch einen Anspruch auf die Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 39,10 Euro für den Monat April 2012. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass bereits ein Betrag von 553,70 Euro ausgezahlt wurde, so dass lediglich eine Auszahlung an die Klägerin in Höhe von 13,88 Euro zu erfolgen hat.

Eine Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin besteht nicht, so dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2012 in der Fassung des geänderten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 bereits deswegen rechtswidrig und die Klägerin im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert ist.

a) Nach § 19 Satz 1 SGB II (in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011), wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die im streitgegenständlichen Zeitraum 51-jährige Klägerin ist erwerbsfähig gewesen und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden.

b) Nach § 20 Abs. 4 SGB II betrug die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 374,00 Euro. Haben zwei Partner einer Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen ein Betrag in Höhe von monatlich 337,00 Euro anzuerkennen. Der Klägerin und ihrem Ehemann stehen damit im April 2012 eine Regelleistung in Höhe von monatlich jeweils 337,00 Euro zu. Ein höherer Regelbedarf ergibt sich für die Klägerin auch nicht aus der Verfassung. Die Kammer ist der Auffassung, dass die Festsetzung des Regelbedarfs durch den Gesetzgeber verfassungsgemäß erfolgte. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 verwiesen, wonach die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II derzeit noch verfassungsgemäß sind (Az.: 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 – zitiert jeweils nach juris).

c) Als Bedarf für Unterkunft und Heizung sind für die Klägerin und ihrem Ehemann Aufwendungen in Höhe von 387,20 Euro in den Grenzen der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% für den Ort B. für einen Zweipersonenhaushalt zu berücksichtigen. Die Kosten der Unterkunft sind grundsätzlich anteilig pro Kopf zu ermitteln (Kopfteilprinzip), da die Zuordnung zu gleichen Anteilen auf die in der Wohnung lebenden Personen aus Praktikabilitätsgründen unabhängig von Alter, konkretem Wohnflächenbedarf oder Nutzungsintensität erfolgt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2008, Az. B 11b AS 13/06 R, Rn. 13 - zitiert nach juris). Auf die Klägerin entfällt hiervon ein Kopfanteil von 193,60 Euro.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vergleiche Bundessozialgericht vom 22. August 2012 - B 14 AS 1/12 R – zitiert nach juris).

Aus dem Mietvertrag entstanden der Klägerin und ihrem Ehemann monatliche Aufwendungen für die Grundmiete von 418,00 Euro zuzüglich einer Vorauszahlung für die Betriebskosten von 66,50 Euro sowie für die Heizkosten von 71,60 Euro.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Bruttokaltmiete nicht auf 309,00 Euro, zu begrenzen, sondern in Höhe der Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% bei der Berechnung zu berücksichtigen. Nach Auffassung der Kammer bestehen keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 14. September 2011. Ob subjektive Gründe für einen (längeren) Verbleib in der Wohnung vor.

Die von dem Beklagten herangezogene Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII ist für eine Begrenzung von Wohnkosten auf den in der Mietwerterhebung ermittelten Betrag von 309,00 Euro nicht tauglich. Die Mietwerterhebung entspricht nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist in einer zweistufigen Prüfung zunächst eine abstrakte und sodann eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt (dazu aa) sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist (dazu bb). Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – zitiert nach juris) (dazu cc).

aa) Die Größe der Wohnung der Klägerin und ihres Ehemanns ist als unangemessen zu betrachten. Der Beklagte geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Urteile vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07 und vom 9. Mai 2012 - L 5 AS 2/09 – jeweils zitiert nach juris) zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen. Die Wohnung der Klägerin und ihres Ehegatten überschreitet diese Größe um 17,8 m². Diese Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre nach den oben dargestellten Grundsätzen allerdings grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus den Unterkunftskosten je m² und der tatsächlichen Wohnfläche gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es sind jedoch zumindest die für eine angemessene Wohnung – hier von 60 m² – zu gewährenden Kosten zu übernehmen, so dass die Höhe der angemessenen Kosten festzustellen ist.

bb) Bei der zunächst vorzunehmenden Prüfung des Vergleichsraums ist nach Auffassung der Kammer nicht der gesamte Landkreis Wittenberg als Vergleichsraum anzusehen, da die Städte und Gemeinden des Kreisgebietes insgesamt nicht nach Lage, Größe und Struktur vergleichbar sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei der Bestimmung des Vergleichsraumes ausreichend große Räume der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit festzulegen. Der Vergleichsraum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen. Es kann also nicht schematisch auf das Gebiet des zuständigen kommunalen Trägers oder auf den kommunalverfassungsrechtlichen Gemeindebegriff abgestellt werden. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es – insbesondere im ländlichen Raum – geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann (vgl. Bundessozialgericht vom 16. Juni 2015 – B 14 AS 44/14 R, Rn. 17; vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rn. 21; vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – jeweils zitiert nach juris).

Unzutreffend geht der Beklagte (vgl. dazu die Stellungnahme der Firma A. vom 4. Juni 2013) von dem gesamten Kreisgebiet als Vergleichsraum aus. Die durch den Konzeptersteller eingerichteten Wohnungsmarkttypen bilden nach deren ergänzender Stellungnahme nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Die Vorgehensweise, den gesamten Kreis als Vergleichsraum zu benennen, kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Landkreis Wittenberg ist ein solches Mittelzentrum nach Auffassung der Kammer jedoch nicht in der Lutherstadt Wittenberg zu sehen. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass bestimmte Gemeinden, wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt sind (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015 - S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13). Eine weitere Differenzierung des Kreisgebietes ergibt sich zur Überzeugung der Kammer durch die Zweiteilung des Kreisgebietes durch die Elbe. Infrastrukturell führt dies dazu, dass einzelnen Gemeinden nur über Brücken/Fähren verbunden sind.

Auch aus der geschichtlichen Entwicklung des Landkreises ergibt sich kein einheitlicher Lebensbereich. Während der DDR-Zeit war von 1952 bis 1990 nach Auflösung des Landes Sachsen-Anhalt sowie der Einführung von Bezirken der Kreis Wittenberg unterschiedlichen Bezirken zugeordnet: so z.B. zu den Bezirken Potsdam (einige Gemeinden im damaligen Kreises Jüterbog) und Cottbus (Kreis Jessen) sowie dem Bezirk Halle (Kreis Wittenberg, Kreis Gräfenhainichen) (vgl. dazu den Eintrag zum Landkreis Wittenberg unter: www.wikipedia.de). Erst mit der ersten Kreisgebietsreform nach dem Beschluss des Landtags Sachsen-Anhalt vom 3. Juni 1993 entstand 1994 der Landkreis Wittenberg aus dem bisherigen Kreis Wittenberg und dem Kreis Jessen. Mit der Zweiten Kreisgebietsreform am 1. Juli 2007 endete zunächst formal die Existenz des bisherigen Kreises und wurde als Rechtsnachfolger der (gleichnamige) Landkreis Wittenberg geschaffen, dem die zwei Verwaltungsgemeinschaften Coswig (Anhalt) und Wörlitzer Winkel mit ihren Gemeinden aus dem bisherigen Landkreis Anhalt-Zerbst zugeordnet wurden (www.wikipedia.de).

Eine Differenzierung des Landkreises in zwei unterschiedliche Vergleichsräume, wie dies durch die konzepterstellende Firma A. in ihrer Stellungnahme vom 4. Juni 2013 als möglich erachtet wird, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum, findet in dem Endbericht zur Mietwerterhebung aus Januar 2011 (im Folgenden Endbericht) keine Erwähnung. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen. Der Wohnungsmarkt des Landkreises werde demnach in Raumeinheiten mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten unterteilt und für diese Wohnungsmärkte seien Vergleichsmieten ermittelt worden. Dies geschah mit Hilfe des statistischen Verfahrens der sog. Clusteranalyse, eines Analyseverfahrens, das es ermöglicht, Objekte innerhalb einer Grundgesamtheit zu identifizieren und zusammenzufassen, deren Eigenschaften oder Eigenschaftsausprägungen bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. hierzu Seiten 2 bis 7 des Endberichts).

Die durch die Clusteranalyse ermittelten Wohnungsmarkttypen können nach der Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraumes ersetzen. Hier wurden gerade nicht die Kriterien für die Festlegung eines Vergleichsraumes, das Vorliegen eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs, räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit, zugrunde gelegt (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 17. August 2012 - S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – zitiert nach juris). Vielmehr waren Indikatoren für die Festlegung: die Bevölkerungsentwicklung, die Bevölkerungsdichte, Pro-Kopf-Einkommen, Siedlungsstruktur, Wohnfläche sowie die Wahlbeteiligung (Endbericht S. 4). Der Einfluss der Indikatoren auf die Mietpreisbildung, wie vom Konzeptersteller im Endbericht erläutert, kann die Kammer im Hinblick auf die Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – nachvollziehen. Ein Einfluss der Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (2007) im Landkreis Wittenberg auf den Wohnungsmarkt erschließt sich der Kammer jedoch nicht (so bereits auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015 - S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13). Rückschlüsse aus der so vorgenommenen Clusteranalyse auf einen Vergleichsraum kann die Kammer nicht ziehen. Es wird sogar durch den Konzeptersteller ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Die sich hieraus ergebende Verteilung der Wohnungsmarkttypen als zusammenhängende Gebiete ist zur Überzeugung der Kammer insoweit zufällig und gerade nicht dem Vorliegen von homogenen Wohn- und Lebensräumen geschuldet.

Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – zitiert nach juris). Es kann hier jedoch dahinstehen, ob die Kammer den Landkreis ohne die Lutherstadt Wittenberg (Wohnungsmarkttypen 2 und 3) als maßgeblichen Vergleichsraum ansieht, da eine Nutzung der durch den Konzeptersteller erhobenen Daten für die Wohnungsmarkttypen 2 und 3 zur Überzeugung der Kammer nicht möglich ist. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sich aus den in Tabellenform vorgelegten Daten eine Konzentration der erhobenen Wohnungen auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen ist. Es sind weder Straßennamen noch zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich.

cc) Im Übrigen entspricht auch die Festlegung der angemessenen Bruttokaltmiete durch den Beklagten nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts. Zwar ist der Beklagte bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete, die sich als Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis ergibt, grundsätzlich bei der Wahl seiner Methode frei. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht vom 18. November 2014 - B 4 AS 9/14 R – zitiert nach juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R – zitiert nach juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (Bundessozialgericht vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 sowie B 4 AS 45/14 – zitiert nach juris):

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zum Beispiel welche Art von Wohnungen, gegebenenfalls Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- oder Netto-Kaltmiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zum Beispiel Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zum Beispiel Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R). Hierbei hat durch die Verwaltung zunächst eine Festlegung zu erfolgen, wie das untere Marktsegments zu definieren ist. Diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – zitiert nach juris).

Der Konzeptersteller, die Firma A. hat eine solche Bestimmung lediglich für Wohnungen des Substandards – als Wohnungen ohne "Bad" und "Sammelheizung" – vorgenommen (Endbericht, Seite 7). Substandardwohnungen sollten insoweit nach den Ausführungen im Endbericht unberücksichtigt bleiben. Hierbei hält die Kammer diese Definition für nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Es erschließt sich jedoch für die Kammer nicht, ob bei der Bestimmung der Vergleichsmiete solche Wohnungen tatsächlich mit erhoben und damit mit einbezogen wurden. Der Beklagte konnte weder durch die Vorlage der angeforderten Mieterfragebögen noch der Vermieterfragebögen nachweisen, dass eine Erhebung von Substandardwohnungen nicht erfolgte. Weder in den Fragebögen noch in den hierzu erstellten Merkblättern sind Fragen zum Standard der zu erhebenden Wohnungen enthalten. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen durch persönlichen (telefonischen) Kontakt mit den Vermietern erfolgt sein soll (Stellungnahme vom 13. Februar 2015 sowie vom 25. Juni 2015) entspricht nicht den Anforderungen an ein transparentes Verfahren (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015, S 14 AS 2582/12 sowie S 14 AS 822/13 und vom 16. November 2015 – S 7 AS 1732/12 – zitiert jeweils nach juris). Ein solcher Kontakt ist im Mietersegment zudem nicht erfolgt. Hierzu widersprüchlich teilt in der Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ein Vertreter des Konzepterstellers, der Firma A. mit, dass möglicherweise geringe Anteile von Substandardwohnungen im Auswertungsdatensatz enthalten sein könnten, diese aber statistisch durch die Extremwertkappung zu vernachlässigen seien. Aus der weiteren Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ergibt sich jedoch, dass in der amtlichen Statistik das Merkmal der Substandardwohnungen letztmalig mit der Gebäude- und Wohnungszählung aufgenommen und seitdem nicht mehr aktualisiert worden ist und hierfür entsprechend keine konkreten Angaben für den Landkreis Wittenberg gemacht werden können. Ein belastbarer, nachvollziehbarer Ausschluss der Erhebung von Wohnungen im definierten untersten Standard ist nicht ersichtlich. Dieses Vorgehen erfüllt nicht die Anforderungen an die Transparenz des Verfahrens unter Anwendung einer planvollen Methodik. Denn eine Auswertung der Daten nach anerkannten statistischen Grundsätzen erscheint fernliegend, wenn die Zahl möglicher mit erhobenen Substandardwohnungen schon gar nicht bekannt ist.

Die Kammer beanstandet darüber hinaus die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern bei der Datenerhebung. Bereits aus den im Endbericht zugrunde gelegten Ausgangsdaten ergibt sich, dass es im Landkreis Wittenberg 40.167 Wohngebäude gibt, wovon 28.167 Einfamilienhäuser und 7.216 Zweifamilienhäuser sind (Endbericht, S. 8, Tabelle 4). Von den insgesamt 72.219 Wohnungen befinden sich 45.599 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Insgesamt seien nach der Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ausgehend vom Zensus 2011 rund 8,3 % aller Einfamilienhäuser und 31,6% aller Wohnungen in Zweifamilienhäusern vermietet. Im Bereich des Wohnungsmarkttyps 3 seien rund 7,2 % der Einfamilienhäuser sowie 29,9 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet. Insoweit ergibt sich für die Kammer, dass der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet ist, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis zuverlässig abzubilden. Zwar muss die Datenerhebung nicht für alle im Vergleichsraum befindlichen Wohnungen erfolgen, insoweit genügt die Erhebung einer ausreichenden Anzahl von Stichproben. Jedoch soll die Struktur so beschaffen sein, dass darin in hinreichendem Umfang, Wohnungen aus dem gesamten Gebiet sowie von allen Eigentümergruppen vertreten sind (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Stand Januar 2013, Seite 39) (Zweifel hieran auch: Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 18. Februar 2016 – S 2 AS 2743/12 sowie vom 16. April 2015 - S 2 AS 2443/11). Ohne Angabe näherer Gründe hat der Konzeptersteller Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Gegenstand der Beobachtung ausgeschlossen, so dass insbesondere aufgrund der hohen Fallzahlen nicht die Mieten des gesamten Wohnungsmarktes untersucht worden sind. Zwar wollte der Konzeptersteller nach seinen eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappung und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14), es ist jedoch nicht per se davon auszugehen, dass gerade im ländlich geprägten Raum die Anmietung solcher Wohnungen dem Luxussegment zuzuordnen ist (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015, S 14 AS 2582/12 sowie S 14 AS 822/13 und vom 16. November 2015 – S 7 AS 1732/12 – zitiert jeweils nach juris). Die Datenerhebung nur in Geschossbauten verzerrt zur Überzeugung der Kammer den gesamten abzubildenden Mietwohnungsmarkt.

Weiterhin ausgenommen wurden nach der Fragestellung in den Fragebögen auch solche Wohnungen, die sich in einem Wohnhaus befinden, in denen der Eigentümer ebenfalls wohnt (als eine von drei Wohnparteien). Durch diese Einschränkung sowie die Einschränkung auf Häuser mit mindestens 3 Wohnungen in den Fragebögen werden von den insgesamt rund 36.500 Mietwohnungen von vornherein fast 6.900 Wohnungen im definierten Vergleichsraum von der Erhebung ausgenommen. Dies entspricht ca. 19 % des Wohnungsbestandes. Eine zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbare Begründung konnte der Beklagte nicht geben. Im Endbericht selbst erfolgt keine Begründung dieses Vorgehens. Eine Abgabe der Fragenbögen sollte bei Vorliegen einer solchen Konstellation nicht erfolgen. Diesen Ausschluss kann die Kammer nicht als planvoll ansehen, da eine Begründung hierfür zunächst nicht erfolgte. Erst in einer Stellungnahme wird betont, dass diese Wohnungen aufgrund der Filterbedingungen nicht alle erhebungsrelevant gewesen wären. Dies ist eine unzulässige Vorwegnahme von Schlussfolgerungen, die erst aus der Auswertung zu ziehen sind.

Zudem hat der Beklagte ausschließlich die von der konzepterstellenden Firma ermittelten Bestandsmieten des Wohnungsmarkttyps 3 zur Bestimmung der Angemessenheitswerte für diesen Wohnungsmarkttyp herangezogen. Die (teureren) Angebotsmieten fanden keine Berücksichtigung (vgl. Tabellen 20 des Endberichtes). Die berücksichtigten 132 Bestandsmieten mit einer Größe zwischen 50 und 60 m2 kosteten monatlich im Wohnungsmarkttyp 3 durchschnittlich 4,10 Euro pro m2 (Nettokaltmiete) und 1,05 Euro kalte Betriebskosten pro m2. Daraus ermittelte der Beklagte die Angemessenheitsgrenze von 309,24 Euro. Die 21 ermittelten Angebotsmieten kosteten demgegenüber monatlich 4,22 Euro pro m2 (Nettokaltmiete), so dass sich nach Berücksichtigung von monatlichen kalten Betriebskosten von 1,05 EURO pro m2 angemessene Kosten von 316,20 EURO ergeben.

dd) Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne weiteres auf die Sozialgerichte über (Bundessozialgericht vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R – zitiert nach juris). Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert, auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. Bundessozialgericht vom 7. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R – jeweils zitiert nach juris).

Der Wohnort der Klägerin und ihres Ehemannes gehört zur Mietstufe I. Für einen Zwei-Personen-Haushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten in Höhe von monatlich 352,00 Euro, aus dem sich erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10 % ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 387,20 Euro ergibt. Die Kaltmiete der Klägerin und ihres Ehegatten in Höhe von 484,50 Euro überschreitet diesen Betrag, so dass auf diesen Wert zu begrenzen war. An der Angemessenheit der Heizkosten in Höhe von 71,60 Euro bestehen keine Bedenken. Insoweit sind Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 458,80 Euro zu berücksichtigen.

d) Im Sinne des § 19 Satz 1 SGB II bestand damit im April 2012 ein anzurechnender monatlicher Bedarf in Höhe von:

Gesamt Klägerin Ehegatte

Regelbedarf 674,00 Euro 337,00 Euro 337,00 Euro

KdU 387,20 Euro 193,60 Euro 193,60 Euro

Heizung 71,60 Euro 35,80 Euro 35,80 Euro

Gesamtbedarf 1132,80 Euro 566,40 Euro 566,40 Euro

e) Auf diesen Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II das Einkommen anzurechnen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, zu berücksichtigen.

Die Klägerin hatte im Monat April 2012 ein Einkommen in Höhe von 388,20 Euro. Hiervon ist die Versicherungspauschale nach § 11 b Abs. 1 Nr. 3 SGB II i. V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) die Versicherungspauschale von 30,00 Euro abzuziehen, so dass 358,20 Euro anzurechnen sind.

Der Ehemann der Klägerin hatte ein Erwerbseinkommen von 477,69 Euro brutto = 368,69 Euro netto. Hiervon ist nach § 11 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II (in der Fassung vom 20. Dezember 2011) in Verbindung mit § 11 b Abs. 2 Satz 1 SGB II ein Pauschalbetrag von insgesamt 100,00 Euro monatlich für Versicherungen, geförderte Altersvorsorgebeiträge sowie die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzuziehen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400,00 Euro, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100,00 Euro übersteigt (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Da der Ehemann der Klägerin bei Berücksichtigung der Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von 30,00 Euro und der Werbungskostenpauschale in Höhe von monatlich 15,33 Euro gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Alg II-V keine, 100,00 Euro übersteigenden Ausgaben hat, können keine den Grundfreibetrag übersteigenden Absetzungen vorgenommen werden. Zusätzlich ist jedoch bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist nach § 11 b Abs. 3 Nr. 1 SGB II ein Betrag für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,00 EUR übersteigt und nicht mehr als 1000,00 Euro beträgt, in Höhe von 20 vom Hundert abzusetzen. Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Freibetrages ist das monatliche Bruttoeinkommen im Sinne des § 14 SGB IV. Es ist neben dem Grundfreibetrag ein Freibetrag von 75,53 Euro abzuziehen, so dass ein anzurechnendes Einkommen des Ehegatten der Klägerin in Höhe von 193,15 Euro verbleibt.

f) Für die Klägerin ergibt sich ein individueller Bedarf in Höhe von:

Gesamtbedarf Klägerin Ehemann

Bedarf 1132,80 Euro 566,40 Euro 566,40 Euro

Bedarfsanteil 100 % 50,00 % 50,00 %

Anzurechnendes
Einkommen 551,35 358,20 Euro 193,15 Euro

Einkommen
nach Bedarfsanteil 551,35 Euro 275,67 Euro 265,68 Euro

verbleibender
Individualanspruch 581,45 Euro 290,73 Euro 290,72 Euro

g) Abzüglich der mit Änderungsbescheid vom 15. November 2012 bereits bewilligten Leistungen 503,25 Euro und mit Widerspruchsbescheid auch endgültig festgesetzten Leistungen (vgl. zu den Voraussetzungen Bundessozialgericht vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R, Rn. 28 ff. – zitiert nach juris) ergeben sich für die Klägerin und ihren Ehegatten ein weiterer Anspruch von 78,20 Euro, wobei ein Anteil von 39,10 Euro auf die Klägerin entfällt. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass bereits ein Betrag von 553,70 Euro ausgezahlt wurde, so dass lediglich eine Auszahlung in Höhe von 13,88 Euro zu erfolgen hat.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens, insbesondere aufgrund der begehrten Gewährung eines verfassungsgemäß bestimmten Regelbedarfs sowie der Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 442,20 Euro. Im Ergebnis waren Kosten der Unterkunft und Heizung von 387,20 Euro zu berücksichtigen.

III. Die Berufung war zuzulassen, da nach Auffassung der Kammer ein nach § 144 Abs. 2 SGG bestimmter Zulassungsgrund vorliegt. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der Mietwerterhebung zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im Landkreis Wittenberg hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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